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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991025021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899102502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899102502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-25
- Monat1899-10
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Reklamen unter dem RedactionSstrich (4g» spalten) üO^Z, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernsaz oach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbeförderung 7L—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags LUHr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anreise« sind stet» an die Expedttio» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz la SeiDzt» S3. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Let-zig, 25. October. Wenn trotz der Versickerung der „Nordd. Allgem. Ztg.", daß für das EkatSjahr 1900 eine RoveSe zum Alottengefetze nicht in Aussicht genommen sei, eine schleunige Arnderung dieses Gesetzes an maßgebender Stelle als notbwendig er achtet würde, so würde man an dieser Stelle sehr lehrreiche Erfahrungen mit jener Abgeordnetengruppe im Reichstage machen, die ehemals daS Schlagwort „Kein Kanitz, keine .Hähne" prägte. Als nach der Ablehnung der Mittel landcanalvorlage durch das preußische Abgeordnetenhaus die officiöse Presse gegen die conservalivcn Gegner dieser Vorlage und besonders gegen die Leiter des Bundes der Landwtrlhe nickt nur den Vorwurf per Negierunzsfeindlickkeit,sondern auch den deS Mangels an Opserwilligkeit für daS Vaterland erhob, Über boten einander die Bundesorgane mit Versicherungen, daß ihre Opferwilligkeit keine Grenze habe, sofern eS sich wirklich um die Förderung nationaler Zwecke handele. Im Reichs tage, so hieß eS, werde sich das schon zeigen. Und kaum deutet die „Nordd. Allg. Ztg." an, daß die Regierung durch das Flottengesetz sich nicht abhalken lassen werde, etwa notb wendig erscheinende Verstärkungen der Marine vor dem Jahre 1901 zu beantragen, so legt das Organ des Bundes der Landwirthe zornig Protest gegen diese etwaige Absicht ein und bestreitet deren Berechtigung nicht minder heftig, als daS Organ deS Herrn Eugen Richter. Die Beweis kraft der von der „Deutschen Tagesztg." vorge'orachten Gründe steht aber in argem Mißverhältnisse zu dem erregten Ton ihrer Polemik. Das Blatt erkennt unumwunden an, „daß seit dem Erlasse des Flottengesetzes Ereignisse ein getreten sind, die eine Beschleunigung der Durchführung deS Flottcnbauplans erwünscht erscheinen lassen können." Als solche Ereignisse nennt die „Deutsche TageSztg." die Entwickelung der ostasiatischen Verhältnisse, die Folgen des spanisch-amerikanischen Krieges, die samoanischen Wirren, den Krieg zwischen England und Transvaal. Alle diese Ereig nisse hätte aber die Regierung nach der Ansicht der „Deutschen TageSztg." vorauSseben müssen I Die Regierung müsse also das Dekennlniß ablegen,unklug und unvor sichtig gebandelt zu haben, als sie den Flottenbauplan auf Jahre festlegte, „ehe ernstlich in die Erörterung neuer Forde rungen eingctreten werden könnte". Um die Forderung nach einem derartigen Bekenntniß der Regierung stellen zu können, behauptet die „Deutsche Tagesztg.", eS sei unrichtig, daß das Flottengesetz eine Mindestforderung darstelle. Diese Be hauptung des agrarischen Blattes ist völlig unhaltbar. In der Reickstagssitzung vom 6. December 1897 sagte der Reichskanzler wörtlich: „Ich will es dem Herrn Staatssekretär des Reichsmarincamts überlassen. Ihnen hier oder in der Commission nachznweisen, daß ein zweckmäßiges Functioniren des Marine-Organismus geradezu abhängig davon ist, daß ihm eine gewisse Stärke gegeben wird, und daß dessen Leistungsfähigkeit eigentlich erst beginnt mit dem Augenblicke, wo er diese Stärke erreicht hat." In der Sitzung der Budgetcommission vom 2t». Februar 1898 erklärte der Staatssekretär Tirpitz: „Mit der Ermächtigung des Herrn Reichskanzlers gebe ich die Erklärung ab, daß nach meiner Ansicht das Flottengesetz für die verbündeten Negierungen unannehmbar wird, wenn dasselbe nicht die gesetzliche Sicherheit bietet: daß 1) die Flotte in dem Umfang, wie er vom BundeSrath und Reichstag als notbwendig anerkannt wird, auch innerhalb der von Len verbündeten Regierungen für möglich erachteten Zeit fertiggestellt wird; 2) die für nothwendig erkannte Flotte auchZin kriegsbrauchbarer Beschaffenheit erhalten bleibt. Ich bin gern bereit, nach besten Krassen mitzuwirken, nach einer Fassung der fraglichen Bestimmungen zu suchen, die Ihren Wünschen entspricht; ich bin auch gern bereit, eine andere Fassung, falls sie nur den zuerst angeführten Zweck des Gesetze- nicht in Frage stellt, dem hohen Bundesrathe gegenüber zu be fürworten." Ist in den citirten Auslassungen deö Reichskanzlers und deS Staatssekretärs Tirpitz auch daS Wort „Minrestforde- runz" nickt enthalten, so ist es dem Sinne nach darin unzweifelhaft ausgesprochen. Ob bei den parlamentarischen Verhandlungen gegen diesen Gedanken, wie die „Deutsche Tageszeitung" versichert, öfters Widerspruch erhoben wurde, tbut nichts zur Sache. Wenn die „Deutsche Tagesztg." als dann die Frage der Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes aufwirfl und es für zweifelhaft erklärt, ob die Mittel stände neue Lasten tragen könnten, wenn ibre wirthsckastliche Lage sich nicht bessere, und wenn insbesondere der Mittel landkanal in Beziehung zur Flotte gebracht wird, so liegen die Hintergedanken bei diesem Verfahren auf der Hand. Gewiß darf über die Leistungsfähigkeit des Volkes nicht binausgegangen werden. Aber es ist nicht zu vergessen, daß der Begriff „Leistungsfähigkeit" je nach dem Standpunkte der Interessenten verschieden ausgelegt wird. Was speciell die Flotte anlangt, so ist eS ganz unwahrscheinlich, daß der Staatssekretär deS Neickösckatzamts Freiherr von Tbiel- mann nickt Recht behalten werde mit der Ansicht, die er in der Budgetcommission am 26. Februar 1898 äußerte und die dahin ging: die Anforderungen der Marine willen sich aus der Zunahme der Bevölkerung bei gleichbleibender Sleuerkraft und aus dem Fortfall der Artillerie forderungen des HeercS mit einiger Sicherheit bestreiten lassen. Die Entwicklung der Reichsfinanzen bat dieser Auf fassung bisher durchaus Reckt gegeben. Will die „Deutsche Tagesztg." im Ernst behaupten, daß unter solchen Umständen ein Aufwand, der über Len Rahmen LcS Sexen.-aev jelbst um eine Reihe von Millionen hinausginge, die Leistungsfähig keit des deutschen Volkes vernichten oder wenigstens untergraben würde? Schwerlich. Es kommt dem Dündlerblatte jedenfalls nur darauf an, der Regierung bemerklich zu machen, Laß seine und seiner Freunde patriotische Flottenfreundlichkeit erst dann beginnt, wenn die Mittellandcanalfrage von der Bildfläche verschwindet. Der kurze Sinn seiner langen Ausführungen ist: „Kanal, keine Kähne". Die Kölner ErzbischofSwayl, die gestern Vormittag statt gefunden bat, ist, wie der Telegraph bereits berichtet hat, auf den Paderborner Bischof Hubertus Sim ar gefallen. Zur selben Stunde, als eie Wahlhandlung statlfand, erschien m dem Berliner Centrumöorgane, der „Germania", der dritte mehrspaltige Aufsatz, in dem der „Nachweis" fortgesetzt wurde, daß die Regierung unbefugt ihr Slreichungsrecht an der Wahlliste ausgeübt und wie schlecht sie gehandelt, der Erz- diöccse den Bischof Dingelstad von Münster vorzuentbalten. An demselben Tage erhielten nach der Wahl die Gläubigen der „Germania" folgende Belebrung: „In der Wahl des neuen Erzbischofs haben fick die freie Entschließung des Domkapitels und die Wünsche der Regierung be rührt; die Erwählung deS hochwürdigen Bischofs von Paderborn zum Kölner Oberhirtcn giebt die Bürgschaft, daß die günstigsten Vorbedingungen eines einträch tigen Zusammenwirkens der kirchlichen und staat lichen Behörden gegeben sind." „Günstigsten" — was wird Herr Dingelstad dazu sagen! Aber es kommt noch besser: Bischof Hubertus bringt zu einer gesegneten Wirksam keit „alle nur wünschenswerthcn Eigenschaften des Körpers und des Geistes" in sein neues Amt, als da sind „liebenswürdige, verbindliche Umgangsformen, kirchliche Treue, eiserne Charakter festigkeit", und zum Schluß heißt eS dann, „Gott segne, Gott schütze und erhalte noch lange den neuen Erzbischof". — Und kein Wort mebr darüber, baß auf der Liste des DomcapitelS noch der Bischof Keppler von Rothenburg und der Kölner Weibbischof vr. Fiicher gestanden, und das Domcapitel durch die Nicktwahl diesen Herren folgerichtig eine „unerwartete und unverdiente Kränkung" zugefllgt und ihren Diöcesaneri obendrein. Wir wünschen, daß der neue Kölner Erzbischof die Erwartungen erfüllt, die für ein friedliches Zusammen wirken aller Consessionen in seinem Sprengel gestellt werden müssen, und warten nun ab, ob die Klerikalen Dreistigkeit genug besitzen, die gleiche Komödie auszusübren, wenn dem nächst in Paderborn die Neuwahl eines Bischofs an Stelle des Herrn Simar statlzusinden hat. Tagtäglich werden Kundgebungen aus den tschechischen Gegenden Böhmens nndMährens gemeldet. Zn Holleschau ist sogar, wie milzetheilt wurde, Blut geflossen. Dort mußte dir Gendarmerie von der Schußwaffe Gebrauch machen. Ein Fleischer und zwei Frauen wurden getödtet, zwanzig weitere Personen, theilweise schwer, verwundet. Von Letzteren sind nachträglich noch zwei gestorben. DaS ist ein tragischer AuSgang. Wenngleich nun die vorangegangenen Unruhen in den Orten mit tschechischer Bevölkerung an dem Tage begannen, an dem dieAushebung derSprackenverordnungen bekannt wurde und auch zumeist mit Demonstrationen ansingen, welche gegen diese Negierungsmaßregel gerichtet waren, wäre es ein Irrthum, die Hollesckauer Vorfälle auf nationale oder politische Motive zurückzusübren, in ihnen Ausbrüche nationaler Leidenschaft oder eine Art von tschechischem Graslitz zu erblicken. Schon die früheren Excesse der tschechischen Bevölkerung in den anderen Städten zeichneten sich durch die völkerpsychologisch merkwürdige Eigenthümlickkeit aus, daß sie in der Mehrzahl mit einer Demonstration für die Sprachenverordnungen an fingen und mit Gewaltthätigkeiten gegen die orts ansässigen, zumeist tschechisch gesinnten und sicher lich an derAufhebung derSprackenverordnungen unschuldigen Juden endeten. Gleich die ersten Demon strationen in Prag waren dadurch gekennzeichnet, daß die Excedenten in der Prager Vorstadt Weinberge ein hölzernes, einem Juden gehöriges Gebäude in Brand zu stecken ver suchten. Zn Laun wurden unter dem Rufe: „Es lebe daS böhmische Staatsreckt!" den Juden die Fenster mit Steinen cingcwvrfen. In Pilsen bewegte sich der DcmonstrationSzug der tschechisch-nationalen Arbeiterschaft zuerst zur Bezirks- bauptmannsckaft und dann zum israelitischen Tempel. Einen ähnlich gemischten Charakter trugen die Demon strationen in Prerau, Unaarisch-Hrabisch, Proßnitz und anderen mährischen Orten. In Holleschau ist, so weit sich nach den vorliegenden Berichten urtbeilen läßt, daS in allen diesen Vorfällen erkennbare antisemitische Motiv das ausschließ liche oder doch weitaus überwiegende gewesen. Die Maueranschläge, durch welche dort die Massen aufgereizt wurden, enthielten Hinweise auf den Polnaer Mord, ein an gebliches Bild des in dem Mordprocesse Verurtheilten wurde ausgehängt, dagegen scheint von der Aufhebung der Sprachen verordnungen so viel wie gar nickt die Rede gewesen zu sein. Die durch politische Agitationen erzeugte elektrische Spannung scheint sich wohl auch der Hollesckauer Bevölkerung mit- getheilt, daS Beispiel der anderen tschechischen Städte auf sie eingewirkt zu haben, aber die Triebfeder der Excesse war nicht die nationale, sondern die antisemitische Agitation, und die Urheber der letzteren belastet daher auch die Blutschuld und Verantwortung für die Holleschauer Opfer. Gleich bei Ankündigung der Entsendung des InternuntiuS im Haag, Msgr. Tarnassi, nach Petersburg bebuss Rege lung verschiedener Fragen über die Stellung der Katholiken im russische» Reiche wurde auf die nicht unbeträchtlichen Schwierigkeiten hingewiesen, die der außerordentliche päpstliche Delegat zu überwinden haben wird. Dies gilt insbesondere von dem angeblich im Vatican gehegten Plane, die Errichtung einer päpstlichen Nuntiatur in der russischen Hauptstadt burckzu- setzen. Der Widerstand der russischen Negierung gegen diese Be strebungen soll, wie man versichert, von einflußreichen Persön lichkeiten des Kaiserlichen HofcS Unterstützung erfahren. An solchem Widerstande sind aber zu wiederholten Malen diplomatische Verhandlungen gescheitert, wenn cs galt, politisch-religiöse Differenzen mit Rußland beizulegen. ES sei nur hier daran erinnert, daß beispielsweise die Stellung der orthodoxen und der katholischen Kirche an den heiligen Stätten, die alljährlich zu neuen Conflicten Anlaß giebt, noch immer keine endgiltige Lösung bat finden können. Die ungünstigen Anschauungen über den Erfolg der Mission des Msgr. Tarnassi sind in der jüngsten Zeit noch bekräftigt worden. Man will in Petersburg nämlich, wie versickert wird, den Grundsatz überhaupt nicht zulassen, daß der Vatican berechtigt sein könnte, in die Lösung von Fragen, welche die Stellung der Katholiken in Ruß land betreffen, unmittelbar einzuzreifen. Die Entscheidungen der russischen Regierung, so betont man, müssen auch in diesen Angelegenheiten ausschließlich der daselbst herrschenden souveränen autokratischen Macht entspringen. Es ist demnach nicht anzunebmen, daß die russische Regierung der Errichtung einer ständigen päpstlichen Vertretung in Petersburg zu stimmen könnte, deren Thätigkeit natürlich dem Machtbereiche und der Controle der russsschcn Regierung entzogen wäre. Es gebt auö diesen Erwägungen hervor, daß sich die Mission deS Msgr. Tarnassi in Petersburg in engeren Grenzen wird bewegen und auf bescheidenere Ziele wird gerichtet sein müssen, als sie von manche« Blättern Largestellt werden. „Rückwärts! Rückwärts!" ist seit Sonnabend die Losung der Engländer auf dem Südafrikanischen Kriegs schauplatz. Gestern wurde amtlich in London bekannt gegeben, General v)ule habe sich von Glencoe in eine gesicherte Position zurückgezogen, beute erfährt man — gleichfalls amtlich —, daß Glencoe sowohl, wie Dundee von den Engländern geräumt ist und daß diese sich bereits Ladysmith näbern, um sich dort mit den Truppen deS Generals White zu vereinigen. Es müssen also, wie wir gestern schon vermuthcten, bei Glencoe und Dundee Kämpfe slattgefunden Halen, in welchen die Engländer geschlagen, zur Aufgabe ihrer Stellungen und zum Rückzüge gezwungen wurden. Das kann beute mit voller Sicherheit constatirt werden. Heber ¬ ten Rückzug General Dule's wird berichtet: * Lauda», 24. Lctober. (Reuter s Bureau.) Tas KricgSaint erhielt ei» Telegramm des Generals White, dalirt Ladysmith, den 24. V.M., Abends ik llhr: „Eine gestern hier eingcgangene Meldung ergab, dass Sie Boercn -s Feuilletsn. Aus freien Lahnen. 21s Roman von Rudolf von Gottschalk. Nachdruck verboten. Und so saß sie bald in ihrem Stübchen oben. Noch stand ihr Bett da; die anderen Möbel waren fortgeräumt und allerlei Wirthschaftsgeräthe an ihre Stelle gesetzt worden. Sie hielt es nicht lange aus in dieser trostlosen Rumpelkammer und machte sich bald wieder aus den Weg in die Stadt. Jetzt mußte sie allen Blicken trotzen; doch es schien, man achtele nicht auf sie. 'Nur zwei Mägde am Brunnen tauschten eine Bemerkung aus — war das nicht das Fräulein, das ihnen di« Milch von Siebeneck gebracht hott«? Sie trat in das Gerichtsgedäude und ließ sich Lei dem Ge- fängnißdirector melden. Der alt«, schnauzbärtige Herr wollte mit den Familienanhängseln seiner Gefangenen nichts zu thun haben; er schnauzte auch Alic« anfangs an, als er sie von seinem Pulte verächtlich von der Seite ansah. Doch als er sie gerade wegen ihrer Zudringlichkeit gründlich abzukanzeln gedachte und ihr deshalb strafend und zürnend voll ins Gesicht sah, da fühlte er sich entwaffnet durch die Anmuth ihrer Erscheinung und empfand aus einmal etwas wie eine galante Regung; sonst wagten sich solche Johannistriebe in den engen Gefängnißmauern nicht hervor. „Fräulein Bärmann — o, ich besinne mich jetzt; der Vater sitzt in Nr. 10. Di« Schlüssel hab' ich zwar, dock) nicht das Recht zu öffnen. Dazu bedarf ich der Erlaubniß des Herrn Untersuchungsrichters." „Und wo find' ich den Herrn?" „Sie treffen ihn jetzt zu Haus«, gegenüber dort in der Apotheke auf dem Marssplatze. Doch das sage ich Ihnen voraus, Sie werden Jhr«n Vat«r allein nicht sprechen dürfen. Das kann Herr vr. Zohlen nicht erlatskxn; «r ist sonst ein liebens würdiger Herr; doch daS ist gegen seine Instructionen." Alice dankte und stieg bald darauf die engbrüstige Treppe beim Apotheker hinauf. Die jungen Juristen sind keine Mil lionäre, dacht« sie; doch sie that dem Doctor Zehlen Unrecht; er hatte die sehr vermögende Apothekerstochter gcheirathet und war nur in dem alterthümlichen Hause der Ellern mit seinen engen Treppen wohnen geblieben, dem Wunsch der Tochter gehorchend. Sie ließ sich anmeldrn und wurde vorgelassen. Als sie in sein Studirzimmrr erntrat, sah si« noch einen weißen Kleider streifen hinter der anderen Zimmerthüre verschwinden und es schien ihr, als wenn dieselbe blos angelehnt würde. „Ich möchte meinen Vater sprechen", sagte Alice, „und bitt« Sie um die Erlaubniß, ihn besuchen zu dürfen." „Nehmen Sie Platz, m«in Fräulein!" sagte der Jurist höflich. „Und darf ich hoffen?" „Ich bedauere die traurig« Veranlassung Ihres Besuches; Ihr Herr Vater darf mit Niemandem Rücksprache nehmen, das würde die Untersuchung stören. Sie ist freilich nicht allzu schwer, ich bedauere, dies sagen zu müssen; das Beweismaterial spricht eine allzu beredte Sprache; doch es müssen alle Durch- steckereien vermieden werden, und auch daS Schlimmst«, Flucht versuch«, Selbstmord, wozu die Angehörigen ihre Hand dielen könnten." „Das glauben Sie wohl doch selbst nicht, Herr Assessor!" ,,Si« sind eine liebenswürdige, junge Dam«, und ich glaube nicht, daß Sie irgend welche schwarze Gedanken hegen; doch das Gesetz macht kein« Ausnahmen." „Und so wäre es mir verwehrt, meinen Vater zu sehen und zu sprechen?" „Wenigstens unter vier Augen!" Er sah nach seiner Uhr. „Ich habe allerdings noch ein« halbe Stunde Zeit Lis zur Sitzung." „Sir wollten — o, es wäre zu gütig!" „Es ist die einzige Möglichkeit, mein Fräulein! Ich weiß die Gefühle einer Tochter dem Vater gegenüber zu würdigen; ich werde Si« begleiten und bei Ihrer Unterredung als Zeuge zu gegen sein!" Da öffnete sich die Stubeüthüre weit — eine magere, hohe Gestalt zeigt« sich in dem Rahmen derselben, eine Gestalt von zweifelhaft«,: Jugendlichkeit, das Gesicht mit einem unfreund lichen Mund zwischen hervorstehenden Backenknochen. „Robert, auf einen Augenblick!" Ein prüfender und vernichtender Blick ruht« auf dem hübschen Mädchen. Robert fuhr ärg«rkich auf und verschwand im Nebenzimmer; doch di« Thüre war nicht fest zugemacht und die Unterredung laut genug, so daß Alice jedes Wort hören konnte. „DaS geb' ich nicht zu", rief die Frau Assessoren, „daß Du mit dem Mädchen da allein Dich in die Verbrecherhöhle begirbst, durch die dunklen Corridore spazierst als ein gefälliger Begleiter, der Dank verdient und verlangt." „Das sind Sachen meines amtlichen Berufs — und da laß' ich mir nicht hereinreden!" „Dein amtlicher Beruf verlangt kein« Galanterie; Du konntest das Mädchen seines Weges ziehen lassen, seine Bitte ab schlagen. Doch freilich, dazu ist sie zu hübsch, wenigstens auf den ersten Blick, und das genügt Euch Männern. Ich ver lange —" „Du hast nichts zu verlangen, Isidora; ich darf menschen freundlich sein gegenüber einer Familie, die so tief ins Unglück gestürzt ist. In meiner Gegenwart darf das Mädchen den Vater sprechen und ihr diesen Trost zu entziehen —" „Sie läßt sich vielleicht noch in anderer Weise trösten!" meinte Isidora, und schlug ein höhnisches Lachen auf. „Genug — ich vrrspmch es ihr und halte mein Wort!" Und er kam zu Alice zurück und schlug energisch die Thüre hinter sich zu; doch ihr war's, als hörte sie dahinter «in Keifen, Schimpfen, Schluchten. Der Assessor griff rasch zu seinem Huie und geleitete die B« sucherin die enge Treppe hinunter. „Häusliches Glück", dachte diese, „so sieht es hinter den Coulifsen der Justiz aus, wenn man die Herren hinter ihren vier Pfählen aufsucht." Sie konnte nicht umhin, vom Marktplatz noch einen Blick nach dem ersten Stock hinaufzuwerfen. Da stand Isidora am offenen Fenster im Erker, ganz Rothglühfeuer, mit geballter Faust hinunterdrohend. Im Gefängniß erschlossen sich bald all« Thüren dem Unter suchungsrichter; bald stand Alice vor ihrem Vater. Der alte Bärmann sah ingrimmiger aus als je; er hatte für seine Tochter kein freundliches Wort der Begrüßung; er schielte nach ihr hinüber, wie nach einem fremden Eindringling. Einen Augenblick schien er erstaunt über ihr Kommen; doch auch dies Staunen wich bald dem Ausdruck feindseligen HasscS. Der Untersuchungsrichter sah zum Fenster hinaus; er wollt« das Wiedersehen nicht stören als unwillkommener Zuschauer. Hören konnte er und mußt« er freilich jedes gesprochen« Wort. „Verzeihuntz, mein Vater", sagte Alice, „daß ich Dich gegen Deinen Willen und ohne Abschied verlass«». Wo es meine Liebe galt, konnte ich Dir keine gehorsame Tochter sein; doch dann wollte ich Dir auch nicht länger zur Last fallen, sondern mich selbst durch die Welt durchschlagen. Da Du aber jetzt im Unglück bist, treibt es mich zu Dir." „Komödiantin", sagte Bärmann, „aus welchem Stück ist die Scene, die Du mir jetzt vorspielst?" „Ich hatt« keine Ruhr, bis ich Dich gesehen! O, mein Leben ist sehr düster, noch düsterer geworden durch das Traurige, das sich in meinem Vaterhaufe zugetvagen, das Dich betroffen hat. Und daß ich nichts ändern, nichts mildern kann — mein« grenzen lose Ohnmacht bei dem heißen Wunsche, Dir zu helfen: das bringt mich zur Verzweiflung. O, könnt' ich wenigstens bei Dir sein —" „Nun, wenn Deine kindliche Liebe so groß ist — dazu giebt es ja ein geeigneteres Mittel. Du brauchst blos zu stehlen und zu betrügen — dann kommen wir schon zusammen." Eine Pause trat «in; Alice hielt schluchzend die Hände vor das Gesicht; vr. Zehler drehte sich um und warf einen mitleidigen Blick auf das Mädchen. „Ein hübsches Ding, nicht wahr, Herr Assessor? Das sticht einem ordentlich in die Augen", sagte Bärmann in einer An wandlung von väterlicher Eitelkeit, welcher ein ganz kleiner Rest von väterlicher Liebe beigemischt war. „O, ich habe sie lieb ge habt und vi^l für sie gethan — man hat ja nichts in dieser Welt als Aergetr und Arbeit. Und da ist solch' ein Töchterchen ein ganz niedliches Angebinde — doch was war mein Lohn? Ver lassen hat sie mich, in die weite Welt ist sie hinausgcwandert, weil ein anständiger und vermögender junger Mann um lbrr Hand anhielt." „Du wußtest, daß ich nicht frei war, daß mein Herz einem Anderen gehörte." „Und dann", sagt« er auf «inmal flüsternd, ganz leise, damit der Untersuchungsrichter, der wieder zum Fenster hinaussab, nichts vernehmen könnt«, was einem Geständniß ähnlich sah; — „dann versänke ich Dir die Feindsihaft mit diesem Trams. Es hätte sich noch Alles friedlich beilegen lassen — die kleinen Un- correctheiten; doch statt zu mir zu kommen, ging der Alte zum Baron, um mich zu verderben. Wie ganz anders wäre das ge worden, wenn der junge Trams mein Schwiegersohn war. Und jetzt, wo ich Dich sehe", sagt« er wieder lauter, seine Stimm erhebend, „tritt mir dies Alles so lebhaft vor die Seele, daß Dein Besuch für mich ein« Qual und Marter ist. Mag Dir's besser gehen als Deinem alten Vater — das ist der einzige Wunsch, den kr noch für Dich übrig hat." Der Untersuchungsrichter sah nach der Uhr — seine Zeit war um. Ein« letzte zärtliche Annäherung Alicens wies Bärmann schroff zurück. „Kommen Sie, mein Fräulein", sagt« vr. Zehler mit einer mitleidigen Freundlichkeit, a-ls wenn er sie aus einer Folter kammer hinwrgführte. Sie dankte ihm draußen unter Thränen und begab sich dann auf den einsamen Heimweg. Ein heftiger Sturm hatte sich erhoben,
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