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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991017016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899101701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899101701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-17
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Zuerst war es die nach dem Scheitern Cblumchki's noch von Graf Thun inspirirte Mission Fuchs', dann das in Aussicht genommene Ministerium Liechtenstein, welche im Vordergrund standen, als das machstehende Bild ent worfen wurde. Beide sind inzwischen gescheitert. Die „katho lische Bolkspartei" hat ihre Bemühungen hinter den Hof- Coulissen wieder zeitweilig vereitelt gesehen. Sie wird sich daher einstweilen begnügen müssen, den neuen Ministerpräsi denten ähnlich zu beeinflussen, wie cs unter Badcni, Gautsch und Thun der Fall war. Während Graf Clary an der Spitze der ftehermärkischen Verwaltung stand, hat er sich ja dem kleri kalen Einflust sicherlich nicht unzugänglich erwiesen. Während seiner Verwaltung haben der Protest Frahst und die rohe Ver gewaltigung der Grazer Altkatholiken gespielt. Das ihm von -er österreichischen Presse gegebene sonderbare Epitheton „ge- mästigt liberal" ist ein wohlverdientes. Aber weder Dipauli noch Kathrcin, weder Fuchs noch Eb^enhoch haben in dem neuen Ministerium selbst eine Stelle Und der neue Eultus- minifter v. Härtel hat eine zu chreckbollc und ehrenhafte wissen schaftliche Vergangenheit, als daß zu fürchten sein würde, er iverde zur Zeit für die Auslieferung der Schule zu haben sein. Auch sonst dürfte zunächst wieder eine Zeit kommen, wo die unten angeführte Mage der „Hist.-Pol. Blätter" sich neu er beben dürste. Laß „noch zu viel josephinischer Bureaukraten- geisl in den Knochen der vsrerreictstschen Regierung steckt, den auch ein noch so energischer Ministerpräsident so bald nicht auszurotten im Stande ist." Tas klerikale Blatt ist völlig im Recht, wenn cs den „Jo sephinismus" heute noch sürchtct. Wenn auch die in einer ganz anders gewordenen Zeit errichteten Statuen Joseph's II. in Wien und Eger uns den edlen Monarchen durchaus nicht so vor die Augen stellen, wie die Geschickte cs thut — in den Herzen der besten Theilc des österreichischen Volkes ist er der wahre Volksheiligc. Aber mit steigendem Groll ist die papi- slische Partei sich bewußt geworden, daß alle „Ausrottungsmaß regeln" gegen diesen joscphinischen Geist gerade seit der Con- covdatszeit das Gegentheil zur Folge gehabt haben. Jede neue Enttäuschung wird sic nur zu doppelter Wühlerei anspornen. Und die jesuitischen „Beichtväter" beherrschen viel weitere und einflußreichere Kreise, als man „draußen im Reich" denkt. Auf diese von den wechselnden Tagesereignissen scharf zu unter- sckeidenden bleibenden Potenzen in dem Gegensatz für und gegen Rom einmal energisch den Nachdruck zu legen, ist gewiß eine echt historische Aufgabe. I. Zu der ziemlich lebhaften Controverse, die sich in politischen und kirchlichen Blättern an einen Bericht des „Leipz. Tagebl." über meinen im April d. I. in Leipzig gehaltenen, meine Stellung zu der Los-von-Rom-Bewegung streifenden Vortrag geknüpft hat habe ich bisher geschwiegen. Es thut niemals gut, wenn Männer die in allein Wesentlichen gleich denken und sich gegenseitig hoch halten, über Fragen der Taktik vor der Öffentlichkeit mit ein ander streiten. Es ist in solchen Fällen entschieden besser, sich persönlich Zurückhaltung aufzuerlegen, um denjenigen, die in guten Treuen einen etwas anderen Weg gehen, als man für den richtigen hält, nicht die Freude an ihrer Arbeit zu stören. Heute aber dürfen diese Bedenken schon deshalb zurücktreten, weil die verschiedene Anschauungsweise in Bezug auf einen kleinen Bruchtheil der gewaltigen geistigen Bewegung, die sich unter dem Motto „Los von Rom" zusammenfaßt, so gut wie irrelevant geworden ist im Vergleich mit der viel umfassenderen geistigen Krise, in welche der unserem deutschen Reich eng verbundene Staat gerade gegenwärtig aufs Reue hineintreibt. Die so genannte „Mission Fuchs", d. h. der durch den zeitigen Präsidenten des österreichischen Abgeordnetenhauses unter nommene Ausgleichsversuch zwischen dem Ministerium Thun und den oppositionellen Parteien, hat nämlich endlich einmal die so lange im Stillen hinter den Coulissen arbeitende Partei, auf deren Einfluß sich der nationale Zersetzungsproceß in erster Reihe zurückführt, offen am Werke gezeigt. Eine Reihe von anderen, draußen im Reiche wenig, oder bester so gut wie gar nicht beachteten Umständen kommen hinzu, um jene noch stetig zunehmende Herrschaft Noms über den Staat Josef's II. zu doeumentiren, die als naturnothwendigen Rückschlag den Ver zweiflungsschrei „Los von Rom" hervorgerufen hat, während die im protestantischen Deutschland so genannte Bewegung nur einen winzigen Theil dieses Rückschlages ausmacht. Bevor ich mich jedoch zur Beleuchtung dieser Sachlage wende, mutz vorher nachdrücklich bemerkt werden, datz ich mich von denjenigen Parteien, welche einen Zusammenbruch Oesterreichs oder gar den Anschluß der Grenzprovinzen an das deutsche Reich erstreben, oder auch nur für möglich halten, so scharf wie nur denkbar geschieden fühle. Das Erbe, welches die vorausschauende Bismarck'sche Politik leinen Nachfolgern hinterlassen hat, steht im rollen Gegensatz zu allen derartigen Tendenzen. Unser eigenes Staatswesen ist zu seiner äusseren und inneren Consolidirung derart auf das von ihm geschlossene Bllndniß angewiesen, daß man geradezu sagen muß: wenn dieser österreichische Staat nicht gerade so wie er ist existirte, würde unser eigenstes Bedürfniß ihn fordern. Wohl ist die kriegerische Auseinandersetzung von 1866 die völlig unvermeidlich« Vorbedingung gewesen für ein gesundes deutsches Staatswesen. Es ist ebensowenig zu leugnen, datz, während letzteres sich seither eines den Aclteren völlig ungeahnten wirthschaftlichen Aufschwungs erfreut hat, das arme Deutsch- Oesterreich in allen seinen Theilen um so schwerer krankt an den Folgen der Losreitzung von Deutschland. Aber die Consequenzen aus dieser Lage, auf welche hernach noch einige Streiflichter fallen werden, hat unser großer Staatsmann mit Recht nach der Seite gezogen, daß die deutsche Politik Alles aufzubieten hat, um den verbündeten Nachbarstaat zu stärken und zu consolidiren. Zur Lösung jener Controverse mögen nun zunächst sowohl ste Licht- als die Schattenseiten derjenigen Bestrebungen gekenn zeichnet werden, auf di« man gemeinhin in Deutschland di« Los-von-Rom-Bewegung beschränkt. Was die Unterstützung der selben in Deutschland betrifft, so darf es gewiß als ein erfreuliches Zeichen hervorgehoben werden, daß sich auch bei jenem Anlaß oie Anhänger sehr verschiedener Theologien in dem Gemein schaftsgefühl mit der österreichischen Diaspora zusammcngefunden haben. Der reiche Segen, der von Anfang an auch in dieser Beziehung auf allen Werken des Gustav-Adolf-Vereins für die evangelische Gesammtkirche gelegen hat, hat auch der neuen Arbeit nicht gefehlt. In Oesterreich selbst aber hat die — schon bald in die erprobten Wege des Gustav-Adolf-Vereins gelenkte — stille und unscheinbare religiöse Pflege der neuen wie der alten Ge meinden das laute Getöse der mit Schlagwörtern operirendrn Volksversammlungen abgelöst. Schaum und Hefe sind — um auch hier in Rothe's sinnigem Bilde zu reden — dieser ganzen Fermentation ebenso vorhergegangen, wie den zählenden Massen bewegungen überhaupt. Aber der dahinter verborgene Entwicke- lungsstoß, von dem Rothe in jenem Bilde Weiler redet, wird auch in diesem Falle um so unverkennbarer heraustreten, je mehr der Beobachter seinen eigenen Horizont weitet. Denn ob einige Tausende oder Zehntausende mehr dieser oder jener Confession beigezählt werden, ist ein untergeordneter Punct gegenüber der Erkenntniß, daß in dem Programm „Los von Rom" die alleinige Rettung des österreichischen Staates gelegen ist. Gerade die Vorzeichen der neuen politischen Wendung von der bis herigen verschämten Herrschaft der klerikalen .Partei zu einer offenkundigen nöthigen mehr wie jemals dazu, Oesterreich vor dem Geschicke Spaniens zu warnen. Bei alledem wird kein Sachkenner leugnen können, daß in der Art der Jnscenirung der protestantisch-propagandistischen Seite der „Los-von-Rom-Bewegung" eine Reihe von Fehlern gemacht worden sind, die den klerikalen Feinden recht eigentlich Wasser auf ihre Mühle geliefert haben. Nur zu sehr hat die religiöse Seite der Bewegung unter der Verquickung mit den Tendenzen einer politischen Partei gelitten, welche ganz offen kundig die Auflösung des Staates bezweckt. Nur zu lange sind dir erprobten Führer der österreichischen evangelischen Kirche, welche so vielen Grund hatten, eine Schädigung der ihrer Fürsorge anvertrauten Gemeinden zu fürchten, vom Ausland her in der ehrenkränkendsten Weise angegriffen worden, während die innere Oraanisation der österreichischen Kirche selbst durch di: ernste Gefahr einer „Nebenregierung" bedroht wurde. Nur zu oft Hal an L>ielle großer augemeiner Gesichtspuncte sich ein kleinlicher Seelenfang gedrängt, dem es wenig darauf ankam, ob die äußerlich gewonnenen Zahlen den bestehenden Gemeinden zum Segen oder Unsegen gereichten. Dabei derartig über schwängliche Phantasien über den Uebertritt ganzer Länder zu dieser oder jener Form protestantischen Kirchenthums, datz man unwillkürlich an die Parallele mit den päpstlichen Illusionen der Wiederunterjochung des britischen Volkes gemahnt wurde. Dürfen wir derartige Bedenken um so weniger verschweigen, weil Denjenigen, welche die Enttäuschung solcher Illusionen erleben, nur zu rasch das Vertrauen auch auf das wirklich Er reichbare verloren geht, so läßt sich doch daneben schon jetzt consta- tiren, daß jene jugendlichen Ueberschwenglichkeiten mehr und mehr vor einer das wirklich im Bereich der Möglichkeit Liegende anstrebenden Besonnenheit in den Hintergrund treten. Um so reudiger stimmen wir in die Forderung an die deutsch-evangeli- chen Glaubensgenossen ein: Gebt, gebt mit vollen Händen, und gebt bleibend für die so bedeutsam vermehrt« öster reichische Diasporal Laßt es nicht wie so oft bei einem rasch vorübergehenden Aufflackern bewenden, sondern faßt ebenso nach haltig und unermüdlich wie Eure Gegner die Euch neu auf erlegte Verpflichtung ins Auge! Vergeßt auch dabei nicht, wie es mit einer auffälligen Gedächtnitzschwäch« in Braunschweig ge schehen ist, wer die Bahn dazu gebrochen hat. Ich mutz offen gestehen, daß die Erfolge des von Superintendent Meyer ge leiteten Ausschusses, in dem sich bekanntlich die Vertreter ver schiedener Vereine zusammengefunden haben, alle älteren ähn lichen Versuche weit Überboten haben. Wenn es die Pflicht des Historikers ist, in Zeiten der Erregtheit zur Nüchternheit zu mahnen, so wird er doch darüber niemals verlernen, der Früchte selbstloser Begeisterung dankbar zu gedenken. Daneben aber gilt es heute noch ein Anderes zu betonen. Die Bedenken über diesen« oder jenen einzelnen Fehl griff müssen völlig in den Hintergrund treten, wenn man — und darauf würde es bei einem Ministerium Liechtenstein-Dipauli-Fuchs noch ganz anders ankommen, als unter Graf Thun — den Blick auf die Thätigkeit der klerikalen Partei selber richtet. Die zahlreichen prunkenden „Katholiken- vrrsammlungen", welche durch die Los-von-Rom-Bewegung ver anlaßt worden sind, di« Reden der geistlichen wie der politischen Führer, unter welchen der als „neutraler" Friedens engel gefeierte Herr von Fuchs sich durch die besondere Rohheit seiner Ausdrücke hervorthat, haben ja insgesammt nur an eine Instanz appellirt: rin noch schrofferes Unter drückungssystem des Staates gegen die Feinde der Kirche. Ver gebens habe ich nach einem Appell an die idealen Seiten des Katholicismus, vergebens nach irgend welchen Gedanken gesucht, gleich denjenigen, durch welche die vorvaticanische Theologie in Deutschland, oder etwa noch der arme Prof. Schell als verspäteter Nachzügler derselben auch den Andersdenken anregte. Immer nur die eine Forderung: Aufgebot aller Machtmittel des Staates gcgen die Ketzerei, Verwarnung und Maßregelung der Be amten, die in Verdacht kommen, sich einer der doch auch in Oester reich staatsrechtlich anerkannten anderen Kirchen anschließen zu wollen, Confiscation aller unliebsamen Literaturerscheinungen, administratives, staatsanwaltliches, gerichtliches Vorgehen gegen die Wortführer der zum Hochverrath gestempelten „Ketzerei", — al. das ist längst an der Tagesordnung. Die früher nur noch bei den Tiroler Klerikalen übliche Sprache hat sich auch in den anderen Kronländern, je länger, je lieblicher gestaltet. Der Hin weis auf die auch den „Akatholiken" gewährten gleichen staat lichen Rechte verfängt dem gegenüber wenig. Ein wirklicher Rechtsstaat ist Oesterreich im Grunde zu keiner Zeit gewesen. Daß die staatliche Rechtsgleichheit vor dem kanonischen Recht niemals Stand gehalten hat, beweist die Fiction des elmraeter inäelebilis, auf Grund deren ein zur evangelischen Kirche über getretener katholischer Geistlicher nach wie vor zum Cölibat ver- urtheilt ist, wenn er nicht ü I« Rudolf Falb oder L la Bren- Auf Majorka. Ein Blatt aus dem LebenFrödsricChopin's (f 17.October 1849). Von I- Haydn (Mannheim). Nachdruck verboten. „Adieu, Fre-Lric, bald bin ich wieder bei Dir!" Sie umarmte ihn zärtlich und empfahl ihm nochmals, ven herrlichen Abend in süßer Ruhe auf dem Balcone zu genießen. „Bleib' hier, Aurora", bat der schlanke Mann, aus dessen blassem, edlem Gesichte sie die großen blauen Augen bittend an sahen. „Bleibe bei mir . . ." Aber sie hatte schon die Schwelle der Thür überschritten, die zu dem in südlicher Pracht dalicgenden Garten führte. Seine Blicke verfolgten sie vawundernd. Wie elastisch sie bahinfchr-itt! Wie anmuthig-krästig jede Be wegung ihrer vollen mittelgroßen Gestalt! Ihm zu Liebe hatte sie die sie entstellende Männerkleidung abgelegt, die sie in Paris zu tragen pflegte, um zwangloser ihren Studien nachge'hen zu können. Nun wandte sie sich um, und wie fascinirt von seinem sehn süchtigen Blick, eilte sie zurück, um den geliebten Freund nochmals in die Arme zu schließen. Ihre dunklen Augen strahlten ihn an, das volle, von braunen kurzgeschnittenen Haaren umrahmte Gesicht war leicht geröthet. Sie war nicht schön, die geniale Schriftstellerin Georg« Sand — Aurora Dudevant —, aber was ihrem e.was grob geschnittenen Gesicht mit der hohen Stirn jenen unwiderstehlichen Reiz verlieh, der so zu bezaubern verstand, das 'war der Geist, das warme Gcmüth, das aus ihren mächtigen Augen leuchtete, das feine Lächeln, das so gerne ihren etwas sinnlichen Mund umspielte. Auch der stille, vornehme, in sich gekehrte Chopin, in dessen Seele der heilig« Funke de» Genius glühte, war, trotz seiner Abneigung gegen schriftstellernde Frauen, bald genug von dem Zauber ihres Wesens bezwungen worden. Es schien, al» ob dir lebhafte, ja leidenschaftlich« Frau gerade durch den Gegensatz ihres Temperaments den träumerischen Künstler anzog. Mit ihrem warmen Herzen und der glühenden Phantasie wußte Aurora Dud«vant, die in ihren Romanen mit so lebhaften Farben die Liebe in und außer der Ehe zu schildern wußte, die in ihren Schriften, wi« in ihrem Leben dem Herkömmlichen gar »st unerschrocken den Krieg erklärte, den ihr geistig ver wandten Polen volle acht Jahre hindurch an sich zu fesseln. Und wie sie im Sommer 1833 ohne Niicksicht auf da» Urkheil der Welt mit Alfred de Müsset in Italien ihren Aufenthalt ge nommen hatte^begleitete sie vier Jahre später den brustleidenden Chopin nach Majorka, um sich seiner Pflege mit vollster Hingabe zu widmen, um ihm liebend anzugehören. Von seinem Lieblingsplatzc auf >d«m blumen umrankten Balcone verfolgte der junge Künstler mit verschleierten Blicken die Geliebte, die an Myrten, Orangen und Pinien bäumen vorüber dem blauen Meere zuschritt. Sein blondes Haupt zurückgelehnt, sah er traumverloren in die Ferne, wo sie nun verschwand. Wieder erfaßte ihn die quälende Furcht, sie zu verlieren! Sie, die ihm diese einsame Insel zum Paradiese machte! Hier auf diesem von den blauen Fluthen des Mittelländischen Meeres umflossenen Eilande verlebte er die glücklichst'en Zeiten seines Lebens — trotz seines Leidens! Erinnerungen stürmten auf ihn ein . . . Er gedachte seiner ersten Jugendliebe, der hol'den Konstantia Gladkowska, der jungen Sängerin, die ihm den Abschied aus Warschau so schwer gemacht! Aber was war sie ihm im Vergleiche zu Aurora?! Auch die kokett« Comteffe Carola Brebitzki tauchte in seiner Erinnerung auf, der er sich verlobte — und die ihn treulos verließ. Wenn sie ihm jetzt dasselbe anthäte! Sie zu verlieren, das fühlte er, wäre sein Tod! Denn nur noch di« Liebe zu ihr gab ihm Kraft zum Leben, steigerte sein Talent und ließ den reichen Born seiner süßen Melodien immer voller strömen. Selbst die schöne Gräfin Delphin« Potocka, die ihn so schwärmerisch verehrte, deren kleine Hand er beben gefühlt hatte, wenn sie die sein« nur zufällig berührt« — auch sie erblich vor dem Bilde der Freundin! Was galten ihm seit den seligen Stunden bei der Geliebten jene zauberhaften Feste in den Salons der hohen Pariser Gesell schaft, bei denen die vornehmsten und schönsten Frauen entzückt nach seinen Polonaisen und Mazur^en tanzten oder seinen PrÄudes oder Notturnos lauschten, in den«n er all' seinen Schmerz, sein« Liebe, seine Verzweiflung, sein ganzes Herz aus klingen ließ! Und wenn sie ihn dann huldigend umringten, ihm Blumen streuten, ihm versicherten, daß Niemand diese Tonstärke so zauberhaft erkling«» ließ, mit eimr ganzen Welt von Empfindung zu beseelen verstand, als er — da brachten ihm diese Huldigungen wohl momentan Freud« — aber glücklich konnte ihn nur «in anerkennendes Wort, «in Blick von Aurore machen! Einzig sein Vaterland theilte noch s«in Herz mit ihr! — Ob er sein g«liebte» Polen nochmals sehen würde?! . . . ' Wieder kam rin« jener schwermiithigrn Stimmungen über ihn, die ihn zumeist in der Abwesenheit George Sand's erfaßten. Wieder stieg jene Ahnung in ihm auf, die ihn einstmals schreiben ließ: „Mir ahnt — al» hätte ich Warschau verkaflen, um nie wieder dahin zurückzukehren!" Sein geliebte» Polen, da» er Ende 1830 al» Zwanzig jähriger verließ, geleitet von seinen Freunden au» dem Kon servatorium, die dem hoffnungsvollen Künstler «inen mit heimathlicher Erde gefüllten Becher mitgabrn! Diesen Becher hatte er auch nach Majorka mitgrbracht — auf einer Console nahe seinem Piano stand er. Damals sollte! er auf Anrathen seines Lehrers Elsner nach Italien, um die alten Meister ^u studiren — aber schon in Wien erreichte ihn die Kunde vom Ausbruche der polnischen Revolution. Nach ein jährigem Aufenthalte in Wien, der ihm so manche künstlerische Enttäuschung gebracht, lenkte er seine Schritte anstatt nach Italien — nach Paris! Ein Lächeln verschönt« die Züge des einsamen Träumers, als er jetzt seines ersten Concertes im Pleyel'schen Salon ge dachte, das ihn mit einem Schlagt in der Weltstadt bekannt ge macht hatte! Eüiannte man doch in seinen Balladen, Impromptus und Notturnos, diesen bis dahin nur wenig oder gar nicht gekannten Kunstformen, daß er neue, eigene Bahnen zu gehen wußre! Vor einem Kreise echter Kunstkenner zu spielen, die ihm in die idealen Höhen seiner Kunst zu folgen verstanden, das freilich zog er der großen Öffentlichkeit immer vor. Um die Gunst der großen Menge vermochte er nie zu buhlen, seiner vornehmen Natur war jede Effecthascherei zuwider, deshalb wurde ihm auch nie jene Popularität zu Theil, die sich minder begabte seiner Kunstgenüssen zu erringen wußten. Aber dennoch verzichtete er ungern auf Popularität, ja der Mangel an all gemein«! Theilnahme für seine Kunst war eine der stech-ndsten Dornen in seiner Künstlerkrone. Zum Kämpfer nicht geschaffen, zog er es vor, nur seiner Muse zu leben, seine Kunst talentirten Schülern zu offenbaren, zu denen viele Mitglieder der aristokratischen Familien der Pariser Gesellschaft und vorzüglich Polen gehörten, deren Salons ihm geöffnet waren. Mit Vorliebe verkehrte er in den Palais der Fürstin Czatoryska, d«S Prinzen Lubmorsky, der Gräfin Plater und Potocka. Hier begegnete er auch oft seinem Freunde Liszt, der ihm mit Begeisterung von dem seltenen Geist, von der Liebenswürdigkeit Georg« Sand's erzählte. Im Jahre 1836 war sie ihm zum ersten Make entgegengetreten, und seit jenem Tage verdand sie die Sympathie ihrer Seelen- Au» seiner Versunkenheit schreckt« den Künstler plötzlich grollender Donner und grelle Blitze. Ein schweres Gewitter stand am Himmel. Entsetzen erfaßte Chopin, der seine Freundin den tobenden Elementen preitgegeben wußt«. Der Gedanke, daß sie in Lebensgefahr, daß sie nicht mehr zurückkehren könnte, überkam ihn mit all' seinen Schrecken. Boten auf Boten sandte er aus, fassungslos starrte er in die Nacht, die sich allmählich dicht und immer dichter herab gesenkt hatte. Endlich suchte er Trost in seiner Kunst. Er eilte ans Piano, all' die Angst, die sein Herz bewegte, ließ er nun in Tönen aukklingen . . . In jener Nacht entstand sein wunderbares Prölud« in ki» inoll! Al» George Sand kurz darnach unversehrt und herrliche Orangenblüthen für ihn mnbringend ins Zimmer trat — da sand sie den Freund ohnmächtig vor dem Flügel liegen. *) Und am anderen Tage^ als er ihr sein neuestes Prelude vor spielte und ihr erzählte, wie es enrstanden war, da spottete sie seiner Angst, die sie mi: ihre: starken Natur nicht begreifen konnte. Es fehlte ihr eben das letzte Verständniß für seine fein be saitete Künstlerseele. Im Sommer 1837 kehrte das Künstlerpaar nach, Paris zurück. Ihr zärtliches Verhältniß währte noch Jahre. Wie der Auftmhalt auf Majorka Chopin's schwache Gesundbei: stärkte so fand er auch immer Erholung auf George Sand's Schlosse Nohaul, wo er Jahre hindurch die Sommermonate verlebte. Von hier auS kehr:e er stets mit reicher musikalischer Ausbeute nach Paris zurück. Der ihn tiefschmerzlich berührende Freundschaftsorucy mi: der genialen Frau, der so vielfach untd so verschieden besprochen wurde, veranlaßte hauptsächlich Chopin. 1841 trotz seines sckwer leidenden Zustandes eine Reise nach London zu unternehmen. Bis zum Frühling 1849 währte dorr sein an künstlerischen Erfolgen so reicher Aufenthalt. Vor seiner Abreise gab er den Auftrag nach Paris, für seine Wohnung einen Pleyel'schen Flügel, sowie Blumen — hauptsächlich Veilchen — zu be sorgen. „Ich möchte", so schreibt der Meister an einen Freund, „bei meiner Rückkehr in meinen Zimmern etwas Poesie vorfinden, da ich mich wahrscheinlich bald auf lange hinlegen werde!" Seine Ahnung sollte ihn nicht trügen. Sein Leiden ver schlimmerte sich derart, daß er Anfang Oktober 1849 in einen Zustand der Apathie verfiel- Einen Sonnenstrahl brachte ihm noch der Gesang der durch ihre Schönheit historischen Gräfin Delphine Potocka, die ihm in den letzten Tagen seines Lebens eine Arie von Straixlla vorsang. „Mein Gott, wie schön das ist", flüster!« der Sterbende; „noch einmal — noch einmal!" Und trotz der hrrvorbrechenben Thränen sanq sie dem Freunde noch einen Psalm von Marcello. In den Armen seines LieblingSschülerS Guttnann, umringt von seiner Schwester und Freunden, hauchte FrSdöric Chopin am 17. Oktober seinen letzten Seufzer au». Diejenige, die er am heißesten geliebt, war ihm in der letzten Stunde serngebliehen- Ob nicht doch eine von den unzähligen Blumen und Bläthen seine» Todtrnzimmer» dennoch von ihrer Hand kam — in Er innerung an die glückselige Zeit auf Majorka? *) Franz Liszt erzählt von dieser Episode in seinem Ducke über Chopin.
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