Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990516010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899051601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899051601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-16
- Monat1899-05
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgen-Ausgabe erscheint am V»? Uhr, hi« Nörnd-AuSgabe Wochentag» um b Uhr. Redaktion und Expedition: JohanniSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Bezugs-Preis t» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS- aavestellrn abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, oei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich 6.—. Direct» tägliche jkreuzbandiendung int AuSIaud: monatlich 7.50. Filialen: vtts Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), Universität-straße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Aatharinenstr. 14, Part, und KöaigSplatz?. Morgen-Ausgabe. MpMer TagMalt Anzeiger. AmtsMtt -es Königliche« Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Natyes «nd Nolizei-Nmtes -er Lta-t Leipzig. Dienstag den 16. Mai 1899. Anzeigen-Preiö die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4gr- fpalten) 50^, vor den Familirnnachrichtea (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut uusrrem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernjap nach höherem Tarif. Extra-Veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Aiijkigen stad stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Ausländische Arbeitgeber. - Mn Bild aus dem Bergarbeiterstretk auf den lothringischen Privatgruden.* *) L. In den letzten Tagen ist im lothringischen Kohlenrevier eine größere Ausstandsbewegung zum Ausbruch gekommen, die schon seit längerer Zeit droht und ihre besondere Bedeutung da durch erhält, daß sie einen Kampf darstellt zwischen belgi schen und französischen Arbeitgebern und deut- schenArbeitern. Der Ausstand ist auf den in Kleinrosseln gelegenen Gruben der Firma Les petits-fils Francois de Wendel zuerst ausgebrochen und zwar aus Gründen, deren Berechtigung sofort von der gesummten Bevölkerung anerkannt wurde. Sie bedingten die Sympathie für die streikenden Bergarbeiter, die eine Gleichstellung mit den Knappen in den fiskalischen Gruben an der Saar zu erzwingen gedenken. Auch die Behörden, welche im ersten Schreck mit 50 Gendarmen aus den Kreisen Forbach und Saar brücken erschienen, haben sehr bald diese Polizei verschwinden lassen, da sie eine musterhaft ruhige Arbeiterschaft vor sich sahen. Die Gendarmen selbst ertheilten den Arbeitern wegen ihres Ver haltens uneingeschränktes Lob. Die Bürger der Stadt Forbach lassen sogar eine Petition circuliren, die sich schnell mit Namen aus allen Ständen bedeckt. In der Schrift, die an die Gruben besitzer gerichtet ist, heißt es u. A.: „Wir stehen einmüthig aus Seiten der Bergleute und ersuchen die Firma Wendel, nicht durch rücksichtsloses Auftreten die Arbeitermassen zu verbittern." Die Arbeiter wünschen eine 20proc. Lohnerhöhung, die Errichtung von Arbeiterausschüssen und die Einführung von Lohnbüchern. Am meisten geklagt wird aber über die sanitären und Wohlfahrts- Einrichtungen. Was in dieser Beziehung Kleinrossel, eine der er tragreichsten hiesigen Gruben mit einer täglichen Förderung von 420 Wagen bei einer 3500 Mann starken Belegschaft, bietet, soll hier erwähnt werden. Auf keinem Schachte existirt eine Verbandstube; verunglückt ein Bergmann, so darf er erst nach eingeholter Erlaubniß des zu ständigen Obersteigers zu Tage gebracht werden. Aon der Halde wird er dann nach Kleinrosseln tranSportirt, aber nicht etwa auf einem Krankenwagen, sondern auf einer gewöhnlichen Karre, die eS-de» Körper nicht gestattet, sich auSzustrecken; der Bedauerns- werthe muß zusammengekauert sitzen, oder die Beine von dem Ge fährt herunterhängen lassen. Welche schwere Qual solcher Trans port den Schwerverwundeten verursacht, liegt auf der Hand. In Kleinrosseln erreicht man dann aber oft auch nicht sogleich die erste Hilfe, da kein ständiger Arzt im Spital weilt, der Knapp schaftsarzt vielmehr eine ausgedehnte Privatpraxis versieht und überdies noch Kreisphysikus ist. Wenn da deutsche Bergarbeiter, welche die musterhaften Einrichtungen der staatlichen Saargruben in sanitärer Beziehung kennen, an die Actiengesellschaft Les petitS-fils Frangois de Wendel herantreten und um Abhilfe bitten, so wird die deutsche Bevölkerung ihnen sympathisch gegen überstehen. In der Forderung heißt es: „Nothwendig ist eine Nothverbandstube auf jedem Schacht, ein ständiger Arzt im Krankenhaus und die Beschaffung eines Kranken-Transport- wagens mit Gummirädern, der so groß ist, daß der Kranke ge streckt darin liegen kann, und nicht, wie setzt, zusammengekauert." *) Da» Bild, da» der Verfasser von dem Bergarbeiterstreik auf den lothringischen Privatgruben entwirft, weicht in wesentlichen Zügen von dem ab, da» besonders in westfälischen Blättern ge zeichnet wird. Da wir aber alle Ursache haben, den in nächster Nähe de» Strrikgebiete» lebenden Verfasser für besser unterrichtet zu halten, al» ferner stehende Beurtheiler, so glaube» wir zur Wieder- gäbe seiner Darstellung verpflichtet zu sein. Die Redaktion de» „Leipziger Tageblattes." Zu diesen Mißständen paßt es auch, daß sich auf der Grube keine Brausebäder oder Waschkauen befinden, so daß der Berg mann nach der Schicht erst meilenweit wandern muß, ehe er im Stande ist, sich von dem Grubenschmutz zu reinigen. Noch übler liegen die Verhältnisse in den Gruben von Spittel und Karlingen, deren Belegschaft seit Freitag früh in den Aus stand getreten ist. Diese Bergwerke gehören der aus Belgiern und Franzosen bestehenden „Saar- und Mosel-Bergwerksgesell schaft", die für ihre deutschen Arbeiter wenig Fürsorge zeigt. Auch dort ist auf keinem einzigen Schachte eine Verbandstube. Der Verunglückte bleibt auf der Grube liegen, bis irgend ein Bauer seinen Leiterwagen, den er nach einem Uebereinkommen zu stellen hat, herbeigeholt hat. Der Verletzte wird dann auf dem Wagen, der in diesem Falle ein schweres Folterwerkzeug bedeutet, nach dem Orte Karlingen transportirt, erst dort in der Woh nung des Arztes verbunden, um dann wieder über Berg und Thal nach seiner Wohnung gefahren zu werden. Ein Hospital exi stirt nicht. Mit dieser vollständigen Vernachlässigung der sanitären Ein richtungen geht natürlich Hand in Hand die Art der Wohlfahrts einrichtungen. Auf den Gruben giebt es auch hier keine Bade gelegenheit. Die Art und Weise aber, wie die französisch-belgische Actien gesellschaft die Arbeitskraft der deutschen Bergknappen in An spruch nimmt, gereicht ihr gewiß nicht zu besonderer Ehre, und wenn die Guthmüthigen, dieses Druckes müde, sich nach Verhält nissen sehnen, wie sie bei deutschen Unternehmern und besonders auf den staatlichen Gruben im Saarrevier herrschen, so wird ihnen jeder Deutsche in diesen Bestrebungen zustimmen. Es klingt unglaublich, aber es ist tatsächlich wahr, daß die „Saar- und Mosel-Bergwerksgesellschaft" auf ihren Schächten eine 12stündige Schichtdauer eingeführt hat, wogegen die Saar gruben nur eine 8tzstündige fordern einschließlich Ein- und Aus fahrt. Die Frühschicht beginnt um 4 Uhr; wer eine Viertel stunde später kommt, darf nicht mehr einfahren. Won 4 bis 6 Uhr haben die Knappen Zimmerholz an den Arbeitsort zu tragen, worauf die Hauer ihre Thätigkeit aufnehmen bis 4 Uhr. Die zweite Schicht fährt um 5 Uhr Nachmittags ein und arbeitet bis früh 5 Uhr. > Wer aber glauben sollte, daß die Ausländer einen der über mäßigen Schachtdauer entsprechenden Lohn zahlten, der irrt. Im Gegentheil. Der Verdienst ist äußerst gering, so daß im Durch schnitt die Schlepper 1,60 bis 2 okil, die Zimmerhauer 2,70 und die Hauer 3,30 erhalten. Ueber 4 werden fast nie mals erreicht. Lohnbücher existiren überhaupt nicht, so daß Nie mand genau übersehen kann, wieviel er gefördert, welche Abzüge und weshalb er sie erlitten hat. > Das ist ein in wenig Strichen wahrheitsgemäß gezeichnetes Bild von der beklagenswerthen Lage der deutschen Bergarbeiter in Lothringen, die in den Diensten ausländischer Gesellschaften stehen und wahrlich über deren sociale Fürsorge ein Loblied an zustimmen keine Veranlassung haben. Was sie erstreben, ist die Gleichstellung mit ihren deutschen Kameraden unter deutschen Unternehmern. Die Haltung der Streikenden ist ihrer gedrückten Stimmung gemäß eine ruhige, zurückhaltende, aber sie sind, unterstützt von der Theilnahme der Bevölkerung aller Stände entschlossen, nicht von ihrem Ziele abzulassen. Der Streik hat bereits für die Industrie der Reichslande und der angrenzenden Theile Frankreichs nachtheilige Folgen gehabt. Im Elsaß haben schon einige industrielle Etablissements den Be- I trieb eingeschränkt. In Lothringen mußten die Eisen- und Stahl werke der Firma de Wendel in Hayingen ihre Arbeiter, etwa 5000 an der Zahl, schon wegen Kohlcnmangels entlassen. Währt der Streik, was voraussichtlich geschieht, noch einige Zeit, so dürfte die Industrie Lothringens einen herben Schlag erleiden, da eine Versorgung derselben mit Saarkohlen ausgeschlossen ist. So sehr dieser Zustand beklagt werden muß, so trifft doch die Verantwortung dafür in erster Linie die ausländischen Fir men, die ihren deutschen Arbeitern mehr als eine Veranlassung gegeben haben, unzufrieden mit den Einrichtungen auf ihrer Ar beitsstelle zu sein. > > >. '« - Deutsches Reich. Berlin, 15. Mai. (ZwaugSerrichtung von Gewerbegerichten.) Die Reichstagscommission zur Vor- berathung der auf die Aenderung der Gewerbegerichte ein gebrachten Anträge hat, wie au» ihrem soeben herauSgegebenen Berichte ersichtlich wird, beschlossen, dem Plenum u. a. eine Aenderung des Gesetzes dahingehend in Vorschlag zu bringen, daß in Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern die Errichtung eines Gewerbegerichts von der LandeScentralbehvrde auf Antrag betbeiligter Arbeitgeber oder Arbeiter angeordnet werden muß. Hoffentlich wird dieser Vorschlag nicht Gesetz. Ob die Ver mehrung der Gewerbegerichte überhaupt im Interesse der Allgemeinheit liegt, nachdem rS sich die Socialdemokratie an gelegen sein läßt, die Beisitzerposten an ihre Agitatoren zu vergeben und dadurch bei den Arbeitern den Eindruck hervorzurufen, alsob ihr obrigkeitliche Befugnisse zustehen, ist sehr fraglich. Jedenfalls darf man nicht übersehen, daß für das Bedürfniß der Er richtung eines Gewerbcgerichts nicht die Einwohnerzahl eines Ortes, sondern die Häufigkeit entsprechender Streitfälle maßgebend sein muß. Als daS GewerbegerichtSaesetz geschaffen wurde, tauchten auch Bestrebungen auf obliga torische Einführung für alle Gemeinden auf. Man verwarf den Gedanken, weil daS Bedürfniß nicht vor handen war, und gerade damit daS letztere geprüft werden könnte, übertrug man der LandeScentralbcbörde die Entschei dung. Jetzt will die Reichstagscommission für die Ge meinden mit über 20 000 Einwohnern die Prüfungs möglichkeit der LandeSceutralbehörde entziehen. Es kann sonach der Fall eintreten, daß Gewerbegerichte geschaffen werden müssen, die nichts zu thun haben. Die Commission tröstet sich hierüber mit der Bemerkung hinweg, daß in solchen Gemeinden regelmäßig so viel Ge werbe und Industrie vorhanden sei, daß sich dort ein Gcwerbegericht als lebensfähig erweisen werde. Dabei ist von rheinisch-westfälischen Industriellen nachzewiesen, daß selbst in manchen dortigen Industriecentren ein Gewerbegericht herzlich wenig zu thun bekommen hätte, weil eben glücklicher Weise recht wenig Streitfälle vor kommen. Wenn das der Fall in Gegenden ist, wo die Industrie concentrirt ist, wie wird e» da erst anderswo auS- sehen? Der Staat muß sich hüten, Institutionen zu schaffen, die nicht oder nicht genügend benutzt werden. Seine Autorität leidet stets darunter. Daran aber, daß erst durch das Vor handensein von Gewerbegerichtrn die Arbeitnehmer zur Er hebung von Streitigkeiten veranlaßt werden, hat doch wohl keine politische Partei außer der Socialdemokratie ein Iateresse. * Berlin, 15. Mai. (NachwuchsfürdieMarine- Verwaltung.) Es darf als eine auffällige Erscheinung be trachtet werden, daß trotz der offenbar günstigen Aussichten, welche die Laufbahnen in der Marine zur Zeit eröffnen, es den selben doch vielfach an ausreichendem und geeignetem Nachwuchs fehlt. Es dürfte das in der Hauptsache darauf zurückzuführen sein, daß jene Laufbahnen im Jnlande immer noch zu wenig bekannt sind. Ueber die Aussichten in der höheren Marine-Verwaltung, welche gegenwärtig gern eine Anzahl von Anwärtern einstellen würde, giebt nun die „Allgem. Ztg." folgende Auskunft. Dieselbe entnimmt ihren Nachwuchs der Regel nach aus den jungen Juristen, welche das erste Examen bestanden und ein Jahr ihrer Vorbereitungszeit bei den Gerichten hinter sich haben, doch würden gerade zur Zeit auch solche, die das zweite Examen bereits mit Erfolg abgelegt haben, übernommen werden können, da in diesem Falle die Vor« bereitungszeit eine kürzere sein würde und die offenen Etats stellen mit ihnen früher besetzt werden könnten. Referendare, beziehungsweise Rechtspractikanten, absolviren eine Probezeit, dann nach definitiver Uebernahme einige weitere Vorbereitungs stadien und ein halbjähriges Bordcommando im Ausland, und legen in Berlin ein Fachexamen ab; Assessoren können dagegen nach längstens einjähriger Probezeit etatsmäßig angestellt werden Da diese Beamten Militärbeamte sind, wird die Eigenschaft als Reserveofficier von ihnen gefordert; sie beziehen neben dem Servis und Wohnungsgeldzuschuß ein Chargengehalt, das von 2100 bei den Assessoren bis 6600 bei den Räthen steigt. Die Intendanten stehen sich auf 6900 bis 9000 cX, ein be sonderer Vorzug der Laufbahn aber ist, daß nahezu die Hälfte aller Beamten Aussicht hat, in die Centralinstanz nach Berlin aufzurücken, wo ihnen ein 'Gehalt von 7500 bis 11000 neben dem entsprechenden 'Wohnungsgeld zusteht. Die in Be tracht kommenden Behörden sind in Wilhelmshaven, Kiel und Danzig stationirt, einer der Beamten befindet sich in Kiautschau; der Dienst entbehrt selbstverständlich nicht der Schwierigkeiten, kann aber im Großen und Ganzen, da in der Marine noch Vieles neu zu schaffen und zu organisiren ist, als anregend bezeichnet werden. Strebsamen jungen Juristen öffnet sich also hier eine Laufbahn, welche angesichts der Ueberfllllung in den ver wandten Berufen wesentliche Wortheile in Aussicht stellt. * Berlin, 15. Mai. Der Inhalt deS dem Reichs tage jetzt zugegangenen Nachtragsetats ist im Wesent lichen schon bekannt geworden, als der Etat dem Bundes- rathe zugestellt wurde. Es seieu jetzt noch folgende Angaben theils wiederholt, theil» hinzugefügt: Der Etat schließt in Ausgaben und Einnahmen mit 8 569 990 ab. Von den Ausgaben sind fortdauernd 940 866, einmalig ordentlich 1 976 932, einmalig außerordentlich 5 652 192 Bei dauernden Ausgaben für die Marine, als Folge der Neu organisation der obersten Marinebehörden, weist der Nack- tragsetat an Mehrkosten 3114 auf, bei den einmaligen ordentlichen Ausgaben für da» Auswärtige Amt 440000 Mark, darunter zum Ankauf eines HauseS für die Zweig anstalt de» archäologischen Instituts in Athen und für Instandsetzung dieses Hauses 220 000, zur Ent ¬ schädigung der Gebrüder Denhardt für die Abtretung deS Sultanats Witu an Großbritannien 100 000 Mark. — Unter den einmaligen ordentlichen Aus gaben des ReickSamtS des Innern finden sich 200000 Mark al» erste Rate des Zuschusses zu den AuSrüstungs- kosten der Südpolarexpeditivn, an Kosten für die Be theiligung an der Pariser Weltausstellung 359000 Bei den fortdauernden Ausgaben deS Reichspostamts zu Unterstützungen für Wittwen und Waisen von vor dem 1. April 1897 verstorbenen Beamten sind künftig wegfallend 160 000 für die Vervollständigung der Telegrapbenanlagrn 1 500 000 ! Mark verzeichnet. Die Kosten der Südpolarexpedition, I die im Herbst 1901 Deutschland verlassen soll, sind, abgesehen FritiHetsir. Gottesfrie-e und Landfriede. Mne historische Reminiscenz zum Haager FriedcnScongrcß. II. Die Zeitverhältnisse und die Volksstimmung, aus der heraus solche GottesfriedenzuStandekamen, schildert in drastischer Weise, aber gut beglaubigt, rin französischer Chronist. In Folge über mäßigen Regens, der ununterbrochen drei Jahre anhielt und sich über fast alle Länder Europas erstreckte, trat (zu Beginn des Jahres 1030) in ganz Frankreich eine Hungersnoth ein, wie sie die Geschichte kaum schrecklicher kennt. Bald fehlten die nöthig- sten Nahrungsmittel; selbst Wurzeln und Kräuter, nach denen man suchte, fanden sich nicht mehr, und daS Fleisch der Thiere reichte nicht hin, da» Leben zu fristen. Da trieb die entsetzliche Noth, den Hunger auf die unnatürlichste Weise zu stillen: die unglücklichen Menschen würgten und verzehrten einander selbst und verwilderten so sehr, daß ihre Gier selbst die Todten im Grabe nicht verschonte. Tausende starben vor Hunger, die Leichen wurden nur noch in große Gräber geworfen oder dienten den Raubthieren zur Beute. Wer sein elendes Dasein noch fort schleppte, bot ein Bild de» Jammer» dar, und Viele starben selbst im Augenblick de» gierigen Genüsse» glücklich erlangter Nahrung. In dieser unerhörten Nothlage nahm die Verwilderung der Menschen immer mehr zu, da» furchtbare Unglück stumpfte ihren Geist ab. Da endlich ließ im vierten Jahre (Anfang 1034) der Regen nach, ein mild wehender Wind zerstreute die Wolken, von dem sich klärenden Firmament leuchtet« wieder die Großmuth de» Schöpfer», dieErde grünte wieder und die Saaten versprachen ein« gesegnete Ernte, daS Ende aller Noth. Sollte man auch jetzt noch sein Herz vor Gedanken deS Friedens verschließen, sollte man den Zorn Gottes nochmals durch friedloses Wesen, durch Mord, Raub und Brandstiftung, wie sie gang und gäbe waren, herausfordern? So tauchte der Gedanke auf, einen „all gemeinen Frieden" zu errichten, Bischöfe und Aebte und andere gotteifürchtige Männer trugen diese Idee durch alle Provinzen deS Frankenreiches, freudig horchte das Volk auf, Hohe und Niedere waren bereit, dem Rufe zu folgen, Synoden wurden abgrhalten und Beschlüsse gefaßt entsprechend dem bereits mitgetheilten Inhalt des Gottesfriedens. Die Begeiste rung, mit der diese Beschlüsse ausgenommen wurden, war so groß, daß, al» die Priester ihre Stäbe gen Himmel emporhoben, alle» Volk die Hände zu Gott emporstreckte und einstimmig: „Friede, Friede, Friede!" ausrief, als Bekräftigung des ewigen Bünd nisses, das sie mit Gott eingingen. Man glaubte, nicht Menschen werk sei dieser Friede, sondern er stamme unmittelbar von Gott. Ein Brief, erzählte man, sei vom Himmel gefallen, der die Er neuerung des Friedens auf Erden gebiete, und alle Welt schenkte der Botschaft Glauben, war es doch die Gewohnheit jener Zeiten, jede heilsame Verfassung für ein Wunderwerk auszugeben und da für zu halten, es als sicher anzunehmen, sie sei durch eine un mittelbare Offenbarung vom Himmel anbefohlen worden. Charakteristisch ist in diesem Gottesfrieden aus dem Jahre 1034 die Bestimmung, daß unbewaffnet und ohne Furcht vor Rache Jeder, was er auch begangen haben mochte, sicher einher gehen dürfe und daß jeder Uebelthäter, wenn er nicht den ge lobten Frieden selbst gebrochen habe, in jedem Gotteshause eine sichere Zufluchtsstätte finden sollte. Niemand sollte Waffen tragen, da» ihm Geraubte nicht wieder heraus - fordern; sein und seiner Verwandten Blut nicht rächen, vielmehr seinen Beleidigern verzeihen. So sprang man aus einem Extrem ins andere, stellte aber damit auch Forderungen auf, die Niemand halten konnte und auf die Dauer nicht halten wollte. Solche Satzungen lassen sich nur erklären au» dem ganzen Charakter jener Zeit, deren charakteri stischer Zug darin besteht, daß sich, wie Huberti in seinen „Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden" sagt, die Fortbildung in schroffen Gegensätzen aufwärts bewegt; wo sich gegenüber allgemeiner Fehde eine allgemeine Frieden»- verbrllderung bildet, wo heute noch mit Schwert und Lanze Rechte genommen und Rechte gewonnen werden und morgen der Bischof oder der Landesherr oder sonst ein bestellter Friedensstifter alle Rechtswidrigkeiten ausnahmslos entscheiden soll. In solchen Zeiten mochte auch der Gedanke entspringen, daß nach drei der Fehde preiSgegebenen Tagen und Nächten nun an den gebundenen Tagen während der größeren Hälfte der Woche nicht nur jede widerrechtliche Gewaltthat überhaupt verboten, sondern auch die Stimme des verletzten Rechtsgefühls zum Schweigen gebracht werden sollte. Auf der anderen Seite hingegen tritt wieder das Halbe, da» Dürftige und Unzureichende jener Friedenspacte her vor, die nicht ein gänzliches Verbot jeder Selbsthilfe bedeuten, sondern nur eine indirekte Beschränkung, eine Milderung der rauhen und rohen Sitten des Mittelalters, indem sie die nicht befriedeten Tage der Fehde freigeben und nur gewisse Kategorien von Personen besonders schützen. Ungleich schärfer waren 'die parallel mit dem Gottesfrieden einhergehenden Landfrieden. So bestimmt di« alte elsässer Landfviedensurkunde: „Friede sei vorzugsweise und immevdar und überall den Kirchen und ihrer Umgebung, Friede den Geistlichen allen und 'den Weibern, Kaufleuten, Jägern, Wallfahrern und Landleuten, während sie auf dem Feld arbeiten, sei es, daß 'sie zum Acker gehen oder zurückkehrvn. (Man sieht, wie der Schutz sich in erster Linie auf den culturtragenden Stand der Geistlichen und auf die producirenden Nährstände er streckte.) Niemand, heißt es weiter, darf an Len befriedeten Tagen und Zeiten (welche diese Landfriedensurkunde noch bei behält) Waffen tragen, ausgenommen, der nothwendig reisen muß oder wenn dieselben gegen Feinde der königlichen Majestät zu brauchen Noth ist. Wer nun an den vorgenannten Tagen und Zeiten seine Schwurgenossen mit Raub, Brand stiftung oder Gefangennahme Heimsucht, oder mit irgend einer kühnen Anmaßung in die Umgebung seines Hofes, in das Ge mach seines Hauses eindvingt, oder ihn blutrünstig schlägt, soll, wenn er ein Freier ist, den Tod erleiden, ein Knecht wird der rechten Hand beraubt. 'Wer einen dieser Verbrechen Angeklagten verbirgt oder ihn entfliehen läßt, verfällt der gleichen Verurtheilung, ebenso wer aus Wuth oder sonst in feindlicher Absicht die Schwurgemossen verwegenen Sinnes herausfordert, er sei Freier oder Knecht. Für Diebstahl von 1 oder 2 Sickel (1 Sickel — 4 Reichsmark) ist Verlust der Kopfhaut mit den Haaren festgesetzt, wenn dies zum zweitenmal« vor kommt. wie für Diebstahl 'von 5 Sickel 'Werth Verlust der Hand, Beim dritten Male wird der Dieb ohne Weiteres aufgehängt. In anderen FriedenSmstrumenten wird dem Entführer einer Jungfrau mit dem Ausreiben der Augen edroht und Diebe sollen die Pein des Brennens an beiden Kinnbacken Vis zu den Zähnen mit glühendem Eisen erdulden. Wenn di« Theilnehmer des FviedenSbumdeS durch die Heerfahrt des Kaisers oder Lurch den Ruf der DertragSgenossen sich in Bewegung fetzen, haben sie für drei Tage eigene Fourage mit zunehmen. Dauert der Marsch länger, so dürfen sie nur für ihre Pferde Futter und was zum Essen gerade nothwendig ist, wegnehmen, d. h. Kraut, Gemüse, Birnen, Holz, und was zur Ausübung der Jagd gehört. Zuchtpferde und Stuten und dann Weingärten oder Saaten sollen unter diesem Friedensschutz bleiben. Und damit rin so heiliges FriedenSdecret nicht schmählicher Weise der Vergessenheit anheimfalle, soll es an allen Sonntagen immer wieder von den Kanzeln verkündet werden und am Mittwoch Abend das Herrannahen des GotteSfriedenS durch die Kirchengkocken eingeläutet werden. Freilich kommen trotzdem alle diese Land- und Gottssfrieden immer wieder in Vergessenheit, waS schon daraus hervorgeht, daß sie tort und fort erneuert werden mußten, und wenn auch nicht zu leugnen ist, daß sie eine gewisse civilisatorische Aufgabe er füllten und das Volt nach und nach an feste Rechtsnormen ge wöhnten — nach und nach, denn noch am Ausgange des Mittel alters müssen Lie alten Friedenssatzungen in Erinnerung ge bracht werden —, so waren sie eben doch nur «in schwacher Noth- behelf. Bis in unsere Zeit hat sich das Sprichwort erhalten, daß man dem Landfrieden nicht trauen könne und in „Götz von Bcrlichingen" läßt Goethe Len Bischof von Bamberg zu Olearius sagen: „Das Reich ist trotz ein vierzig Landfrieden noch immer eine Mördergrube." Der französische Bischof Gerhard von Cambray weigert« sich beharrlich dem Be schluß der burgundischen Bischöfe, daß alles Volk durch einen heiligen Eidschwur sich verpflichten sollte, in Zukunft Frieden uns Recht zu beobachten, beizutreten, denn er war überzeugt, daß jener Beschluß unmöglich zu halten sei, weil das Gelöbnitz der Natur und der menschlichen Schwachheit widerstrebe. - Er hat Recht behalten: Entweder waren die Friedensbrecher so mächtig, daß Niemand sie zur Verantwortung zu ziehen wagte, und man hat Beweise, wie wenig sich di« Urheber einer treuer» vei oder eines Landfriedens selbst an ihre Bestimmungen kehrten. In verlschiedenen FriedenSpacten war auch ein Schieds- und Föiedensgericht vorgesehen, aber die großen Barone und Grafen weigerten sich beinahe Alle, ihre Streitigkeiten dort zur Ent scheidung zu bringen. Bitter klagt da ein Chronist im Jahre 1034, der beschworene Friede fei von Vielen nicht gehalten worden, die Räubereien der Großen hätten sich noch vermehrt, die mittleren und niederen Stände seien ihrem Beispiel gefolgt und in alle Arten von Schlechtigkeiten verfallen. Sobald der Heerbann der Vertragsgenossen, oder der König oder der Kaiser den Rücken gewandt, war Alles wieder beim Alten. Erst am Ende des Mittelalters sind mit dem ewigen Landfrieden Maxi- milian'S die schlimmsten Urbelstände beseitigt, die'«ndgiltige Unterdrückung der Fehde gelang erst mit dem endgiltigen Siege einer starken königlichen Centralgewalt über das Feudalwesen. Auch heute, am Ausgang des 19. Jahrhunderts, ist die Menschennatur dieselbe und nur der Starke, der in achtung gebietender Rüstung dasteht, ist der Hort des Friedens im eigenen Lande, wie des Weltfriedens. 8i vis paeem, para bellum, wer Frieden will, sei zum Kriege bereit, ist auch jetzt noch und wird immerdar bleiben die oberste Maxime einer besonnenen Diplo matie. Mag daher die Haager Friedensconferenz auch Manches gute im Einzelnen zeitigen, eine auch nur nenneniwerthe Ab rüstung wird sie nicht zu Wege bringen, geschweige denn den Kriegsgott vom Throne stürzen. O. 8.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite