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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991014028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899101402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899101402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-14
- Monat1899-10
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7»S2 erst hatte bciwegen lassen, eine PrüfungScommission für ihr Mädchengymnasium zu bestellen. So war die letzte Prima zu Ostern ungeprüft abgegangen — und da waren gerade so viele Talente darin und Mädchen von einer erstaunlichen Bildung. Von Jahr zu Jahr hatte die Anstalt zugenommen, die Zahl der Lehrer ebenfalls; sie las das Berzeichniß derselben vor; es waren stolze Namen darunter; Klassenlehrer der obersten Gym- nasialclassen,welche hier in denselben Wissenschaften unterrichteten wie dort und daraus kein Hehl machten, daß die Mädchen rascher vom Fleck kämen als di« jungen Herren und in derselben Zeit das doppelt« Pensum bewältigten. Fräulein Doetor zog daraus den Schluß, daß die Beschaffenheit des weiblichen Gehirns von den Physiologen nicht nach Verdienst gewürdigt worden sei, und wenn eS auch 125 Gramm weniger wöge, so sei die Waage des Anatomen wohl nicht das richtige Instrument zu durchgreifenden Werthbestimmungen. Das Genie lasse sich nicht wiegen — et gebe weibliche Genies so gut wie männliche, und wenn sie in der Geschichte und auf allen geistigen Gebieten nicht in gleicher Weise hervorträten, so komm« dies nur daher, daß ihnen das Feld zu glänzender Bethätigung bisher allzu sehr beschränkt worden sei. Ein Beifallssturm durchbrauste die Versammlung, «in be geistertes Händeklatschen. Wenn man danach schließen dürft«, dachte der Baron hinter seiner Baßgeige, so ist dies der stürmische LoSbruch von lauter unterdrückten Genies — war wird auS der Welt werden, wenn dies« Fluth sich frei und ungchemmt über sie ergießen darf! Nun ergriff Eulalia Blomer daS Wort, — man horcht« ge spannt; offenbar hatte daS kleine Mädchen schon manchen Erfolg in den Versammlungen zu verzeichnen. „Dir beklagen unS mit Recht darüber", sagte sie, „daß unser CultuSminister di« Ernennung einer PrüfungS-Commission so lange hinauSschiebt — uckd doch — ich habe mein« Prüfung in dem Nachbarstaate bestanden, wo man darin entgegenkommender war. Ich hab« sie mit gutem Erfolg bestanden — und doch muß ich mir sagen, waö nützt da» Entgegenkommen der Regierung, wenn sie uni gleichsam nur zum Vergnügen prüft, ohne daß wir durch die besten Zeugnisse der Prüfungskommission irgend welch« Recht« erwerben? Nicht einmal da» Recht auf den Besuch der Universität — hoSpitiren konnten wir ja auch schon früher, wenn die Doeenten uns zuließen und nicht vor dem ewig Weiblichen einen Abscheu empfanden oder sich genirt glaubten durch dij Anwesenheit der Damen. Soweit sind wir doch Gott sei Dank schon, daß sich die Wissenschaft vor uni nicht zu geniren braucht." Laut« Zustimmung von allen Stühlen und BänSen. „Wir sind keine Studentinnen, unser Collegienbesuch wird uns nicht registrirt, nicht angerechnet und der gelehrte Beruf ist uns in Deutschland noch verschlossen. Nicht einmal Frauen ärzte können wir werden — und doch ist die Meinung im Ganzen und Großen dafür — und wenn ich vorher vom Sichgeniren sprach, hier ist es wohl angebracht, wenn die Männer mit ihren rohen Hände an uns herumexperimcntirrn. Das ist Alles wissen schaftlich—Du lieber Gott, wer kann das den Menschen ansehen! Da läuft gewiß allerlei mitunter, was mit der Diagnose nichts zu thun hat und in ganz anderen Rubriken gebucht werden muß. Abermals laute Zeichen der Zustimmung. Auch der Baron nickt« beifällig in seiner Orchest«recke. „Ein verteufeltes Ding, diese Kleine! Nun, bei ihr würden sich die Aerzt« indeß wohl mit der Diagnose begnügen." „Aerztinnen", fuhr Eulalia fort, „daS wird und muß bald zugestanden sein; doch zunächst muß man sich dieselben noch von Zürich verschreiben; da ist man in Rußland weiter als in unserem Reich der Mitte. Ja, in Bezug auf die Frauenfrag« ist das noch «in China mit dem Zopf und der chinesischen Mauer." Gelächter und lebhafter Applaus! Fräulein Doctor Fege wisch drückte der kleinen Rednerin die Hand. „Sie sehen in mir eine Märtyrerin der Frauensrage, ich habe daS Abilurientenexamen gemacht; ich bin daS, was Gym nasiasten und Studenten «in«n ruulua nenn«n; nur ist der Untey- sckiied — ich komme auS dem Stadium der mulu« nicht heraus.; ich bin «in jahrelanger, vielleicht ein ewiger vrulus. Zeit und Geld Hobe ich verschwendet; Aller, war die aufopfernde Güte liebenswürdiger Gönnerinnen für mich gethan, ist verpufft; als geprüfte Abiturientin steh' ich dem Nicht- gegenüber, und wenn ich in d« Zukunft sehe, wandelt mich «in Horror vaeui an. Wenn ich nicht auch mein Lehrerinnenexamen gemacht hätte, so würde ich mit all' meiner Gelehrsamkeit Krankenwärterin oder Telegraphistin werden müssen. So hab' ich wenigstenr einen hakbgrlehrten Beruf, der vor dem verhungern schützt, und wenn ich dafür sorge, daß die Mädchen d«r BezirkSschul« sich ordentlich waschen, ehe dir Schulstunden beginnen, und da» Zeug, dar ihnen am Leib« hängt, einen nicht gar zu himmelschreienden Eindruck macht, so weiß ich wenigsten-, daß ich kein überflüssige» Mitglied der menschlichen Gesellschaft bin, sondern für ihr« Zukunft nach meinen schwachen Kräften sorge." Die»mal blieb der Erfolg au»; dagegen zeigte ein« gewisse Unrnhk, daß sich hier der Widerspruch regte; man raschelt« mit den Kleidern, rückt« mit den Stühlen; et waren viel« volk-schul» kehrerinnm unter den versammelten, und «in« derselben, «in blasses Mädchen mit einer gewissen düsteren Energie in ihren Zügen, erhob sich und etgriff das Wort: „Fräulein Blomer scheint von dem Beruf der Volksschul lehrerinnen eine sehr geringe Meinung zu haben, und doch ist dies eine Eroberung, die wir hochhalten müssen, «in wohl erworbenes Recht dec Frauen, «ine ehrenvoll« Wirksamkeit." „Daran zweifle ich nicht", versetzt« Eulalia, „doch wenn das Lehrerinnenexamen allen unseren Wünschen genügen soll, wozu denn dir Mädchengymnasicn und Abiturientenprüfungen? Ja, ick sag' eS offe'n, wenn nichts weiter geschehen soll, so hat unser Cultusminist«r Recht, wenn er sich gegen diese Prüfungen sträubt. Wenn der Staat sein Ansehen in die Waagschale wirft, so darf eS sich nicht um «ine Spiegelfechterei handeln; wenn der Staat prüft, so müssen die Geprüften auch staatliche Rechte erhalten; sonst mag er lieber sein« Hände davon lassen." , An dies« Rede der winzigen SchullehrerStochter knüpft; sich eine lebhaft« Debatte. Die Präsidentin wies darauf hin, daß man das Wohlwollen der Regierung nicht verscherzen dürfe, daß ihr erster entgegenkommender Schritt ander« zur Folg« haben müsse. Das bleich« Mädchen protestirte gegen die Selbstüber hebung der geprüften Abiturientinnen; man wollte keine Rang- classen wie bei den Männern. Alle sollten sich gleich stehen, die in ihrem Beruf etwas Tüchtiges leisteten. Fräulein Doetor Fegewisch meinte aber doch, e» gebe eine höhere Bildung, und wer Latein und Griechisch verstehe oder gar den Doctortitel errungen habe, der dürfe sich schon eine Bank höher setzen als die Anderen. DaS bleiche Mädchen hört« achselzuckend diese Verkündigung und sucht» sich mit ihren Nachbarinnen, welche Lehrerinnen waren, wie sie selbst, flüsternd zu verständigen. Wer genau hin- hörtr, vernahm allerlei Reden von dem Blasebalg dort oben . . . der Diplomprohe — „weiß Gott, wir fie zu ihrem Diplom ge kommen ist!" Dem Baron wurde hinter seiner Baßgeige jetzt «in« Ueber- rafchung zu Theil; er hörte aus einmal seinen Namen von den zarten Lippen der Präsidentin — und wahrhaftig, der Frau Baronin wurde da- Wort erthrilt. Eie sprach — Clara hielt ein« Rede vor versammeltem Kriegivolk, nicht blos eine Gardinenpredigt hinter den Zeltvorhängen — daran war ckr ge wöhnt! Sein erste- Gefühl war Verdruß und Niedergeschlagenheit, daß sein Nam« hier bei diesem Weibervolk in Cur» kam; noch mehr empörte sich sein Stolz darüber,, daß «ine Varvnin do« Mann gegenüber. Nach anderen Meldungen soll Cronje über 10 00V Mann verfügen, wäbrend Mafckinz nur idurck die 800 Freiwilligen Powell'S besckützt sein soll. Hier dürfte eS zu dem ersten ernsten Zusammenstöße kommen. Vom östlichen Kriegsschauplätze wird gemeldet: * London, 14. Oktober. (Telegramm.) Die „Times" geben «ine Nachricht auS Ladysmith vom 12. d. MtS. wieder, nach welcher die vomOranje-Freistaatr in Natal eindringenden Boere» etwa 12 000 Mann zählen sollen. — „Daily Telegraph" veröffentlicht eine Drahtnachricht, »ach welcher der Kampf zwischen den vom Ban-Rernen-Passe nach Natal vordringenden Boerrn des Freistaat» und den um Ladysmith stehenden Streitkräften de» Generals White bereit» begonnen hat. Die Boeren sollen über elf Geschütze verfügen. Der General habe deren zwölf und rechne mit Sicherheit auf Erfolg. Die „Köln. Ztg." hatte bekanntlich auf die Notbwendig- keit bingewiesen, in Johannesburg eine auö Ausländern bestehende Polizeitruppe zu bilden, deren Aufgabe wäre, sich von jeder Betheiligung an den Kriegsereignissen fern zuhalten, dagegen daS fremde Eizentbum, sowohl innerhalb der Stadt wie auf den Gruben, nachdrücklich zu schützen. Einer der „Köln. Ztg." zugegangenen Kabeldepesche zufolge hat die Regierung von Transvaal eingewilligt, ein solche» auS Ausländern bestehendes Specialpolizeicorps zu bilden. Es sind bereit- gegen 500 Mann in dieses Corps eingestellt worden den. Sie stehen unter eigenen ausländischen Officieren. Den Oberbefehl führt der Commandanl Schütte. Jeder Ein gestellte erhält einen Tagessold von 15 Schilling. Die er wachsenden Kosten werden von den Gruben bezahlt. Wir begrüßen dieses Entgegenkommen der Transvaalregierung mit Genugthuung. Die Schaffung dieser Schuytruppe ermöglicht eS, daß die unruhigen und zerstörungsluftige» Elemente in der Stadt und aus den Gruben kräftig im Zaum gehalten werden, und daß das Eigenthum der Aus länder in Transvaal thunlichst geschützt wird. Am 7. d. M. ist die Vorhut deS rngltschen Zuges gegen -en Kalifen auS Omdurman abgerückl. Sie bestebl auS 500 Lanzenreitern, 300 Dromedarreitern, sechs leichten Maxim- geschützen, die auf Kameelen tranSpvrtirt werden, und dem 13. Sudanesenbataillon, das mittels Dampfers nilaufwärtS gebt. Die Vorhut geht nach Goz Abu Gumeh, wo sie ein verschanztes Lager aufschlagen und für das HauplcorpS Quartier machen soll. Goz Abu Gumeh soll als erste Etappe und Operationsbasis dienen. Im Laufe des Monats folgen dann drei weitere sudanesische Bataillone und zwei egyptische. Ein zweites befestigtes Lager wird bei El Duem, ein drittes, das Hauptlager, in Kawa errichtet und mit starker Artillerie besetzt, denn eS hat als Hauptquartier und als Rücken deckung ru dienen. Von hier auS sollen dann 3000 Mann unter Oberst Maxwell gegen Abu Zeir vorrücken, wo angeblich die Vorhut des Kalifen stehl und, gestützt auf das Lager der sudanesischen Vorbut bei Goz Abu Gumeh, sich der Abba-Inseln bemächtigen, sowie Abu Zeir und die dortige Furth über den Weißen Nil wegnehmcn —, sofern natürlich der über mindestens 12 000 Mann verfügende Emir der Vorhut überhaupt gestattet, sich in Goz Abu Gumeb fest- zu'etzen. Als vor einigen Monaten Kitckener ras versuchte, wurde er bekanntlich abgewiesen und mußte sich kampflos vor dem weit überlegenen Feinde zurückziehen. Damals aber batte der Kalifa nur etwa 5000 Derwische dort versammelt, deren Zahl seither mehr denn verdoppelt sein soll. Sobald Abu Zeir gefallen, gebt die zweite Colonne unter Oberst Lewis, ebenfalls 3000 Mann stark, gegen Abu Schera und Aigella in der Richtung von Schirkeleh vor, vereinigt sich hier mit der Eolonne des Obersten Maxwell und beide vereint greifen daS Lager von Schirkeleh an. Lord Kitchener selbst begleitet den Zug mit seinem gejammten Stabe und führt den Ober befehl der Engländer. — Aus Alexandria wird unS noch berichtet: Von Wohlunterrichter Seite wird versichert, daß Lord Kitchener sehr wenig geneigt war, mit ausschließlich ägyptischen Truppen, deren Zahl nock dazu verhältnißmäßig gering ist, den neuen Feldzug gegen die Mabdistcn zu unter nehmen. Die von ihm geforderten zwei Regimenter eng lischer Truppen wurden ibm jedoch von London auS nickt be willigt, da angesichts deS TranSvaal-FcldzugeS keine Truppen mehr verfügbar sind. Andererseits war bei der jetzigen Sudanexpevition weniger die Rücksicht auf die noch vor handenen Streitkräfte deS Mahdi als auf die neueren Unternehmungen Frankreichs und deS Congo- staateS im Sudan maßgebend. Die britische Regierung will unter allen Umständen den beiden genannten Staaten zuvorkommen und denselben jede weiteren Ansprüche auf die oberen Nilprovinzen abscknciden. Dieser Eifer könnte jedoch leicht dahin führen, daß der mit unzulänglichen Mitteln unter nommene Sudanfeldzug mit einem Mißerfolg endigen würde. Deutsches Reich. * Leipzig, 14. Oktober. An Stelle des verstorbenen Herrn ReichSgerichtSratheS von Ege wurde Herr OberlandeS- gerichlSralb PelarguS in Stuttgart zum Reichsgerichts» rath ernannt. U Berlin, 13. Oktober. (Socialdemokratie und „Freisinn".) Eigentbümlich berührt die aus Anlaß der Bebel'schen sechsstündigen Rede von der „Freisinnigen Ztg." vertretene Auffassung, daß ein Sieg der Socialdemolratie die Vernichtung der bisherigen Cultur nothwendig zur Folge baden müsse und daß sie stet» an dem Mause- rungsproceß der officiellen Socialdemokratie gezweifelt babe, wenn man sich erinnert, welche Stellung da» volk-parteiliche Blatt zu der Frage der Bekämpfung der Socialdemolratie bei solchen Wahlen eingenommen hat, bei denen die Ent scheidung nicht zwischen der bürgerlichen und der socialen Demokratie lag. Daß die „Freisinnige Zeitung" bei der Ersatzwahl in Pirna die freisinnigen Stimmen einer Partei zuführen wollte, deren Sieg nach ibrem eigenen Zugeständniß gleichbedeutend mit der Vernichtung der bisherigen Eultur wäre, wird noch in frischer Erinnerung sein, und bei Be sprechung des von ihr selbst frei erfundenen angeblich drohen den Militärconflicts hat sie sich bitter über die falsche Taktik der eigenen Parteigenossen bei den allgemeinen Wahlen von 1893 beklagt, welche in zahlreichen Fällen bei Stichwahlen zwischen Freunden der Milnärvorlage und Socialdemokraten sich nicht entschließen konnten, der Socialdemokratie zum Siege zu verhelfen. Welchen Wertb hat die tbcoretische Anerkennung der absoluten Eulturfeindlichkeit der Socialdemokratie, weun da, wo es sich darum bandelt» deren politische Macht zu stärken, mit vollstem Nachdruck für sie eingrtteten wird?! Die tonenden Worte, mit denen die „Freisinnige Zeitung" die Socialdemokratie bekämpft, stehen mir den Tbaten brr frei sinnigen Volkspartei im schreiendsten Widerspruch. 8 Berit«, 13. October. (Die Lage des ArbeitS- markteS.) Die ersten leisen Anzeichen einer ungünstiger werdenden Situation sind auf dem ArbeitSmarkte bereits zu bemerken. Wäbrend vom August zum September der Andrang der Arbeitsuchenden an den öffentlichen Arbeits nachweisen abzunehmen pflegt, hat er diesmal, wie die Berliner Halbmouatöschrift „Der Arbeitsmarkt" mittheilt, zugenommen. Auf 100 offene Stellen waren im August nur 92,5 Arbeitsuchende gezählt, im September aber 98,9. Obgleich die Mitgliederbestände der Krankenkassen nock keine Abnahme (vielmehr eine geringe Zunahme) zeigen, so ist doch die Steigerung des Andranges an den Arbeitsnachweisen um diese JabreSzcit eine so auffallende Erscheinung, baß sie als die bezeichnende Thatsache angesehen zu werden ver dient. Kein Wunder, daß die schon oft betonten Zustände in der üppig blühenden Bergwerks- und Metallindustrie, in denen Mangel au Kohle und an Halbzeug manche Werke zu Einschränkungen oder gar zum Stillliegen zwingt, di: warnend vorhergesagtcn Wirkungen auch auf dem Arbeits markte zu zeigen beginnen. Hemmend und vertbeuerud wirkt der Kohlenmangel schließlich auf alle Industrien. Dampf betriebe, die mit der Eoncurrcnz von Wasser-, Wind- und Handbetrieben zu rechnen haben, wie Brennereien, Brauereien, Ziegeleien u. a. m., werden besonders empfindlich getroffen. Dazu kommen Wirkungen früherer oder noch andauernder Ueberproduction, wie im Textilgewcrbe, wo sie in letzter Zeit stellenweise noch gestiegen zu sein icheint, damit manchen Händen zwar vorübergehende Beschäftigung schaffend, aber die Gefahr einer drohenden Krisis verdeckend. Nachgelassen bat der bisher abnorm starke Bedarf in der Eementfabrikatiou, im Waggonbau, in manchen Gegenden auch im Baugewerbe. — Die „Hamburger Nachrichten" wünschen lebhaft, der Kaiser ginge nicht nach England: „Wir glauben kaum, daß der Monarch durch irgend eine andere Handlung im Stande wäre, einen solchen Sturm von Beifall im deutschen Reiche zu entfesseln, seine Popularität mit einem Schlage so sehr zu erhöhen, als gerade durch diesen Entschluß. Tie Er bitterung gegen England hat, davon belehren uns täglich Zeitungen und Einsendungen in dem gleichen Maße, zur Zeit einen so hohen Grad erreicht, und die Parteinahme für die Sache der durch die englischen Raubgelüste in hrer Unabhängigkeit bedrohten Böeren ist derart gestiegen, daß der Gedanke au den Besuch des Kaisers in England weiten Schichten unsere» Volkes wie «in Alp auf der Brust liegt und diese» wie erlöst aufathmen würde, wenn der Kaiser sich hochherzig entschlösse, dem nationalen Empfinden ein Opfer zu bringen und jetzt nickt uach England zu gehen. Wir haben diesen Wunsch des deutschen Volke» hiermit offen aus gesprochen, weil e» un» richtig und zeitgemäß erschien; wir hoffen, daß unser ehrliches Wort ebenso gut ausgenommen wird, wie es gemeint ist." Die „Kreuzztg." widmet der Angelegenheit ebenfalls ein „Entresilet", welches damit schließt, daß jetzt eine Reise des deutschen Kaisers nach England so ausgebeuict werden dürfte, wie eS den erklärlichen, aber recht durchsichtigen britischen Wünschen entspricht. — Die drei ältesten kaiserlichen Prinzen sind beute Abend 9 Uhr 45 Min. auf der Station Wildpark ein- gctroffen und am Bahnhof von der Kaiserin empfangen worben. — Nach Beendigung der diesjährigen Kaisermanöver hat der Cbef deS Generalstabes Veranlassung genommen, dem Staatssekretär des ReickSpostamleS seinen Dank für da» von der Post bewiesene Entgegenkommen auszudrücken. Dabei ist besonder» hervorgeboben, daß die ReichStelegraphie und die Fernsprechverbindungen im Manövergelände den stellen weise großen Anforderungen stets in vollstem Maße gerecht geworden seien. — Wie die „Germania" hört, wird die socialdemo kratische Fraction des Reichstages al-bald nach dem Wiederbeginn der Sitzungen darauf dringen, daß von den von ihr emgebrachten Initiativanträgen derjenige, welcher die Aufbebung de» Maj«stätSbel«ivigungS-Para- grapbrn de« Strafgesetzbuches bezweckt, mit an erster Stelle zur Verhandlung gelangt. Die Lerurtheilung des social demokratischen Reichstagsabgeordneten Sckmidt zu 3 Jabren Gefängniß und Manvaisverlust soll den Anlaß gegeben haben. — Der Vorsitzende de» Bundes der Landwinhe, Frhr. v. Wangeuheim, hat sich dieser Tage vor seinen Wählern über dieCanalvorlage geäußert, ohne Neues vorzubringen. Die Vorlage sei in jeder Beziehung außerordentlich bedenklich gewesen. Aber die Conservaliven trügen keine Schuld an der Erregung und der Zuspitzung der Lage; die Regierung babe die vorgeschlagenen Wege zur Verständigung nicht betreten wollen. Dennoch hoffe und wünsche er, daß eS zu einer solchen Verständigung komme. Die conservative Partei werde stets bestrebt sein, ohne PreiSgebung ihrer Ueberzeugung die Regierung zu unterstützen. Auf Ver sprechungen aber könne sie kernen Werth mebr legen und daraufhin ihre» Standpunct nicht ändern. Durch Hetzereien aller Art werde man sich nicht zu principieller Opposition hiureißen lassen. — Herr Lic. Webrr in M.-Gladbach theilt mit, daß ein Antrag auf Ausschließung des Pfarrers Naumann aus dem Gesammtverbande der evangelischen Arbeitervereine Deutschlands nickt auf der Tagesordnung der in Eisenach stattfindenden Ausfchußsitzung steht. — Die Verhanolungen über die Einführung eines neuen Postpacketlariss sind noch nickt zum Abschluß gelangt. Ein hiesiges Blatt erfährt, daß eS sich bei dieser Reform um eine Ermäßigung der Packetbestellgebühr bandelt, deren Beseitigung schon wiederholt von den Handelsver tretungen gefordert worden ist. — Der „Berl. Börs.-Zlg." wird gemeldet, daß eine wesentliche Umgestaltung des AichvngSwcsens geplant sei und zwar zum Zwecke der Einführung der periodischen Nack - aichung, die sick in Bayern vortrefflich bcwäbrt. Die Waagenmaßc und Gewichte werden nicht erst beim Eintreten ihrer Unbrauckbarkeit, die bisher durch polizeiliche Revisionen sestzestellk wurde, zur Neuaichung berangezogcn, sondern sollen alle Jahre kurck die Industriellen zur Aichung eingcliefert werden. DaS Gesetz dürfte dem Reichstag alsbald nach seinem Wieterziisaminentritt zugehen. — Der Erbgroßherzoa von Baden ist au» Coblenz hier eingetroffe», ebenso Prinz Maximilian von Baden aus Baden- Baden. — Der Bevollmäcktigte zum BundeSrath anhaltijcher StaaiSmiuisier Or. von Koseritz hat noch kurzem Anienthalt hier gestern Abend Berlin verlasse», um sich nach Italien zu begeben. —. Der bevollmächtigte Minister von Siam in London, Vijuddha. yat sich nach mehrtägiaem Aufenthalt hier aus seinen Posten zurückbeqeben. — Der hiesige braunschweigische Gesandte Freiherr von Cramin-Burgdorf ist vom Urlaub nach Berlin znrückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über nommen. — Der bisherige Consul in Jerusalem, Generalkonsul v. Tischen dors, ist zum Consul in Algier ernannt worden. * Flensbnrg, 13. October. Die durch den Tod von M. Jebscn im Flensburger Kreise erforderlich gewordene Ersatzwahl zum preußischen Abgeordnetenhaus« wird im nächsten Monat stattfiudeu. Tie Agrarier, welche den Kreis gern zurückerobern möchten, halten an der Candidatur des Bürgermeisters Bunzen fest. Freisinnige und National liberale werden zusammen geben und sich muthmaßlich dabin einigen, dem Professor Mettger, dem Vorsitzenden des Flens burger nationall'.beralen Verein», die Stimme zu geben, da SenatSpräsideut Peters beim Oberverwaltungsgericht, der auch als Eandidat in Aussicht genommen war, abgelchnt hat. * Kiel, 13. October. AuS Nordschleswig wird gemeldet, daß drei Knechte und zwei Mädchen des Hofbesitzers Ludwigscn in Kjöbenhoved ausgcwiesen wurden. Ferner hat ein Dienstmädchen des Hofbesitzers Hörlyk in Erloff Ausweisungs ordre erhalten. * Hambnrs, 13. October. Die hiesigen gewerkschaftlich organisirten Socialdemokraten beschlossen, fernerhin keine Beiträge an die Ceutralcasse in Berlin abzuliefern, bis das auS dem Hafenarbciterstreik stammende Darlebn von 35 000 bei Auer L Eo. in Hamburg gedeckt sein wird. * Oldenburg, 13. October. Der neugewählte Landtag wird zum 4. November einbernfen. * M-8ttadbach, 13. Oktober. In der Weberei von Peltzer ck Droste kündigten sämmtliche Weber; sie fordern lOstündigen Arbeitstag und Lohnerhöhung. * Gotha, 13. Oktober. Die sterblichen Ueberreste des Erbprinzen Alfred sind in der vergangenen Nacht nach Koburg übergefübrl worden. * Heidelberg, 13. October. Die hiesige» Nationalliberalen haben den Oberbürgermeister vr. WilckenS als Land- tagScandidaten aufgestellt. * Darmstadt, 13. Oktober. In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten thcilte Oberbürgermeister Morneweg mit, daß 20 Stadtverordnete «inen Antrag auf Errichtung eines Crematoriums auf dem hiesigen Friedhof gestellt hätten. Der Antrag wurde einer Commission zur Vor- berathung überwiesen. Oesterreich-Ungarn. . Die Tschechen und das neue österreichische Ministerium. * Wien, 13. October. Ueber eine gestrige Unterredung der tschechischen Abgeordneten Skarda und Pacak mit dem Ministerpräsidenten Clary berichten Tschechenblätter: Auf die Bemerkung der Abgeordneten, daß sich die Lösung der Sprachenfrage nickt in den drei Monaten bewältigen lasse, die dem Cabinet als Lebensdauer zugeniessen seien, erwiderte Clary, es stehe nirgends geschrieben, daß er blo« drei Monate CabinelSches bleiben werde. Als er hinzufügte, er werde an die Mitwirkung aller Parteien appelliren, erklärten die tschechischen Abgeordneten kategorisch, einem Ministerium, das die Sprachen verordnungen aufhebt, könne kein Vertreter des tschechischen Volkes als Mitarbeiter bienen. „Die Feindschaft zwischen Ihnen, Excellenz, und unserem Volke, daS sind unsere Beziehungen", sagten die beiden Tschechen zum Schlüsse. (Mgdb. Ztg.) * Wien, 14. October. Wie die „Wiener Ztg." berichtet, ist der frühere Justizminister Ruber zum Senatspräsi denten des Obersten Gerichtshofes ernannt worden. * Prerau (Mähren), 13. October. Gestern Abend durch zogen mehrere hundert Personen lärmend, pfeifend und Spottlieder singend, die Straßen und zertrümmerten mehrere Fensterscheiben durch Steinwürfe. Der Polizei und der Gendarmerie gelang es, die Ruhe wieder hcrzuslellen. Spanien. Stcuerc» awalle. * Barcelona, 13. October. Wegen der localen Steuern kam eS hier zu Unruhen. Die Händler schlossen zum Protest gegen die Besteuerung ibre Läden. Volkshausen durchzogen die Straßen. Die Ruhestörer schleuderten Steine gegen die Universität und die Bureaus des Blattes „Noliciero Universal". Die Gendarmen trieben eine Anzahl Personen auseinander, die Hochrufe auf das „freie Catalonien" ausbrachten. Später zogen Vie Ruhestörer vor das Nathhaus und verlangten die Abdankung der Mitglieder des Stadtralhs. Der Bürger meister wurde gezwungen, die Sitzung aufzubeben. Die Gendarmen griffen die Mengean, die panikartig auseinauderstob. Um 11 Uhr Abends war die Ruhe wiederhergestellt. Asien. Li« Kämpfe aus den Philippinen. I. O. Madrid, 11. October. Die telegraphischen Mel- düngen, welche bisher über die seit Mitte September wieder aufgenommcnen Feindseligkeiten auf den Philippinen vor liegen, zeigen ein recht dürftiges Ergebniß für die Nord amerikaner. Wäbrend die drei Colonnen des Generals Arthur, Wbeeler und Wheatvn bei ihren Vorstößen gegen Nvrdwesten bisher den Feind überhaupt nickt zu sehen bekamen und nur das vorher geräumte Angeles besetzen konnten, hat die Bri gade Les Generals Schwan bei Novaleta einen ernst basten Kampf zu bestehen gehabt. Die Pbilippiner haben aus gedeckter Stellung die anrückenden Amerikaner mit ziemlichem Erfolge beschossen, verließen dann aber das Fort in bester Ordnung und entzogen sich darauf allen weiteren Angriffen. In dem Fort befanden sich noch etwa 80 alte spanische Kanonen, die theilweise schon zu den spanischen Zeiten unbrauchbar waren. Die übrigen hatten die Spanier bei ihrem Abzüge so gut eS ging, zersprengt und zerschlagen. Jetzt haben natürlich die Amerikaner die Kanonen „erbeutet", was in ihren Telegrammen als großer Sieg ver kündet wird. Dadurch baden die Amerikaner einen Platz zwei Meilen landeinwärts von Cavite erobert, sind also mir dem großen Siege vom 1. April 1898 etwa drei Wegstunden weit in die Insel Luzon eingedrungen. Afrika. Der Bocrrnkrieg. * London, 13. October. Dem „Bureau Dalziel" wird aus Pretoria gemeldet: Staatssekretär Reitz erließ einen amtlichen Aufruf an die Afrikander in Südafrika, der diese ausfordert, den ungerechten britischen Forderungen Widerstand zu leisten, der ferner Salisbury, Chamberlain und Milner einer ver- brecheri scheu Politik beschuldigt, die Königin Victoria tadelt, daß sie diese Politik gutgeheißen hat und schließlich erklärt, e» sei völlig klar, der Wunsch und das Ziel Englands sei, dem TranSvaal- staat seine Unabhängigkeit wegen der Goldminen-Jndustrie des Landes zu rauben. * Amsterdam, 13. Oktober. Hiesigen Zeitungen zufolge recrutiren die Engländer jetzt Negerjoldaten in Betschuana» land; deshalb hat sich Präsident Krüger entschlossen, ebenfalls Siebeneck sich herabließ, diesen Plebejerinnen einen Vortrag zu halten; was sie aber sagte, war ihm wohlbekannt, er hatte es oft genug von ihr gehört, nur nicht in so geordneter Folge, und er hatte nicht erwartet, daß sie dergleichen an di« große! Glock« hängen würde. Doch wenn er sich über das Alles entrüsten wollt«, so wurde er wieder besänftigt durch die Liebenswürdigkeit ihres Wesens, durch den anmuthigen Fluß der Rede; ja, es hatte Alles, was sic sagt-, Hand und Fuß. Sein« Clara war doch eine kluge Fra» — und er sagte sich nicht ohne Stolz, es war seine Frau. Frei lich, ihre Rede könnt« er als «ine gegen ihn selbst gerichtete Kriegserklärung anschen; die Andern mochten darin nur einen Kampf für di« Recht« d«r Frauen erblicken. Jedenfalls hatte sich Clara gut unterrichtet; er empfand fast «in Gefühl der Eifer^ sucht darüber, daß sie bei Juristen, alten und vielleicht auch jungen, sich diese ganz« Weisheit zusammengesucht, sich mit diesen Gesetzesparagraphen ausgerüstet habe Sie sprach von den VermögenSverhältniffen der Frauen in der Ehe und besonders von dem Krebsschaden, daß der Mann die Nutznießung und Verwaltung des Vermögens seiner Gattin habe und daß auch das neue Bürgerliche Gesetzbuch dies unverändert fortbestehen lasse. So sei auch für das nächste Jahrhundert die Sklaverei d«r Frau gesichert, wenn nicht der Sturm der öffent lichen Meinung diese Schranken niederstürzt. Was vermöchte die Einzeln« dagegen? Die Gesammtheit der deutschen Frauen müßte dies Banner Hochhalten; hier handle es sich um kein« Utopien der Zukunft, sondern um eine brennende Frage der Gegenwart. Das Gold sei einmal die Macht in unserer Zeit; der sei Herr, welcher den Schlüssel zum Geldschrank habe — und da solle die Tyrannei, welche die Männer überhaupt ausüben, noch verstärkt werden durck diese Schlüsselgewalt, welche dir Frauen von ihrem eigensten Besitz, dem Erbtheil ihrer Väter, ausschließr? Und wenn die fluchwürdige Sklaverei des Mammons alle Zonen beherrsche — nun, so qiebt sein Besitz auch die' Freiheit, nach der wir Frauen streben müssen. Da mögen die Männer sich neigen und beugen; sie sollen nichts erreichen wenn sie uns nicht gehorchen. Man spricht verächtlich vom Schürzenstipendium — doch da» ist die Losung der Zukunft'" Verstohlenes Kichern hier — und dort lebhafte Zustimmung. (Fortsetzuna folgt.)
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