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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990531020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-31
- Monat1899-05
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42SL der CassationShof kestgestellt, daß e« unbedingt Ester» bazy gcbört. Im Ucbrigen suchen die Berichte des CassationshoscS die compromittirten Mitglieder de« Generalstabes so viel wir möglich zu schonen, eS scheint also nicht, das; man beabsichtige, nach der Revision „alle Verant wortlichkeiten sestzustellen". Im Interesse drrWabrhrft wäre da« zu bedauern, im Interesse der Republik kann man e« verstehen. — Wie unS telegraphisch aus Paris gemeldet wird, be sprechen alle heutigen Morgenblätter die Schlußfolgerungen Ballol-Beauprv'S. Die der Revision freundlich gesinnten Blätter zollen ihm begeisterte Bewunderung. In der „Lanterne" sagt Millerand, Ballot-Bcauprv habe ein Bei spiel seltenen Bürgcrmutheö gegeben; er kenne nichts Schöneres und Erhabeneres. Im „Figaro" schreibt Cornely, mit dem Berichte Ballot-Beaupr^'S beginne daö Werk, daS an Drehfus begangene Unrecht wieder gut zu machen; die« bedeute aber auch die baldige Befreiung Picquarl'S, des Verfechters der Revision, dessen weitere Ein sperrung eine Schmach sein würde. „Aurore" meint, der Bericht Ballot - Beaupre's ser von bewunderungs würdiger Klarheit; er stelle für alle Zeiten ein würdiges Denkmal französischer Rechtspflege dar und habe dem fran zösischen Gewissen, das seit so vielen Monaten von einer Bande Uebeltbäler herauSgesordert worden sei, große Er leichterung verschafft. „Petit Bleu" schreibt, der CassationS- bof werde sich den Schlußfolgerungen Ballot-Beauprös an schließen; alle guten Bürger würden sich vor der Entscheidung de« EassationShoses, ebenso auch vor dem Urtheile des neuen Kriegsgerichts beugen. Nach dem „Voltaire" wird der Eassationshof mit über 35 Stimmen die Revision beschließen. Außerdem werde eine Anzahl Stimmenenthaltungen erwartet. Gegen die Schlußfolgerungen Ballot-BeaupreS dürsten sich etwa 6 Räthe aussprechen. — Der Eolonialminister ermäch tigte telegraphisch den Gouverneur der TeuselSinsel, Drehfus den Zusammentritt des Cassationshofs mitzutheilen. Die militärische Zeitschrift „Raswedschik" bringt in ihrer Nummer vom 9. Mai einen Aussatz, der betont, daß die russische Artillerie schwächer ist, als die deutsche, und eine sofortige Erhöhung der Präsenzziffer um 3OOO0V Mann fordert, „damit daS Heer im selben Procentsatze zur Be völkerung steht wie die deutsche Armee." Der Aufsatz ist offenbar nickt für die Haager Friedenscouferenz be stimmt. „Wir müssen unü beeilen", schreibt das Blatt, „am Vorabend der FriedenSconfercnz, die vielleicht in der einen oder der andern Weise einen zeitweiligen Stillstand in den Rüstungen vereinbaren könnte, ohne auch nur eine Minute zu verlieren,schon jetzt aus den Armeevoranschlaz alle neuen Truppen setzen, deren Einstellung für die nächsten fünf Jahre geplant ist. Es kommt nicht darauf an, ob wirklich ganze Regimenter oder zunächst nur einzelne Compagnien oder Batterien sormirt werden, wofern eS nur heißen kann, so und so viel Regimenter sind vorhauten. Später können diese nominell anfgesührlen Regimenter allmählich auf die vorgesckriebene Truppenzahl gebracht werden. Für den Augenblick ist vor Allem wichtig, daß alle diese geplanten Truppenkörpcr jetzt schon officiell in der Armee stehen, denn falls eine entsprechende Ueber- einkuost einmal unterzeichnet ist, haben wir keine Möglichkeit mehr, eine» einzigen Soldaten oder eine Kanone hinzuzufügen, denn dann hieße eS: „Siebe da, ihr habt den Vertrag auf der Conserenz selbst beantragt und unterzeichnet — nun brecht ihr ihn zu allererst". Was sollte selbst der schlaueste Diplomat darauf antworten? Auch Bismarck, der Weiseste der Weisen in der modernen Zeit, hätte da eine Antwort nicht finden können — also voran und eilen wir uns!" Ein Commentar zu diesen, für russische Gesinnungen und Manieren geradezu typischen Aussatz ist überflüssig. Deutsches Reich. Berlin, 30. Mai. Der Gesetzentwurf zur Verlängerung des H a n d e l s p r o v i s o r i u m 3 mit England enthält gegen das Gesetz, das das zur Zeit bis zum 30. Juli dauernde Provisorium regelt, eine nicht unerhebliche Veränderung. Es fehlt diesmal der Endtermin. Die Vorlage sagt darüber nur: „bis auf Weiteres". Sodann ist bemerkenswerth, daß der Ausschluß Eanadas von der Meistbegünstigung, der, wie bereits mit- gethcilt, seit dem 1. August vorigen Jahres in Kraft ist, in der Begründung wie folgt des Näheren dargelegt wird: „Der Ausschluß CanadaS von der Meistbegünstigung erschien um deswillen erforderlich, weit dort seit Ablauf des Handels vertrages vom 30. Mai 1865 auf deutsche Maaren höhere Zollsätze Anwendung finden, als auf die Provenienzen Groß britanniens und mehrerer britischer Colonien, und weil somit Canada gegenüber nicht mehr diejenigen in der Begründung zur Vorlage vom 21. April 1898 besonders gekennzeichneten Voraussetzungen vorhanden waren, unter welchen von der Er mächtigung des Gesetzes vom 11. Mai 1898 Gebrauch gemacht werden tonnte." Damit ist gesagt, daß die deutsche Regierung nicht zögern würde, auf weitere Differenzirungen des deutschen Handels in englischen Colonien in Wahrung der deutschen Inter essen mit der gleichen Maßnahme zu antworten. Der Verzicht auf die Festsetzung eines Endtermin« für da« neue Provisorium giebt zwar der Dermuthung Raum, daß es mit dem Abschluß eines neuen Handelsvertrages, wozu England sich im verflossenen Jahre bereit erklärt, noch gute Wege hat; auf der anderen Seite aber erhält die deutsche Regierung dadurch freiere Hand, eventuell auf eine Beschleunigung der Verhandlungen einzuwirken. Daß ein befriedigendes HandelSverhältniß im Interesse beider Staaten liegt, haben die Ausweise über den beiderseitigen Handel vom Jahre 1898 wiederum bestätigt. Für beide Länder ergab sich eine nicht unerhebliche Erhöhung der gegenseitigen Einfuhr. Cs Berlin, 30. Mai. („Congreß der Kranken kassen Deutschland«.") Unmittelbar an die Be- rathungen de« Kongresses zur Beförderung der Heilstätten für Lungenkranke hat sich am Sonntag eine Tagung von Vertretern deutscher Krankencassen angeschlossen, die von sooiak- demolratischen Eassenvorständen einberufrn war und, wie jener Eongreß, für die social-revolutionäre Propaganda nutzbar ge macht werden sollte. Als Ergebniß dieser Berathungrn der Kranlencassenvertreter verzeichnet das socialdemokratische Cen tralorgan, cs sei der „große Wurf" gelungen, zu einer dauernden Organisation aller Krankenkassen Deutschlands den Grundstein zu legen, um die bisher zerstreuten Kräfte zu gemeinsamer Ein wirkung auf die Gesetzgebung zu sammeln, und damit eine Grundlage geschaffen, auf der sich die Krankencassen zu einer neuen Waffe im 'Befreiungskämpfe des Proletariats entwickeln könnten. Aus dem Berichte des socialdemokratischen Eentral- organs indeß, der in nsuin der Genoffen bearbeitet ist, geht deut lich hervor, daß der Versuch, die Krankenkassen ins Schlepptau der Bebel und 'Genossen zu bringen, von den nichtsocialdemo- tratischen Teilnehmern erkannt und nicht ohne Aeußerungen de« Unwillens abgelehnt worden ist. In Folge dessen haben auch die „zielbewussten" Redner, .insbesondere der socialdcmokratische Reichstagsabgeordnete W u r m, der über das neue Jmvaliditäts- gesetz und die Abänderungen des Krankenversicherungsgrsetzes sprach, sehr viel Wasser in ihren Wein gethan. Seine wahre Absicht verrieth er vorsichtig zum Schluffe mit der sehr allgemein und „zum Fenster hinaus" gehaltenen Aufforderung: man dürfe sich nicht irre machen lassen durch die, die vor der Politik warn ten, und wenn man Umschau unter den Parteien halte, werde man eine finden, die stets im Interesse der Arbeiter gewirkt habe. Dabei war für die Zwecke der socialdemokratischen Führung Alles aufs Sorgfältigste vorbereitet, der Sitzungssaal war roth drapirt und die Berliner Krankencassen je durch doppelt so viel Delegirte vertreten, als jede der Lassen aus dem Lande. JnS- gesammt hatten 374 'Cassen Delegirte entsandt, die, wie zum Schluffe beiläufig mitgetheilt wurde, 1,9 Millionen Versicherte vertraten. Di« auf dem Krankencasscn-Longreß vertretenen Berliner Lassen bezifferten sich auf 97. Vergleicht man damit die Gesammtzahl der Krankencassen nach der Statistik des Jahres 1896, dann ergiebt sich, daß von den Berliner Krankencassen 53, von allen Krankencassen im deutschen Reiche aber 21610 mit 7 042 000 Mitgliedern sich von diesem von der Socialdemokratie inscenirten „Congreß der Krankencassen Deutschlands" fern- gehalten haben. Unter diesen Umständen wiegt der Mißerfolg auf jener Versammlung der Krankencassen doppelt schwer. Wenn Zahlen beweisen, so beweisen die vorstehenden, daß die socialdemo kratische Agitation eine schwere Niederlage erfahren hat. — Zur Canalbauvorlage wird daran erinnert, daß im Sinne derselben BiSmarck im Jahre 1881 ein Votum an das Staatsministerium abgegeben hat. Er führte darin auS, er lege für Preußen großen Werth auf weitere Vervollkomm nung der CommunicationSmittel, namentlich der Eisenbahnen und Canäle, und betrachte die Betreibung solcher Interessen als Gegenmittel gegen unfruchtbare Theorien. DaS Staatsbahn system zeige schon jetzt seine Vorzüge. Canäle seien zu projec- tiren von der Maas bis zum Rhein, von letzterem bis Kiel mit Einschluß de- Nord-Ostsee-CanalS. Wie sich Fürst BiSmarck dieses Canalsystem dachte, geht au» einem fast gleichzeitigen Aufsatz der „Nordb. Allg. Zig." hervor. D» selbst das ausgedehnteste Eisenbahnnetz bezüglich dcSTranSportS von Massengütern, wie Getreide, Kohlen, Holz u. s. w., keinen Ersatz für Canäle bieten könne, so beschäftige man sich im Staatsministerium mit der Ausarbeitung von Projekten, welche bezwecken, die Elbe mit der Weser, die Weser mit der EmS, die EmS mit dem Rhein zu verbinden. Dazu wird da» Projekt deS Nordostseecanals und eines Rhein- MaaScanalS erwähnt. Im gleichen Sinne bemerkte Fürst BiSmarck in einem Schreiben an de» Finanzminister Scholz vom 6. März 1883, daß auch er eS für unbedenklich halte, „in dem Gesetzentwurf über den Bau eines SchifffahrtScanals von Dortmund nach der unteren EmS diese Anlage als Theil- stück einer von dem Rheine nach der Weser und der Elbe zu führenden Canalverbindnng zu bezeichnen." — Durch eine Verfügung des preußischen Ministers deS Innern, Frhrn. v. d. Recke, wird künftig bei Vergebung fiScali scher Arbeiten in die Verträge mit den Unter nehmern folgende Klausel ausgenommen: „ArbeitsauSstände gelten nicht als höhere Gewalt und be gründen kein Anrecht auf Fristverlängerung oder Preiserhöhung. Anträge auf Fristverlängerung könne» nur in ganz besonderen Fällen in Berücksichtigung gezogen werden und unterliegen der Genehmigung der oberen Behörde» haben aber von vornherein keine Aussicht auf Erfolg, wenn nicht vom Unternehmer glaubwürdig nochgrwiesrn wird, daß der gewerkschaftliche Berlin der Maurer Berlin« außer Stande war, dem Unternehmer Hilfe zu leisten. Mrhcvergütungen werden indeß auch bei Inanspruchnahme deS genannten BereiuS nicht gewährt." Der InnungSverband Deutscher Baugewerkmeister hat beschlossen, gegen diese Klausel eine Eingabe an die Regierung zu richten. — Die socialdemokratische „Wiener Arbeiter-Zeitung" ist kürzlich wegen des Abdrucks einer Stelle an» Mommsen'« „Römischer Geschichte", worin da« Wiener Landgericht «ine Aufreizung zum Haß und zur Verachtung erblickte, be schlagnahmt worden. Ein Wiener Gelehrter übersandte Mommsen daS gerichtliche Erkenntniß und erhielt darauf nach stehende» Schreiben: Geehrter Herr! Empfangen Sie meinen Dank für die freund- ltche Uebersrnduog des interessanten Dokument» und geben ihn weiter an Ihre Auftraggeber. Es soll sorgfältig unter meinen Memorabilien ausbewahrt werden. Erinnert hat es mich an daS Goethe'sche Epigramm: Eine» wird mich verdrießen für meine lieben Gedichtchen, Wenn sie die Wiener Censur durch ihr Verbot nicht bekränzt. In dieser Hinsicht die gleiche Auszeichnung zu genießen, habe ich allerdings nicht hoffen dürfen, bin aber um so dankbarer für dir unverhoffte. Jenes Epigramm ist vom Jahre 1797 datirt; es liegt die Frage nahe, wie der Culturfortschritt Oesterreichs in diesem Jahr hundert sich gestaltet hat. Von der ernsten Seite deS kleinen Vorfalles lassen Sir mich lieber schweigen, oder doch nur daS aussprechen, daß bei der dauernde» Barbarei, um nicht zu sagen der Rebarbari- sirung der obere» Gesellschaftsschichte», dir Triebkraft deS Bodens fortwirkt und unter dem dürren Holz mancher grüne Keim sproßt. Ganz der Ihrige Mommsen. Charlottenburg, 24. Mai 1899. — Die Nachwehen der Maifeier machen fick in vielen Gewerkschaften empfindlich bemerkbar. Die Aus gesperrten sind bisher noch nicht sämmtlich wieder unter gebracht und die Cassen der Organisationen müssen für diese Opfer der Maifeier fortlaufend Unterstützungen leisten. Wie groß die Kosten sind, ergiebt sich aus den Abrechnungen der einzelnen Verbände. So haben die Holzarbeiter iu Berlin allein 15 300 an die wegen der Maifeier entlassenen Berufsgenossen auszahlcn müssen. Neben den Holzarbeitern baden die Möbelpolirer am »reiste» unter den Folgen der Maifeier zu leiden. — Prinz Albrecht von Preußen wird zum 24. Juni nach Berlin kommen, um an diesem Tage als Herren ine ist er des Johanniter - Ordens ein Capitel deS Johanniter - Ordens iu seinem PalaiS abzuhalten. — Der Ministerial - Direktor im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Ober-Baudirecior S chroeder, hat sich nach Kiel begeben. Der königliche Gesandte in Hamburg Graf Wolfs-Metternich ist auf seinen Posten zurückgekehrt. — Prediger Ohly von der lutherischen Gemeinde in Elberseld, der am letzten Sonntag in der Pfingstcapelle bei Potsdam vor dem Kaijrrpaar predigte, ist zum Hof- und Domprediger in Berlin berufen worden. Er ist 1884 ordinirt und wurde 1886 Adjunct und dann Nachfolger seines Vaters als Pfarrer der evangelisch lutherischen Gemeinde in Elberfeld. * Cassel, 30. Mai. Zum Aufenthalt der kaiserlichen Prinzen auf Schloß WilhelmSböhe wird der „Post" von hier noch berichtet, daß sich die Kaiserin gelegentlich ihrer jüngsten Anwesenheit zum Männergesangwettstreit in Cassel nach WilhelmSböhe begeben hatte, um in Gegenwart deS Ober-Hos- und HauSmarschallS, Grafen zu Eulenburg, die Wohnräumlichkeiten ihrer drei ältesten Söhne einer ein gehenden Besichtigung zu unterwerfen. Die Prinzen, welche morgen nach WilhelmShöhe übersiedeln, werden mit zwölf Cadetten der Plöner Anstalt gemeinschaftlich Unterricht er halten. * Elberfeld, 30. Mai. Gestern wurde hier ein Verein der nationalliberalen Iugeud Elberfelds gegründet; e» erfolgten zahlreiche Beitritte. * Köln, 30. Mai. Der beute hier versammelte Central- auSschuß der uationalliberalea Partei des Rhein land es hat nach eingehender Berathung den einstimmigen Beschluß gefaßt, noch einmal an die nationalliberale Partei des Abgeordnetenhauses das dringende Ersuchen zu richten, nach allen Kräften einer Abänderung des Gemeinde wahlrechts, die den UltramontaniSmuS in den rheinischen Gemeinden zur Herrschaft bringe» würde, entgegen zutreten. * Meiningen, 30. Mai. Die Schulsparcassen im Herzogthum Sachsen-Meiningen haben 1898 wiederum zu genommen und die Zahl von 227 bei 310 Schulgemeinden erreicht. In fünf Amtsbezirken sind Sparcaffen in allen Schule»; in einer Zahl von Bezirken meist in allen Schulen und nur in fünf Bezirken noch in der Minderbeit vorhanden. Die Zahl der sparenden Kinder ist seit 1896 von 17 690 auf 24 685 gestiegen, die Einlagen in gleicher Zeit von 475 647 auf 665 264 angewachsen. Im Jahre 1898 wurden 234 176 oder pro Kind 8,36 neu eingelegt, 142 451,90 zurückgezablt. Von 42 837 Schulkinder», sind im Herzogthum 28 017 Sparer. Dabei ist zu bedenken, daß da» Land eines der am wenigsten wohlhabenden ist und daß die zahlreiche industrielle Bevölkerung meist socialdemokra tischen Anschauungen huldigt. Die Sparsamkeit scheint also auch von dieser Schicht als Privatsache gut cultivirt zu werden. * Mainz, 30. Mai. Der Oberstaatsanwalt vr. Schmidt bat heute der Redaktion deS „Mainzer Journal»" die Mittheilung zugehcn lassen, daß das DiSciplinar- verfahren gegen den LandgerichtSdirector Küchler wieder ausgenommen worden sei. * Darmstadt, 30. Mai. Den Vorsitz in der Erste» Strafkammer de« Landgerichts führte beute Morgen nicht Landgericklsdirector Küchler, sondern der dienstaltcste Bei sitzende, Landgerichtsrath vr. Schneider. VvrauSgegangcn war eine Berathung der Beisitzer. * Saarbrücken, 30. Mai. Die heute Vormittag von etwa 150 au« ständigen Bergleuten der Privat grube Spittel besuchte Versammlung in Lauterbach be schloß, daß beute Nachmittag sämmtliche jüngeren Bergleute ihre Abkehr und Auslohnung verlangen sollen, um ander weitig Arbeit zu suchen. Heute feiern 422 Mann, 144 ar beiten. Eine gestern im Walde bei Lauterbach geplante Versammlung wurde durch die Polizei verbindert, woraus etwa 150 Mann nach Karlingen vor die Directorwohnung zogen, wo gesungen und geredet wurde; Ausschreitungen kamen nicht vor. * Strassburg, 30. Mai. Am Dreifaltigkeitssonntag ist hier, wie berichtet, die neue katholische Garnisvnkirche eingewcibt worden. Für diese Kirche haben die Könige von Württemberg und Sachsen ein prachtvolles Glas- fenster gestiftet. Die Schenkung ist darauf zurückzufübren, daß je ein württembergischeS und ein sächsisches Infanterie regiment in Straßburg garnisoniren. Auch der Kaiser, der Großherzog von Baden, der Statthalter von Elsaß-Lothrinzen und andere Fürstlichkeiten haben zur inneren Ausschmückung des Gotteshauses beigetrageu. * München, 30. Mai. Slatin Pascha sprach beute Abcnd hier im evangelischen VereinSsaal vor der Geographischen Gesellschaft über den sudanesischen Feldzug und die Einnahme Omdurmans. Er berührte auch die Faschodaaffaire, wobei er den Muth und die Ausdauer Marchand'S aus seinem Zuge nach Faschoda anerkannte. Dem Vorträge wohnten auch die Prinzen Ludwig und Leopold, sowie die Prinzessinnen Therese und Gisela bei. Frankreich. Marchanv. * Toulon, 30. Mai. Major Marchand, welcher bei seiner Landung große Uniform angelegt hatte, wurde unter lebhaften Begrüßungen der Bevölkerung nach der Marine- Präfectur geleitet, wo ihn Viceadmiral de la Jaille beglück wünschte und willkommen hieß. Marchand sprach dem Admiral seinen Dank aus. Die Admiralität und die Generalität ließen sodann auf dem Quai die Expedition Revue passircn, und Viceadmiral de la Jaille überreichte unter dem Beifall der Menschenmenge Marchand das Commandeurkreuz der Ehren legion. Darauf begab sich Major Marchand ins Stadthaus, wo derselbe in Erwiderung auf die Beglückwünschungen eine Rede improvisirte, in welcher er sagte, er habe während der ganzen Dauer seiner Expedition nur zweimal Furcht gehabt. Das erste Mal, als er am Ufer des Weißen Nil unterhalb Faschoda von der Sorge erfuhr, in welcher Frankreich an läßlich der Affäre lebte, über welche er nicht weiter zu sprechen habe. „Wir empfanden die Erniedrigung Frankreichs, welche in dem Augenblicke geschah, wo es im Begriff stand, einen Erfolg zu erzielen. Doch das ist Alles nun vorbei. Denken wir nicht mehr daran und blicken wir geraden Auges in die Zukunft, jetzt, wo Ruhe und Frieden wieder eingekehrt sind. Aber ein zweites Mal dürfte Frankreich etwas Aehn- liches nicht erleben. Das zweite Mal, wo Sorge unser Herz erfüllte, war in dem Augenblicke, als wir, auf den abessinischen Bergen stehend, den Kreuzer „D'Assas" erblickten. Wir fragten uns mitten in der Freude, das Vaterland Wieder sehen zu können, in welchem Zustande Frankreich bei unserer Rückkehr sein werde, da wir hatten sagen hören, die Nation sei gegen die Armee. Wir haben heute den Beweis dafür, daß unsere Befürchtungen unbegründet waren. Wir nehmen die 'Huldigungen nicht für uns, wir denken, sie haben eine höhere Bedeutung, sie gelten unmittelbar der Armee, und ich fasse Alles, was ich empfinde, in den dreifachen Ruf zu sammen: Es lebe Frankreich, die Armee und die Republik! Frankreich ist gegenwärtig wegen des Mangels an Einigkeit niedergedrückt; wir müssen einig sein, es ist dies das einzige Mittel, um stark zu sein. Ich wiederhole deshalb: Hoch Frankreich, die Armee und die Republik!" Stürmischer Beifall folgte der Rede. Annahme des Budgets. * Paris, 31. Mai. (Drputirtenkammer.) Nach Meder- aufnahme der Sitzung bekämpft Pelletan von Neuem die vom Senate beschlossenen princiviellen Abänderungen des Budgets. Ministerpräsident Dupuy und Unterstaatssecretär Mougeot bethei- wußte. Die Thür stand meist offen, und er konnte im Vorbei gehen leicht ein paar Worte zur Begrüßung die niedrige Treppe hinabrufen. Emma pflegte sich dann auf derselben blicken zu lassen, und sie sah sehr hübsch aus in dem hell einströmenden Licht und gegen den tiefdunkeln Hintergrund. Er verspürte jetzt auch häufig das Verlangen, mit seiner Schwägerin ein Viertel stündchen zu plaudern, und konnte nicht genug rühmen, wie gc- inüthlich sie sich eingerichtet habe. „Ich kann mich bei Dir in einen meiner Vorfahren vor vierhundert Jahren hineinträumen", sagte er, „und denke mir, man fühlte sich damals in größerer Enge und bei geringeren Bedürfnissen doch Wohler." Er zeigte auf eines der alten Familienbilder. „Dem mit dem langen blonden Bart ähnle ich ein bischen — hm?" Er 'suchte doch, ohne es sich selbst einzugestehen, nur einen Vorwand, Emma ab zupassen, die manchmal in den neben dem Corridor gelegenen Vorrathskammern zu wirlkffchaften pflegte. Das Gespräch war immer nur kurz, aber sie schien auch nicht bös« zu sein, wenn er ihr so im Borübergehen die rnnde Wange streichelte oder die Schulter klopfte. Er steckte ihr auch einmal «ine Brosche mit Steinmosaik zu, die er ihr als Geschenk aus der Stadt mit gebracht hatte, sie für hie Pflege des alten Vaters zu belohnen. Dafür konnte sie nur dankbar sein. Das Wohnzimmer der Gräfin Hertha schien aber auch Jungenheim einen ungewöhnlich angenehmen Aufenthalt zu bieten. Kein Tag verging, an dem er der verehrten Dame nicht seinen Besuch abstattete, gewöhnlich um so lange zu bleiben, bis sich auch die Nichten einfanden, oder Irmgard wenigstens, die sich zur Tante ganz besonders hingezogen fühlte und immer etwas zu fragen hatte, waS ihr eben gerade eingefallen war. Dann blieb er natürlich erst recht. Er hatte den Roman der Gräfin aufmerksam bis zu Ende gelesen und war nun um Stoff zur Unterhaltung mit ihr nie verlegen. Aus seinen Aeußerungen erkannte sie sein gutes Berständniß für solche Belletristik, denn er lobte nicht nur phrasenhaft, sondern wußte auch eingehend zu begründen, warum ihm ein Capitel besonders gefallen hätte, und ließ es ebenso auch nicht an kritischen Ausstellungen fehlen, dabei doch stets rücksichtsvoll die Grenzen freundschaftlicher Berathung cinholt-nd. Vornehmlich bemängelte er eine mitunter in Weit schweifigkeit ausartenve Breite der Schilderung, die den Abdruck im Zeitungs-Feuilleton erschwere. Halte er es auch für eine unberechtigte Forderung, daß jeder Abschnitt dem Leser eine neue Spannung bringen soll, weit damit nur die übelste sen sationelle Mache gezüchtet und der gute Roman von der Lon- currenz um ein angemessenes Honorar ausgeschlossen würde, so beweise die geehrte Verfasserin doch mitunter, daß sie mit dem Publicum nicht genug Fühlung habe und für allgemein inter essant halte, was sie speciell interessire. Gräfin Hertha gab ihm sofort Recht; nun bestehe aber bei der Durchsicht für sie dieselbe Schwierigkeit, die zu breiten Stellen aufzufinden. Jungenheim erbot sich, mit ihr den Roman Blatt für Blatt durchzugehen und die nothwendigen Strich« onzuzeigen. Es sei dann ihre Sache, die etwa unterbrochenen Verbindungen wieder herzustellen. Darauf ging sie bercitwilligst und dankbarst ein. Nun brauchte er für seine Nachmittagsbesuche gar keine Erklärung mehr, und Irmgard konnte wissen, wo sie ihn zu finden hätte, wenn sie ihm nicht aus dem Wege gehen wollte. Sie wollte gar nicht. Der Doctor, den sie doch gleichsam entdeckt hatte, wurde ihr eine mehr und mehr anziehende Per sönlichkeit. Keine ganz sympathische, durchaus nicht. Anfangs hatte sie eher heimlich Furcht vor ihm, als trage er immer eine Maske, und es stecke darunter etwas Bedenkliches, von dem sie sich vielleicht abwenden müßte, wenn sie es erkennen könnte. Sie sah immer den Doctor Junge, so sehr auch die ganze Form des Umgangs im Hause darauf deutete, daß der Baron Jungenheim zu Gast sei. Er hatte so eine rücksichtslose Art, Alles heraus zusprechen und über Alles zu lachen; manchmal konnte er recht unzart sein. Und seine Ueberlegenheit war auch mitunter recht unbequem — oder eigentlich immer. ES kam ihr so vor, als ob ein weibliches Wesen unmöglich über ihn Gewalt erlangen könne; an sich selbst wollte sie natürlich gar nicht denken. Aber sie dachte doch auch an sich. Der Doctor war ja entfernt nicht so, wie sie sich in der Pension einen Mann vorgestellt hatte, der ein Mädchenherz im Sturm erobern könnte. Aeußerlich allenfalls, und auch da nur mit dem Vorbehalt, daß nicht eine engelhafte Erscheinung gefordert würde, nicht einmal eine streng ritterliche. Er hatte in seiner ganzen Haltung und besonder« in den Augen so etwas „Modernes", das entschieden beunruhigte. Freilich war er ihr sehr viel näher gekommen, seit er sich entschlossen hatte, auch einmal mit ihr „vernünftig zu reden". Und er konnte wirklich mit ihr sprechen, wie mit einem guten Gesellen, dem er sich gleich stellte — wenn er wollte. Es reizte sie nun nicht wenig, diesen guten Willen stark zu erhalten. Es fiel ihr nicht ein zu fragen, „was sich zu regen da begonnte". Aber sic gab gern dem stillen Wunsch nach, mit ihm zusammen zu sein, und hatte ihre Freude daran, wenn er sie beachtete, ohne daß er's gerade nöthig gehabt hätte. Im Zimmer der Tante nämlich, sobald er mit ihr „arbeitete". Es schien ihm gar nicht unlieb zu sein, wenn sie auf der Fensterbank saß und zuhörte, das hübsche Blondköpfchen auf merksam vorgeneigt und die kleine Hand am Kinn. Er blickte von Zeit zu Zeit seitwärts zu ihr hin, dabei die Augen brauen so ganz eigen spannend, und r» kam sogar vor, daß er sie, wenn der Tante ein Vorschlag bedenklich schien, um ihre Meinung fragte. Das geschah am häufigsten, wenn das junge Mädchen im Roman irgend etwas zu thun oder zu lassen hatte, und er formulirte dann die Frage dahin: „Wie würden Sie an ihrer Stelle handeln?" Es war oft gar nicht leicht, darauf eine Antwort zu geben, besonders wenn es auf das Verhalten gegenüber dem Liebhaber ankam, und mitunter entgegnete sie dann auch tief erröthend und fast ärgerlich: „Aber wie kann ich das wissen?" Es that ihr doch wohl, daß sie nach seiner Annahme darüber eine Meinung haben könnte, und sie ließ sich meist auch freundlich zureden, sie zu äußern. Dabei ging es ihr immer gleich durch den Sinn, wie eS ihm wohl ge fallen möchte, daß sie antwortete — nicht der Tante, sondern seinetwegen. Und gewöhnlich antwortete sie denn auch so. Manchmal aber kam der Ncckteufel über sie, und sie antwortete dann absichtlich gerade anders, doch nicht ohne durch ihr Mienen spiel anzudeuten, daß ihr der Schalk im Nacken saß. Es ereignete sich wohl auch, daß die Gräfin Hertha abberufen wurde und daß er dann eine Weile mit den Schwestern oder gar nur mit Irmgard allein blieb. Dann nahm er gern auS dcm Roman, oder auch aus Theaterstücken, die er Abend« im Familienkreise vorgelesen hatte, Veranlassung, allerhand Probleme auSzuspinnen, die auf das Verhältniß der Geschlechter Bezug hatten. „Das Recept der Dichter ist immer, zwei Menschen anfänglich recht weit von einander zu stellen", sagte er einmal, „um sie darauf, durch die Macht der Liebe bewältigt, am Ende doch über alle Hindernisse hinweg zusammen zu bringen, sei es in glücklicher Bereinigung für« ganze Leben, sei es in einem Moment höchster Befriedigung vor einem tragischen Aus gang. Je weiter ab, um so größer die Spannung. Dabei passirt e« ihnen denn wohl, daß sie un« nur so lange überzeugen, als wir ihnen zuliebe die Augen zudriicken und die realen Mög lichkeiten unbeachtet lassen. Es ist vielmehr nicht so sehr der Unterschied de« Stande« und der Vermögensumstände, was zwei Menschen, die Amor« Pfeil getroffen hat, auseinander hält, als der Unterschied der körperlichen und geistigen Entwickelung auf den untersten und obersten Stufen. Eine Arbeiterin, so hübsche Augen oder Haare sie besitzen mag, muß nothwendig doch schwielige und rauhe Hände haben, und ich weiß nicht, ob ein Mann, der die seinigen allezeit schonen durfte, darüber hinwegkommt, daß seine Frau in der Gesellschaft die Handschuhe nicht ausziehen darf. Ein Heller Verstand und ein gutes Herz thun e« auch noch nicht; es muß eine gewisse Summe von Wissen und die Empfindung für dos nach den Gewohnheiten der ver schiedenen Gesellschaftskreise Selbstverständliche hinzukommen, wa» nur Lehre und Erziehung zu geben vermögen. Daher find meisthin die allerschönsten Geschichten, bei denen nämlich Aschen brödel einen Prinzen heirathet, innerlich unwahr. Mich inter- essiren mehr die, in denen zwei Königskinder nicht zusammen kommen können, weil das Wasser gar zu tief ist." „Was für ein Wasser?" fragte Irmgard. Lolo hätte sicher bemerkt, daß ihm die Stirn zucke. „Ah!" sagte er, „Sie kennen doch das alte schöne Lied: „Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb." Das waren die Königskindcr, die nicht zusammenkommen konnten, weil ... Ja, es war vielleicht nur eine Ausrede des Dichters, daß das Wasser zu tief war, und es könnte ebenso gut heißen: der Berg war gar zu hoch. Es war etwas zwischen ihnen, das konnten sie nicht überwinden. Obgleich sie Königskinder waren — Beide! Ich denke mir auch, man darf die Bezeichnung Königskinder nicht zu wörtlich nehmen. Es können auch zwei Grafen- oder Baronskinder sein, die nicht zusammenkommen können, so lieb sie einander haben — oder auch zwei königlich gesinnte Arbeiter kinder in zerschlissenen Röckchen: auch für sie giebt es zu tiefe Wasser." Irmgard sah ihn mit ganz großen Augen an. Es schien ihr recht schwer zu werden, seine Meinung zu fassen, und sie wollte sich doch alle Mühe geben. „Es läßt sich aber auch über das tiefste und breiteste Wasser ein; Brücke schlagen", entgegnete sie. „Ja", bestätigte er, „ein sehr kluger Ingenieur kann da« wohl. Aber die Königskinder find gewöhnlich unklug, stehen zu beiden Seiten am Ufer und verzehren sich in Sehnsucht nach dem Un erreichbaren. Ich weiß Einen, der über das tiefe Wasser schwamm, aber nachdem das ein paar Mal geglückt war, ertrank er doch." „Leander", sagte sie, rasch auf sicheren Boden tretend. „Und die schöne Hero weinte sich die Augen blind." So recht verstand sie ihn doch nicht, aber sie ahnte, daß da etwas gesagt sein sollte, was auf sie Beide Bezug haben könnte, und wollte nicht weiter fragen. Es war ihr auch durchaus nicht klar, wie das auf sie Beide Bezug haben könnte. Ja, wenn er wirklich der Doctor Junge wär«! . . . Aber sie träumte gern da weiter. Wenn er wirklich der Doctor Junge wäre, ein armer Journalist, und er hätte sie lieb, und sie hätte ihn lieb — daran konnte sie allerdings gar nicht denken, ohne das Blut heiß auffieigen zu fühlen, daß ihr ganz angst wurde — und das tiefste Wasser läge zwischen ihnen . . . Sie könnt: nicht einmal wünschen, daß er's zu überschwimmen versuchte. Oder doch? lS-r»s«»«n- f-lP.)
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