01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991005019
- PURL
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- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899100501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 7688-7691 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-05
- Monat1899-10
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Das Blatt meint, die Gefahr der „gelben" Ein wanderung bestehe nur bei der Zulassung erwachsener Chinesen, die ihre Eigenart „unverfälscht" mitbringen, nicht aber bei j u g e n d l i che n Dienstboten, die, „wenn im Kinderalter von China entfernt, in einer gesitteten Umgebung durch wohlwollende Strenge zu sehr brauchbaren und anständigen Menschen erzogen werden" könnten. Nach allem, was bisher über die Natur des Chinesen bekannt geworden ist, muß die Richtigkeit der von der „Köln. Ztg." ver tretenen Anschauung bezweifelt werden. Die Chinesenfrage baut sich bekanntlich auf einem Gegensatz derMenschen- rassen auf. Welches ist nun das Charakteristikum der chine sischen Raffe? Will man diese Frage zutreffend beantworten, so darf man nicht nur an die außerordentliche Fähigkeit der Chine sen, in jedem Klima zu leben, ihre Kräfte jeder Art von Technik anzubequemen und jedem Zweige gewerblicher und landwirth- schaftlicher Thätigkeit nachzugehen, denken, sondern man muß sich vor Allem gegenwärtig halten, daß die Chinesen, national und social betrachtet, immer Chinesen bleiben. Sartorius von Waltershausen sagt in dieser Beziehung von den Chinesen im ersten Supplementbande des „Handwörter buchs der Staatswissenschaften" das Nachstehende: „Sie verlieren nie ihre Beziehungen zum Heimathlande, . . . halten fest an ihrer Sprache, ihrer Religion, ihren Sitten, ihrer ConsumptionSart. Wo sie immer in größererAnzahl zusammen leben, gründen sie Gesellschaften, welche auch je nach den Ver hältnissen des Aufenthaltsortes politische Functionen über nehmen. So sehen wir bei den chinesischen Auswanderern zwei an sich disparate Dinge, Anpassungsfähigkeit und Abwendung, miteinander vereinigt. Darin liegt ihre Stärke und ihre Gefahr für Andere, daß sie einerseits in dem Einwanderungsland« jede wirthschaftliche Abgeschlossenheit vermeiden, also an allen Vor theilen, die eine Volkswirthschaft bietet, theilnehmen, andererseits sich nicht individualistisch zerstreuen, sich nicht aufsaugen lassen, sondern, geleitet durch den Rasscninstinct, niemals ihrer Eigen art und Zusammengehörigkeit entfallen." — Wenn auf irgend Jemand, so dürfte auf die Angehörigen des chinesischen Volkes, selbst wenn sie in jugendlichem Alter nach Europa u. s. w. ver pflanzt werden, das Wort zutreffen: coelum non uuimum inutnnk, gut trans maro curruut. Darauf läßt die Stärke ihres Rafseninstincts mit Sicherheit schließen. Und selbst wenn man zugiebt, daß die Schattenseiten des chinesischen Volks charakters — Falschheit, Neigung zu Verbrechen, Lasterhaftigkeit, Schmutz, Geiz, Widersetzlichkeit — bei jugendlichen Chinesen im Auslande zunächst nicht hervortreten würden, so giebt nichts dir Gewähr dafür, daß jene Schattenseiten bei zunehmendem Alter nicht wieder hervorbrechen. Was soll ferner mit den chinesischen Dienstboten geschehen, sobald sie erwachsen sind? Sollen sie dann wieder nach China zurückbefördert werden, oder soll man sie in Deutschland sich ver- heirathen lasten? Zu dem ersteren Schritte fehlte dann das Recht, und wollte man sie in Deutschland dir Ehe eingehen lasten, so entstände die weitere Frage, ob sie nur mit Chinesen oder mit Deutschen sich verheirathen dürften. Gestattete man nur die Verheirathung mit Chinesen, so würde man bei der Stärke des chinesischen Rafseninstincts im Laufe der Zeit aus den Chinesen ebenso einen nationalen Pfuhl im Fleische des deutschen Volks körpers heranbilden, wie ihn zur Zeit dieslawischenPolen darstellen. Erlaubte man aber die Verehelichung von Chinesen mit Deutschen, so würde eine Mischlingsrasse entstehen, die, so viel man weiß, keineswegs von Vortheil für unser nationale« Dasein wäre. Selbst wenn jedoch alle die schädigenden Wirkungen der Einfühlung chinesischer Dienstboten auf dem n a t io n a l e n und sittlichen Gebiete nicht zu befürchten wären, müßte jener Einführung aus Gründen einer verständigen Social politik widersprochen werden. Denn di« chinesischen Dienst boten würden ohne Zweifel den Lohn herabdrücken und dadurch sehr erheblich zu einer Verschärfung der socialen Gegensätze bei tragen. Daß von einer solchen Verschärfung allein die Social- demokratie den Vortheil hätte, braucht nicht erst betont zu werden. Schon jetzt wird die Socialdemokratie nicht verfehlen, den Vorschlag der „Köln. Ztg." agitatorisch zu verwerlhen; denn gerade in jüngster Zeit haben die Anstrengungen der Socialdemokratie, ihren Einfluß auf die Dienstboten auszu dehnen, lebhafter als bisher eingesetzt. Auf socialdemokratischer Seite wird der Vorschlag der „Köln. Ztg." auch noch in der Rich tung ausgebeutet werden, daß gesagt wird: die chinesischen Dienst boten sollten nur die Vorläufer der chinesischen gewerblichen und landwirthschaftlichen Arbeiter sein. Es erscheint uns als vollkommen ausgeschlossen, daß dem Vor schläge der „Köln. Ztg." auch nur die geringste praktische Folge gegeben werde. Eben deshalb bedauern wir ihn erst recht, weil er der socialdemokratischen Agitation reichlich Master auf die Mühle führt. Solange nicht durch Gesetz die Einführung chinesischer Arbeitskräfte in Deutschland verboten wird, werden Vorschläge, wie der in der „Köln. Ztg.", immer wieder auftauchen und immer wieder der socialdemokratischen Agitation zu statten kommen. Darum sollt« ein solches Gesetz bald ertasten und in Verbindung mit ihm die Einwanderung von Chinesen in den deutschen Colonien dahin geregelt werden, daß die Ueber- fluthung der Colonien mit chinesischen Geschäftsleuten verhindert würde. Auch Sartorius von Waltershausen tritt dafür ein, die Chinesen als selbstständige Gewerbetreibende und Grund besitzer in den Colonien im Hinblick auf deren gedeihliche zu künftige Entwickelung zu verbieten. Der chinesischeiz Arbeiter wird man in den Colonien natürlich nicht entrathen können. Klein - Deutschland in Brasilien. (Rio Grande do Sui.) Nachdruck auch mit Quellenangabe verboten. H PortoAlegre, Ende August. Die i n n e r p o l i t i s ch e Lag« in unserm Staate ist zur Zeit eine so ruhige und gesicherte, wie nie zuvor seit Erklärung der Republik. Eine Reihe von Umständen, wie die Erschöpfung der Gegner des herrschenden Regimes nach jahrelanger, blutiger Re volution, die augenblicklich durch die hohen Zölle und vexatorischc Bundessteuern gedrückte Lage des Handels, der rapide Preisrück gang der landwirthschaftlichen Producte und die damit zu sammenhängende, immer mehr um sich greifende 'Geldnoth, und nicht zum Mindesten das staatsmännische Geschick des allerdings dictatorisch veranlagten Expräsidenien und Führers der am Ruder befindlichen Partei, Or. Julio de Castilhos, haben dazu beigetragen, Rio Grande do Sul in die Bahn ruhiger Entwicke lung zu leiten. Die Spannnug, welche vor dem Regierungsantritt des der zeitigen Bundespräsidenten Or. Campos Salles zwischen der Bundesregierung einerseits und unserer Staatsregierung andrer seits in einer dem ganzen Bunde wie der Ruhe in unserem Staate wenig förderlichen Weise herrschte, hat sich gelöst und seit etwa einem halben Jahre einem versöhnlichen, ja sogar wohl wollenden Verhalten der beiden Gewalten untereinander Platz gemacht. Dabei hat die Riograndcnfer Regierungspartei, und damit wohl auch Rio Grande do Sul selbst, gut „abge schnitten". Besonders die letzte Errungenschaft der Staats leitung, hinter welcher immer als Mentor und beseelender Führer I)r. Castilhos gedacht werden muß, nämlich di« Ueberweisung der Bewachung der Zollgrenze gegen Uruguay und Argentinien behufs Unterdrückung des daselbst schwunghaft betriebenen Schmuggels an den Staat ist von großer innenpolitischer Tragweite. Erstens erhält die Regierung dadurch Gelegenheit, eine Anzahl Anhänger für ihre Dienste zu belohnen, indem sie sie in verhältnißmäßig gut bezahlte Stellungen fast ohne eigene pecuniäre Opfer unter bringen kann; denn der Bund hat für den Zollgrenzdienst jährlich 450 Kontos de Reis an die Staatscaste a-bzuführen, während der Staat seinerseits nur 50 Contos zuzuschießen braucht. Zweitens hat der Staat den Befehl über die ca. 250 Mann starke Zoll wache, die zwar für die ausgedehnte Grenze nicht hinreichen dürfte, aber doch — und das ist wohl die Hauptsache — genügen Wird, die Bewegungen und Umtriebe der noch unversöhnten, gerade in den Grenzdistricten oder auf uruguayischem Gebiete sich aufhaltenden revolutionären Elemente der ehemaligen föderalisti schen Partei zu überwachen. Aussicht auf Anstellung, gelegentliche Nachsicht oder Drohung werden manchen Widerhaarigen der Re gierungspartei in die Armee treiben; denn auch hier ist Politik für Viele eine Geschäftssache. Verfolgt man die sogenannte „auswärtige" Politik Castilhos' genauer, so kann man in der letzten Errungenschaft einen weiteren Schritt zur Erreichung eines bestimmten Zieles erkennen, welches diesem unstreitig begabten Staatsmann« vorzuschweben scheint, nämlich die Gewinnung eines präponderirenden Einflusses auf die gesammte Bundespolitik, zum Mindesten aber auf die der Südstaaten. In der richtigen Erkenntniß, daß bei einem solchen Streben nur ein in sich gefestigtes Staatswesen Erfolge erzielen könne, lenkte der geniale und zugleich ehrgeizig« Parteiführer sein Hauptaugenmerk auf die Konsolidation der inneren Verhältnisse Rio Grandes. Die ganze castilhistische Verfassung, die dem jedes maligen Staatsleiter gesetzgeberische, ja dictatdrische Befugnisse zuweist, ist gewissermaßen auf jenen hochfliegenden Plan zuge schnitten. Die Schaffung einer ihm blindlings ergebenen Polizei macht von ca. 2000 Mann, zu der noch einige provisorische Corps kommen, die jeder Zeit den Umstän'den nach vermehrt werden können, war sein erstes Werk, damit konnte er sein« politischen Gegner in Schach halten und zugleich in jeder Beziehung di« „Autonomie" des Staates gewährleisten, wodurch allerdings die brikracla nrilitnr als solche «ine zweischneidige Waffe bezüglich der Bundeseinheit darstellt. Sodann ordnete er, ohne dem Volke allzuschwer sich fühlbar machende Lasten aufzuerlegen, die staat lichen Finanzen trotz der durch die Revolution verursachten großen Ausgaben derart, daß in absehbarer sehr kurzer Zeit sämmt- liche Schulden des Staates getilgt sein werden. Ferner läßt er nichts unversucht, um das Verkehrswesen durch Brückenbau, Tele graphenlinien, Straßen und Conceflionirung von Eisenbahnen möglichst schnell zu entwickeln. Letzteres stößt allerdings insofern auf bedeutend« Schwierigkeiten, als in Folge der Bundesfinanz politik das creditaebende Ausland mißtrauisch geworden ist, und weil die Staatsregierung, was ihr nicht zu verübeln ist, bei der artigen Concessionen resp. Contracten möglichst viele Vortheile für sich erzielen möchte, ohne später vielleicht lästig werdende Garantien zu übernehmen. Auch die allgemeine Volksbildung sucht er, soweit esdje Staatsmittel gestatten, zu heben. In jüngster Zeit gehr das Par!e>0berhaupt mit Eifer die Partei allmählich von allerlei Elementen zu säubern, die in revolutionären Zeiten -war ganz gut zu gebrauchen, aber nichts weniger als Zierden der Parteien waren, welche sogar vielfach daran Schuld trugen, daß anfänglich dem gegenwärtigen Regime, zumal auf den Colonien, wenig Sympathien entgegengebracht wurden. Er hand habt die Parteidisciplin streng; jeder Ungehorsam, jeder unsichere Kantonist wird über kurz oder lang, bei passender Gelegenheit, an die Luft gesetzt. Wenn dadurch hin und wieder böses Blut ge macht wird, so gewinnt doch die Konsolidation der Verhältnisse, und die Anzeichen mehren sich, daß die Stimmung im Lande und besonders auf den Colonien dem castilhistischcn System viel geneigter wird. Zieht man das Facit zu unseren Betrachtungen, so kommt man zu dem Schluß, daß die politische Lage in unserem Staate ein« hoffnungsvolle, glückverheißende ist, trotz mancher mürrisch und grollend bei Seite stehender oder bei Seite ge schobener Persönlichkeiten. Mr die Colonisation großen Stiles sind damit die Grundlagen für ein« ruhige, stete Entwickelung gegeben. Wir zweifeln daher nicht, daß die maßgebenden Kreise drüben, im deutschen Reiche, wenn die Auswanderung von dort in vielleicht nicht allzu ferner Zeit wieder größer« Dimensionen annehmen wird, die Aufmerksamkeit ihrer in die Fremde wan dernden Mitbürger gerade auf Rio Grande do Sul und di« Süd staaten Brasiliens überhaupt lenken werden, welche die solideste Basis für ein gutes Fortkommen bieten. Deutsches Reich. Berlin, 4. October. MitderBehandlungnicht- katholischer Kranken in katholischen Kranken häusern beschäftigt sich die Centrumspresse in recht lehrreicher Weise. Der Ausgangspunkt ist eine lateinische Notiz der in Rom erscheinenden.,.^nLlectn occlesiastica", die wörtlich übers, tzt dahin ging: „Einem sterbenden Häretiker, der nach einem eigenen Geistlichen verlangt, darf nicht willfahrt wecdcn: vielmehr haben katholische Personen, die ihn pflegen, sich p a s s i v zu verhalten." Dieses Decret habe die römische Kongre gation der Inquisition, die aus 12 Cardinälen und mehreren Beisitzern besteht und vor etwa 450 Jahren zur Untersuchung von Ketzereien und Irrlehren eingereicht worden ist, für deutsche Ver hältnisse am 14. December 1898 beschlossen. Da die Quelle ein unangefochten vatikanisches Publicationsorgan war, so erregt» diese Mittheilung überall im Reiche großes Aufsehen; theils weil darin mittelbar zugestanden war, daß die katholische Krankenpflege Propaganda zu machen hat, lheils wegen der empörenden Hartherzigkeit und Culturwidrigkeit, die von autori tativen Vertretern eines Bekenntnisses der „Religion der Nächsten liebe" wieder einmal ausgebrütet worden. Die klerikale Presse hatte zwei Wege vor sich. Sie konnte den Beschluß der römischen Inquisition mit der beliebten Formel anfechten, daß auch 12 Cardinäle dem Jrrthum erliegen können, wie die vom Taxil- Schwindel noch unvernarbten Wunden beweisen — oder sie mußte es mit einer Beschönigung auf den krummen Pfaden scholastischer Logik versuchen. Muthig wurde der letztere Weg beschritten. Erstlich sei da» Decret eine ganz alte Sache; di- Jnquisition habe auf die Anfrage, wie in katholischen Kranken häusern „Häretiker" zu behandeln seien, lediglich auf ihre Be schlüsse vom Jahre 1848 und 1872 verwiesen — als ob das in der Sache nicht auf dasselbe hinauskäme, wie wenn die Inqui sition jetzt jenen Beschluß neu gefaßt hätte. Dann wird ebenso scharfsinnig bestritten, daß die Krankenschwestern religiöse Pro paganda zu machen angewiesen seien. Es habe nur in der A n - frage der Ordensschwestern gestanden, wie sie sich zu verhalten hätten, wenn der betreffende Ketzer „ungeachtet ihrer Bemühungen, daß er bekehrt im Schooße der wahren Religion sterbe, die Assistenz eines häretischen Geistlichen verlange"; die Inquisition hab« in ihrer Verfügung davon kein Wort gesagt. Wie naiv; freilich hat sie davon kein Wort gesagt, aber auf die Anfrage in vollem Umfange auf die alten Decrete verwiesen, und für die Anfrage war die Klage, wenn Ketzer trotz aller Bemühungen bei ihrem „Jrrthum" blieben, eine wesentliche Voraussetzung. Das Schönste aber kommt zum Schluß. Die Inquisition hat der Schwester nur verboten, auf Verlangen des Kranken einen häretischen G'istlichen zu rufen, damit derselbe die Tröstungen der Religion spende, wohl aber darf „der betreffende «katholische Geistliche benachrichtigt werden, daß ein Kranker seine Gegenwart wünscht". Und warum? Man bewundere die feine Unterscheidung! Unter „Tröstungen der Religion" versteht man nach dem theologischen Sprachgebrauch die Sakramente der Kirche, also rituelle Acte: ein Katholik aber darf nach der Entscheidung keine akatholischen Geistlichen zu dem speciellen Zwecke und mit der ausdrücklichen Aufforderung rufen, rituelle Handlungen vorzunehmen, — weil dies eine directe und formelle Mitwirkung zu dem religiösen Act einer anderen Konfession wäre! Und nun bedenke man, daß es sich in diesen Fällen um Nothhilfe handelt, wenn auch einem „Ketzer", so doch einem Menschen gegenüber, der seine Rechnung mit dem Himmel abzumachen hat. Nur ein Ausnahmefall ist gestattet: man kann sich eines Nichtkatholiken bedienen; „dieser Nichtkatholik kann selbstverständlich den Geistlichen seiner Kon fession zur Vornahme liturgischer Handlungen bei den Kranken cinladen!" Hat dieser Zufall aber nicht statt, dann sind die frommen Schwestern moralisch nur verpflichtet, wenn der Sterbende evangelisch ist, den evangelischen Geistlichen zu benach richtigen, daß „seine Gegenwart gewünscht wird." Und beeilt er sich nicht und stirbt der Kranke ohne seinen Trost, oder kommt er und kann nicht mehr nach Hause zurück, um sich für die erforderlichen rituellen Handlungen zum Tröste des Sterbenden zu rüsten — dann ist das des „tiaeretici moribuncki" eigenes Mißgeschick. Also wunderschön logisch und kanonisch und duld sam auseinandergesetzt von dem Kirchenvater der „Köln. Volks zeitung" am 3. October im Jahre des Heils — 1899. Berlin, 4. October. (Die „Proceßagenten".) Dir Winkelconsulenten, die bekanntlich neuerdings den Stempel der Legitimität aufgedrückt bekommen haben, sind auch durch FeissHrtoir. Ludwig Lnaus. Eine Skizze zum 70. Geburtstage des Meister», 5. October. Von Theodor Lamprecht. Nachdruck «nchotrn. Bei den germanischen Völkern bildet in noch weit stärkerem Maß«, als bei den romanischen, die Familie die Grundlage de» ganzen Lebens. Darum darf ein deutscher Künstler, der di« Familie als den Gegenstand der Behandlung in unsere neuere Kunst eingeführt, sie anziehend dargestellt und warm verherrlicht hat, seiner Bedeutung und seiner dauernden Geltung in der Erinnerung der Nation sicher sein. Damit ist aber die Stellung Meister Knaus' in ihrer eigentlichen Basis charakterisier; wenigsten- seine nationale Stellung. Denn ein Volk behält einen Künstler nicht als großen Koloristen, Zeichner oder Com- ponisten in der Erinnerung (in welchen Beziehungen allen Knaus hochbedeutend ist), sondern nur um dessen willen, was er seinem bleibenden Besitze an geistigen Gütern hinzusügt. Und unter den Künstlern unserer Zeit, die in diesem Sinne im deutschen Volke fortleben werden, nimmt Knau» einen der obersten Plätze ein. Heute ist unS die deutsche Familie ein wohlvertrauter und ge läufiger Stoff der Kunst. Nach KnauS haben Defregger, Vau- tier, Bokelmann, Brütt und viele Andere das deutsche HauS in den verschiedensten Gauen ausgesucht und unS seine Geschichten erzählt. Aber für KnauS war da» Ergreifen diese» Themas eine That. Seine Jugend fiel in die Blüthezeit der Romantik, die sich ihre Stoffe im Unirdischrn, Mystischen, im Traum« suchte; der jung« Knau» aber hielt schon al» Schüler der damal» so hochberühmten Düsseldorfer Akademie sein Augenmerk unver wandt auf die reiche Wirklichkeit des Lebens gerichtet. So mußt« er es erleben, daß der Akademie-Director Schadow, der strenge Parteihalter der romantischen Richtung, ihm ein Stipen dium versagte, weil e» nur begabten Schülern verliehen werden könne. Knaus aber, der realistisch Veranlagte, galt eben darum schon dem Gestrengen als unbegabt. Da machte der Schüler kurzen Proceß, verließ die Akademie und ging seinen eigenen Weg. Der führte ihn ins hessisch« Dorf Billinghausen, wo er Land und Leute getreulich nach der Natur studirte und daS Motiv zu seinem ersten Bilde „Tanz unter der Linde" fand. Und gleich dies erst« und das nachfolgende Bild „Ein Leichen- begängniß" machten ihn mit einem Schlage bekannt, ja gefeiert. Denn da war ein frisches Leben, eine Fülle der Erfindung, eine Klarheit im Bortrage und ein Verständniß für den Gegen stand, zugleich aber auch «in malerisches und zeichnerisches Können, wie man eS in Deutschland überhaupt selten kannte, vollends aber auf die gering geschätzte Gattung des Genrebildes noch nie verwandt gesehen hatte. Dieser frohherzige und scharfblickende Beobachter des Bauern- lcbenS hatte süddeutsches Blut in sich. Schwäbisch-Gmünd war seines Vaters Geburtsort; Ludwig KnauS selbst aber hatte im heiteren Wiesbaden das Licht der Welt erblickt, wo der Vater durch Schleifen von Augengläsern mühselig sich und die Seinen ernährte. Im ärmlichen Dakrhause lernte der Knabe die Noth des Lebens zeitig und auSgiebig kennen, aber sein Talent brach sich auch unter den widrigen Verhältnissen durch und eS fanden sich denn auch wohlwollende Männer, die der Elemente der Kunst mächtig waren und sie bereitwillig dem jungen Knau» über mittelten. Einer dieser Lehrer kam gerade zu richtiger Zeit, um zu verhindern, daß der Knabe dem gleichen mühseligen Be rufe dienstbar gemacht wurde, den der Vater betrieb. KnauS lernte jetzt erst zwei Jahre bei einem Wiesbadener Maler und ging Hann nach Düsseldorf, wo er sich schlecht und recht durch schlug. Wie er dann im Zorn« von der hochgefeierten Akademie schied, und wie ihm dies zum Glücke ausschlug, wurde bereits erzählt. Knaus' KUnstlerlrben bietet keine Gelegenheit zu bewegten Schilderungen. ES ist ruhig, ohne dramatisch« Konflikte und interessante Episoden, verlaufen. DaS bedeutendste Ereigniß darin war des Künstlers Aufenthalt in Pari», den er im Jahre 1852 mit der Absicht, nur kurze Zeit an der Seine zu verweilen, begann, dann aber über volle acht Jahre ausdrhnte. KnauS ist in Paris nicht in eine» der Atelier» eingetreten, rn denen damal» eine große Zahl deutscher Künstler studirte. Dennoch hat auch er während seiner Pariser Jahre von den französischen Meistern gelernt. Er verdankt ihnen vor Allem einen großen Fortschritt als Kolorist; während sein« Erstlingswerke dunkel und schwer in der Farbe waren, gewannen sie jetzt an Leichtigkeit und Feinheit des Kolorits, an Harmonie oes Äesammttons, an Reichthum d«S Details. Aber ganz ungestraft hat auch dieser deutsche Künstler die welsche Luft nicht geathmet; in Pari» hat er sich jene Neigung zu Lbersüßlicher Anmuth angewöhnt, die seitdem oft genug in seinen Werken auftritt und ganz be sonders in der Schilderung mancher seiner Frauengestalten um so mehr ausfällt, als die bäuerliche Umgebung und Handlung die forcirte Grazie dieser Figuren doppelt empfindlich bemerken läßt. Bei den Franzosen selbst freilich schadete ihm dieser Zug keineswegs. Vielmehr geschah, als er im Jahre 1853 seinen „Morgen nach der Kirmes" im Salon ausstellte, das Unerhörte, daß daS Werk eines in Paris bis dahin unbekannten Künstlers einer der Hauptanziehungspunkte der ganzen Ausstellung wurde und sofort — außer der Reihe — die zweite goldene Medaille erhielt. Und da an der Seine damals Ruf und Ruhm gemacht wurde, so war Ludwig KnauS damit ein Künstler von Weltruf geworden. Diese Position aber behauptete er nicht nur, sondern verstärkte er sogar durch die weiteren Werke, die er in Paris schuf und ausstellte. Sie zeigen in der That, wie sein Talent und sein« Schaffenskraft sich fröhlich auSweiten und im Erfolge wachsen. In zwei weltberühmt gewordenen Werken erreich!« er «inen Höhepunkt, den er selbst seitdem nie wieder über schritten hat: in der von intimem Reize erfüllten „Taufe", einer urdeutschen Familivnscene von herzlichster Traulichkeit, und in der „Goldenen Hochzeit", die uns das ganze Leben eines Dorfe-, gewissermaßen gesammelt, mit dem größten Reichthume zur An schaulichkeit bringt. Damals sagte Edmund About, in Knarr' Person sei das Talent von ganz Deutschland enthalten. Tc: Name des Künstlers war auf Aller Lippen, und mit Recht konnte es der genannte Kritiker aussprechen, daß seine Werke dem Sonn. tagSpublicum und dem Freitagspublicum, den Kritikern, den Bourgeois und den Malern gefielen. Und so ist es geblieben. Er kehrte al» ein hochberühmtc: Mann nach der Heimath zurück, und auch hier begrüßte ihn der allgemein« Beifall. Elemente, die sonst im Kunsturtheile wen auseinander gingen, fanden sich in der Bewunderung seiner Wer!: zusammen. Die Einen liebten in ihm den Geschichtenerzähler, den geistreichen Mann, die Anderen den scharfen und doch warm herzigen Beobachter, und wieder Andere den feinen Koloristen und genialen Zeichner. Sein Name (später mit dem Menzel s zusammen) wurde der größte, der repräsentative Name der deut schen Kunst; und wenn «in reicher Amerikaner sein Geld in deutscher Kunst anlegen wollte, so suchte er zuerst „einen Knaus" zu erlangen. Dieser gar.' »ußerordentliche Ruhm blieb ihm aber um so sicherer Jahrzehnte lang treu, als seine Schaffenskraft nicht nachlicß und er mit schier unerschöpflicher Erfindungs gabe «ine große Reihe von Meisterwerken schuf. Er lebte nach- einander in Wiesbaden, Berlin und Düsseldorf. Der Berliner Zeit (1861—66) gehört ein« Reihe seiner bekanntesten Werke an; so die äußerst humorvollen „Kartenspielcnden Schusterjungen" und die scharf beobachtete Schilderung von „Durchlaucht auf Reisen". Aber in Düsseldorf (1866—74) übertraf er sich dann doch wieder beinahe selbst durch dos berühmte „Kinderfest" und durch daS tief ernste und ergreifende „Begräbniß auf dem Lande". Und als er dann seit 1874 sich dauernd in Berlin niedergelassen hatte, brachte er noch Werke, wie die köstlichen Darstellungen au»
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