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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991125014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-25
- Monat1899-11
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M. Sonnabend den 25. November 1899. 93. Jahrgang- Bezugs-Preis drr Hauptexpedition oder den im Stadt- >«irk und den Vororten errichteten Au-» aavestellen »bgrhott: vierteljährlich^4.S0, »ei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus .« 5.50. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Lesierreich: viertryädrtich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsenoung ins Ausland: monatlich 7.50. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ue-aclion und Er-edition: IohanniSgafle 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Gtt» klemm'« Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LontS Lösche, Kalharinenstr. 14, part. und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. WpMr TaMatt Anzeiger. Amts Klatt des Höttigrichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AnzeigenPreis die 6 gespaltene Petitzeil« »0 Pfg. Rrclamrn unter demRedaction-strich (4g» svalten- 50/L, vor den Familieanachricht«» (llgespalten) 40^. Gröber« Echristrn laut unserem Preis- berzeichniß. Tabellarisch«» «atz Zssfe-nsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nut mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbef-tderun, SO—, mit Postbesbrdrrnng 70.—. ^nnahmeschlnß str Atyrizen: Abend-Ausgab«: Vormittag- 1v Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- - Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein halb« Stund« frutzrr. Anzeigen sind stet» an die Gxtz«tzttlan za richte«. . Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig Port Arthur, Talienwan und Dalni. V. 8. Seit dem ersten Erscheinen Rußlands in Asien bis zur Gegenwart haben seine kriegerischen und diplomatischen Actionen einen ausschließlich politischen Charakter getragen. Alles, was dom Zaren unternommen wurde, verfolgte den Zweck, dir Grenzen seines Reiches zu erweitern und dessen Machtstellung nach außen zu befestigen. Das ist sowohl in den letzten Jahren, als auch jetzt geschehen, da das Vevhältniß zu China und die Beziehungen zu Persien die Eifersucht Englands wachgerufen haben und ihm Besorgniß für seine Besitzungen in Indien ein- flößen. In jüngster Zeit hat die russische Regierung ihrer bis herigen Politik eine neue Wendung gegeben. Sic beginnt sich auch auf dem wirthschaftlichen Gebiete zu bethätigen und will den Concurrenzlampf mit den anderen in Ostaflen betheiligten Mächten aufnehmen. Wie bekannt, hat der Zar einen UkaS er lassen, in dem er erklärt, daß der Hafen von Talienwan nach Beendigung der sibirischen Eisenbahn ein Freihafen werden und gleichzeitig mit einer Stadt versehen werden soll, die den Namen „Dalni" (die Weite) führen wird. Mit diesem Erlaß hat Ruß land den rein politischen Boden verlassen und ist offciell in die Reihe der Staaten getreten, die im Orient Handels- und Jn- dustriezwecke verfolgen. AlsEnvpunct der großen sibirischen Bahn hatte man bekanntlich vor längerer Zeit Talienwan bestimmt. Talinvvan sollte der Vorort werden, von dem aus daS Zarenreich mit den Handels- centren des Orients in Verbindung trat. Um daS in die Wege zu leiten, war im Juni deS vorigen Jahres der Ostchinesischen Eisen- bahngesellschast, die den Bahnbau innerhalb der Grenzen Chinas auszuführen hat, aufgetragen worden, Talienwan zu einem Handelshafen einzurichten. In Petersburg erschien es um so wichtiger, einen geeigneten Punct am Gelben Meere für seine Handelsinteresten zu besitzen, als die Japaner Anstrengungen machten, den ganzen Schiffsverkehr in jenen Gegenden in die Hand zu bekommen. Die zweckentsprechende Herrichtung deS HafenS allein aber genügte noch nicht. Es wurde deshalb eine russische Dampfschifffahrtsgesellschaft ins Leben gerufen, die unter der Aufsicht der „ostchinesischen" Bahnverwaltung einen regelmäßigen Verkehr zwischen Rußland und Ostafien Herstellen und die Japaner allmählich verdrängen sollte. Diese russischen Schiffe hatten außerdem die weitere Aufgabe, der mandschurischen Bahn Arbeiter und Material zuzuführen und dadurch an der Vollendung dieser Strecke mitzuwirken. Bei der Gründung dieser Dampfschifffahrtsgesellschaft ist die russische Regierung nicht stehen geblieben. In Wladiwostok wird bekanntlich noch im Laufe dieses Herbstes ein „orientalisches In stitut" seine Pforten öffnen. Diese Anstalt verfolgt den Zweck, ihre Zöglinge für Ostasien heranzubilden. Man wird dort die Sprachen der umwohnenden Völker, sowie ihre staatsrechtlichen, kulturellen und wirthschaftlichen Verhältnisse lehren; China, Japan und Korea werden in erster Linie berücksichtigt, denn dort sollen die Zöglinge der Anstalt ihre Kenntnisse verwerthen. Das Institut wird eine gewisse Ähnlichkeit mit dem bereits in Moskau bestehenden besitzen, wenn auch dort vornehmlich Diplo maten erzogen werden, während in Wladiwostok vor Allem auf die kaufmännische Laufbahn Bedacht genommen wird. Aller-' dings will man in Asien deshalb nicht die politische Seite vernach lässigen. Nachdem jetzt die Freigabe Talienwans als Handels hafen beschlossene Sache ist und die Gründung der Stadt Dalni bald vor sich gehen wird, erkennt man erst recht die volle Be deutung der Wladiwostoker Anstalt für die weitreichenden Pläne des Zarenreiches. Die^Petersburger Presse hat den Erlaß des Zaren und nament lich die kommende Stadt Dalni mit großer Genugtuung be grüßt. Einige Blätter vergleichen bereits die künftige russische Gründung mit Chicago, welches gleichsam aus dem Nichts ein Mittelpunkt des Weltverkehre? geworden ist; sie setzen voraus, daß Dalni die weitestgehenden Erwartungen erfüllen und hinter Chicago nicht zurückbleiben wird. Es ist nicht zu leugnen, daß die Lage des Ortes, nicht weit vom Eingänge zum Golf von Petschili, allerdings zu großen Hoffnungen berechtigt. Talienwan besitzt ein tiefes Fahrwasser und ist so geräumig, daß es die größten Schiffe aufzunehmen vermag. Außerdem hat der Hafen den großen Vorzug, im Winter vom Eise nicht in Fesseln ge schlagen zu werden. Unter diesen Umständen und in Berück sichtigung seines Hinterlandes unterliegt es kaum einem Zweifel, daß Handel und Verkehr in Talienwan einen günstigen Auf schwung nehmen werden. Es bleibt nun aber doch noch sehr die Frage, ob der wirth- chaftliche Vortheil, selbst wenn sich die Erwartungen voll ver wirklichen, den Rusten zu Gute kommt, oder nicht schließlich gerade Denjenigen zufällt, die vom Gelben Meere und aus Ostchina ver drängt werden sollen, nämlich den Engländern. Di« Russen besitzen zu geringe Erfahrung und haben sich bisher auf allen Ge bieten von Handel und Industrie zu wenig bethätigt, als daß sie auf einmal den wirthschaftlichen Kampf mit den Briten bestehen könnten. Und beseitigen lassen sich die Letzteren nicht. Da Talienwan ein Freihafen wird, so werden die Engländer jeden- allS keine Gelegenheit versäumen, um sich an der Korea-Bai fest- zusehen und ihrem Handel nachzugehen. Die Vortheile für die Russen werden deshalb erst allmählich und in ferner Zukunft zu Tage treten. Aus diesem Grunde kann man nicht ohne Weiteres zugeben, daß es lediglich Verkehrs- und Handelsrllcksichten sind, welche die russische Regierung bewogen haben Talienwan zum Freihafen zu erklären und den Bau einer ganz neuen Stadt mit ungeheuren Kosten in Angriff zu nehmen. Nicht weit von diesem Platze liegt bekanntlich der wichtige Kriegshaben von Port Arthur, der den Eingang zum Golfe von Petschilli beherrscht und der russischen Flotte als stärkster Stützpunkt im fernen Osten dienen soll. Zur Entwickelung Port Arthurs aber ist es notwendig, daß das um liegende Gebiet wirthschaftlich blüht. Dasselbe soll nicht nur dem Namen nach Rußland gehören, sondern thatsächlich russisches Land werden, auf welches sich die Regierung in allen Fällen ver lassen kann. Erst dann werden die großen politischen Actionen, welche Rußland von Port Arthur aus unternehmen will oder kann, Erfolg versprechen, wenn die Kriegsmacht den nöthigen wirthschaftlichen Rückhalt durch Talienwan, Dalni und das dazu gehörige Gebiet erhält. Der jüngste Erlaß des Zaren ist deshalb aus ganz sachlichen Erwägungen der Realpolitik hervorgegangen und bedeutet eine neue Stärkung Rußlands im fernen Osten. Die wirthschaftlichen Rücksichten dienen nur dazu, die politische Stellung neu zu festigen und die Herrschaft des Zarenreiches über Asien zu fördern. Der Krieg in Südafrika. Die Nachrichten mehren sich, welche auf den nahen Fall von Mafeking bindeuten. Sobald die Boeren hier freie Hand bekommen, können sie sich entweder dem BelagerungS- corpS vor Kimberley ansckließrn oder dem General Methuen bei Belmont mit rntgegentrrten. Man meldet un-: * London, S4. November (Telegramm ) Da» „Neuter'sche Bureau" meldet vom IS. b.M ausMa-alaphe (7): Hier ist ein eingeborener Läufer ans Mafeking mit Nach richten vom 15. d. M. eingetroffen; danach war die Stimmung der Garnison gut; die Lage wurde jedoch täglich schwieriger, da die Boeren ihre Berschanzungen näher herangebracht hatten und die Engländer nnaus- härltch mit Geschütz» und Gewehrseuer über schütteten, Da die Garnison tu unter der Erde befindlichen Räumen untergebracht war, war derGesundhettdzuftan d ungünstig. Wie groß die Sorge der Engländer vor einem Abfal der Eapafrikander ist, spricht deutlich au- folgender Meldung: * Eapstadt, 23. November. („Reutrr'S Bureau.") Gouverneur Milnir hat au die Bevölkerung der Colonie eine Proklamation erlassen, in der er sagt, irreführend« Ausruf» von jtnseii- der Grenze suchten den Glauben zu «nvrckrn, al- wünsch« die Reich-regierung dir Holländer zu bedrücken, und e- werde überall verbreitet, daß da holländische Element seiner constitutionellen Rechte beraubt werden solle. Solche Anschuldigungen seien durchaus unwahr. Die Reichs regierung wünsch« die größte Freiheit etner Selbstregierung für Engländer und Holländer und halte unentwegt au dem Princip gleicher Freiheit für alle treuen Eolonisteu fest. Auch auf die Pariser Weltausstellung wirft der Boerenkrieg schon seine SchcMen. So wird berichtet: * London, 23. November. Heute früh theilt« „Daily Mail" in einer au- Pari- datirten Notiz mit, wenn di« Angriff« der französischen Presse auf England fortdaoerten, werd« der Prinz von Wales, anstatt au der Pariser Welt-Aus- stellung lebhaftes Interesse zu nehmen, nur thun, was die formalste Etikett« verlang«. L«r Prinz von Wal«» ist Präsident der englischen Commission für die Pariser Ausstellung. „Globe" ordert heute Nachmittag im ersten Leitartikel zu einem natio nalen Boykott Frankreich» aus. Namentlich hat rin Artikel der „Libre Parole" über daS Lhoeoladrngrschrnk der Königin an die Truppen hier Entrüstung erweckt. (Franks. Ztg.) Eine Büchse guten Fleisches, an Stelle de- verdorbenen, das ihnen geliefert wird, wäre den englischen Soldaten jeden- allS lieber als die Büchse Chocolade, die die Königin jedem Einzelnen schenken will. Frieden in Gicht 1 (Von unserem Special-Corresponventen.) X.-0. London, 22. November. ES klingt so überraschend und kommt so völlig unerwartet, daß es auf den ersten Blick wie eine Kaffernmär klingt und doch ist e- nicht so ganz unwahrscheinlich. Bon zwei ganz verschiedenen Seiten zu- zleick kommt die Nachricht, England suche dem Kriege ein Ende zu machen. Eine Eapstadt«Depesche au» durchaus unparteiischer und sachlicher Quelle, die ich bisher als gut unterrichtet und zuverlässig er wiesen, meldet unS, Sir Alfred Milner habe ich durch Vermittelung des Hofmeyer vom Afrikanderbund in Präsident Steyn gewandt und diesen dahin sondirea affen, ob man nicht einen Waffenstillstand schließen könne, der seinerseits der Vorläufer deS Friedensschlüsse» ein würde. Herr Hofmeyer habe acceptirt und nach erfolgter Rücksprache unv nachdem man sich der Möglichkeit eine« Er folges versichert, sei der Minister der öffentlichen Arbeiten im gegenwärtigen Bondcabinrt, Herr Sauer, nach Bloem- fontein abgegangen, um die nöthigen Vorver handlungen einzuleiten. Gleichzeitig meldet der Corre- syondent des „Standard" in Eapstadt, die Boeren hätten einen Boten festgenommen, welcher mit einem Briefe des Ministerpräsidenten Schreiner auS Kapstadt zum Präsi denten Steyn nach Bloemfontein unterwegs gewesen sei und fügt hinzu, Minister Sauer sei daraufhin sofort abgereist, um mit dem Feinde dieserhalb zu unterhandeln . . . Eine andere Meldung fügt hinzu, der Bote, KriegScorresponvent der Eapstadt-„Times", fei sofort freigelafsen, als man den Charakter seiner Botschaft erfahren, aus Staatskosten und unter großen Ehrenbezeugungen nach Bloemfontein be fördert, und von dort mit einem Handschreiben deS Präsidenten des OranjefreistaateS zurückgekehrt. Ein ganz ähnlicher Briefwechsel, welcher notorisch dem beider seitigen Bebauern über den Krieg Ausdruck gab, fand be kanntlich schon vor mehr denn einer Woche zwischen dem be lagerten General White und General Joubert statt und es ist wenigsten» nicht ganz ausgeschlossen, daß die jetzt ge- tdanen Schritte so unwahrscheinlich, ja unglaublich sie vom allgemeinen Gesichtspunkte auch erscheinen mögen, doch eine natürliche Fortsetzung der damals noch erfolglosen ersten Unterhandlungen sind, deren Träger General Frrnch war, von dem vor etwa acht Tagen gemeldet wurde, er habe sich von Ladysmith nach Eapstadt begeben. Auffallender Weise hat dieser selbe General Frrnch auch vorgestern Eapstadt wieder verlassen und sich ins Lager der Öranjeflußstation zu General Lord Methuen begeben, obne daß dabei gesagt wurde, zu welchem Ende. „Reuter" weiß von alledem nicht», aber er führt auch hier seine officiöse Mission der Rückendeckung, Bemäntelung und Beschönigung durch, wenn er den Brief Schreiner'» lediglich al» einen Protest gegen da« Eommandiren britischer Untertdanen in der Eapcolonie zum Kriegsdienste bezeichnet. Ein solcher Protest wäre angesichts der Tbalsache lächerlich, daß die ganze Bevölkerung im Norden der Eapcolonie die siegreich vor rückenden Boeren mit offenen Armen empfängt und die waffenfähigen Männer in bellen Hausen zu ihren Fahnen eilen. Auch der „Out Look", im Allgemeinen ernst redigirt, aber manchmal zu Extremen neigend, bestätigt die Mission Sauer'» zur Herbeiführung eine» Waffenstillstandes, führt dieselbe aber nicht auf den britischen Ober-Eommissar, sondern auf Hofmayer zurück und bemerkt, der angebliche Zweck der Reise Sauer'«, welcher bekanntlich Abgeordneter für Aliwal North ist, dessen Be wohner er zur Ruhe ermahnen wolle, sei nur Vorwand. DaS ist allerdings offenkundig, denn der Wahlbezirk Sauer'» befindet sich schon seit mindesten» einer Woch« im Besitz der Boeren und dessen Bevölkerung hat sich bereit» offen in das Lager der „Rebellen" begeben. Die Gründe, welche die Engländer veranlassen könnten, zerade jetzt schon den Frieden zu suchen, dürften dreifacher ?atur sein. Zum Friedensschlüsse gelangen scheinbar ledig lich um die Vertiefung de» Rassenhass«» in Südafrika zu vermeiden und obne das Odium de» FrirdenSsucken» auf sich zu nehmen (diese Mission fiele ja den Capafrikandern zu), che noch Ladysmith seine Gefangenen nach Pretoria abzu- enden gezwungen wäre, wäre um so geschickter, al» r» Eng- and selbst den Schein der Generosität retten würde. Man könnte in London immerhin sagen, die Boren hätten ich unterworfen, sobald da» große Armrecorp» gelandet, und mehr habe man ja nicht gewollt, zumal da man nicht einmal den Krieg erklärt hätte. So wäre der Schein gerettet in einem Augenblicke, wo die Lage bereit» eine Wendung ^u nehmen beginnt, die sehr wohl für die Eng- änder verhängnißvoll werden könnte. E» ist ein Gebeimniß mehr, daß Sir Alfred Milner in den «tzten Tagen sehr alarmirende Berichte über »en Zustand der ganzen Eapcolonie nach London sandte, die nicht» Geringe» vorauöseben lassen, als eine Erhebung der Masse der holländischen Bevölkerung, sobald die Boeren weiter nach Süden vor rücken oder einen neuen Sieg erringen. So würde der officielle Fall Ladysmiths, wie eine Niederlage General Elery's unter den Mauern von Moritzburg, oder General Methuen's auf dem Wege nach Kimberley das erwartete und willkommene Signal zu dieser Erhebung werben. Nun aber weiß man in London sehr wohl, daß beute bereits die Aussichten beider Generäle auf eine schnelle Erfüllung ihrer Mission nur sebr gering sind. Die Einschließung EstcourtS und die Besetzung der Maritzburg beherrschen den Höben durch die Boeren haben Vie Chancen eines iegreichrn Vormarsches General Clery'S zer- tört, wie die Wegnahme Belmont» und die Besetzung der Kaffernbügel zwischen dem Modderfluß und dem Oranje fluß die Hoffnungen Lord Metbuen's vorläufig wenigsten» vernichtet haben. Ein lange- Hinzögern de» erfolgreichen Vormärsche» auf beiden KriegSiheatern würde aber fast ebenso verhängnißvoll wirken, wie eine direcle Niederlage, zumal da jede solche Verzögerung das Schicksal Ladysmith» besiegeln müßte «nd die BoerrncommandoS im Norden der Eapcolonie offenbar ebenso zur Einschließung de» englischen Feldlager» von de Aar führen würbe, wie die» bei Estcourt geschehen. Damit aber werde die Bahn für rin ungehinderte» Bor rücken kleinerer BoerencommandoS über Richmond und Middelburg in daS Herz der Eapcolonie frei werden, zumal da die geringen Mannschaften GeneralGetares in Eastlonvon höchsten» diese» und vielleicht noch Queens town würben halten können. Eine Erhebung der Afrikander der Eapcolonie in diesem Augenblick würbe ein so schwerer Schlag für England sein, daß diese Gefahr allein da» plötzliche Friedensuchrn erklären würde, und man gar nickt nöthig hätte, drei andere Hiobsposten mit in die Waagschale zu werfen, besonders, da deren Bestätigung noch fehlt. Aber in solch kritischen Momenten lassen selbst Gerüchte von neuen Gefahren einen okt nicht zu unterschätzenden Eindruck zurück. Es hieß, eines der größten Transportschiffe mit Artillerie sei uotergcgangen, die Russen hätten Herath besetzt und der NeguS von Abessinien rücke mit 40000 Mann gegen den weißen Nil vor, um sich sein Stück vom Sudan zu nehmen. Trotz alledem kann es sich bei diesen Versuchen, einen Waffenstillstand herbeizuführen, nur um eine« vor läufigen Fühler bandeln, und die meisten werden das Ganze wohl am liebsten für ein leichtes Phantasiegebilde kalten, aufgebaut auf dem Schein gründe einer belanglosen Thatsache. Die Lage in der Eapcolonie ist thatsächlich sehr un befriedigend. Die Bürgermeister und Magistrate der von den Boeren besetzten Plätze übernehmen selbst die Leitung der Bevölkerung, leisten als Erste den südafrikanischen Republiken den Treueid und nehmen auS deren Händen di« Amls- bestätigung entgegen. Selbst englische Einwohner leisten den Treueid und treten sogar in die Boerencorp«, sei eS, daß sie Widerstand zu leisten nicht wagen, oder den Glauben an den britischen Schutz verloren haben, vr. Hoffmann, bekanntlich einer der drei Boad- Triumviren, welcher au der Spitze eine» Ambulanzcorp» »ach Bloemfontein gegangen war, ist jetzt plötzlich in EoleSberg erschienen »nd zwar an der Seite de» Oraajestaat-Eoannan- Freden Mistral und die Felibrige. n. Neben Roumanille und Mistral nehmen sich noch andere Dichter ihrer provengalkschen Muttersprache an, und e« ist herz erfreuend zu lesen, wie diese Dichter zusammenkommen, wie sie «inen Bund gründen, der sich in seinen Satzungen mit der Recht schreibung deS provenyalischen DialectS befaßt, der aber mehr ist als eine Orthographenversammlung, denn in ihm öffnen sich dir Herzen, feuern sich die Jünglinge an, arbeiten und dichten sie zu sammen; die Zett de» Hainbundes scheint in Sitdfrankreich wiedergekominen zu sein. Man gründet eine Dichterschule, und im Verlaufe der Zeit wählt man auch ein Haupt, einen CapouliS, der natürlich zuerst Mistral ist. Di« Leistungen der jungen Schule erregen Auffchen, Kunstfreunde nahen sich ihr und schließen sich 4hr an, sie tragen den Ruhm der „Feliber" in die weite Ferne, und die Feliber sind nicht undankbar, auch sie ver- aeben Ehre und Würden, und August Lertuch, der Mistral'« Dtchtungen in Deutschland einführt, wird ihr Ehrenmitglied. Ueber die Gründung de- Bunde» und die Namensgebung erzählt WAter in dem von un- angeführten Buch«. Am 21. Mai 1854 hatten sich auch wieder in heil'rger Sieben zahl Roumanille, Aubanel, Jean Brunet, Mathieu, Tavan und Mistral bei Paul Gisra zusammengefunden und schloffen in einem Augenblicke fröhlicher Begeisterung an diesem Tage, dem Frst« der heiligen Stella, die denn auch zur Patronin erwählt wurde, den Bund der Feliber (lou keUdrigo) mit dem Ent schlusse, „die Spreu von dem Weizen zu scheiden", die Heimath- spracke zu adeln, zu bereichern und durch poetische Werke dauernd zu festigen. Mistral war e», der den Gedanken zu dem Bund« ge geben hatte, und er fand auch den Namen für di« neue Ver brüderung. Er fühlte, daß es hierzu einer Bezeichnung bedürfe, di« bi» dahin noch nicht gebraucht worden war, und deren un klarem Inhalte und unbegrenzter Tragweite der Reiz des Unbe kannten, de» Geheimnitzvollen anhaftetr. Nun hatte er einst au» dem Munde einer alten Frau, Martha genannt, rin Lisd gehört, I/Ouraisoun äo St. - Xnschnn« betitelt, worin der Knabe JesuS vorg«führt wird, wie er im Tempel mit den sieben Auslegern d«S Gesetzes (sms U »st k'slidrs cis in lsi) di-putirte. — Was wollte dieser Name besagen? Die alte Martha wußte rS nicht; Mistral selbst und Keiner noch ihm hat es genau erfahren können. Trod all' der Ableitungen und Erklärungen, die man versucht hat, ist du richtig« Herkunft und die eigentliche Bedeutung de» Worte» noch nicht ergründet worden. Aus dem Zusammenhang» der eben citirten Stell« geht aber hervor, daß e» ungefähr gleich bedeutend fein muß mit „Lchrer, Schristgelrhrtrr". Diesen Namen nun schlug Mistral vor; er war neu, klangvoll, gefiel und wurde von den Freunden mit großem Beifall ausgenommen. Im folgen den Hohr« schon verkündche d«r Armani» krvuvon^au veu Landsleuten, daß di« Mitglieder der neu - prvdenoalischen Dichterschul« sich Feliber nannten. Der heiter« Ton, der bet d«r Gründung des BundeSorganeS vorvaltete, spricht sich so richt frank und sr,i in d«m volkithümlich d«rb«n Feltberliid«, dem Hurt ckl kolibro, au», mit dem Mistral den ersten Jahrgang deS Armana eröffnete. Fröhlich heißt r« da: Laut äi kelibre. Wie Freund' und Brüder im Vereine Zirh'n singend wir ins Land hinein; Der Vogel liebt sein Nest im Haine, Es liebt da« Kind sein Mütterlein; Und unser Land im Sonnenschein« Dünkt un« «in Paradie» zu sein. Wir sind freifröhliche Gesellen, Für dir Provence in Lieb' entbrannt; Wir find die losen, sangeshellen Feliber vom Provencerland. Stet« ohne Wechsel hört man schallen Den Meisensang, den Finkenschlag, Und ewig jubeln Nachtigallen Der Bitter süße Weisen nach; Und wir nur, Fremden zum Gefallen, Vergäßen unsre Muttersprach'! Wir sind freifröhlich« Gesellen u. s. w. Dreh'n sich die Mädchen flink im Kreise, Und lockt zum Tanz das Tamburin, So strecken wir un- Sonntag- weise Im Schatten einer Pinie hin, Und edler Wein und Desperspeise Erfreuen dann un» Herz und Sinn. Wir find freifröhlich« Gesell«,, u. s. w. Wenn so im Sla« zur guten Stunde Der Wein der Myrte perlt und lacht. Ertönt au« der Feliber Munde Ein Liedlein, das sie selbst erdacht. Und fröhlich stimmt di« ganze Runde Dann in den Kehrreim ein mit Macht. Wir sind freifröhliche Gesellen u. s. w. Der Mädchen Lachen, ungezwungen Und geck, bezaubert un» sofort; Hat eins sich unsere Gunst errungen. So wird'« in Versen hier und dort Alsbald gefeiert und besungen Mit reichem Reim und warmem Wort. Wir find freifröhlich« Gesellen u. s. w. Wir führen an die Farandolen Und zich'n entblößt zu Spstl und Streit; Auf Sanct Johann, mit leichten Sohlen Geht'« durch die Flamm» hoch und »eit, Und Lhrifitag schieben in di« Kohlen Wir fromm da« weinbesprengt« Scheit. Wir find freffrvhlich« G«sell«n u. f. w. Drängt ihr euch beim Kastani«nrlifi«n Am trauten Herd mit munterm Ton, Und fehlt'« an Schnurren euren Gltfien, So sagt »« nur: wir komm«» schon; Wir geben euch ein Schock zum B«fi«n. Daß ihr noch Morgen« lacht davon. Mr sind freffröhlich, G«s«ll«n u. s. tS.
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