Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990624018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899062401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899062401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-24
- Monat1899-06
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis t> der Hauptexpedition oder den im Stadt, bettrk und den Vororten errichteten Au«- navesteNen ab geholt: vierteljährlich ^»4.50, vri zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5.L0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 8.—. Direkte tägliche KreuzbanLiendung in» Ausland: monatlich 7.50. Dir Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? llhr, di« Aornd-Ausgabe Wochentag» um 5 Uhr. Nedaclion und Expedition: IohanntSgaffe 8. Dir Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abrnd» 7 Uhr. Filialen: ktt» Klemm'» Sorttm. (Alfred Hahn), UniversitätSstraßr 8 (Paulinum), Lonis Lösche, Katharinevstr. 14. part. und könig»platz?. Morgen-Ausgabe. WpMtr TaMatt Anzeiger. ÄmtsVM des Höniglichen Land- und Ämtsgerichles Leipzig, -es Mathes und Vottzei-Äintes der Stadt Leipzig. AnzergenPrei- die -gespaltene Petttzeile SO Pfg. Rrclamro untre dem RebactioaSstrich (»ge spalten) bO^, vor Len Famtliennaqrtchirn (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ztfferasatz nach höherem Tarts. Extra »Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbefördrruna 60.—, mit Postbeförderuug ^l 70.—. ^uvahmeschlnß fLr Anzeigen: Abeud-Au-gabr: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» »Uhr. Bei de» Filialen uud Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet« a» di« Expedition zu richte». Druck und Verlag do» E. Polz i» Leipzig. 318. Sonnabend den 24. Juni 1899. S3. Jahrgang. Negiernngsentwürfe und Centrum. Die preußische Regierung und die Reichsregierung sind zwar in ihrer Zusammensetzung zum großen Theil verschieden, und noch verschiedener ist die Art und Weise, in der die Rcgierungsentwürfe, bevor sie dem Landtage bezw. Reichstage vorgelegt werden, ihre «Gestaltung erhalten; in Einem aber sind sich gerade die wichtigsten Entwürfe gleich: daß sie nämlich wie darauf zugeschnitten sind, die Machtstellung des Centrums zu fördern. Die Canalvorlage im preußischen Abgeordnetenhause und der Gesetzentwurf zum Schutze der Arbeitswilligen im Reichstage thun die Richtigkeit dieser Behauptung dar. Wa» die Canal vorlage anlangt,, so hat ja schon die Annahme de» Centrums- antrages auf Zurückweisung in die Commission bewiesen, daß das Centrum vollständig Herr der Situation ist. Daß es bei der „Zuchthausvorlage" ebenso gehen wird, ergiebt sich aus der Aeußerung des Abgeordneten Dr. Lieber, in der Pause zwischen erster und zweiter Lesung werde das Centrum einen eigenen Entwurf ausarbeiten. Man kann sich darauf verlassen, daß, wie bei so manchen Vorlagen der letzten Jahre, schließlich nicht der Ncgierungsentwurf, sondern dieser Centrumsentwurf Gegenstand der Verhandlungen und Berathungen, der Annahme oder Ab lehnung werden wird. Wenn es solchermaßen dahin kommt, daß das Centrum nicht nur regierende Partei ist, sondern zur Regierung selbst wird und daß die Regierung nur noch Großpensionär des Centrums ist, so ist die Art und Weise daran schuld, in der in Preußen wie im Reiche Rcgierungsentwürfe zu Stande kommen. Es soll nicht gesagt werden, daß sie insofern vom grünen Tische stammen, als Fachleute und Männer des praktischen Lebens nicht befragt würden. Wohl aber begeht die Regierung den Fehler, daß die Entwürfe den Volksvertretungen vorgelegt werden, ohne daß man im Mindesten Fühlung nimmt, wie sich wohl die Parteien dazu stellen werden. Das tritt bei der Canalvorlage hervor, die ohne Rücksicht auf die Interessen der dadurch geschädigten Bezirke und damit also auch ohne Rücksicht auf die Stimmung der Abgeordneten dieser Bezirke abgefaßt wurde. Denn wenn jetzt diese Rücksicht geübt werden soll, so ist dies ja nicht der Einsicht der Regierung, sondern dem Drängen der Parteien, ins besondere auch des Centrums, zu verdanken. Noch mehr aber tritt der Mangel an Fühlung mit dem Parlamente bei der „Zuchthausvorlage" hervor. Eine Besprechung mit den Führern der Parteien, auf die die Regierung nun einmal angewiesen ist, hätte sofort dargethan, daß die Vorlage, so wie sie ist, nicht die mindeste Aussicht auf Annahme hatte. Jetzt, wo sie einmal eingebracht ist, bestehen nur zwei höchst unangenehme Möglich keiten, einmal, daß die Vorlage gänzlich abgelehnt wird — und das würde einen ungeheuren Triumph für die Socialdemokratie bedeuten; oder zweitens, daß sie die erheblichsten Aenderungen erfährt, und zwar, worauf man sich verlassen kann, vorwiegend entsprechend den Vorschlägen des Centrums —, und dann be deutet dies eine ungeheure Stärkung der Macht der Centrums partei. Es soll gewiß nicht verlangt werden, daß die Regierung sich bei allen Vorlagen von vornherein völlig nach dem Willen des Parlaments richte. Das würde die vollkommene Herrschaft des parlamentarischen Systems bedeuten, und dieses System würde in Deutschland kaum sehr segensreich wirken. Wohl aber kann verlangt werden, daß die Regierung bei Vorlagen von der un geheuersten wirthschaftlichen Tragweite (wie beispielsweise bei der Canalvorlage) oder von außerordentlich politischer Bedeutung (wie beispielsweise bei der „Zuchthausvorlage") sich l wenigstens in den Hauptzügen darüber vergewissert, I was der Mehrheit etwa zugemuthet werden kann, j Kein Einsichtiger wird verkennen, daß das heut zutage schwerer ist, als es in einer Zeit war, als noch Wilhelm I. den Männern seines Vertrauens die Ausgestaltung von Gesetzentwürfen überließ, die er entweder allein für Preußen, oder in Uebercinstimmung mit der Mehrheit der deutschen Fürsten für das Reich als nothwendig erachtete. Damals wurde es den verantwortlichen Staatsmännern nicht allzu schwer, mit den aus schlaggebenden parlamentarischen Fractionen sich zu verständigen. Heute fällt diesen Staatsmännern zuerst die nicht selten heikle Auf gabe zu, einen bestimmt ausgesprochenen Willen des preußischen Staats- und deutschen Reichsoberhauptes mit den Formen eines Gesetzentwurfes zu umkleiden und für diesen eine Mehrheit im Bundesrathe zu gewinnen. Und je weniger alle parlamen tarischen Fractionen von diesem Wandel in der Vorbereitung und Ausgestaltung von Gesetzentwürfen erbaut sein können, weil dieser Wandel die Aufgaben der Volksvertretung erheblich erschwert, um so geringer wird die Aussicht auf das Gelingen des Versuches, zwischen den Fractionen und der Regierung eine Verständigung herbei- zufiihren. Aber dieser Versuch muß gemacht werden, und zwar noch im Stadium der Vorbereitung der Gesetz entwürfe, nicht erst nach ihrer Fertigstellung. Wir leben nun einmal nicht in einem absolutistischen, sondern in einem kon stitutionellen Staate, und so geht es nicht an, daß die Regierung einfach Entwürfe ausarbeitet, die einem Willen entsprechen; es kann ihr nicht erspart werden, daß sie sich mit dem anderen Factor der Gesetzgebung in Rapport setzt. Denn mag es ja auch wohl das eine oder das andere Mal vorkommen, daß sie, obwohl sie durch die Besprechung mit den Führern der maßgebenden Parteien sich über die Aussichtslosigkeit einer Vorlage vergewissert hat, diese Vorlage dennoch einbringt, weil sie sie im Interesse des Staatswohles für nothwendig hält. Dann aber wird sie diese Vorlage auf Biegen oder Brechen durchkämpfen müssen und sich nicht darauf einlassen dürfen, eine einzelne Partei durch schwächliches Nachgeben zur Herrin nicht nur des Parlaments, sondern der Regierung selbst zu machen. Wenn die Herren von der Regierung fortfahren, ibre Entwürfe weltfremd, oder, wie man hier richtiger sagen müßte, parlamentsfremd in die Öffentlichkeit zu bringen, so ist das ganze deutsche Volk der leidtragende Theil. Denn dem deutschen Volke kann es wahrlich nicht nützen, wenn die Centrumspartei, die Partei der „geborenen Minderheit", wie die Herren vom Centrum ja selbst sagen, zur alleinigen Beherrscherin der inneren deutschen Politik wird. Vorletzter Act oder letzter? Der Held des Dramas, das Frankreich seit Jahr und Tag in Athem hält und die übrige Welt mindestens lebhaft interefsirt, wird inwenigen Tagen denBoden Frankreichs betreten, um binnen Monatsfrist abgeurtheilt zu werden. Mit diesem Urtheil wird der Proceß Dreyfus gerichtlich erledigt sein, und so sollte man meinen, daß mit dem Wahrspruche des Kriegsgerichts in Rennes der Vorhang fällt. Es ist aber sehr fraglich, ob wir vor dem BeginnedesletztenActes sichen, oder ob nicht vielleicht diesem letzten Acte «in allerletzter folgen wird, der dann eine viel reichere und bedeutungsvollere Handlung haben würde, als das ganze eigentliche Drama. Man könnte nur dann annehmen, daß die Dreyfus-An gelegenheit mit dem kriegsgerichtlichen Urtheil erledigt sein wird, wenn die politisch« Stimmung im Lande geklärt wäre; wenn die Bevölkerung entweder durchgängig Dreyfus verurtheilt oder ebenso durchgängig ihn freigesprochen wissen möchte. Daß von einer solchen Klärung nicht die Rede sein kann, ergiebt sich aus der Länge der eben erst müh ¬ sam beendeten Ministerkrisis. Wäre das französische Volk nach der einen oder nach der anderen Seite hin einmüthig, so hätte sich ein Ministerium binnen 24 Stunden Hilden lassen. Die französischen Deputaten sind nicht Leute, die ihren Männerstolz vorKönigsthronen, d.h.inFrankreich vor dem „souveränen Volke" wahren, sondcrn die sich nach der Stimmung des Volkes richten. Wäre die Stimmung des Volkescinhcillich für Dreyfus, so würde Waldeck-Rousseau sofort die unterthänige Unterstützung der ge mäßigten Republikaner gefunden haben; wäre die Stimmung ein heitlich gegen Dreyfus, so würde Mbline es verstanden haben, sich selbst ans Ruder zu 'bringen, denn «r hätte dann über eine sichere Mehrheit in der Deputirtenkammer verfügen können. Diese Uneinheitlichkeit der Wolksstimmung macht «s auch schwierig, «in Urtheil darüber abzugeben, ob Dreyfus von dem neuen Kriegsgerichte verurtheilt oder freigesprochen werden wird. Ein Gericht, und ganz besonders ein militärisches, sollte selbst verständlich dasSekbstbewußtseinhaben, lediglich nach 'einer Ueber- zeugung zu gehen, ohne sich im Mindesten um die Volksstimmung oder um die Wünsche der gerade am Ruder befindlichen Per sönlichkeiten zu kümmern. Daß man zu französischen Gerichten dieses Zutrauen nicht von vornherein hat, kann nach dem Verlaufe der Dreyfus-Angelegenheit schließlich Niemandem verargt werden. Man wird um so mehr Bedenken tragen müssen, die eine oder andere Lösung der Frage zu prophezeien, als man ja sieht, wie sowohl die Revisionistin, als die Antirevisionisten alle Hebel in Bewegung setzen, um zu versuchen, das Kriegsgericht in ihrem Sinne zu beeinflussen. Diese Versuche würden wohl unter bleiben, wenn man von ihrer Aussichtslosigkeit vor vornherein überzeugt wäre. Wenn nun Dreyfus verurtheilt wird? Kann man denn an nehmen, daß sich die Revisionisten damit beruhigen werden? Gewiß nicht. Die Hartnäckigkeit, mit der die Anhänger von Dreyfus seit dem October 1897 kämpfen, läßt daran keinen Zweifel, daß sie sich mit dem Fehlschlagen ihrer Erwartungen nicht ohne Lsseiteres abfinden werden. Sie hätten ja aber dann auch ein vorzügliches neues Kampfesmittel in der Hand: nämlich den Hinweis auf den Gegensatz, in den sich die militärische Ge richtsbarkeit zu den bürgerlichen Gerichten stellt. Und die Dreyfus-Angelegenheit wird ja schon längst nicht nur von sich aus betrachtet, sondern sie ist zur Kraftprobe, zum Schiboleth der politischen Parteien geworden. „Das Bürgerthum wird durch die militärische Diktatur unterdrückt", würde der Schlacht ruf der Dreyfusianer lauten, wenn ihr Held von Neuem ver- urtheilt würde. Und wenn Dreyfus freigesprochen würde, würde dann eine Beruhigung eintreten? Ebenfalls nicht. In den letzteren Jahren hat der Antisemitismus in Frankreich in einer Weise an Boden gewonnen, wie in keinem anderen Lande der Welt, weil er in Frankreich nicht für 'sich allein steht, sondern sich mit dem Kleri- kalismus und den monarchischen Bestrebungen verbündet hat. Diese verbündeten Parteien haben eine Stärke gewonnen, wie man es im Lande der „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" nie hätte annehmen können. Die Freisprechung von Dreyfus würde diese Partei anspornen, Rache für die Niederlage zu nehmen, und daß d«m Triumvirat Antisemitismus, Klerikalismus und Monarchismus in Frankreich alle Mittel recht sind, haben sie bei den wiederholten Straßenunruhen in Paris, Algier und anderen Städten und bei dem Attentat auf den Präsidenten Loubet zur Genüge dargethan. Wenn also Julius TornLly sagt, die Ver- urtheilung von Dreyfus würde die Revolution bedeuten, so mag er vielleicht ganz Recht haben, «r bätteaber hinzufügen sollen, daß die Freisprechung von Dreyfus ebenfalls die Revolution bedeuten würd«. Selbst wenn aber der Dreyfus-Proceß nicht gerade zur Revolution, sondern nur zu vorübergehenden und von einer kräftigen Regierung — von der man freilich in Frankreich nichts merkt — gleich niederzuwerfenden Unruhen führen sollte, so wird man doch die Nachwehen der ,-Affäre" noch lange zu spüren haben. Denn der Proceß hat die unsäglichsten Verheerungen innerhalb der Parteien zur Folge gehabt. Ein Mann, wie Rochefort, der früher jeden Geistlichen und jed«n Berufssoldaten am liebsten zehnmal für einmal getödtet hätte, ist zum Liebling der Kuttenträger und der Uniformen geworden. Ein Mann, wie Cornely, der durch und durch konservativ und streng katholisch ist, sieht sich in der Gesellschaft von Radicalen und von Leuten, di« früh und Abends ausrufen: „Nieder mit den Pfaffen!" Eine derartige Confusion aller Parteiverhältnisse, Auffassungen und Begriffe kann «inem Lande nicht gut be kommen. Und so wird der Held des «benso abstoßend«» wie er schütternden Dramas, der an sich wenig bedeutende Hauptmann Dreyfus, für di« Geschickte Frankreich» eine der bedeutungs vollsten Persönlichkeiten bilden. Deutsches Reich. /S. Berlin, 23. Juni. (DieoffeneProclamirung des Schachergeschäfts.) Die ultramontane „Köln. VoltSztg." ist erbittert darüber, daß infolge der Ernennung einer Sübcommission die Gemeindewahlreform in Preußen in der gegenwärtigen Tagung nicht zum Gesetze werden kann. Sie erklärt offen, daß darunter nun auch die Canalvorlage zu leiden haben werde. Sie schreibt: „Man vertage die Erledigung der 'Canalvorlage auf die nächste S«ssion, nachdem die Wahl- rechtsvorlage, welche durch den von der Regierung gewählten Zeit punkt der Einbringung mit der ersteren verkoppelt erscheint, aber mals vertagt worden ist." Die Wahlrrformvorlage ist mit der Canalvorlage nur darum „verkoppelt", weil es dem Centrum so beliebt. An sich hat ja die Wahlrcform mit der Canalvorlage nicht das Mindeste zu thun, und es müßte der Z e i t p u n c t, in dem die Wahlreformvorlage eingebracht worden ist, noch weniger damit zu thun haben. Wenn jetzt also das Centrum der Hinaus zögerung der Canalvorlage Vorschub leistet, um diese Vorlage nicht eher zu bewilligen, als bis die Wahlreform unter Dach ge bracht ist, so mag es ein« solche Handlungsweise selbst als noth- wendige Vorsicht ausgeben, um nicht bei der Wahlreform „ge prellt" zu werden: für jeden Unbefangenen ist ein solches Ver fahren aber «in Handelsgeschäft und noch dazu nicht einmal ein feines. Der Charakter des Handelsgeschäfts wird auch durch die folgende weitere Auslassung der „Köln. Volksztg." dargethan: „Innerhalb des Centrttms ist, wie wir glauben, die sachliche Gegnerschaft gegen den Mittellandkanal erheblich stärker, als es nach einzelnen Preß verlautbarungen erscheinen könnte." Wer aus sachlichen Gründen ein Gegner der Canalvorlage ist, weil er glaubt, daß der Canal seinem Wahlkreise Schaden bringen könnt«, , oder weil «r annimmt, daß die All gemeinheit aus der Erbauung des Canals nicht einen dem Kosten- I aufwande entsprechenden Nutzen ziehen würde, verletzt seine Pflicht I als Abgeordneter gröblich, wenn «r trotzdem für die Canalvorlage I stimmt. Denn an diesen sachlichen Bidenken wird ja nicht Das Johannisfeuer und seine Bedeutung. Von E. Glaser. Nachdruck verbrtrn. . Unter den Trümmern, die sich von alten Religionsgebräuchen der heidnischen Zeit bei dem deutschen Volke erhalten haben, ge hören zu den interessantesten und augenscheinlich ältesten die jenigen Reste alter Sitten, welche wir als Johannisgebräuche und ähnliche Feiern zum Theil zu christlichen Zwecken verwendet sehen. Der charakteristischste von allen hierher gehörigen Gebräuchen ist der, daß anj Johannistage, in manchen Gegenden noch jetzt, und früher in noch weit ausgedehnterem Maße Feuer auf den Höhen angezündet zu weiden pflegen. Von den Angaben, die Grimm in seiner Mythologie darüber macht, soll nur über das Johannisfeuer in Konz, einem lothringischen Dorfe, an der Mosel unweit Sierk hier berichtet werden. Jedwedes Haus liefert ein Gebund Stroh auf den Gipfel >d«s Stromberges, wo sich gegen Abend Männer und Burschen ver sammeln; Frauen und Mädchen sind beim Burlacher Brunn«» aufgestellt. Nun wird ein mächtiges Rad dergestalt mit Stroh bewunden, daß gar kein Holz zu sehen ist und durch die Mitte eine starke, zu beiden Seiten drei Fuß vorstehende Stange gesteckt, welche die 'Lenker des Rades erfassen. Aus dem übrigen Stroh bindet man eine Menge kleiner Fackeln. Auf ein vom Maire zu Sierk (der nach altem Gebrauch dafür «inen Korb Kirschen empfängt) gegebenes Zeichen erfolgt mit einer Fackel die An zündung des Rades, das nun schnell in Bewegung gesetzt wird. Jubelgeschrei erhebt sich, Alle schwingen Fackeln in die Luft, ein Theil der Männer bleibt oben, ein Theil folgt dem rollenden, bergab zur Mosel geleiteten Feuerrad. Oft erlischt eS vorher, gelangt es brennend in die Fluth, so weissagt man daraus eine gesegnete 'Weinernte, und die Konzer haben das Recht, von den umliegenden Weinbergen ein Fuder weißen Weins zu erheben. Während das Rad vor den Frauen und Mädchen vorüber läuft, brechen sie in Freudengeschrei aus, die Männer auf dem Berg antworten; auch die Einwohner benachbarter Dörfer haben sich am Ufer des Flusses eingefunden und mischen ihre Stimmen in den allgemeinen Jubel. vr. Wilde (Dublin) beschreibt ein solches Fest in Irland, welches mit seinen Geigern und Pfeifern in der Nacht ganz den Charakter der Saturnalien der Alten angenommen habe: ES wurde ein großes Feuer angezündet, und die jüngeren Leute liefen durch das Feuer hindurch, meist aus Scherz, während Andere es mit einer tiefer liegenden Nebenabsicht ausfiihrten. So sah man manche der älteren Leute leise Gebete sprechen, wäh rend sie um das Feuer gingen. Wollte Jemand ein« längere Reise unternehmen, so lief er drei Mal hin und zurück durch das Feuer, um Glück unterwegs zu haben. Galt es eine Herrath, so that er es, um sich zur ehelichen Verbindung zu reinigen. Hatte er irgend ein Wagestück im Sinne, so lief er durch das Feuer, um sich unverwundbar zu machen. Wenn das Feuer matter wurde, gingen die Mädchen hindurch, um gute Männer zu bekommen; schwangere Frauen sah man hindurch gehen, um eine glückliche Niederkunst zu erlangen; selbst Kinder sah man über die glühen den Kohlen tragen, ganz so, wie es in alten Zeiten bei den Kanaanitern Sitte war. Schon die Gegenwart befreite die Menschen das ganze Jahr hindurch von körperlichen Uebeln. Besonders von Bedeutung ist der große Feuersprung in Frankreich. Jedes Dorf hat seine Freudenfeuer, die jungen Burschen und Mädchen tanzen um dasselbe herum, dann laufen sie auseinander und suchen sich zu fangen. Hierauf folgt der Feuevsprung, welcher oft über den Werth der Männer entscheidet, denn die heiratsfähigen Mädchen treffen gern darnach ihre Wahl, weil ein fester Fuß eine milde Hand verkündet. Im oberbayrischen Gebirge finden die Knaben ein Hauptver gnügen daran, von Haus zu Haus zu ziehen und um Holz für das Johanmsseuer zu bitten. Jeder girbt ihnen gern und lachend, wenn sie an die Thüren und Fenster klopfen und durch einander schreien: „Ist ein braver Herr im Haus, Giebt er uns ein Scheit heraus, Zwei Scheiter und zwei Boschen Die machen's recht glimmen und gloschen." Die Kinder springen durch das gefährlich« Element und auch mancher ältere Mann und manche gesetzte Bäuerin wagt den Sprung, wohk mit dem heimlichen Hintergedanken, daß damit das leidig« Kreuzweh beseitigt sei für ein ganzes Jahr. Am bedeutsamsten aber war der Sprung für die Burschen und Mäd chen, denn da kam die wichtigste Frage ins Spiel, die Frage um Herz und Hand. Schon die Aufforderung dazu galt als ein Zeichen offener Bewerbung, und in der Gewährung lag das un ausgesprochen« Bekenntniß, daß der Lewerber nicht unangenehm war. Mancher, der seiner Sache schon sicherer war, trat vor den Schatz seims Herzens, klatschte in die Händ« und sang: „Uebern Kopf und untern Kopf Lhu' ich mein Hüt'! schwingen, Mädel, wenn'st mich gern willst haben, Durchs Feuer mußt mit mir springen." Empfing er dann die Hand, zum Zeichen, daß das Mädel, wie durchs Leben, auch durchs Feuer mit ihm zu gehen bereit sei, dann lief das Paar Hand in Hand der Flamme zu, um im ge meinsamem Satze darüber oder hindurch zu springen. Gelang der Sprung, so war's gewiß, daß die beiden Leutchen zusammen gehörten, ihre Liebe hatte die Feuerweihe erhalten; geschah es aber, daß eins oder das andere strauchelte oder zu kurz sprang, od«r gar niederfiel und in di« Kohlen gerieth, so war das eine Andeutung, daß wohl noch etwas zwischen sie kommen und sie trennen könn«. Traf es sich vollends, daß das Feuer einen Augenblick niedriger brannte, oder sich seitwärts neigt«, oder stärker rauchte, so waren das lauter Winke, welche zu wiederholter Prüfung des geschlossenen Bündnisses aufforderten. Wenn aber die Flamme während des Sprunges so recht klar, hoch und rauch los aufstieg, oder wenn es gar darin knisterte oder krachte, als ob das Feuer selbst seine Freude habe an dem springenden Pärchen —, dann war's gewonnen, dann durften beide sich immer noch fester an der Hand fassen, und die Lebenswande rung getrost Hand in Hand beginnen, das Sonnenwendfeuer hatte ihnen Glück g«weissagt. Im Riesengebirge schichtet man den Scheiterhaufen des Jo hannisfeuers um einen hohen Baum auf. Im Egerlande pflegte man dazu ein« hohe und gerade, recht harzreiche Tanne oder Ficht- zu nehmen, mit Blumensträußen, Bändern und Kränzen zu behängen, um sie herum Brennmaterialien zu häufen uttd bei Dunkelheit anzuzünden. Während das Reisig brannte, kletterten di« Burschen auf den Johannisbaum, um die von den Mädchen daran befestigten Kränze und Bänder herabzuholen. Ist der Baum niedergebranni, stellen sich die Burschen ihren Mädchen gegenüber um das F«uer herum auf und schauen sich gegenseitig durch Kränze und durchs Feuer an, um zu erfahren, ob sie sich treu sind und heirathen werden. Dann werfen sie sich nach einander drei Mal die Kränze durch oder über das lodernd« Feuer zu, und der junge Bursche muß, will er nicht einen starken Ver stoß begehen, den Kranz fangen, welchen das Mädchen ihm zu wirft. Durch das Johannisfeuer treibt man in Rußland, Serbien, Lithauen, Preußen, Böhmen, England auch das Vieh, um eS vor Sruch«, Zauberei und Milchbenehmung zu schützen. Dieselben Gebräuch«, welch« b«i uns mit dem Johanmsseuer verbunden sind, finden wir schon in Rom bei dem Palilienfeste. Die Palilien (ein ländliches Reinigung-fest) wurden am 21. April sowohl in den Städten, als auf den Dörfern begangen. Oviv hat uns ein« Beschreibung dieses Festes hinterlassen. Der Schaf stall wurde mit Laub und grünen Zweigen besteckt und an der Thür ein großer Kranz aufgchängt. Hiermit vergleicht sich die nordeuropäische Sitte, am Johannisabend die Stuben- und Hausthüren, wie zu Pfingsten, mit grünen Zweigen zu schmücken, in einigen Gegenden errichtete man vor der Thür eine Laube von Birkenzweigen, in welcher di« Famili« Platz nahm. Beim Be ginn der Abenddämmerung wurde beim Palilienfest ein Feuer von Stroh angezündet und man trieb die Schafe hindurch und räucherte hierbei mit Schwefel. Gleichzeitig bracht« der Hirte der Weidegöttin Pales ein Opfer aus Hirsemehl, von Hirse körnern in einem Körbchen, und von Milch dar, und flehte sie in einer dreimal wiederholten Gebetsformel um Abwendung und Wiederentfernung aller derjenigen Schäden an, welche die Schaf heerde etwa durch den Zorn und Aichauch waldbowohnender Elfen, der Dryaden, Faune und Nymphen w«g«n unabsichtlicher Schädigung oder Störung ihrer heiligen Bäume, Haine und Grotten sich zugezogen hab«n könnte. Ueberhaupt erhellt aus diesem Gebete die Absicht deS Palilienfeuers, all« Krankheit er zeugenden Mächte von den Aufenthaltsort«» der Schafheerde fernzuhalten. Nachdem sich die Festgesellschast der Hirten inzwischen durch einen Trunk Milch oder Most gestärkt, beginitt nun auch der Sprung der Menschen durch das vermittelst R«ibung zweier Steine erzeugte und mit Stroh oder Heu genährte Feuer, und zuletzt wurde auch, wie bei un», da» Bieh durch die Flamm« ge trieben. Auch für daS Gedeihen der -Frldfrüchte sollt« da» Johanni»- feuer segensreich sein. Die Brände, Kohlen und Asche dieses FeuerS werden durch ganz Bayern und Oesterreich bi» nach Un garn hinab als abergläubische Schutzmittel auf di« Felder ge bracht; man legt sie auch unter da» Dach oder unter die Thür- schwelle, um Hau» und Hof vor Unwetter zu schützen. Die Brandscheite von dem Feuer werden auch nach Hause grtragen, um dort ein neues Feuer zu entzünden. Die angebrannten Scheite werden in den Flachsackel gestickt, damit der Flach» wcht lang werde. In der Schweiz zündeten di« Knaben in enthu siastischer wilder Lustigkeit Kienfackeln an der durch Reibung neu gewonnenen Flamme an und rannten in langer Feuerreihe auf die Almend (Gemeindeweide), um diese zu durchräucher«. Da war die Waidbräuki, die Durchräucherung der Viehweide; damit vertrieb man alle die Frucht und da» Vieh schädigenden Feld gespenster und H«zen. Waren auf einem Theil« der Hütung die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite