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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991127025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112702
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-27
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»208 Der Krieg in Südafrika. —<> Nach dem Gefecht bei Belmvnt war die Frage, wie General Mcthueu seinen Sieg auSuutzen werde. Einige militärische Autoritäten in England waren der Ansicht, daß gerade deshalb, weil daü Äricgsamt als daS Ziel der Ab teilung Methuen'S mit aller Umständlichkeit dre Entsetzung Kimberley- in die Welt posaunt habe, der General eine ganz andere Ausgabe habe und diese nur darin bestehen könnte, daß er von der Bahnlinie nach Kimberley östlich in den Freistaat einzudriugcn und nut den von Süden vorgehenden Abteilungen der Generäle Forestier - Walker und Gatacre Fühlung zu nehmen bade. Die Eutsatzcolonne in Natal, nahm man an, werde nach der Entsetzung von Ladysmith dazu verwandt werden, die TranSvaaler unter Joubert in den Drakensbergen festzuhalten, während die Hauplarmee unter General Buller von Natal aus westlich, also etwa an der Eisenbahn nach Harrismiih, aus Bloem fontein vorgehen werde. Es sei also geplant, die Hauptstadt des OranjestaateS von Westen, Osten und Süden zugleich anzugreijeu. Haben diese Dispositionen wirklich bestanden, so dürsten sie neuerdings geändert sein, denn General Methuen ist, nach dem die Boere» sich tatsächlich von Belmvnt in nördlicher Richtung zurückgezogen haben, diesen auf den Fersen gefolgt, scheint also die Absicht zu haben, Kimberley zu erreichen und zu entsetzen. Daß er aus dem Wege dorthin schon unmittelbar hinter Belmont bei GraSpan von Neuem auf befestigte Stellungen der Bverrn treffen würde, hatte er schwerlich vermuthet. Aber die Abteilungen, mit denen er am Donnerstag handgemein wurde, waren lediglich die Arrieregarde der Boeren; ein weiteres Detache ment wartete bei GraSpan. Hier ist nun ein neuer heftiger Kamps entbrannt, über welchen unser Londoner Gewährs mann, dem Neuter'schen Bureau vorauSeilend, bereits be richtet hat. Die seine Mittheilungen bestätigende Neuter- meldung lautet: * London, 26. November. Nach einer hier ringe- gangenc» Depesche des Lord Methuen ist dieser am 25. d. M. bei Tagesanbruch vorgerückt und bei GraSpan auf eine feindliche Adthciluug tu der Stärke von 25VV Manu mit 6 tzScschützeu und 2 Mitraillcuscu gestoben. Nm 6 Uhr früh kam es ;nm Gefecht. Die Batterien eröffnete» das Feuer und schossen mit Shrapnels, bis die Höhe» ver lassen schienen. Hieraus gingen die Teesoldaten und die Infanterie im Sturm vor. Nach heftigem Kampfe, der bls 10 Uhr dauerte, wurde» die Höhen ge nommen. Tie Boeren zogen sich in der Richtung auf einen Punct zurück, wo das 9. Lancier-Regiment Aufstellung genommen hatte, um sie abzuschneiden. Am Augenblicke der Absendung des Telegramms war das vrgebnitz dieser Bewegung noch nicht bekannt. Tie Artillerie benutzte sofort den Rückzug der Boeren. Bet Beginn des Gefechts griffen 509 Boeren die eng lische Nachhut an, Sie vardrbrigade schlug sie aber zurück nnd deckte die Flanken. Tie Marinebrtgade focht mit grösjtcr Tapferkeit und erlitt grotze Verluste. Einzelheiten sind »och nicht bekannt. Die Boeren leisteten hartnäckigen Widerstand und müssen grotze Verluste erlitten haben. So viel bis jetzt bekannt, sind 31 Boeren gefallen und 48 verwundet. Aus einem Platze lagen 50 Pserdeleichcn. Tie englische Eolonne wird einen Tag bei Vraspan bleiben, um z» rnhe» und Borräthe nnd Muni tion zu erneuern; sie ist bereit, alle Schwierigkeiten zu überwinde». Das amtliche Telegramm Lord Metbuen'S lautet selbst verständlich für die Engländer in den Einzelheiten günstiger, aber er muß doch zugeben, daß die englische Marine brigade große Verluste erlitten hat. Handelt e- sich also um einen neuen „Sieg" der Engländer, so ist er wieder mit unverhältnißmäßig bedeutenden Opfern erkauft worden. Wir zweifeln aber noch stark an dem Erfolg, da der Kamp bei Absendung des amtlichen Berichtes noch fortdauerte. Auffallend ist auch die Bemerkung, daß die Höben nach dem Shrappnellfeuer von den Boeren verlassen schienen und dann erst nach heftigem Kampfe gestürmt werden mußten. Man geht also wohl nicht fehl, wenn man annimmt, baß die Boeren wieder erfolgreich ihre oft bewährte List an wendeten, sich, angeblich geschlagen, zurückzuziehen, den Feind dadurch vorzulocken und nun unerwartet in größeren Haufen gegen ihn vorzubrechen. Die Versicherung Lord Methuen'S am Schluß seines Telegramm», die englische Eolonne sei be reit, alle Schwierigkeiten zu überwinden, läßt erkennen, daß man solche uicht erwartet hatte und sich auf weitere Hemmungen im Vormarsch gefaßt kält. Jedenfalls bringt das Gefecht bei GraSpan die Engländer nicht vorwärts, da sie erst auf den Nachschub von Munition und Vorräthen aus dem großen Lager bei de Aar warten müssen: sie sind ja bekanntlich nur mit Tornister und Flinte auSgerückt, um nur so rasch wie möglich den Weg nach Kimberley frei zu machen. DaS wird ihnen nun freilich so leicht nicht gelingen, denn die Boeren haben auf diesem Wege Etappe nach Etappe besetzt und das Endresultat der Expedition Methuen'S dürfte fein, daß er sich bis Kimberley „hinburchsiegt", dort aber von seinen 13 000 Mann nicht so viel mehr zur Verfügung bat, daß er den Entsatzversuch wagen kann. Vor Allem ist auch uoch der liebe rgaug über den ModderRiver südlich von Kimberley zu bewerkstellige», eine Expedition, die den Engländer» tbeuer zu stehen kommen wirb, da die Boeren sicherlich die Brücke gesprengt haben werde». Jedenfalls wird sich bei jedem neuen Kampfe bi» Kim berley das Bild dcS Belmonter Gefechtes wiederholen. Die Boeren werden vor der Uebermacht zurückweichen, d. h. ihnen planmäßig nur so lange «nlgegeutreten, wie sie dies, ohne selbst großen Verlust zu erlerden, thun können und dann, nachdem sie den Feind so viel wie möglich geschwächt, deu Kampf rechtzeitig abbrechen. Sollte General Methuen aber doch noch in genügeudcr Stärke bei Kimberley eintreffen, so bliebe den Boeren nur übrig, in deu Oranje-Freistaat zurückzuweichen und dort, durch neue Eommaudos verstärkt, die hart mitgenommenen „siegreichen" Engländer zu erwarten. Kimberley würde damit allerdings aufgegebcn werten müssen, aber bas wäre auf den AuSgang des ganzen Krieges kaum von ausschlaggebender Bedeutung. Hoffentlich ist der Gang der Ereignisse im Westen ein anderer. Ueber das Gefecht bei Belmont am DounerSiag ist auS der amtlichen Meldung Methuen'S noch Folgende- nach- zulragen: Wir wissen, daß 81 Boeren gefallen sind. Wir haben 64 Wagen der Boeren verbrannt, sowie 750 Geschosse, 50000 Patronen und eine große Menge Pulver vernichtet. Tie Artillerie der Boeren commandirte Albrecht, während Dolivry den Oberbesehl führte. Der ganze Erfolg besteht also in der Wegnahme eines fliegenden Lagers der Boeren. Nicht ein Geschütz er beuteten die Engländer, ein neuer Beweis dafür, daß der Rückzug der Boeren von vornherein beabsichtigt war und in aller Ordnung vor sich gegangen ist. Woher Lord Melbuen wissen will, daß 8l Boeren gefallen seien, ist unerfindlich, da sie, wie er selbst berichtet hat, ihre Tobten mitgenommen haben. Aach in weiteren Telegrammen wird den Boeren der Vorwurf deS MißbrauchS der weißen Flagge gemacht. Wir halten ihn nach wie vor für unbegründet, weil ein der artiges heimtückisches Verhalten Allem widerspricht, was wir von den Boeren und ihrer Art der KriezSführung wissen. Noch weniger glaubwürdig ist die Behauptung, die Boeren hätten D u m - D u in - Ku g e l n verwandt. Woher sollten die Boereu sich in den Besitz dieser Geschosse, in denen man den Triumph barbarischster »Grausam keit in der modernen KriezStechnik erblicken muß, ge setzt haben? Wenn die Engländer jetzt neben anderen Vor würfen gegen die Boeren die Anklage erheben, diese furcht baren Geschosse zu verwenden, die die inneren Organe zer reißen und gegen deren Gebrauch die Chirurgen und die Haager Friedenskonferenz entschiedenen Einspruch erhoben haben, so wollen sie sich damit nur einen Vorwand schaffen für die Benutzung des LydditeS im Kriege gegen ein ge sittetes Bolt. Wären die Boeren im Besitz von Tum- Dum-Geschosseu und hätten sie diese im Kampfe bei Belmont gegen die Truppen deS Lord Methuen gerichtet, so wäre ein solches Vorgehen immerhin erklärlich nach der schnöden Abweisung dcS Joubertschen Ein spruchs gegen die Benutzung deS LydditeS. Nicht eine Stimme bat sich damals in der englischen Presse erhoben zur Unter stützung dieses Einspruchs; selbst „Daily Ebrouicle", dem es sonst am meisten Ernst ist mit der Vertretung sittlicher Forderungen in der Oeffentlichkeit, hatte für Jouberts Protest nur Worte deS HohnS. Unter diesen Umständen kann die Anklage wegen deS Gebrauchs der Dum-Dum-Kugeln uns nur als der Ausdruck unerträglicher Heuchelei anmuthen. Sonst erfahren wir vom westlichen Kriegsschauplatz noch, daß Mafeking unmittelbar vor der Uebergabe steht. Ist sie erfolgt, so werden uicht nur Truppen, sondern auch verschiedene schwere Geschütze der Boeren frei, um entweder vor Kimberley oder gegen General Methuen Verwendung zu finden. Vom südlichen Kriegsschauplatz wird nur gemeldet, daß die Boeren Stormberg eingenommen haben, da- heißt diejenige Bahnstation im Norden von Queenstown, wo die wichtige Linie nach Middelburg, wo die Bahnbrücke bereits gesprengt ist, und de Aar abzweigt. DaS war aber schon bekannt. Bon großem Belang ist die Nachricht auS QueenStown, daß am 22. November siebzig hervorragende Farmer von Barkly East, südlich von Lady Grey, sich mit Gewehr und Munition auS dem städtischen Magazin versehen und mit den Boeren vereinigt haben. Dies ermuthigende Bei spiel wird nicht ohne Nachfolge bleiben, und bald dürfte, wenn die Boeren einen neuen Erfolg zu verzeichnen haben, daS ganze Afrikanderthum gegen England in Waffen stehen. AuS Natal verzeichnen wir heute folgende Meldungen: * Durban, 26. November, 11'/. Uhr Vormittags. (Reuter's Bureau.) Die telegraphische Berbindung mit Estcourt ist wieder hergestrllt. — Die ausgesandte AusklärungStruppe ist von Mooi River noch uicht zurückgekehrt. * Efteourt, 26. November, 12'/« Uhr Nachmittags. (Reuter'» Bureau.) General Joubert geht von Mooi River in ter Richtung aus Ladysmith zurück. DaS scheint ein Vordringen deS General- Elery von Pietermaritzburg und ei» Zurückweichen der Beere» andeuten zu sollen, bei der Kürze und Unbestimmtheit der beiden Nach richten ist ihre Bewerthunz aber noch unmöglich. Wir warte» also Weitere» ab. Der Ort Estcourt, wo am Donnerstag das mißglückte AuSsaUSgefecht General HildyardS stattfaud — dieser erlitt, wie gemeldet, eine empfindliche Schlappe —, bat nur etwa 300 Einwohner, aber einige Bedeutung als Marktplatz und Gerichtssitz de« Bezirks Wcenen. Die meisten größeren Gebäude, drei Kirchen, ein Spital, eia Sanatorium, ein Bankhaus, vier Gasthöfe, die Bibliothek und daö Gcrichlü- gebäude sind auS Hausteine» aufgefübrt; unmittelbar südlich überragt die Ortschaft da- Fort Durnford, wo in Friedenszeiten ein Posten von 50 berittenen Natalpolizisten stationirt ist. Da- Gelände ist für die Fcchtweise der Boeren sehr günstig, der ganze Bezirk ist außerdem historischer Boden. Ter östlich von Estcourt gelegene Ort Weenen (hochdeutsch Weinen) soll durck seinen Namen daran erinnern, daß sich in dieser Gegend eine der traurigsten Begeben heiten in der Zeit der südafrikanischen Völkerwanderung zugelrageu hat. Hier wurden nämlich im Jahre 1838 600 der alten Trekbveren, die au- dem Freistaat über die Drakensberge nach Natal binabgestiegen waren, sammt Weibern und Kindern von dem Zulubäuptling Dingaan verrätherisch überfallen und ermordet. Ihre Landsleute unter Prelorius rächten die Gemordeten durch die Schlacht, die sie in der Nähe von Dundee, an einem Flusse, der seitdem den Namen Llulsluß trägt, am 16. December 1838 den ZuluS lieferten. 1000 Kaffern sielen dabei unter ihren Kugeln. In Pieter maritzburg steht heute noch die DankeSkirche, die die Boeren zum Gedächtniß an diesen Sieg errichteten. Die Stadt Ladysmith ist immer noch nicht in den Hände» der Boeren; eS wird nachgerade aber höchste Zeit, daß sie fällt, denn fast täglich treffen in Durban Transport schiffe mit Truppen und Kriegsmaterial ein. Die Mängel in der Organisation deS EotsatzcorpS de- Generals Elery müssen daher binnen kürzester Frist behoben sein, so daß er energischere Vorstöße wagen kann. Seit Sonnabend befindet sich auch der Höchstcvmmandircnde, Buller, bei den Truppen in Natal und man erhofft von ihm eine lebhaftere Inangriffnahme der Initiative. Bon wesentlichem Interesse ist noch die Thatsache, daß England die Boercnstaaten jetzt endlich al» kriegführende Mackt anerkannt hat. Man hat sich in London wohl hauptsächlich deshalb zu diesem lauge perhorrescirten Schritte entschlossen — die Boeren galten den Eng ländern bisher bekanntlich nur al- Rebellen — um die Thür zu öffnen für eine eventuelle Intervention der Mächte. Wenn Lord Salisbury vor Kurzem auch noch emphatisch auSrief: „Wir dulden keine Intervention!", so liegen die Dinge jetzt doch entschieden anders. DaS Selbst bewußtsein und die Siegeszuversicht der Engländer ist erheb lich herabzedrückt, und nur wenn sie im Westen Schlag auf Schlag Erfolg erzielen sollten, würden sie Ursache haben, das bedenklich gesenkte Haupt wieder zu erheben. Eine englische Stimme über General Jonbert. * London, 25. November. Folgende interessante Darstellung der militärischen Situatiou in Natal giebt nach der Uebrrsetzung des „Berl. Tagebl." der militärische ReLacteur der „Morning Post": „ES dürfte außerordentlich schwierig sein, unter allen bekannten militärischen Operationen eine Parallele zu der in Natal zu finden, und der Umstand, daß sie einzig dasteht, zeigt wieder einmal die besondere Kriegskunst unserer Feinde. Bon Moritzburg bi» nach Ladysmith wechseln in Intervallen au der Bahn entlang britisch« mit Boerrntruppen. Britische Truppen liegen ia Moritzburg, Boeren iu Lalgowan, britische in Mooi River, Boereu ia Wilkow Grange, Eng länder ia Estcourt, Boerea ia EnnrrSdale, Engländer inner- halb Ladysmith- und Boeren außerhalb. DaS könnte absurd scheinen, wenn eS nicht außerordentlich ernst wäre. Lia solcher vollständiger Baumkuchen von feindlichen Truppeuthrilen ist noch niemals dagewesen, und die Boeren haben wieder einmal alle militärischen Gesetze durch ihre Beweglichkeit über den Haufen geworfen. Sir George White ist in Ladysmith eiogeschlosseo, General Hildyard in Estcourt und General Barton ia Mooi River; dabei scheinen dir Boeren im Stande, nachdem sie circa 17 000 Mann dazu verwandt haben, diese drei Contingente riazuschließea, noch mit 7000 Mann gegen die See vorzurücken. Hinsichtlich der Absichten General Joubert'- sind nur Ver- muthungen vorhanden. Er spielt mit den drei Theilen unserer Armee, die eS ihm gelungen ist, zu isoliren, indem er jeden dieser Theile in dem Glauben erhält, daß er die ganze Boerenmacht vor sich hat, während nur eia Schleier von Truppen zurückgeblieben ist und er mit der Hauptmacht nach Süden ia der Hoffnung vordriagt, Moritzburg durch Ueberraschuug zu nehmen. Hofft er etwa, wenn ihm die» gelingt, un- die FriedeuSbediugungen auS der Hauptstadt NatalS zu dictiren? Oder hat er wirklich hinreichend Material zur Verfügung, um Estcourt und Mooi River zu Falle zu bringe», in dem er gleichzeitig di« Truppen in Ladysmith srsthält und über 7000 Manu für andere Ausgabe» verfügt? WaS auch seine Absichten sein mögen, sein LriegSjpirl ist «ia ebenso tieseS wie glänzendes. Mögen seine späteren Operationen auch nicht so gut auSsallen, so ist doch die Thatsache, daß er da britische Vorrücken im Augenblicke, wo es begann, zum Stillstand gebracht, die Ersatzcolon ne in drei Theile zersplittert und jeden einzelnen davon gezwungen hat, verschanzt in der Defensive, ab geschnitten von seiner fast der Gnade oder Ungnade deS Feinde» anheim gefallenen OverationSbasi», stehen zu bleiben, eine That, die ihm allein für alle Zeiten alS Führer hoch ungerechnet werden wird. Nachdem wir erfahren, wie wenig wirksam die Boereaartilleri« und wie ohnmächtig sie gegen Truppen in Position ist, müsse» wir allerdings jage», daß Joubert einen Fehler gemacht hat, sich vor Ladysmith jestzusetzen. Hätte er eine genügende Macht dort tehra lassen, um White vom Tugelasluß abzuschneideu, und wäre er, waS er jetzt thut, gegen Moritzburg sofort mar- schirt, so hätte er White wahrscheinlich dahin gebracht, eine Schlacht außerhalb der Schußweite der Marinegeschütze anzubitten, und die Anwesenheit seiner Detachement» um Moritzburg würde, selbst wraa «r nicht versucht hätte, dies zu nehmen, jedenfall» moralisch dazu beigetragrn haben, ihm Necruteo zu verschaffen. So wie die Diuge liegen, sind sie ernst genug, und vielleicht wissen wir uoch nicht das Schlimmste. Wir wissen z. B. nicht, welche Munition-- oder Nahrungsvorräthe in Estcourt und io Mooi River sich befinden. Wir sind wieder einmal überrascht worden, und die festgehaltenen Streitkräfte können oder können auch nicht auf eine Einschränkung vorbereitet sein, die ihnen der Feind aufzurrlegrn im Stande ist. Deutsches Reich. Berlin, 26. November. Der letzte Ausweis über den Stand der Invaliden- und Altersrenten bildet einen Markstein in der Entwickelung der Invalidenversicherung. Nach ihm war am 1. October d. I. die erste halbe Million von Rentnern auf Grund des letzten der staatlichen Versicherungsgesetze erreicht. Es hat also, da das Gesetz vom 22. Juni 1889 am 1. Januar 1891 in Wirksamkeit trat, nicht ganz neun Jahre bedurft, damit die erste halbe Million au laufenden Renten zur Auszahlung kam. In dieser Beziehung hat Vie In validenversicherung eine noch raschere Entwickelung, al- die Unfallversicherung aufzuweisen. Auf Grund der über diese VersicherungSart bisher veröffentlichten Zahlen wird man in der Annahme nicht fehlgehen, daß jetzt etwa drei Viertel Millionen Versicherte Entschädigungen beziehen. Die Unfallversicherung ist aber bereit- seit dem 1. October 1885, also volle 14 Jahre, in Wirksamkeit. Jedenfalls ist an der Hand aller dieser Zahlen als erfreuliches Ergebniß der staat lichen Arbeiterversicherung in Deutschland festzustellen, daß eS jetzt etwa N/4 Million Personen giebt, welche auf Grund der Unfall- und der Invalidenversicherung Rente oder sonstige Entschädigungen laufend beziehen. Vor noch nicht langer Zeil überwog die Zahl der Altersrenten diejenige der Invalidenrenten noch beträchtlich. Gegenwärtig stellt sich da» Vcrhältniß Beider so, daß von der Gesammtzahl der laufenden Renten auf Grund des JnvalidenversichrrungsgesetzeS die Invalidenrente» rund die Altersrenten 2/5 darstellen. Da noch immer bei den letzteren eine Abnahme, bei den ersteren aber eine starke Zunahme zu beobachten ist, so ist als ganz sicher anzusehen, daß dieses Verhältniß sich noch viel mehr zu Gunsten der Invalidenrenten verschieben wird, und zwar so, daß schließlich die Altersrenten al» völlig nebensächlich erscheinen werden. k Berlin, 26. November. In welcher Höhe für die Eisen - bahn, die von Dar-eS-Salaam landeinwärts geführt werden soll, Geldmittel durch den Etat flüssig gemacht werden sollen, scheint noch nicht bestimmt zu sein. Der Voranschlag, der dem Eolonialrath unterbreitet wurde, sprach nur von einer Eisenbahnverbindung zwischen Dar-eS-Salaam und Mrozoro und setzte für Vorarbeiten 100 000 auS. Der Beschluß de- ColonialratheS, statt dessen 2 Millionen Mark als erste Rate zu setzen, ist auf lebhaften, besonders mit etattechnischen Erwägungen begründeten Widerspruch deS anwesenden Ver treters deS ReichSschatzamteS gestoßen. Erfreulich ist, daß wenigstens über die Anlage einer telegraphischen Ver bindung ein Einvernehmen erzielt ist, und zwar ist diese für das kommende Jahr gleich von Dar-eS-Salaam über Mrogoro bis nach Kilossa in Aussicht genommen, wo die Karawanen wege sich vereinigen, die den Handel zwischen den großen Binnenseen und dem Meer vermitteln. Da die Interessen des Schutzgebietes und der Reichspost gemeinschaftlich in Betracht kommen, sollen die Kosten für die Anlage von dieser und der Verwaltung de- Schutzgebiete» zu gleichen Theilen getragen werden. sagte er, „und ich will auch vom heiligen Abend nichts sehen. In die Kneipe geh' ich heut nicht, und wenn Sie mir den Schlüssel da-Iassen, so komme ich vielleicht heute noch mit meiner Sache zu Stande.." Paul schüttest« den Kopf, gab alber den Schlüssel freundlich aus den Händen. „Und hier Ihr Weihnachtsgeld, Karl", sagte er. „Sie waren so fleißig und arbeitsam, da haben Sie sich's reichlich verdient." ' 'Mit einer scheu gemurmelten Danksagung entfernt« sich der Knecht. Hatte er recht gesehen? Waren eS zwanzig Mart, — ein richtiges, doppeltes Goldstück, was ihm der Herr in die Hand ge drückt hatte? Sein Herz schlug wie ein Hammer; die Gier, der Ehrgeiz, der Drang, dies« ganze Srurmflu-th von Empfindungen, die ihn auS der Heimath vertrieben, mit so fieberhafter Leiden schaft gepackt halten, ihn, Len stillen, scheuen Knecht, zu einem friedlosen McNischen gemacht, sie erwachten in ihm, und in seinen Ohren tönte daS betäubende Summen: Geld!! Geld!! Geld war das röche, leuchtende Ziel, das ihn hergenarrt hatte, — Geld verdienen, und sie dann suchen, das fahrend«, schöne Mädchen, da» ihn mit ihren weichen Blicken verzaubert hatte, und daS nunallrin und hilflos in der Welt umherirrte, daß jeder fremde Mann sie greifen durfte. Drei Jahre war er nun in der Sladt, und sein Leben war ein einziges Suchen und Hoffen, alle Schaubühnen, alle Bergnügungstheater, alle SpeluiAen der fahrenden Künstler suchte er auf, von der wirren Idee besessen, sie eine- TageS finden zu Müssen! Auf den engen, heißen und schmutzigen Galerien nnd Tribünen faß er mit der fieberhaften Neugi«r deS t Bauern, und seinen ganzen Berdi«nfi vergeudete er in diesen abendlichen Irrfahrten in die BergniigungSlocale der Stadt, von denen er spät Nachts dumpf, müde und abge schlagen nach Haüse zuriickkehrie. — Krampfhaft umklammerte er daS Goldstück und stolperte die Treppen -um Keller hinab. Waren eS wirklich zwanzig Mark? Hatte sein Auge ihn nicht getäuscht? Seine Hände tasteten nach den Streichhölzern in seiner Tatsch«, und obgleich er wußte, daß er in diesem Raume nicht Licht machen durfte, entzündete er die Phosphorkuppe an seiner Hose. Im selben Augenblick« «vfolgte ein furchtbarer Krach. Ein« Flamme lohte in der Dunkelheit auf, sprang blitzeSschnelle gegen sie Deck« hin, cm der sie hi »taumelte, während sie Löcher und Risse in den Mörtel riß. Wit vom Blitz entzündet stand der ganze Kekkrroum in Feuerflammen. — Der Knecht war zur Äit« geschleudert worden, betäubt »on dem furchtbaren Schrecken, lager am Boden vor der Kellertreppe. Paul und Johanne kamen, durch die Detonation in maßlose Angst »ersetzt, di« Treppe hinuntergeflürzt, wo sie beinahe über den Körper des regungslos am Böd«n Liegenden hingesiolpert wären. Im ersten Augenblick glaubten sie, «inen Tobten vor sich zu halben, und ihre Herzen standen beinah« still vor EnÜsetzen. — Pauk, dem die Hände zitterten wie Espenlaub, beugte sich nieder und ergriff Karl unter den Armen; Johann« faßte mit zu, und so schleppten sie ihn mühsam die Treppe hinauf, Beide fast be sinnungslos, nachdem sie wie geblendet sahen, daß im Keller hintrer ihnen sich «in wildes Feuerwerk entwickelte. ' , Oben brach Johanne ohnmächtig zusammen. Inzwischen waren Passanten in den Laden eingedrungen, einige nahmen sich der beiden Bewußtlosen an, die Anderen eilten der Unglücks stätt« zu. , - Drunten im Lagerraum lohte ein Flammenmeer. Bon der Kellertreppe au» konnte man daS Schauspiel überblicken, diese Wirrniß von gelben und blauen Feueösäulen, die gegen die Decke, gegen di« Wände taumelten, in dir gefüllten Fässer voll Oel nnd Petroleum fuhren und diese unter wildem G.ckrach entzündeten. Es war ein hünenhaftes Durcheinanderprasseln, rin Glühen, Zucken, Donnern ohne Aitshören, und als bald darauf die Feuer wehr erschien, di« ein paar Besonnene 'herbeigerufen hatte, fanden die Männer hier unten nicht« mehr zu retten. Der gejammte Lagerraum war ausgebrannt. Die Wände waren schwarz, verkohlt, an dem rußbedeckten Mörtestverkder Decke hatte sich eine ganze Farbenscala hingemast, in der Willkür, wie die Flammen dl« verschiedenen bunten Farben, Lacke und Leime in die Höhe geschleudert hatten. Zerrissene Tonnen, Trümmer von Kisten und zusam meng« quetschte Waarenbrllen sagen wirr durcheinander, di« Thür zum „Laboratorium" war au- den Angeln geschleudert, und di« BorrathÄisten, di« in diesem Raum« lagen, und die meist Parfümerien enthielte», loh:en noch langsam unter den zischenden Strahlen der Spritzen fort, während dcr Inhalt der zersprengten Flaschen über den Boden geflossen war und in die Wolken von Rauch und Schutt «inen lieblichen Wohl geruch mengte. — An einer Stelle, wo di« Detonation besonders heftig erfolgt war, hatte der Luftdruck ein Loch in die Decke gerissen, und durch daS nur leicht gefügt« Balkenwerk drangen Rauchsäulen, in denen groß« Feuerfuicken schwebten, in den Laden hinauf. Al- Johanne in den Armen einer alten Frau, die ihr milvthätig zu Hilfe geeilt war, die Augen aufschluq, sah sie gerade, wie «ine dieser großen, schönen Feuerfunken in den reichgeputzden Ehristbaum flog, der ali blendendes Schaustück fest Lagen aus dem Ladentisch Prangte, und die Watteflocken, di« papiernen Kett-n der g linen Zweige '.n Brand s»tzt«. Wie Zunder lohten die Tannennadeln auf, wie feurige Finger griff «S -wischen den Zweigen hin und her, riß dies herab, drückt« jenes zu Asch: zusammen. — DaS war Weihnachtslicht, blendens, sternenhell, Licht, so feurig und wild zum Himmel strebend, eine Flamme, zu der All« in entsetzter Andacht hin starrten, und die das mühsame Werk zweier schwacher, zärtlicher Menschenhände in wenigen Augenblicken vernichtete. Als sie Feuerwehrleute zu Hilfe eilten, war der Baum bereits ausgebrannt, und nur noch die silbernen Nüsse, di« goldenen Glas kugeln hingen an verdorrten Zweigen. Johanne hatte die Hände gefaltet, ihr Blick ruhte leer auf den verkohlten Resten ihres Baumes. Was war geschehen, wie ging Alles zu, wo war sie? Sie konnte sich nicht besinnen; «ine große, weiche Schwäche lag über ihren Gedanken, sie fühlte bleierne Müdigkeit durch ihr Inneres geheim und schwer sank ihr Kopf wieder aus die Schulter der fremden Frau zurück. — Di« Feuerwehrleute kamen in langsamem Tempo wieder die Tr«ppe her'auf; ihr Werk im Keller war beendet. „Sie brauchen sich die Sache nicht so zu Herzen zu nehmen, — Sie sind doch wohl gut versichert?" fragte der Branddirektor, der zum Schluffe persönlich erschienen war und ermunternd dem „Besitzer" auf die Schultern klopfte. Paul wandte sein kreidaweiheS Gesicht dem Beamten zu. »Ich habe daS Geschäft erst kurze Zeit", murmelte er, »und ich hüb« e» bis jetzt versäumt, mich in die Versicherung einzukaufen. Der vorige Besitzer hat seine Polier gekündigt, als er dar Geschäft aus .den Händen gab." Ein« Stille entstand unter den Menschen, die sich im Laden, als dem Schauplatz einer interessanten Unglück-, versammelt 'hatten, und laut, mit scharfer Stimme hörte man den Brand direktor im Ton de» äußersten Erstaunen» sagen: ^Wi«?!! Sie sind nicht versichert?" »Nein", flüsterte Pani, „ich verliere Alles." Ein« theilnehmende Pause trat ein. »Ein« solche Unvorsichtig keit!" sagte laut, fast erregt, der Direktor- lind während sein Blick auf die ohnmächtige Johanne fiel, um deren kleine, zart« Gestalt sich hilfsbereit die Frauen drängten, setzte er Murmelnd und siir sich hinzu: „Aber ich sage es ja! Wenn solche Kinder daran denken, sich «in Geschäft zu gründen!" Den Knecht hatte man in ein« Droscht« g«packt, langsam, in holperndem Schritte fuhr dieselbe dem ElisabetH-Krankenhause ia der Lützow-Straße zu. Züsam. meng «knickt lag er auf dem harten Polster, die Hände gegen die Knit gepreßt. Ein« roth« Feuernarb« lief über sein Gesicht, von der Stirn bi- an da» Kinn ein breites, gesengte- Mal, da- seine Züge fast bis zur Unkenntlichkeit entstellte. — Stumpflsinnig blickte er unter den -schmerzenden Augenlidern- gegen Vas Licht der Straßen laternen hervor. In seinem Kopfe war's wüst und verworren, er sah nichts als ein Feuermeer, das hin- uns her- und aus- und niederschwebte, und dazwischen hörte er eine Stimme, die ihm bis in -sein« Betäubung hinein mit laut«r Deutlichkeit geklungen hatte: »Der ist verschimpfirt für sein ganzes Leben. — Das wird er nicht mehr los, der arme Kerl." In den Häusern wurden die Tannenbäume angezündet; der blantke, blitzende Schein fiel bis auf die Trottoirs hinaus, und mitunter klang durch die verschneiten Fenlsterritzen ein abgerissener Liederton: »Ehr« sei Gott" »Heilige Nacht" ' Der Knecht hatte sich weit vorgelehnt, sein« Blicke suchten, tranken gierig den freundlichen Lichtschein. O, wie friedlich und groß ist die Heilige Nacht Und Wie elend daS kleine Menschenherzü Und auS seinen Augen fielen, unter den verschwollenen Lidern hervor, heiße, befreiende Tropfen auf seine Häikoe nieder. Thronen der Reue, ist der sein Herz sich jetzt wand, während er an daS Unglück zurückdachte, das er angerichtet hatte. Paul und Johanne standen vor seinen Augen, «ine schwär merische, unklare Zärtlichkeit, die fast Verzweiflung war, wie er sie schon einmal im Le'ben empfunden, packte ihn, — ein dumpfer Seufzer entrang sich seiner Brust, und während er krampfhaft die Händ« faltet«, flüsterte er: „Alle- wieder gut machen! Ich schwör'- Dir, lieber Goitü! In einer kleinen Seitenstraße auf Montmartre in Paris, im fünften Stockwerk einer großen, gelben Mirth-caserne, die mit ihren um alle Etagen der Front herumlaufenden, gegitterten Bal- conen sich ausnahm wie ein Riesenvogelbauer mit unzähligen Drahtvorsätzen, hatte der Artist Monsieur Jeröme Seitce mit seiner jungen, deutschen Frau Quartier genommen. Man sah von dem Ehepaare wenig; Monsieur Seitr« war Tags über im Belüdronn beschäftigt, wo er da« Training für seine Kunstrad- sahnen besorgt«, de- Nachmittag- übte er im »Salle EScotte" an seinen Experimenten, die er als »erster Jongleur der Neu zeit" dem Publicum deS Olympia-Theater- am Abend vorführte. (Fortsetzung folgt.)
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