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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990530019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899053001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899053001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-30
- Monat1899-05
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Morgen-Ausgabe t. v. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Dienstag den 30. Mai 1899. i^ii IC» U.2S!», F-ttilletsn r<?« Die Morgen-Au-gab« erscheint um '/,? Uhr. di« Aornd-Au-gabe Wochentag- um L Uhr. lr.vvr- .0V.E sooa l»v. »v. »o. »o. isst O. »v. »0. t«tv. Iik »lX »o »v. rechnen hat, auf dieselbe Position einer ausschlaggebenden Partei, die sie vermöge jener BundrSgenossenschaft im Reichstage ein- nebmen. Und das Centrum rückt in diese Stellung „reich beladen" ein. Die WablrechtSnovelle giebt ihm, woran wir übrigens keinen Augenblick gezweifelt, in der Tbat das, was die rheinischen Nationalliberalen als die Wirkung deS Gesetzes bezeichnen. ES sind, wie uian jetzt erfährt, vor drei Monaten, als der Inhalt deS Gesetzes am Rhein bekannt wurde, dort Erhebungen angestellt worden, welche zu der Ueberzeugung führten, daß die Aenderung deS Wahlrechts, wie sie die Regierung auS einer Reihe anderer Möglichkeiten heraus gesucht hat, der „schwerste Schlag gegen die nichtultramon tanen bürgerlichen Parteien" sei. Die andere nicht geschlagene, sondern geförderte Partei ist die Socialdemokratie. Und dieser „Erfolg" deS Liberalismus ist herbeigezerrt worden nicht zum Wenigsten mit der Preisgabe eines obersten liberalen Grundsatzes, der Freiheit der Abstimmung. Es ist sowohl in seinen thatsächlichen Feststellungen, als in seiner politischen Folgerungen richtig, waS sich die linksliberale Presse von dem Freiconservativen v. Kardorff in einer Zuschrift an die „B. Neuesten Nachr." sagen lassen muß. Nämlich: „Wenn von der link-Uberalen canalfreundllchen Presse unaus gesetzt Aufforderungen an die königliche Staatsregierung ergehen, «inen möglichst starken Druck auf die im Abgeordnetenhaus« sitzenden VerwaltungSbeamten auSzuüben, um diese zu verhindern, ihre Stimme gegen den Mittellandcanal abzugeben, so ist die Taktik, welche jene Presse verfolgt, eine sehr durchsichtige und verständliche. Wollte nämlich da- königliche Staatsmintsterium jenem Drängen folgen, da- an sich ja eine durchaus verfassungswidrige Einwirkung auf die Abstimmung von Ageordneten in sich schließen würde, so wäre die nächste Folge eine sehr beträchtliche Verstimmung eines großen TheileS der conservativen Parteien gegen die Regierung, und müßte — so scheint man zu rechnen — zu einer dauernden Schwächung der Conservativen zu Gunsten der liberalen Parteien allmählich führen. Das ist ja ganz hübsch au kgedacht, auch ganz folgerichtig, soweit die Entfremdung der conservattveu' Parteien von der Regierung dabei in Betracht kommt. Der weiter« Schluß einer darau- folgen- den Schwächung der Conservativen erscheint mir schon etwa- gr- wagter. WaS der konservativen Partei ihre numerische Stärke im Abgeordnetenhause verschafft hat, ist gewiß zum guten Tbcile ihre Stellung zur Regierung-Politik, die ja mit dem Eintritt deö Fürsten Hohenlohe wieder einigermaßen in di« unter seinem Amtsvorgänger verlassenen Bahnen des Fürsten Bismarck eingeleukt hat. Aber zu einem recht großen Theile verdanken di« konservativen Abgeordneten ihre Sitze auch der energischen agrarischen Agitation des Bundes der Landwirthe. Was si« also etwa durch «ine oppositionelle Hal- tung einbüßen könnten, würden sie alS Agrarier wirdergewinnen. Und gar da- Endresultat, ein etwaige- link-liberale- Ministerium, gestützt auf «in« durch Auslösung und Neuwahlen neuerstchende Annahmeschluß für Anzeigen: Ab eud-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-Au-gabr: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an di» Expedition zu richten. Arizeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unt«r dem RedaetionSstrich (4 ge spalten) 50^, vor den Familiennachrichr-a (ü gespalten) 40-H. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. »o. »lx »o. Redaktion und Lrveditiou: IohanntSgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentags nnnuterbroche» geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. liberale Majorität deS Abgeordnetenhauses, ist eine Combination, von der man nur sagen kann: möglich, aber bri unseren ganzen heutigen Zuständen recht unwahrscheinlich! Liberale Parteien, welche verfassungswidrig« Beeinflussung der Abstimmung der Abgeordneten heute befürworten, werden morgen an sich selbst erfahren, waS das Aufgeben kon stitutioneller Grundsätze für si« zu bedeut«n hätte. Gewiß kann ein« Regierung verlangen und mutz verlangen, daß rin Verwaltungsbeamter, der ein Mandat annimmt, die Absicht hat, in den großen politischen Fragen mit der Regierung zu gehen. Aber selbst in Fragen, die doch sicher auch rin« politische Tragweite besaßen, wie der Zedlitz'sche Schulgrsetzentwurf, hat die StaatSrrgierung auch ni« den leisesten versuch gemacht, die zahlreichen ihr opponirenden Beamten beeinflussen zu wollen. Ich habe persönlich als Landrath der Regierung zu Zeiten des Fürsten BiSmarck in der Währungsfrage di« schärfst« Opposition gemocht in meiner Bekämpfung der Politik de» Herrn Finanz- Minister» von Scholz, aber zu keiner Zeit ist e- dem großen alten Reichskanzler eingefallen, auf Beamte in wirthschastlicheu Fragen (Schutzzoll — Freihandel — Währungsfragr) irgend welchen Druck geltend machen zu wollen, und ich glaube, man wird im Ganzen doch wohl sagen können, daß der Fürst Bismarck di« Zügel der Regierung mit fester Hand zu führen wußte. Nun ist die Mittellandcanal-Vorlage eine rein wirthschaft- liche Frage. Die Einen glauben, daß die BerkehrSentwicklung, wie sie mittel- deS Canal- angestrebt wird, gerade für die betheiligten Landstriche zweckmäßiger, schneller und billiger durch Ausbau und Vervollkommnung unserer Schienenwege erreicht werden könnte, die Anderen bestreiten die-, und wie wenig die Frage einen politischen Charakter an sich trägt, geht schon auS der Thatsache hervor, daß in den meisten Parteien sich Freunde und Gegner des Canals finden, ohne in diesem Zwiespalt einen Grund zur Trennung zu finden". Für manche der gemeinten liberalen Zeitungen mußte es bitter sein, sich von einem Freiconservativen an die konstitu tionellen Grundsätze erinnern und sich sagen taffen zu müssen, daß sie mit ihrer heutigen Auffassung der Pflichten von in» Parlament gewählten Beamten dem Zedlitz'schcn Schulgesetz „schlankweg" zur Annahme verhalfen hätten. Sie leugnen deshalb, einen Druck auf die Beamten resp. auf die Regierung auögeübt zu haben. Dazu haben sie insofern ein Reckt, als weder der Berliner nationalliberale Verein noch der Fortschrittsverein vor dem Potsdamer Thore aufgcfordert worden waren, mit Heugabeln vor das Ministerium de» Innern zu gehen und dort die Beein flussung oder Maßregelung der im Abgeordnetenhaus« sitzenden beamteten Canaigegner zu erzwingen. Das ist aber auch Alles, WaS nickt versucht wurde. Man hat nicht nur, wie eingeräumt wird, die Frage der Wählbarkeit der politischen Beamten im Zusammenhänge mit der Canalfrage äs SS ES 100 Loose auf einmal nahm, bekam einen Affecurationischein. Die AffecurationSscheine sollten den >. o >. o ». IX t. o. t. r> »o. «.o. l o l. o «. o »v. l o I o «.lx i.Op.KS Filialen: ttto Klemm's Eortim. (Alfred Hahn), Universitätsstratz« 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. (Wien, Manz) ausführt, diese Lotterie eine Classenloiterie, die erste in Oesterreich. Es wurden 100 000 Loose (auch Nummern briefe genannt) ausgegeben, die nach dem ursprünglichen Ver- loosungsplane in 100 vierteljährlichen Ziehungen (Elasten) binnen 25 Jahren zu verloosen waren. Daher stammt auch der Name „hundertfache Lotterie", wie diese Claffenlotterie all gemein hieß. Die Zahl der Gewinne belief sich auf 1478 000. Der Spielplan war so berechnet, daß einer gesammten Einlage von 86 824 280 Gulden eine Gewinnsumme von 117 Millionen gegenüberstand, wozu noch 3 Millionen Prämien kamen. Nach dem Spielplane konnten auf ein Loo- mehrere Treffer fallen; nur solche Loose wurden nämlich als verlasst angesehen, die einen Treffer von mindestens 100 Gulden gemacht hatten. Dagegen war bei den mit kleineren Treffern gezogenen Loosen lediglich der die Einlage übersteigende Gewinn baar auszuzahlen; reichte aber dieser zur Verlängirung des Looses für die nächste Ziehung nicht hin, dann mußte der Eigenthümer des Looses da- Fehlende dazulegen. Sein Loos spielte dann in der nächsten Ziehung wieder mit und dies so lange, bis ein großer Treffer darauf fiel. Durch diesen sinnreichen Einfall wollte man auf die Looseigen- thümer einen milden Zwang ausüben, ihre Loose nicht zu ver lassen, sondern sie von Ziehung zu Ziehung zu verlängern. Der Preis eines Looses betrug bei jeder der ersten drei Ziehungen 1 Gulden; die Aerlängerungsgebühr für jedes nicht endgistig perlooste Loos Wgr für di» 4., 5. und 6, Ziehung mit je 1 Gulden festgesetzt und stieg nach jeder dritten Ziehung UM 1 Gulden bis zur hundertsten, wo sie 34 Gulden au-macht«. Ein Hooseign", der sein während der ganzen Verloosung nicht gezogenes Loos bis zum Schluffe verlängert hätte, würde also 1717 Gulden eingezahlt haken. Hn der 100. Ziehung muhte gher das LooS unter pffen Umständen mit wenigstens 2000 Gulden gezogen werden. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgab«, ohne Postbeförderuna 60—, mit Postbesürderung ^4 70.—. Eine österreichische Classenloiterie. Die Lust zur Jagd nach dem Glück ist dem Menschen an geboren. Freilich, der Eine hat sie in höherem Grade, der Andere in geringerem. Im letzteren Falle spricht man soliderweise von Streben, Energie, eine Stufe höher von Ehrgeiz, auf der höchsten Stufe jedoch, da, wo die Neigung zum Glück in hervorragendem Maße vertreten ist, von Gewinnsucht, Spekulation. Natürlich ist hier Glück nur in dem Sinne gemeint, als „Geld glücklich macht". Die Mittel zur Ausübung der Jagd nach dem Glück sind vielfältig. Es kann sich hier auch nur um die Befriedigung des Wunsches, schnell, durch einen Zufall reich zu werden, handeln. Da ist denn von jeher das Spiel das Mittel gewesen, schnell zu gewinnen und schnell zu — verlieren. Aber an das Letztere denkt der Spieler nicht, sein Sinn steht nur nach dem Gewinn. So kommt e», daß die Spielleidenschaft in alters grauer Zeit genau so verbreitet war, wie heute, daß nur die Formen wechselten. Der Zufall, der Einfluß des Zufalls war immer derselbe. Selbst in altersgrauer Zeit rief man den Zufall an, auch wenn es sich um rechtliche Fragen handelte, und wie man heute seinem Schicksale durch Befragung eines Geldstückes, ob gerade oder ungerade, durch Abzählen der Westen knöpfe, eine neue Wendung zu geben versucht, so wurde in alter Zeit der Zufall sogar zur Entscheidung über Gemein- eigenthum herbeigerufen. Josua vertheilt« das gelobte Land durch das Loos unter die Stämme Israels, durch das Loo- bestimmten die Griechen vor Troja die Reihenfolge der Auf stellung zum Wettrennen. Römische Kaiser oder reiche Bürger gaben bei VolksfesttN Zettrl mit Anweisungen auf Berhrauchs- gegenstände, wie Wein, Getreide aus, die aber auf verschiedene Mengen lauteten, oder man warf Täfelchen oder Kugeln unter das Volk, und die Erhasch» bekam«« die auf diesen Gegenständen bezeichneten Wgaren ausgeliefert, Schlimm wurde die Spiel- wuth im Mittelalt», und eS ist bekannt, daß damals nicht nur Geld und Gut, sondern auch ü«ib und Leben verspielt wurde. Am schlimmsten wohl wucherte vom Ausgange des 16, Jahr hunderts an da» Glücksspiel in Italien. Man benutzte hier zwei Urnen. In di« «in« wurde «in« Anzahl kleiner weißer Zettel geworfen, von denen nur einig», drei bis vier, mit einer gewissen Prämw bezeichnet wqp«st, M di» andere llsN« kamen Zettel mit laufenden Nummern versehen. Au» der letzteren Urne zog man die Loose und aus der anderen die Nieten gd«r Gewinne. Da haben wir die Loft,»je in ihrer feisten ursprüng lichen Form. Daneben gab es auf allen Märkten und in allen Städten Ausspielgfschäfte, di» Maaren verlposten oder aus spielten. Wenn di» Spielwuth so gestiegen war, so war es nur recht und billig, daß sich der Staat des Publikums annahm und Nutzen auS ihr zog. Geldmangel war in den italienischen Staate» imm«r Vorhand««, und um diesen zu heben, wurden Lotterien gegründet. Im Jahre 1630 errichtete man eine in Florenz. Da» Spiel wird hier zum ersten Male Lotto genannt. Bezugs-PreiS > der Hauptexpeditton oder den im ktabt- izirk und den Vororten errichteten VIus- lvrstellen abg«holt: vierteljährlich^l4.öO, t zweimaliger täglicher Zustellung inZ au» 5.S0. Durch die Post bezogen für «utschland und Oesterreich: vinteljSbrltch «ckl 8.—. Direkt« täglich« Krruzbandirudung i»S Au-land: monatlich 7.50. legs keronäa behandelt — eine Erörterung, die im Kampfe um da» Zedlitz'sche Schulgesetz wahrscheinlich nur auS Ver geßlichkeit unterblieben ist —, man hat auch der Negierung direkt erklärt, ihre Autorität, ja ihre Daseinsberechtigung hänge von der Unterwerfung der Beamten in der Canalirage ab. Und noch in den letzten Tagen bat man, um diese Auf fassung auf nicht allzu liberaler Unterlage erscheinen zu lassen, den nichtpolitischen Charakter der Canalsrage geleugnet, ohne freilich sich in Untersuchungen darüber einzulassen, ob die mehrfach erwäbnte Zedlitz'sche Schulvorlage etwa eine wirtb- schastliche Materie gewesen sei. Nickt genug an dem, auch die jetzt in ungewöhnlicher Lügenhaftigkeit als Erfindung der Canalgegner bezeichnete Verbindung von Canal-Angelegenheit und Erweiterung des Sekundär- und Kleinbahnnetzes — „kein Canal, keine Eisenbahnen" — ist zuerst in einem der von Herrn v. Kardvrf zurechtgewiesenen Blätter aufgetauchr, als eine „Vermuthung" zwar, aber - „eine Vermuthung, die viel für sich hat". Alles in Allem, man hat e» so getrieben, daß die Regierung sich sagen kann, sie habe, um die linksliberale canalfreundliche Presse zu befriedigen, zu der klerikalisirenden Wahlrechtsreform greifen müssen, da sie den verfassungs widrigen Zuniuthungen derselben Presse al» konstitutionelle Negierung doch unmöglich habe nachgeben können. Der Erfolg der liberalen preußischen Canalfanatiker. Q Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" will es nicht wahr haben, daß zwischen dem Stande der Canalfrage und dem Einbringen der GemeindewahlrechtSvorlage ein taktischer Zusammenhang bestehe. Schicklicherweise darf daS Regierungsblatt dies nicht zugeben, verständigerweise darf aber auch Niemand auf die Ableugnung Gewicht legen. Die „Nordd. Allgem. Ztg." erhalt auch als Erwiderung aus ihre unsubstantiirte Behauptung die Wohl aufzuwerfende Frage: „Wenn dem so ist, warum ist der Wahlgesetzentwurf, zu dessen Vorlegung die Ermächtigung des Monarchen am 27. März erfolgt war, erst am 2l. Mai, nach der negativen Beschlußfassung der Canalcommission, eingebracht worden?" Der ursprüngliche Verzicht auf daS Hervortreten mit dem Gesetze beruhte auf einer Rücksichtnahme gegen die National liberalen deS Westens, die, rechtzeitig von dem Inhalt unter richtet, mit einer energischen Opposition eingesetzt hatten. Bei diesem Verlauf ist es begreiflich, daß diejenigen national liberalen Blätter, die sich bewußt sind, durch ihre Behand lung der Canalfrage der Partei die jüngste Bescheerung ins HauS gebracht zu haben, den Zusammenhang zwischen Canal und WablrechtS-„Neform" in Abrede stellen. Zu diesem Behufe müssen sie aber der Welt vorenthalten, daß die Centrums- blätter die Wechselbeziehung zwischen den beiden Gesetzes vorlagen so unbedenklich einräumen, daß sie sich bereits zu der Forderung, die Wahlgesetznovclle müsse vor der Canal frage erledigt werden, versteigen. Vielleicht verzichtet daS Centrum späterhin, da eS seines Contrabenten sicher ist, auf die Pränumerandozahlung, aber daS Verlangen nach ihr läßt die Ableugnung des Charakter- der Wahlrechtsvorlage als eines GegenwertheS für den Canal beinahe kläglich erscheinen. Die „Kreuzzeitung" hat nicht Unrecht, wenn sie den Grad der Ungenirtheik, in dem daS Centrum diesmal seine Händler-Qualität hervortreten läßt, al« etwas noch nicht dagewesene» bezeichnet, und man kann dieser Zeitung auch beirreleu, wenn sie hinzufügt: „Ja gewissem Sinne ist das (nämlick die Ungenirthet) auch „gut", denn selbst der derbste CyniSmus ist der Heuchelei vorzuziehen." Die Heuchelei ist in dieser Angelegenheit auf der andern Seite, richtiger bei einer andern Presse. Es ist anzuerkennen, daß selbst ein Blatt wie die „Kreuzztg." die nationalliberale Partei aus dem Spiele läßt und nur von einer „Börsen- und Handelspresse" spricht, „die um des MittellandcanaleS willen dem Centrum durch die Finger sieht" und den „Ast, auf dem der Liberalismus sitzt, absägen hilft." Eine solche Thätizkeit muß dem unter linksliberale Ber liner Einflüsse gerathenen Theile der canalfreundlichcn Zeitungen ohne Einschränkung bezeugt werden. Der Sieg, den das Centrum davonzutragen im Begriffe steht, ist von all gemeiner politischer Bedeutung, denn er hebt die Ultramontanen in Preußen, das in seinem Parlamente nicht mit Svcialdemokraten, Welfen, Demokraten, Elsässern und kaum mit Freisinnigen zu Loosbesitzern, die durch längere Zeit ihre nicht gezogenen Loose erneuert hatten, den möglichen Schaden leichter ertragen helfen. Auf diese Scheine wurden nämlich bei jeder Ziehung 30 000 Gulden als Prämie für die Loose vertheilt, auf die weder ein kleiner, noch ein mittlerer Ge winn gefallen war. Während der ersten 20 Ziehungen sollten die Eigenthümer der Affecurationsscheine bi- zur Höhe dieses Prämiencapitals Lotterie-Prämien-Obligationen erhalten, die die Lotterie-Unternehmung mit 2 vom Hundert zu verzinsen hatte. Nach der 20. Ziehung aber waren alle voll eingezahlten Loose zum doppelten Nominalwerthe an Zahlungsstatt an zunehmen. Die Gewinnsteuer betrug bei den ersten drei Ziehungen 20, bei allen folgenden 10 vom Hundert de- aus gezahlten Gewinnes. Zur Sicherstellung verpfändete die Com pagnie „alle ihre Eeffecten und Güter", auch begab sich der Kaiser des Rechtes jeglicher Auslage auf die Gewinne, sowie ihrer Be schlagnahme. Es waren große Hoffnungen, die die österreichischen Staats männer und die -Orientalische Compagnie auf diese Lotterie- Unternehmung setzten. Rechnete man doch sogar auf eine Ein läge von 80 Millionen Gulden! Es war qls besonderer Vor zug der Lotterie gepriesen, daß Niemand etwas dabei verlieren tonne; wenigstens seine Einzahlung sollst jeder zurücstrhalten. Statt der eingezahlten 80 Millionen sollten nach 25 Jahren 117 Millionen ansgezghlt werden, also 37 Millionen mehr, als die Einlagen betrugen. Die eingezahlten Gelder sollst die Orientalische Compagnie theiltpeist fist ihre Unternehmungen Perwenden können, so daß die Lotterie-Interessenten zugleich auch Interessenten der Compagnie waren. Es muß auffallen, daß die Einsätze nur 80 Millionen be tragen, die Gewinne aber 117 Millionen betragen sollten. Man rechnete hierbei auf die Zinsen und dann auf den Verfall der Loose; es war eigentlich Pep reine Staatsbetrug mit vor geschobener Orientalischer Compagnie. Die Schätzung und die Zahlen sollten das Publicum verblüffen und zum Spiel ani- miren. Rechnungsmäßig wäre durch den Zins, wenn die Lotterie durchgeführt worden wäre, nur ein Gewinn von 4H Millionen entstanden. Aber auch dieser blieb aus. Um Vies und schnell Boarmittel zu erlangen, verkürzte man die Lotterie. Nach ihrem Privileg sollten die 100 Ziehungen im Jahre 1746 zu Ende sein, indessen schon bis zum Jahre 17W waren 72 Classcn gezogen- Da- Vertrauen des Volke- ging ganz verloren. Die Loose fielen zwar massenhaft per Verwaltung heim, aber es kaufte sie Niemand von Neuem, weil MN mißtrauisch wurde und weil schließlich da- arme Lapd di« gestellten finanziellen Zumuthungen nicht erfüllen konnte. Bei der 73. Ziehung brach die Lotterie mit einer Schuldenlast von 3H Millionen Gulden zusammen, mit ihr die Orientalische Gesellschaft. Zur Rettung wurden bezeichnenderweise nochmalige Lotterien veranstaltet, die jedoch auch nicht gelangen. So ging die Classenloiterie in Lesstrreich zu Grund«, um wenige Jahre spästr (1758) von dem jetzt noch bestehenden Lotto abgelöst zu werden. Deutsches Reich. -I- Berlin, 29. Mai. (Wittwen- und Waisen gelder für dieHinterbliebenen von Universitäts- Professoren.) Nach neuen Bestimmungen sind die Wittwen- und Waisengelder für die Hinterbliebenen der Universitäts- Professoren wie folgt festgesetzt: DaS Wittwengeld beträgt für die Wittwe eines ordentlichen Professor-jährlich 1650 für die eines außerordentlichen Professors 1300st< das Waisen geld beträgt für eine Ganzwaise jährlich 720 für jede weitere Ganzwaise jährlich 480 für eine Halbwaise jährlich 480 -ckl, für jede weitere Halbwaise 300 War dst Wittwe mehr als 15 Jahre jünger als der Verstorbene, so wird daS nach den vorstehenden Sätzen berechnete Wittwen- geld für jede» angefangene Jahr de»-Altersunterschiede- über 15 bis einschließlich 25 Jahre um ein Zwanzigstel gekürzt. Nach fünfjähriger Dauer der Ehe wird für jedes anaesangene Jahr ihrer weiteren Dauer dem gekürzten Betrage ein Zwanzigstel des nach den obigen Sätzen berechneten Wiltwcn- gelbe« so lange hinzugesetzt, bis der volle Betrag wieder erreicht ist. 6. II. Vrrltn, 29. Mai. (Zur Massenaussperrung der dänischen Arbeiter.) E- ist selbstverständlich, d«8 in Dänemark mit seinen 2^ Millionen Einwohnern die Aussperrung von 30 000 organisirten Arbeitern (mit Frauen und Kindern 100 000 Personen) auf das Allerschwerste empfunden wird. In Dänemark sind etwa 70—80 000 Arbeiter socialdemokratisch organisirt. Ihre Ansprüche wurden immer Höher, ihr Auftreten immer herausfordernder, so daß Won Italien kamen die Lotterien nach Spanien und Frankreich. Hier benutzte es Franz I., um sich Geld zu schaffen. Er legte eine Steuer auf den Einsatz der nach dem Muster der italienischen Lotterie eingerichteten Glücksspiele, verbot aber dafür die anderen Glücksspiele als schädlich. In Frankreich wurden bald diese Privat-Lotterien sehr gebräuchlich, während eine Staatslotien« sich nicht halten konnte, erst 1700 wurde eine Staatslotterie ge gründet. Alle diese Lotterien hatten den Zweck, den Unter nehmern Geld zu machen. Wie man heute noch eine Lotterie zu Gunsten eines Kirchenbaues oder der Flotte genehmigt, so ge nehmigte man damals auch die Lotterie zu anderen wirthschaft- lichen Zwecken. In Oesterreich sollte die erste Classenloiterie dem Handel dienen. So wie man heute darauf ausgeht, von Staats wegen in Oesterreich den Export mit Hilfe einer Gesellschaft zu heben, so geschah es auch Anfang des vorigen Jahrhunderts. Im Jahre 1719 wurde die orientalische Compagnie gegründet. Sie sollte den vernachlässigten Ausfuhrhandel Oesterreichs heben. Kaiser Karl VI. war ihr Gründer. Nach dem Frieden zu Passarowitz im Juli 1718 zwischen ihm und Sultan Ahmeh, der den Unter themen beider Länder den freien Handel zu Wasser und zu Lande gestattest, nahm der Handel nach dem Osten einen großen Auf schwung. Die Türken brachten eine Menge Maaren nach den österreichischen Erbländern, konnten aber bei dem Darniederliegen dec Industrie wenig einheimische Maaren mit fortnehmen. Hier sollt« di» Orientalische Compagnie einsetzen und Fabriken gründen und durch zahlreiche Zugeständnisse ist Bezug auf Stuer-, Zoll-, Mauthbegüststigung, Vorlaufs- und Nieder- lqssungsrecht, gerichtlichen Schutz sollte sie ihren Einfluß auch nach außen erweitern. Die Compagnie hatte gewiß gute Ab sichten, aber schlechte Zeiten, und ngch kurzer Zeit sah sie sich nach einigen starken Gründungen, wie die Kerzenfabrit in Fiume, der Linzer Wollenzeugfabrit, der Schwechater Baumwollfabrik, genöthjgt, neue Mittel aufzunehmen. Man wandt« sich an d«n Hof, aber der Hof hatte selbst kein Geld, er konnte nicht helfen. Dq «nisprang »idem findigen Kopf der Gedanke, durch ein» Lotterje dje erforderlichen Pggrmittel zu beschaffen. Durch die zqhlrrichen Canäle der Spiellust sollte sich das Geld der Be völkerung in die Lotterie gleichwie in »ist großes Sammelbecken ergießen, um von hier aus alle Unternehmungen der Compagnie zu befruchten. Her Kaiser, in Begünstigungen für die Com pagnie nicht sparsam, genehmigte den Plan; am 26. August 1721 «rhielt da» Lotterstunstrnehmen die kaiserliche Sanktion und schon am 15. September begannen die Ziehungen. Ursprünglich wollt, m«st, da kurz vor d«r Ziehung von den ,u»geg«benen jOO 000 Loosen erst 28 000 — und diese nach großen Mühen — al-gesetzt worden wären, den ZjehungSstrwin um drei Monate verlängerst, sah aber schließlich dgv°n ab, da man von einer solchen Maßregel ein» schädliche Rückwirkung auf den Lredit der Lotterie, ja ihren Zusammenbruch besorgte. Karl VI. selbst übernahm 6000 Loose und die Compagnie verpflichtest sich, ihm „von dem abfallenden Gewinn der Lottert« die Hrlffte an- g«d«yen zu lassen*. Ihrem Wesen nach war, wie die» vr. Rudolf Sieghart in seinem ausgezeichneten Buche „Die öffentlichen Glücksspiele" MMer TllMaN Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Zur Verlängerung feistes Looses war jedoch Niemand ge- wungrn; W" die Einzahlungen nicht weiter leisten wollte, tonnte »in Loos entgeltlich oder unentgeltlich äst fisten Anderen über ragen. Wurde jepoch sechs Wochen ngch der Ziehung dje Ver- ijngerungsgebühr nicht gezahlt oder bei ein«m Gewinne pnstr 100 Gulden daß -um Poosprfisf für die nächste Ziehung Fehlende nicht beigebracht, so wurde das Loos als verfallen er klärt, und die Lotteriekammer erhielt das Recht, eS zu dem jeweilig festgesetzten Preise wieder in den Verkehr zu bringen — eiste sticht unesnpfindliche Straff für sgum'ge Looseigner. Auf her andere« Seite aber bot mgst den LpoSbefitzern mannigfach, Begünstigungen. Sp soffst eß ihnen ngch d«r 20. Ziehung freistrhen, nur dje Zinsen des Capital» zu erlegen, das zedesmal zur Verlängerung de» Loose» erforderlich war; da- Capital selbst wurde erst, w»nn qgf da» Loos »sn Gewinn siel, gbgerechnet. Ferner versprach jngn den HooSeignern, auf deren Lopse bis zur 30. Ziehung keinerlei Gewinst entfiel, auf Verlangen ihre gesgminse Einlage, weniger zebn Proc»nt, zurück zuerstatten. Wer ist den ersten 20 Elasten zusammen 100 Lopse oder noch mehr gewonnen huste, »rhi« t fsis je 100 Loos« «ine Acti« der Orientalischen Compagnie al» Draufgabe. Wer aber
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