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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991103026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-03
- Monat1899-11
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8532 de» Sultans erlegen skin soll. Die Franzosen glauben, Rabah sei ein Werkzeug Englands, und eS habe seine Be deutung, daß er gerade jetzt wieder in Scene trete. Die Esel sollen, nach einer Meldung au» Pietermaritz burg, wieder in Ladysmith an gekommen sein. Hie waren bekanntlich, wie General White wenigstens rapportirte, am Montag durchgegangen und hatten damit die Schlacht zu Gunsten der Bocren entschieden. Leider können wir von hier ans nicht controliren, ob die Engländer tbatsächlich wieder über die genügende Anzahl von Langohre» versüge», aber soviel steht heute fest, daß sie abermals eine Niederlage er litten haben. Am Dienstag Abend, also unmittelbar nach dem Siege von Ladysmith, waren die Boeren südöstlich vorgerückt, nm Co len so zu nehmen, die nächste große Station ans der Bahnlinie nach Pietermaritzburg-Durban, gestern, also nack dreitägigen Kämpfen, bei denen cS heiß bergegangen ist undWhite wieder einen großen Verlust auOffi- cieren und Mannschaften zu verzeichnen hatte, ist ibnen der Ort in die Hände gefallen. Die Thatsache ist auS folgendem, schon in einem Tbeil der Auslage unseres heutigen MorgenblatteS mitgetheilten Sammeltelegramm enthalten: * Paris, 2 November. Tie „Agcnce HavaS" meldet ans Kapstadt: Die Nachrichten von den Siegen der Boeren bei Ladysmith haben hier große Anfregung hervorgerufen. Tic Afrikander verhehlen ihre Freude nicht. Ter Gouverneur Milner ist über ihre Haltung bennrnhigt. An den Kümpfen verlor General Wbite etwa 3500 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen. Ein zweiter Sieg wnrde durch die Freistaat-Boercn errungen unter dem Befehl des Generals Lucas Meyer, welcher sich Colensos bemächtigte und so dem General White de» Rückzug abgeschiiitteu bat. White soll wcrwuudct sein. Tie lkiu- schließung von Ladysmith ist eine voll ständige, Sie Boeren sind Herren der Eisen bahn nach Pietermaritzburg nud Turban. — Nachrichten vom westlichen Kriegsschauplätze melde», vas; Mascking eug eingeschlossen ist uns Vas; Sic Boeren siegreich alle Anssälle ans Mafeking, dessen Uebergabe sie erwarte», zurückschlugc n. Ferner wird bestätigt, das; die Freistaat-Bocren sich ColeS- bcrgS bemächtigte». Amtlich wird gemeldet: * London, 2. November, 11 Uhr 30Miu. Abends: Eine Trahtuachricht des Gouverneurs von Natal meldet, daß die Verbindung mit Ladysmith seit heute Nach mittag 2 Uhr 30Miu. abgeschnitten ist. Tas Kricgs- itttttistcriiim betrachiel Vies jedoch nicht als eine Be stätigung der ans Brüssel (Parisi) kommenden Nachricht, das; Ladysmith von denBoeren völlig eingeschlossen und Eo teil so genommen sei. D. h., das Kriegsministerium hält eS nicht für angezeigt, mit dieser Bestätigung herauszurücken. Sie würde auch in London als ein neuer schwerer Schlag empfunden werden und dem sehr erheblich abgeflauten Kriegsenthusiasmus noch vollend» den Arhem benehmen. So lauge die Bahnverbindung mit Durban noch intact war, konnte Ladysmith noch auf Entsatz hoffen, konnte man noch daran denken, mit den von England erwarteten Verstärkungen die Boeren wieder aus Natal berauszudräugcu und den Krieg in ihre eigenen Grenzen bineinzutragen. Das ist nun vorbei; denn, wie wir schon einmal betonten, der Weg von Durban durch Natal nach Volksrust ist weit, und die englischen Brigaden, die, gebunden an den mit Ochsengeschirren beförderten Train, ihn zurück legen müssen, werden nur äußerst langsam vorwärts kommen, dabei fortwährend von den die umliegenden Anhöhen be herrschenden Bocren beunruhigt und nach und nach decimirt. Das kann der Todesweg werden, auf dem die Engländer sich verbluten. „Alles steht gut", telegraphirte Wbite noch gestern Morgen, oder man ließ ihn in London wenigstens so tele- grapbiren — einige Stunden darauf war die Mausefalle zugeklappt, in der er sitzt. Es ist ikm nicht möglich ge wesen, durch Ausfall-Operationen sich Luft zu schaffen, oder sich nach Süden durchzuschlagen — seine Kraft ist gebrochen. Die Kritik, die an der Taktik dieses MustcrgeueralS jetzt in Londoner Fachkreisen offen geübt wird, läßt auch kein gutes Haar mehr an ihm. Sein abso luter Mangel an Vorsicht, selbst der allergewöhnlikbstrn, sagt man, habe die herben Verluste herbeigesllhrt. Man hebt hervor, daß es augenscheinlich an einem regelmäßigen Auf klärungsdienste im Gelände um Ladysmith fehlte, daS als Waffen platz doch seil längerer Zeit vorbereitet worden sei und wenigsten» in einem Umkreise von 10 Meilen (16 km) einem Tbeile der Truppen, wenn nicht allen, bekannt sein sollte wie die eigene Tasche. Man vermißt bei Nachtmärschen die einfachsten militärischen Marschsicherungen, Vorhut und Seitenpatrouillen, sowie Meldereiter zur Verbindung mit Ladysmith, und wundert sich, daß nicht« geschah, um nach dem Verlust der Reservemunition durch Nachschub Hilfe zu erlangen. Aehnlich spricht auch ein Tbeil der TageSpresse sich auS, und ihr Urthei wird ein vernichtendes werden, wenn eS sich bewahrheitet, daß die Boeren bereits nicht bloS gegen Pietermaritzburj und Durban marschiren, um die dortigen Höhen zu be setzen und die Landung englischer Truppen zu hindern, sondern auch Pomeroy, 50 Meilen von Greytown, ge nommen haben. Auf die Straße üb»r Gr«yt»wn sinh nämlich die Engländer angewiesen, wenn sie ynter notyge- drungenem Verzicht auf den Schienenweg von Durban nach dem Norden Natals vorwärts wollen. Zu allem Unglück kommt noch, daß die Engländer in der Nervosität, in die sie sich hineingestegt haben, nicht mehr recht zu unterscheiden wissen, wer Freund, wer Feind ist. So berichtet man unS: * Lissabon, 2. November. (Ageneo Hava-.) I» der Delagoa- Bot schoß »in englische» Kriegsschiff aus ein Segelschiff, da- in den Hafen eingesabren war, ohne die Flagge zu zeigen. ES stellte sich heraus, haß da» Segelschiff ein englisches war. Man erinnert sich, daß die Engländer schon bei den letzten Kämpfen auf Samoa unter ihre eigenen Leute schossen und eine Anzahl von ihnen tödteten. — In dem oben mitgetheilten Pariser Telegramm wird gemeldet, daß die Afrikander am Cap ihre Freude über die Niederlage dkS General» White nicht verhehlen und auS Amsterdam kommt heute die Nachricht, daß man dort die Erhebung d-- gesammten holländischen Elements in Capland und Natal für bevorstehend kalte. Darauf deuten allerdings verschiedene Anzeichen. Auch die folgende Meldung eröffnet nach dieser Richtung für die Engländer ernste Perspectiven: * London, 2. November. Die zweite Ausgabe der „Times" meldet au« de Aar vom 1. d. M: Ein in Hopetown (am Oranje- luß, an der Südwestecke des Oranje-Freistaates) angekommener Flüchtling berichtet, daß 6000 Boeren Kimberley umzingeln, aus allen Wegen patrouilliren und alle Verbindungen, die jetzt schon schwierig sind, unmöglich machen. Derselbe Mann ist der Ansicht, daß mehr als die Hälfte der Holländer in Betschuana- und Griqualand sich infolge der Proklamation der Einverleibung dieser Provinzen den Boeren anschließen werde. Dazu kommt noch, abgesehen von den günstigen Mel dungen über die Lage vor Mafeking, daß die Oranje-Boeren an der Nordgrenze der Capcoloaie bei Bethulir an der über den Oranjcfluß führenden Brücke in großer An zahl Posto gefaßt und C o l eSberg gen om men haben. Bei Bethulie erreicht die englische Einfallsbahn East Lonvon- Blvemfontein-Pretoria, nördlich von Cvlenso die Linie Port Elisabeth- resp. Prince Alfred-Bloemfontein-Pretoria di« Südgrenze des Oranjestaatcs. Auf diesen beiden Strecken hofft Oberstcommandirender Buller einen Theil des demnächst vou London ankommenden Armeecorpö in das Herz der Republiken zu befördern. Also auch hier sino die Boeren auf der Wacht und sie habe» immer noch Zeit, ebenso wie bei Kimberley und Mafeking, bei Bethulie und ColeSberg mit Telegraph und Eisenbahn tabula ins» zu machen. — Zur weiteren Orientirung möge» noch folgende Nach richten dienen: * Loudon,3.November.(Telegramm.) DasKriegSministerium giebt bekannt, daß in der Schlacht bei Ladysmith am Montag 6 Osficiere und ö4 Mann getödtct, 9 Ossicieie und 231 Mann ver wundet worden sind. Mach anderen Berichten — man vergleiche die Meldung au» Paris und die folgende — beziffert sich der Gc- sammtverlust viel höher. D. Red) * Loudon, 3. November. (Telegramm.) Wie „Daily News" aus Ladysmith unter dem 31.October berichten, hatte die Abtheilung, die capituliren mußte, zuvor einen Verlust von nahezu 200 Mann. Der Boecengenrral Kock, der bei Glencoe schwer verwundet worden war, ist am 30. v. M. im Lazareth in Ladysmith gestorben. Die Verluste der Boeren Inder Schlacht bei Ladysmith betragen ihren eigenen Angaben nach 73 Todt» und 200 Verwundete. Auch einige Hundert Pferde sind gelobtet worden. * Brüssel, 2. November. Die hiesige Gesandtschaft von Transvaal veranstaltet am Sonntag aus Anlaß deS Sieges von Ladysmith einen Dank- und Bitt-Gottesdienst in der hiesigen rcsor- mieten Kirche. * Sheffield, 3. November. (Telrgr.) Der Kriegsminister Marquis of LanSdowne hielt hier gestern Abend eine Rede, in der er sagte, er bofse, daß die defensive Phase deS gegenwärtigen Kriege» sich ihrem Abschlüsse nähere. Mit Bezug auf die Angriffe gegen die angebliche ungenügende Bereitschaft der Regierung betonte der Minister die Unmöglichkeit, daß die mili tärischen Vorbereitungen mit der Diplomatie gleichen Schritt hielten. (Die Schuld trifft Chamberlain. D. Red.) * Pest, 2. November. Mehrere» Osficiere», die zum Zwecke der Abreise nach Transvaal »inen mehrmonatigen Urlaub verlangt«», wurde dieser, als der Zweck der Reise bekannt wurde, nicht gestattet. Weitere Mittheilungen fiuden sich unter „Afrika". Deutsches Reich. -2- Berlin, 2. November. Vom kaiserlichen statisti schen Amt ist ein zweiter statistischer Theil der ReichStagSwablen von 1898 erschienen, in welchem zu nächst daß Ergcbniß derselben nach Größenclafsea der Orte iy den -iyzesy-y Wahlkreisen und in den Staaten und Landes- »heilen mit gewohnter Uebersichtlichkeit zusammeilgestellt ist. Ein weiterer Abschnitt behandelt die Ergebnisse in den Groß städten, der interessante Vergleiche über die Wablbetbeiligunß und daS Stärkeverbältniß d«p einzelnen Parteien gestattet. Die Socialdemokratie erreicht die höchste Stimmenzabl in Berlin mit 156 989 Stimmen von 4ül 116 Wahlberech tigten; dann folgt Hamburg mit 78 182 Stimmen von 169 965 Wahlberechtigten; sodann Leipzig (Stadt uud Land) mit 37 593 Stimmen und Dresden mit 30324 Stimmen. E» folgen München mit 28 444 Stimmen, BreSlau mit 27 897, Frankfurt y. M. mit 20 040 upd Magdeburg mit 20 125 Stimmen. Die nationalliberale Partei vereinigte die höchste Stimmenzahl in Leipzig (Stadt und Land) mit 21621 Stimmen; eS folgen Hamburg mit 20 509 Stimmen, Magdeburg mit 10 683, Stuttgart mit 10 879 Stimmen u. a. Die freisinnige VolkSpartei brachte eß in Berlin auf 55 526 Stimmen, in Frankfurt a. M. auf 12 452 Stimm»», in Hamburg auf 11216 Stimmen, in BreSlau auf 9438 Stimmen rc. Die deutsch-konser vative Partei erhielt in Berlin 13 881 Stimmen, in Dresden 13 292 Stimmen »c, und di» Antis»miten zählten in Berlin 29913 Stimmen, in Dresden 12 280 Stunmen, in Hamburg 8488 Stimmen, in Leipzig (Stadt und Land) 7510 Stimmen :c. Die stärkst« Wahlbeteiligung batte Bremen aufzuweisen, woselbst von 32 816 Wahlberechtigten 29 835 ---- 9 l,8 Proc. ihr Wahlrecht ausübten. E« folgen Dortmund mit einer Wahlbeteiligung von 85,1 Proc., Halle a. S. mit 84,1 Proc., Barmen mit 83,0 Proc., Magdeburg mit 82,2 Proc., Elberfeld mit 80,8 Proc. rc. Dort, wo die Socialdemokratie am stärksten sitzt, ist die Wahlbeteiligung naturgemäß am größten, auch bei den bürgerlichen Parteien. Die in der Vielheit bürgerlicher Caudidaten bervorlretend« Zersplitterung der bürgerliche» Wahlkräste begünstigt von vornherein die Socialemokratie. Hier Wandel zu schaffe», wäre ei» Gebot der Selbsterhaltung und Klugheit. Bis jetzt aber bat allein Dresden in der Richtung gemeinsamen Schlagen» gegen die Socialdemokratie vorbereitende Schritte gethan, die die Aussichten der bürger lichen Parteien erheblich zu verbessern geeignet sind. Da» sollte» sich andere Städte zum Muster nehmen. * Berlin, 2. November. Zur Flottenfrage batte der Abg- Prof. Hänel auf dem deutsch-freisinnigen Parteitag in Neumunster gesagt, daß von dem heutigen Tage an der Wettkampf der Großmächte in der Vermehrung ihrer Flotten wieder aus» Neue beginnen werde. Dazu bemerkt nun die „Berk. Corresp.": „Der Wettkampf braucht nicht erst zu beginne», sondern ist bereits in vollem Gange. Der Grund hierfür liegt nicht in einer etwaigen Flotteuverstärkung de» deutschen Reichs, sondern auf ganz andere» Gebieten. Für u»S handelt e» sich lediglich darum, ob wir diesen Wettlauf mitmachen können oder uns mit der Rolle bescheiden müssen, di« eine Großmacht ohne genügende Flotte im nächsten Jahrhundert spiele» wird. Man vergißt immer wieder, welche Zeit erforderlich ist, um eine „starke Flotte" zu schassen. Ein modernes Linienschiff erfordert drei bis vier Jahre Bauzeit; ein weiteres Jahr vergeht in vielen Fällen, biS die technischen Kinderkrankheiten überwunden sind. Erst nach vier bi- fünf Jahre» bildet daher ein Linienschiff ein« zuverlässige Verstärkung der Schlachtflotte." Weiterhin schreibt daS ministerielle Organ: „In der ReichStagSsitzung vom 24. März 1898 äußerte der Abgeordnete Richter: „Es wurde in der Commiffion festgeftellt, daß nach der Auffassung in Marinckrcisen überall für eine Angriffs flotte das 1'/» bis l'/isache deS Bestandes der BerthridigungS- flotte bereit sein muß, um bei gleichwerthigen Flotten den Vortheil auSzuglcichen, der dadurch entsteht, daß die Berthe!- digungsflolten die eigenen Küste» als Stützpunkt im Rücken haben." " Da Deutschland nach dem Flottengesetz 17 Panzerschiffe in der Front haben soll, sind mithin 26 Panzerschiffe zu einem Offensivstoß gegen die deutschen Küsten erforderlich. Bereits im Jahre 1899 besitzen die übrigen Großmächte an fertigen oder im Bau befindlichen Schiffen: England ... 69 Linienschiffe, Frankreich ... 39 - Rußland ... 24 » Amerika ... 17 » * Berlin, 3. November. Eine Reihe von Neuerun gen im Postwesen sind, wie schon angedeutet, als Er- gebniß der diesjährigen Postconfereuzen zu erwarten. Die wichtigsten von ihnen sind die folgenden: Briefabbo- lungsfächer oder letter-boxes sollen überall da eingerichtet werden, wo ein Bedürfuiß vorliegt, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem flachen Lande. Nicht bloß frankirte Sendungen gewöhnlicher Art sollen in die Fächer gelegt werden, sondern auch unfrankirte Sendungen, Packetadressen, AblieferungSsckeine zu Einschreib- und Werth sendungen sowie Postanweisungen. Eilbriefe an Empfänger im OrtS- und Landbestellbezirk deS Ausgabe-PostortS sollen allgemein zugelassen werden. Die Hälfte der in Deutschland bestehenden Privatposten befaßt sich schon jetzt d-mif. An Gebühren sollen im Orts 25 ^s, nach dem Land- di, wirk- licken Auslagen erhoben werden. Bahnpostbrief, soll»» un mittelbar nach Ankunft der Züge auf dem Bahnsteig durch da bei der Uebergabe thätige Personal der Ortspostanstalt aulge geben werden können. Die ZeitungSbezugSgelde, sollen von den Beziehern am Orte vor Beginn der BezugSfristen durch di« Briefträger eingczogen werden. Die Zeitungen sollen so lange geliefert werden, bis eine Abbestellung vorlieg». Der Aufgabeort der Telegramme soll auf hem gefalteten Telegramm von außen zu erkennest seist. Der Nachtdienst im Fernsprechwesen soll nach und nach auf andere große Städte außer Berlin ausgedehnt werden. In Erfurt besteht übrigen» der Nacktdienst bereit« seit fünf Jahren phn^grak*" Zu spruch zu finden. Wenn der Nachtdienst in anderen Städten ein geführt ist, soll er auch ans die Fernleitungen ausgedehnt werden. Die Bestimmungen der Postordnung über Postkarten sollen eine freiere Fassung erhalten, so daß auch Ansichtskarten mit Prägung, mit allfgeklebte» Photographien, mit auf geklebten Medaillons rc. zur Beförderung zugelassen werden können. Mehr den inneren Dienst betreffen folgende Neue rungen. Die Beklebung der Packele mit Bezirf-loitzetttlu, d. h. dem Namen der Ober-Postdirection, in denn Be zirk der Bestimmungsort liegt, soll beschränkt werden. Die Packele sollen bei der Uebergabe auf der Bahn nickt mehr gezählt werden, wie dies im Bereich des Babnpostamte« l9 schon seit Jahresfrist geschieht. Die jugend lichen Telegrammbesteller sollen Hchntzkragen oder Ponchos zunächst versuchsweise im Winter erhalten. Mit de, Wahr nehmung deS unmittelbaren Aussichtsdienstes im Fernsprech betrieb durch weibliche Beamte wurden so gute Erfahrungen gemacht, daß damit weiter vorgcgangen werden soll. Die Ausbildung der Beamten im Bau von Telegraphenleitungen soll umfassender werden. Alleinstehende Postverwalter sollen sich an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen auch im Tele graphendienst durch Unterbeamte vertreten lassen können rc. — Vor der heutigen BundeSrathSversammluug beriethen die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Elsaß-Lothringen sowie der Ausschuß für Iustizwese». — Prinz Albreckt und die Mitglieder der nach Madrid bestimmten Deputation sind Abend« IN/« Uhr abgereist. — Der Chef de» CivilcabinetS hatte heute Mittag mit dem Staatssekretär d«S Reichsmarineamts eine längere Unterredung. — Ueber die heutige Bunde-rath-sitzung weiß der „Berl. Loc.-Anz." noch folgende Mittheilung zu macken, die in dem ossiciösen Berichte nicht erwähnt ist: „Der BundeS- rath nahm die Mittheilung des Staatssekretär- de» ReichS- marineamlS v. Tirpitz entgegen, daß eine neue Marine vorlage auSgearbeitet werde und dem BundeSratbe dem nächst zugehen solle. Der Staatssekretär entwickelte dann die Grundzüge der Vorlage an dcr Hand des bekannten Marine programms, das vor einigen Tagen veröffentlicht worden ist; er faßte sich vielleicht noch kürzer als der Verfasser deS Pro gramms. Ein Meinungsaustausch sand nicht statt, der Vortrag war auch nicht bestimmt, einen solchen Hervor zurufen , er entsprach im Wesentlichen einer Formalität. Die Vorlage wird NamcnS deS Reichskanzler- an den Buiidesralh gelange», dem Reichstage wirb sie schwerlich vor Mitte Januar zugeben. Der Staats sekretär deS Auswärtigen Amts, Graf v. Bülow, wohnte der gestrigen Sitzung des BundeSratheS nicht bei." Diese Nach richt gewinnt an Bedeutung durch die Tbatsache, daß der Vorgang unter Berufung auf den „Loc.-Anz." als Quelle von dem ossiciösen Depcscken-Bureau nachträglich verbreitet wird. Wäre eS nicht angebracht gewesen, von diesem wichtigsten Gegenstände der BundeSratbsberathung zugleich mit den mitgetheilten Bagatellen Notiz zu nehmen? — Zu den Verbaudluiigen deS Herrn Beit, de« VertraucnsmannS Cecil Rhodes, mit der Colonial- abt Heilung erfährt daS „B. T." Folgendes: Als der deutsch-englische Telegraphenvertrag für Afrika nach den Verhandlungen mit Cecil Nbodcs abgeschlossen war, wurde die Frage des Inkrafttretens dieses Vertrage-, die an verschiedene Bedingungen geknüpft war, offen gelassen. E- scheint nun, daß die gegenwärtigen Verhand lungen den Zweck verfolgen, eine Einigung Uber den Zeitpunkt deS Inkrafttreten« berbeizuführen. Es kann jedoch auch die Vcrmuthung nicht von der Hand ge wiesen werden, daß die Verhandlungen auch die Eisenbahn frage in Afrika berühren. Es muß jedoch, um Mißver ständnissen vorzubeugen, betont werden, daß hierbei nicht die Bahn Capstadt-Kairo und auch nicht die ostafrikanische Centralbahn in Betracht kommen, sondern daß e« sich höchsten« um ein anderes der in Frage stehenden afrika nischen Eisenbahnprojecte handeln könnte. — AuS Anlaß der Versetzung des Regierungspräsidenten v. Oertzen von Sigmaringen nach Lüneburg wird der „Germ." auS den hohenzollernschen Landen geschrieben: Herr v. Oertzen ist ausgesprochener Protestant; jedoch ist eine speciflsch katholikenfeindliche Handlung gegen die katholischen Hohen- zollrrn nie bekannt geworden. Daß die Mehrheit unsere- Volke» Kinder, von deren Eltern man nichts weiß, nichts erfährt. Doch es wird nicht leicht sein, die Summe flott zu machen. Ich werde mit dem Rechtsanwalt sprechen. Irgend ein Auftrag von dort — er hat Einiges von Dir gelesen und eine gute Meinung von Deinem Talent. Doch einige Zeit noch mußt Du in der Stadt bleiben, man darf auch nicht den geringsten Zusammenhang zwischen Deiner Abreise nach dem Westen unk irgend einem Vor gang hier im Lande vermuthen." „Du hast Recht, Vater! Ich kehre sogleich nach der Stadt zurück, man weiß ja, daß ich hier nur kurze Zeit zum Besuch bin. Mir brennt der Boden hier unter den Füßen; o, mein Gott, wir «Nglücklich bin ich!" „Das sind wir Beide. . . Beide!" Und Vater Blomer, der bisher in ruhiger, sachlicher Er wägung gesprochen, wurde auf einmal wie von einem Wirbelwind der Leidenschaft ergriffen. „Wie er mich ansah, mich verlockte mit den SatanSaugen in dem bleichen, hohlen Gesicht. O, ein Augenblick genügt, um auS einem Ehrenmann einen Schurken zu machen. Tickt nur, ihr Uhren, schlagt und raffelt nur auS eurem Gehäuse hervor, lärmt uns ins Ohr die nie rastenden Gewissensbisse! Um euretwillen nahm ich das Geld, ihr Uhren! Euch aufzuziehen, die Zeiger zu schieben, zu stellen, di« Federn und daS Räderwerk zu repa- riren — meine süßeste Muße, wenn der Donner der Orgel mich betäubt hat! Ja, ich schuf die Zeit, — so kam mir'S vor — die Zett, dies nichtssagende Maß deS Erdenlebens, daS wie auf einem Hackbrett in Secunven und Minuten, Stunden, Tage und Jahre zerhämmert wird. Wo aber die Zeit aufhört, da ist das Reich des Ewigen. Tickt, schlagt, läutet und dreht euch, ihr gebrech lichen Messer des Vergänglichen und Vergehenden, rücke und rühre dich, du großer Zeiger der Weltenuhr — wer blickt in ihr innerstes Räderwerk? ES stockt, es steht still — nein, nein, die Welt geht ihren Gang; still steht nur das Herz, aber dar Gewissen niemals — niemals! Das regt sich noch, wenn regung-los daS znsammengebrochem irdische Gehäuse ist, das lebt fort im Seslen- leib und darüber hinaus im gestaltlosesten Aether! Doch da macht mich wirr, hört auf mit eurem unerträglichen Geschwätz, ihr tickenden, schlagenden Uhren! Ich verwünsche den Uhrschlüffel, der euch aufgezogen, daß ihr nur Leben heuchelt, ihr Lügen von Holz und Metall, und daß ihr die« Gespenst schuft, di« Zeit, die dann in unseren Köpfen spult, statt daß wir da- zeitlos» Ewige verehren! Fort mit dem Uhrschlüssel ins tiefste Wasser, nicht rege sich, Alle« sei still und todt, und auch da» arm« Leben, diese von unsichtbaren Händen aufgezogen« Uhr,möge still« stehen!" kr warf Uh in den Lehnstuhl und stützte den Kopf in di« Hand — ängstlich beobachtete der Sohn das aufgeregte Wesen des Vaters; er war gewöhnt an solche wirren Ergüsse, in denen eine losgebundene Phantasie das Ungehörigste zusammenhäufte, aber so leidenschaftlich und verstört war er ihm noch nie vorgekommen. Und dazu der eigene, nagende Schmerz, die stille Ver zweiflung, di« von dem blinden Zufall über ihn verhängte Ver antwortung! Er mußte sich fassen, sich sammeln, er eilte auf sein Zimmer hinauf, warf sich, die Hände ringend, aufs Sopha und versank dann in dumpfe, bleierne Ruhe, in jene Rübe der Ge dankenlosigkeit, welche eine Erlösung ist für die müde gehetzte Seele. Vierte» Capitel. Kain — Kain! So tönt« «S dem jungen Lehrer inS Ohr, als «r im Coups de» Bahnzugei saß; aus all' dein Dröhnen, Rasseln, Klappern, womit sich die Waggonschlange durch die Ebene wand, hörte er da« schreckliche Wort heraus. Und nirgend- konnte sein Blick haften, nicht an den im stillen Frieden gebetteten Dörfern, nicht an den Waldwegen in den entlaubten Gehölzen, ohne daß sich das Bild dazwischen drängte, das immer von Neuem aus den Tiefen seiner Seele aufsticg und ihn mit Schaudern erfüllte — das Bild deS bleichen, blutbefleckten ManneS, der da auf dem Grenzrain lag, starr, athemlos. ein zertrümmertes Loben. Und er — der Schuldige, er, der Mörder! Nein, nein, «r war es nicht, es war ein« That der Nothwehr gewesen und ein unglücklicher Zufall war dazu gekommen. Und doch — warum diese fieberische Unruhe, di« ihn quälte, warum diese Gewissensbisse, wenn daS Gewissen kein Recht hatte, mitzu sprechen, ihn anzuklayen, ihn zu -verdammen? Giebt eS eine Schuld, an der wir unschuldig sind mit unserem Will«», aber dir doch unsere That un« aufbürdet? Heimtückisches Sc^ickfal, da saß er wieder auf den Banken deS Seminars und hört« die alt« Fabel von OedipuS, denn Vatermörder wider Willen, der nur die That gewollt, ahnungslos, ein ungewollt Schreckliches, da» Opfer, das sie traf, über ihn verhängt«. Fort mußt« er, fort von dieser heimathlichen Erd«, die er mit Bruderblut befleckt! Doch ehe «r schied, mußte «r vor Allem Klarheit gewinnen! Wie kam der Baron dazu, ihn in so schmäh licher Weis« zu beleidigen? ES war zweisello«, daß die» mit Valetta zusammenhing — da» glaubt« er au« einigen An deutungen Kreu-maier'« schließen zu müssen. Doch sie selbst mußt« ihm völlige Klavheit gebe». Sr sah in ihr noch immer «int der schönst«» Weiber, die ihm begegnet, daß schönste von Alle», die ihre Kunst ihm schenken wollten; aher dieser Ater» hatte auf einmal einen blutrothen Schimmer gewonnen; eS regt« sich in ihm etwas wie Haß gegen diese verführerische Sirene — sie war dic Schuldige, sie mußte es sein! O, wie sehnte er sich danach, die schwere Last von sich abzuschütteln, mindestens mit einem Mitschuldigen zu dHeilen. Und eine so entzückende Mit schuldige — ja, neben dem Haß stand wieder ein leidenschaftliches Begehren. Und Alice? Wie sanft, wie mild, wie tröstlich! Ein stiller Stern, von dem der Frieden der Seele auSstrahlte. Mit offenen Armen würde sie den Tannhäuser empfangen, der auS dem Venu-berge zurückkehrte. Doch er scheute sich, vor sie hinzu treten mit dem verschwiegenen Gcheimniß einer Blutschuld, — und was wurde auS ihr, wenn er in dir Ferne zog? So von un-laren, widerstreitenden Gefühle» bewegt, hätte «r den Bahnzug beflügeln mögen, der seiner Ungeduld sich viel zu langsam bewegte. Kaum war der Zug im Bahnhof der Stadt angelommen, al» Timotheus sofort aut dem LoupS sprang und durch die Villenvorstadt sich zu Valetta'» Billa begab. Auf der Trepp« zum Terraffenvorbäu begignete ihm Kreuzmaier, welcher zu einem späten Abendpunsch mit literarischen College» ging und deshalb sich bei ValeSka schon verabschiedet hatte. „Ich danke für die «ingeschickten Dorfgeschichten. Die Stoffe sind nicht übel erfunden, doch die Behandlung nicht derb, nicht holz schnittartig genug. Man muß den Dorfmist besser riechen. Sie sind ja doch vom Dorf« und mit solchen Gerüchen ausgewachsen. Was muß man bei Zola nicht Alle» aufriechen! Lauter Lebens- wahrheit! Sie sind nicht modern genug, und da« wollen unsere Leser jetzt! Ockeurs 6s karis — wie der geistreich« Jesuit sagte. Ich selber bin kein Freund des Gestankes und nchme die lite rarische »»sä kootick» nur ungern zu mir. Doch wa» wollen Sie, man muß mit der Zeit mitgehen. Sonst wird man für eine Mumie erklärt — und das ist die dümmste Rolle, die man kin 6s »i-sls speelrn kann. Und wenn man persönlich auch den Muth dazu hätte — eine Zeitung darf man nicht mit in diesen Sündenfall verwickeln." „Go ldhn«n Sie mein« Dorfgeschichte ab?" „So grausam Inn ich nicht; ich werde nur einige Kleckse dazu machen; solch ein Klecks an richtiger Stille entscheidet ost den Erfolg. Doch ich habe Ekle, junger Freund! Sie finden heut« da oben eine etwa» gidrllckt« Stimmung;«» find Nachrichten aus Dolhynien eingetroffen. Di« junge Dame wird bald wieder in die Wildniß abgeholt Verden — für «in« Salonschlangr lein angenehm«» Milieu." Uckd Kreuzmaier drückte dem talentvollen Mitarbeit«» die Hand und rille zum Garten hinaus. Dieser schritt naAdnoklich die Stufen hinauf, er mußte um jeden Preis Valeska allein sprechen. Es war nicht mehr Mite, die ihm die Thür des VorflurS öffnete; seitdem sie die wichtige Rolle einer Zeugin in dem Proceß gegen ihre Herrin übernommen, hatt« sie sich selbstständig gemacht und empfing ihren Francois in ihren eigenen Salons. Die alt« Wirthschafterin oder Kammerfrau, die dem Lehrer die Thür öffnete, war nur auf Zeit engagirt. Alles sah nach Ab bruch aus — sollt« in txr That dieser Salon, das Heim der Geistreich«» in der geistlosen Stadt, vom Erdboden verschwinden? Noch war die klein« Gemeinde wi« immer versammelt; man trank Champagner und knackte Mandeln. Doch kein fröhliche» Ge lächter schallte dem Eintrrtenden entgegen. Das Gespräch schien gerade zu stocke». „O, Herr Blomer", rief Valeska und ging ihm entgegen, „Sie haben sich lange nicht sehen lassen! Sie waren verreist?" „Ich habe mich nur einig« Zeit in m«inem HeimathSdorf« bei meinem allen Vater aufgehalten!" „Sie sind glücklich daran", sagte Letory, „Sie haben noch ein freundliches Heim, wo sie mit allem Behagen verweilen können! Die arme Alice — sie stammt ja wohl aus demselben Dorfe — hat e» nicht so gut. Gestirn las ich in der Zeitung, daß ihr Vater zum Zuchthaus verurtheilt worden ist. Deshalb braucht ja die Tochter keine silbernen Löffel zu stehlen; aber etwa» davon bleibt an ihr hängen, gerade beim Theater!" Timotheus schrak zusammen; er dacht« de» rigen«n DaterS, er dachte an das arme, verlassene Mädchen, — wie ein schwarzer Flor legte es sich ihm vor's Auge; wohin er blickte, Trauer und Elend. Valesla sah auf ihn mit Anthcil; er war ihr nicht gleich- glitig; er war noch immer der Held einer Herzensidylle, die sie nicht zu Ende geträumt; sie blickte auf ihn, wi« der Feldherr auf «ine belagert« Stadt, die in Flammen steht, aber noch nicht capitulirt hat. „Die Londluft ist Ihnen nicht sonderlich bekommen, sie war kein Stärkungsmittel sür Ihn Nerven; Sie sehen blaß und ab gespannt aus. Wir sind All« Sclaven der Gewohnheit; die kräftig« Landluft greift uns an, wenn wir lang« in der milden Stadtiuft gelebt haben. Sie haben ia unseren Salons das Talent für die Idylle verloren." (Fortsetzung folgt.)
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