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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991212026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899121202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899121202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-12
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V70H läriscke Lage haben uud möglicherweise recht unaugeuehm uud bedrückend sein. Jedoch se» absolut sicher, daß keine zeit weilige Niederlage den endailtigen AuSgang deö Ikriege» berühren könne. „Daily Cbronicle" findet, die Nieder lage mache starke Anforderungen an die Geduld, welche die Minister predigen, sie sei die schlimmste Illustration von dem unzureichenden KundschastSdienst und der Ausrüstung der englischen Armee. Man glaubt, daß die Detail- der Schlacht noch viel vernichtender sind, al» da-, waS da- Kriegs ministerium veröffentlicht hat und nimmt an, Gatacre werde pch nach Queenstown zurückzieben und sich bi« zur Ankunft der Verstärkungen auf die Bertbeidigung beschränken muffen. Ueber den Verlauf de- Kampfe- wird noch gemeldet: * Landon, 1l. December. AuS Moltrno eingetrossene Mel dungen besagen, Gatacre'« Truppen marschirten sieben Stunden, fortwährend au-gleitend und hinsallend, bi- sie das natürliche Bassin erreicht hatten, an dessen Ende sich die Hauptpositiou de« Feinde« aus Rooi Kop brsand. Der Tag brach an, und e« war ziemlich hell. Al» die irischen Schützen und Gatacre mit seinem Stab eben in die Thalsenkung rinbogen, eröffnete der Feind auf dem rechten Flügel unerwartet eia verheerende- Feuer. Auf di» Schützen folgten die Rorthumbrrlander und dir Füsiliere, den Rachtrab bildete dieArtillerir. Dir Colonne marichirte inBierrr-Zügen: trotz der Plötzlichkeit de« Angriffs entstand keine Confusion. Gatacre und dieOsficiere brachten dir Truppen mit großer Kaltblütigkeit in Ge- grsechtSausslellung, und der Kamps tobte; die Artillerie erreichte eine Position aus der linksseitigen Anhöhe; die Infanterie erklomm den Hügel, doch gerieth sie, oben angekommen, unter furchtbares Gewrhrseuer von drei Seiten und mutzte fliehen. Dir Artillerie deckte Len Rückzug. Nun brachten die Boerrn ihr« Geschütze den Höhruzug entlang und warfen meilen weit Granaten unter die da« Thal entlang fliehenden Truppen; sie schoflen vorzüglich und die Granaten crepirten stet dicht bei den Fliehenden. Schließlich eröffneten die Boeren von der Anhöhe, welch« die Strotze beherrschte, eia verheerende» Grwehrseuer aus die Fliehenden. Gatrace's HeereStrümmrr trafen 11 Uhr Morgen« in Molteno rin. Die Stärke des Feindes wird auf 6000 Mann geschützt in einer sactisch uneinnehmbaren Stellung. (B. L -A ) Nach dieser Schilderung und nach der im heutigen Morgendlalt mitgetbeilten muffen die Verluste Gatacre'- an Tobten und Verwundeten viel größer gewesen sein, al- er sie auziebt. Die Londoner Blätter verlangen einstimmig, daß die in Mobilisirung begriffene siebente Division unverzüglich nach Südafrika gesandt werde. Während so im Centrum de- Kriegsschauplatzes die Karten sich leicht übersehen lassen, ist die Situation am Modder-River nach wie vor unklar. Heute meldet man uns: * Lourenyo Marques, 11. December. Eine amtliche Depesche au-Pretoria besagt: Am Modder-River kam es gestern Abend zu einem Gefecht. General Cronje behauptete seine Posi tion und machte 5V Gefangene. * Da- sind mit den 672 bei Stormberg abgeschnittenen zusammen schon über 720. Wenn die englischen Truppen sich so leicht von den Boeren eScainotiren lassen, so werden in Pretoria, wo schon gegen 2000 Mann „Frieden im Krieg" spielen, bald mehr Engländer als Boeren sein. Leider ist auch auS dieser Meldung nicht zu erkennen, ob daö Gefecht am rechten oder linken Modderufer statlgefunven hat, aber jedenfalls war eS für die Boeren erfolgreich. Offenbar ist da- Gefecht identisch mit dem vom „Neut. r'schen Bureau" unterm 10. December auS Modder-River-Station gemeldeten, in welchem die Stellungen der Boeren vollständig demaSkirt und die feindlichen Geschütze nach einer Stunde zum Schweigen gebracht worden sein sollen. Tbatsäcklich handelt eS sich wieder um einen total verunglückten Versuch Lord Methuen'S, die feindliche Umklammerung zu durchbrechen. Bei Aruu-el, nördlich von Naauwpoort, scheint eS noch zu keinem weiteren Zusammenstoß gekommen zu sein, die Gegner stehen sich kampfbereit gegenüber und die Boeren warten, daß die eng lische MauS die ersten Bewegungen machen soll. Vor der sensa tionellen Nachricht aus Stormberg ist eine andere etwa« in den Hintergrund getreten, nach welcher die Boeren sich aus Taarboschlagde zurückziehen. Taaiboschlagde ist wohl identisch mit Taaibosch. Dieses liegt auf der Bahnstrecke zwischen Naauwpoort und de Aar. Also auch hier haben die Boeren sich schon festgesetzt und vielleicht ist unter ihrem Rückzug auf Taaibosch vielmehr ein Vormarsch gegen de Aar, der Operationsbasis Lord MethuenS, zu verstehen. In Kimberley und Mafeking ist — Alles wohl! Die Lage tn Ratal anbetreffend, schreibt der militärische Gewährsmann der „Frankfurter Zeitung": Ich habe nach wie vor die An sicht, daß General Buller nickt die Absicht hat, einen Front angriff zu versuchen. Die einzige noch in der Nähe CoteusoS stehende Fußgängerbrücke über den Tugela wird zweifellos zur Sprengung eingerichtet sein und von Len Boeren rechtzeitig gesprengt werde». Ei» Angriff in der Front wird, selbst bei der Uebermacht der Engländer, enorme Verluste verursacke». Nach dem „Broad Arrow" schätzt mau die Boeren am Tugela auf 12 000 Mann, während die Buller'sche Armer 23 000 Mann stark sein soll. Die weittragenden Boerengeschiitzr kann man durch nächt liche- Heranschieben der an Zahl weit überlegenen britischen Batterien erdrücken, sodaß ein Angriff in der Front immerhin, selbst bei Tage, schwer abzuscklagen sein dürfte. Die Zähigkeit, welche die Boeren aber bisher bewiesen haben, da» Gcsübl, daß man, wie auf dem westlichen Kriegsschau plätze, denselben Feind immer wieder zu besiegen babeu wird, lbut wobl ibr Tbeil dazu, General Buller zu einer Umgehung der festen Boerenstellnng zu veranlassen. Ob diese Umgehung von den Boeren rechtzeitig erkannt werden wird, da- ist eine andere Frage. Jedenfalls neige ick nach wie vor zu der Ansicht, daß General Bnller der erste englische Feldherr auf dem Kriegs schauplätze in Südafrika sein wird, der den Feind nicht frontal angreift. Sollte auch er diesen Fehler machen wollen, so wäre da- bisherige Stillstehen der Operationen in Natal absolut nicht zu erklären. Ten Boeren ist nur zu wünschen, daß, wenn Joubert wirklich den Oberbefehl wegen Un päßlichkeit abgeben mußte, sein Nachfolger nicht im jugendlichen KampseSmuthe sich zu einer Schlacht ver leiten läßt, die eine Entscheidungsschlacht d«S Krieges werden müßte, wenn die Boeren geschlagen würden. Großes Fclkherrntalent gehört dazu, zu erkennen, ob die Schlacht, zur rechten Zeit abgebrochen, weitere Erfolge verspricht. Joubert hatte diese- Talent. Er wußte einen siegreichen Vormarsch abzubreche», nur weil er vorauS- sab, daß die Erfolge aus die Dauer nickt zu behaupten sein würden. Dem jetzigen Boerensührer kann man nur wünschen, daß er am Tugela nickt den ganzen KriegSerfolg auf eine Karte setzt, sondern den Kampf durchführt, wie die Boeren- taktik eS vorschreibt — so wie Cronje den Kampf im Westen durchführt — daS heißt, den Feind schädigend und sich selbst schonend. Drei Jingo-Siege. L 6. London, lO. December. Wir haben heute wieder drei herrliche Siege erfochten, zwei afrikanische und einen englischen. Bei Belmont, nach andern bei GraSpan, ward der erste Sieg erfockten, erfochten von demselben General Metbuen, der nach «ngli'chen osfic>ellen und ofsiciösen Berichten seit acht Tagen alltäglich den Moddersluß überschritt uud seinen siegreichen Vormarsch gegen Kimberley fortsetzte, zwischen durch auch einmal Bloemfontein mit sofortiger Einnahme bedrohte. Wie Lord Methuen plötzlich nach Belmont kommt, nachdem er so mühselig durch drei blutige Siege sick die Babn über dieses selbe Belmont bis zum Modderstusse eröffnet, das unS zu sagen, bat kein einzige« der diesen Sieg bei Belmont »«kündigenden Blätter bisher zu erklären ver sucht. Gleichzeitig wurde indeß bekannt, daß die Com- niandanten Prinzloo und Delaraye am Mittwoch die Eisen bahn im Rücken Methuen'S, und zwar bei Spylfontein, dann bei GraSpan uud zuletzt diesseits Belmont gesprengt und gleichzeitig die Telegraphenlinien abgesckuitten bältcn. Die osficielle Melkung, welche diese Thatsacke bestätigte, trug indeß kein ossicielleS Datum, kam aber von der Oranjcfluß-Station: Beide- legt die Vermuthung nahe, daß die Verbindung mit Lord Methuen schon seit weit längerer Zeit, nämlich seit alle Nachrichten von ihm fehlen, thalsächlich unterbrochen war und daß wir jetzt erst von dieser seiner Jsolirung durch die Boeren hören, weil er einen „Sieg" am Mittwoch erfochten. Wie eS ihm möglich geworden, sich diese Lorbeeren bei Belmont zu holen, wird auch osficiell nicht aufgeklärt, dagegen meldete eine Privatdepesche, die oben erwähnten Boerencommaudanten, welche nach unseren früheren Mel dungen schon am Tage nach der Schlacht am Rietfluffe die Engländer im Süden und Osten umgangen hatten, am Mittwoch Lord Methuen angriffen und ihm Cronje in die Arme trieben, welcher seinerseits noch immer die Höhen auf dem rechten (nörd lichen) Ufer der Modder hält. Nur zwei Erklärungen scheinen für die Widersprüche der englischen Meldungen zulässig; entweder ist Lord Methuen'S CorpS, WaS nicht wahrscheinlich ist» zum schleunigen Rückzüge au^ seine OperationSbasiS, daS Lager am Oranjefluß, zurückzu gehen gezww gen worden, und hat sich dabei vor Belmont, mit den Waffen in der Hand, den Weg zum Oranjefluß erzwingen müssen, oder aber, WaS strategisch logischer erscheint, er selbst steht mit seinem HauplcorpS nach wie vor eingekeilt zwischen Riet und Modder und von den Feinden umschwärmt und beunruhigt, und der Kampf bei Belmont fand gar nicht zwischen Methuen'S Colonne, sondern jenen 4000 Mann der Brigade General Waugbope'S welche Methuen zu Hilfe eilen sollten und den Freistaatlern statt. Allerdings bätte in diesem Falle nach der officiellen Depesche de- Kriegsministeriums Metbuen seinem bedrängten College« eine Batterie Feldartillerie und ein Bataillon Infanterie zu Hilfe gesandt. Eine angeblich später aufgegebene Depescke wollte in gewohnt consuser Sprache glauben machen, dir Verbindung mit Methuen sei »ach diesem Kampfe am Mittwoch, ohne zu sagen wann, wieder hergcstellt. Aber ibr Schlußsatz lautet ausdrücklich: „NileS sendet eine Haubitzen- Batterie Methueu zu Hilfe, sobald die Eisenbahn offen." Letzteres war also uickt der Fall.f Nack alle dem bleibt indeß die einfache, aber bedeutsame Thatsache bestehen, daß die Boeren, welche der Correspovrnt der „Daily Mail" heute, al- fünszebntausend Mann tark, zwischen JakobSdaal und Spylfontein auf beiden Modder-Ufern stehen läßt, nicht im Entferntesten für die Straße nach Kimberley oder gar den Weg nach Bloem- ontein fürchten, sondern sich so stark fühlen, daß sie, ganz vie vorher bei Ladysmith, Lord Metbuen rinschließen, estbalten und gleichzeitig zwei starke CommanvoS in dessen Kücken nach Süden detachirea können, um sich dort der Bahnlinie zu bemächtigen und di« englischen Garden von ihrer OperationSbasiS und den nachgeschodenen Verstärkungen abzusckneiden. Der ganze Ernst dieser Lage tritt noch schärfer hervor in der Beleuchtung zweier weiterer undrmentirt gebliebener Meldungen, nach denen die Boeren die Brücke über den Oranjefluß bei PrieSka und die Pontonbrücke über denselben Fluß bei Bragboonder abge- scknitten haben, während zwei ihrer Colonnen die Stadt Hopetown und dir Brücke an der Oranjeftuß- Station selbst bedrohen. DaS erste dieser CommanvoS marschirt von Osten der, und zwar über Douglas den Fluß entlang, da- zweite kommt von Südwesten herauf. Und vom anderen Endpunkte der Operationslinie, von Kimberley selbst, kommt tzleichzeilig die mehr denn überraschende osficielle Nach richt, die Zahl der Boeren um Kimberley habe sich am 2. und 3. December bedeutend vermehrt. Ter zweite Sieg wurde bei Ladysmith erfochten. Wann, wird nicht gesagt, und die einzige Nachricht davon kommt au» dem Boernihauptguartier durch „Reuter" und lautet: „Die Briten stürmten und nahmen die Kopje auf LombardSkop weg, setzten eine große Creuzot und eine Haubitze außer Action und nahmen ein kleine-Maximgeschütz weg " Ein etwa- consuser Sieg, der sich aber dadurch erklärt, daß bei Reuter'- soeben allgemeiner Kehraus gehalten worden und die Leitung des Asrikadienstes dem bi-derigen Director Australiens über Nacht anvertraut worden; aber davon später. Die Boeren halten, nach wie vor, beide Ufer des TugelaslusseS besetzt und ibre Vorposten wechselten während der letzten Tage wiederholt Schüsse mit den Engländern bei Chieveley. Am 6. und 7. begann Joubert, der plötzlich wieder vor Ladysmith signalisirt wird, ein schweres Bombardement und angeblich einen allgemeinen Sturm (?) auf da» Lager General White'S, während der Correspondeut der „Mornzngpvst" ihn mit seinem ganzen Heere „von seiner Stellung südlich deS Tugelaflusses weiter gegen Frere vorrücken und ans einem Hügel im Süden ColensoS noch stärkere Positionen" beziehen läßt. General Buller erwartet offenbar einen sehr blutigen Kampf, denn er bat gestern pur orckrs sämmtlicke waffen fähigen Bewohner zum Felrpolizeidienst gerufen und weitere 2200 Europäer als Krankenträger requirirt. In Ladysmith herrscht eilet Freude und Jubel und rin humorvoller Corresponkent erzählt unS, wie die Belagerten die Ufer deS Blawkraiizspruit in ein „Seebad" verwandelt haben und sich dort vom Morgen bis Abend jubelnd nmber- lummeln. DaS stimmt nicht ganz mit dem schweren Bom bardement und dem Stnrm aus daS Lager, läßt sich aber wenigstens hübsch lesen. Reuter sagt, eS sei ihm gekabelt worden. Die immer wiederkebrende Mär von den sich zankenden Boeren und den kampfeSmüden Freistaatlern, die bereits in bellen Haufen zum Schutze Bloemfonteins davon ziehen, hat jetzt selbst den „Standard" zu einem ge harnischten Protest gereizt. Das konservative Blatt schreibt dazu: „Die Meinungen erfahrener Colonisten sind durch die Resultate deS Feldzuges bisher in keiner Weile bestätigt worden. Man versicherte unS, die Boeren seien Feiglinge, sie würden nicht kämpfen und nach dem ersten Gefecht desertiren und ruhig nach Hause ziehen. Die Transvaalburgherö sollten nach demselben Cvlonialerperten nicht bis znr Beendigung der Belagerung von Ladysmith Zusammenhalten, weil ihre Farmen ihrer bedürften. Alle diese Prophezeiungen baben sich nicht erfüllt und der Feind sich anstatt feige als tapfer und entschlossen kämpfender Gegner erwiesen. Der dritte Sieg ist ein keineswegs erfreulicher, weder vom journalistischen, noch vom allgemein politischen Stand punkte auS. Erfochten baben ibn die Jingos und zwar über daS Reuter'sche Bureau. Reuter war den JingoS noch lange nicht willig genug und ihnen rin Dorn im Auge, weil er eS offenbar für seine Pflicht hielt, sich nickt unbedingt von ihnen inö Schlepptau nehmen zu lassen. Eine Bestechung war bei dem hohen persönlichen Charakter des Chefs der Firma nicht zu denken, und so verfielen dieselben skrupelfreien Männer, welche diesen Krieg berausbeschworcn, auf daS zwar schmutzige, aber leider immer noch wirkungsvolle Mittet der Verleumdungen und Verdächtigungen. Monate hindurch wurden die Leiter deS Renter'schen Bureau» der Bestechlich keit geziehen und in positivster und direktester Form die Behauptung aufgestellt, Neuter'S Bureau sei von der Boeren-Regierung bestochen worden, um auch deren Nachrichten durch seine Canäle laufen zu lassen. Reuter hielt eS unter seiner Würde, auf diese An zapfungen zu antworten. Heute nun kommt die „Daily Mail" und meldet triumphirrnd, daß der persönlich ehrenwerthe Chef der Firma sick überzeugt habe, daß jene Anschuldigungen begründet gewesen, daß er deshalb das leitende Personal seines Asrikadienstes plötzlich entlassen und durch zuverlässige Leute ersetzt habe, deren England freundliche Gesinnung über allen Zweifel erhaben sei. Wa- dieser Triumph der JingoS vom Stand punkte der unparteiischen Presse zu bedeuten hat, braucht nickt erst hervorgehoben zu werden. ' Der Einbruch der Boeren in die Capkolonie. * Capstadt, 22. November. Die Boeren versucken jetzt mit schwachen Mitteln nachzubolen, WaS sie schon vor vier Wochen hätten im Großen thun müssen und zu aller Welt Erstaunen unterlassen hatten, nämlich den Einmarsch auf capländischeS Gebiet und den Aufruf der Bevölkerung ; um Aufstand gegen die englische Regierung. Ein Augenzeuge auS ColeSberg berichtet hierüber unter dem 15. d. M.: „Als wir unS beute Morgen erhoben, erblickten wir fast alle Höben um ColeSberg von Freistaat-Truppen besetzt. Kaum waren die ersten Sonnenstrahlen über dem Horizont er- ckieuen, als eine Abtheilung des Feindes langsam in den Ort einritt, vor dem MagistralSgedäude Halt machte und ick vom Bürgermeister die Schlüssel deS OrteS ausliefern >eß. Gegen 7 Uhr wurde die Freistaater Flagge auf dem Markte gehißt und der District als Freistaater Gebiet proclamirt. All dies geschah mit größter Seelenruhe und Gemüthlickkeit. Freuud und Feind schienen kaum einen Unterschied zwischen sich zu machen. Endlich versuchte der englische Magistrat eine Ansprache zu halten und murmelte o etwas wie „alle loyalen Unterthanen der Königin", kam aber nicht weiter, denn aus der versammelten Menge heraus brüllte eine Stimme: „Halt'S Maul, dies ist jetzt Freistaater Gebiet!" Und der gestrenge Magistrat hielt auch da» „Maul" ohne zweite Aufforderung. Die Menge ging auseinander und harrte der kommenden Dinge. Am nächsten Tage versammelte Commandant Grobler das Volk wieder auf dem Marktplatze und hielt eine ergreifende Ansprache. Die Zeit, sagte er, sei endlich gekommen, daS verhaßte englische Joch abzuschütteln; der Krieg sei ihnen ausgedrungen worden und es sei wobl Gottes Wille, daß sie um ihre Freiheit kämpfen müßten. Wer da znrückbleibe, der vergehe sich gegen den Willen deS All mächtigen. Dann entwickelte er in beredten Worten die lange Leidensgeschichte der Boeren unter britischer Herrsch sucht; er beschwor die Anwesenden, gemeinsame Sache zu machen mit ihnen, den Verwandten und Brüdern jenseits deS OranjestromeS. Hierauf verlas er den Annexions- erlaß des Präsidenten Steijn, dem zufolge alle Be wohner deS Distriktes, welche sich nicht der nenen Herr schaft anschlössen, das Land innerhalb von zwei Wochen verlassen müßten. Wer aber bteibe, müsse sich unter gewissen Bedingungen dem Heer der Verbündeten an- tchließen. Diesem Aufgebote zufolge ließen sick nach englischen Angaben auf der Stelle ungefähr lOO junge Boeren ein mustern. Grobler ernannte hierauf eine sechsgliedrige Re- crutirungScommission, welche ihre Werber von Ort zu Ort, von Farm zu Farm herumschickte. Nach Zeitungs berichten sollen dieselben bedeutende Erfolge mit der An werbung erzielt haben. Aebnlich verliefen die Okkupationen und RccrutirnngSunternehmungen auch in den beiden anderen von den Verbündeten befehlen Distrikten AliwalNorth und Albert (BurgherSdorp). Die englische Regierung hat eS nickt an einer Gegenproclamation fehlen lassen, worin sic den „Loyalen" Compensationen verspricht und den Hochver- räthern mit voller Schwere deS Gesetzes droht. Einstweilen fehlt ihr die Macht, ihren Worten Nachdruck zu verleihe«, denn daS ganze Gebiet nördlich von De Aar, Naauwport und Stormberg ist in den Händen der Verbündeten. (Frkf. Z.) Mr. Schreiner. * London, 9. Derember. Ueber den „Hamlet von Süd afrika" — Mr. Schreiner — bringen die „Daily News" eine ausführliche psychologische Betrachtung. „Unter den dramaiiichrn Personen in Südafrika", sagt das Blatt, „girbt eS keinen tragischeren Charakter als den Premier deS Caps. Deutscher durch Geburt, Engländer durch Erziehung und Holländer durch seine Stellung, repräientirt er in seiner Person rin Gemisch jener Elemente, die so stark am südafrikanischen Problem beteiligt sind. Schreiner bot in Deutschland und England Freunde und Ver wandte. Er ist Minister einer Königin, die mit Bcelen von Jenen, die ihm nabe stehen, im Kriege ist. Er wird von einer Partei im Amte gehalten, in der sich Viele befinden, die im Geheimen mit den Feinden der Königin gemeinschaittiche Sache machen. DaS ist ein Vorwurf für eine Tragödie. Schreiner selbst süblt da- sehr wohl. In einer Rede hat er sich selbst al- den Hamlet der gegenwärtigen Krisis bezeichnet. Die Dinge, meinte er, wären auS den Fugen ge bracht und eS sei ein Fluch, daß gerade er darnach trachten müsse, sie wieder zusammenzulelmen." Schwieriges Terrain. * Der militärische Mitarbeiter von „Blackwoods Maga zine" ist einer der wenigen englischen Correspondenten, der auf einzelne technische Beschwerden, die die Engländer in Südafrika zu überwinden haben, hinweist. So z. B. die Wege. Diese sind in Südafrika nickt- anderes als die Spur, die der erste Wagen, der die betreffende Richtung nahm, machte, und - Lausend Federn kritzelten, ein« Wolke von Blättern flattert« umher. Da wurde es plötzlich still um Isländer, bleiern still, und di« Lichter verlöschten. Qualvolle Angst packte ihn. Er rief nach Float, — griff nach ihm. Keine Antwort, die Hand blieb leer. „Hier, nehmen Si«!" Hutchinson's Stimme — „100 000, 200 000, 300 000." Er fühlte deutlich Bantnotenpäckchen in der Hand, ihre schlüpfrig« Berührung. Sie thürmten sich vor ihm. Einmal klang auch Gold. Die Stimme zählt« immer fort. „Eine Million — richtig?" „Ganz richtig!" Er steckte etwas in die Rocktasche — wollte nach dem nächsten greifen — da fiel sein Haupt auf den Tisch — ein GlaS fiel klirrend auf den Boden — die Gusla brauste. Isländer saß in einem Kahne, welcher in dem Schilf «ineS kleinen Weihers festgefahren war, und blickte gedankeiwerloren auf den weißen Schwan, der sich ihm bald mit lösender Beivegung näherte, bald mit seinen Flügeln das Wasser peitschend, die Flucht ergriff. Am Ufer des Weihers lag ein kleines schneeweißes Haus im griechischen Stile, von Buchen überschattet — sein Heim! Jahre hatte er auf Reisen zugebrachi, bis er endlich, beschwert mit allem erdenklichen Kram, ermüdet hierher zurückkehrte. Das Sammeln machte ihm Freud«, dieses ameisephaft« Zusammen tragen, und dann hatte er ja Eile, er war nicht mehr jung. Was sollte er denn anfangen mit seinem Reichthum? Er klebt« wie Pech an seinen Fingern, er mußte sich Mühe geben, ihn lv»- zubekmnmen. Rechnen, speculiren, Couponabschneiden, daS war ja noch entsetzlicher al» die Armuth. So arbeitete er im Schweiße seine» Angesicht», gönnte sich kein« Ruhe. Eine nervöse Hast, der geschmacklosen Welt daS Beste zu entreißen, erfaßte ihn. Doch kaum war er wieder in seinem neu erbauten Heim, kn seinem griechischen Tempel, kaum sichtete er sein« Errungen schaften, — da erschrak er zu Tode. Was hatte er denn da Alle» aufgelesen? Den reinsten Johrmarktskram, fast nicht» von «chtem Werthe, die aufgelegte Geschmacklosigkeit. Da hakte er zum Beispiel ein ganze» Zimmer voll indischer Altrrthümer, Götzenbilder, Thierfratzen au» Erz und Stein. Kostbare schwer« Teppiche, die Einem den Athem raubten, mit Elfenbein eingelegt« Möbel, aus die man sich nicht setzen konnte. Wa» hatte er denn nur mit Indien zu schaffen? Er hatte doch nur sein Talent verkauft um eine Million, aber nicht seine ge funden Sinn«, seinen Geschmack, sein Empfinden. Dann da» Hau» selbst! Eine übermalte Coulisse, «ine geist lose Nachäfferei, unwohnlich, kalt, nüchtern. Wa» gingen ihn denn die alten Griechen an? Ein behagliches Heim hätte er sich anschasstn sollen, einen gut besetzten Keller, eine gute Küche, lustige Genossen, da hätte Sinn darin gelegen. Ünd die Million war zusammengoschmolzen bis auf einen kleinen Theil. Gläubiger drängten, ein Stück nach dem anderen seiner Sammlung wanderte zum Händler. O, er hatte keinen Begriff vom Leben! Sich in diesem Sumpfe niederzulassen, mit Schwänen spielen, Naturkneipen. Was ist denn an dieser viel- aeciihmten Natur? Das haben nur die Künstler erfunden, diesen Natureultus. Das ist es aber, man macht viel zu viel Wesen aus der Kunst, sie ist nur das Zeichen einer dekadenten Zeit. Sie ist der Abend und unwiederbringlich folgt die Nacht. Isländer beugte sich, in diese verworrene Betrachtung ver sunken, wobei die letzten Jahre seines Lebens wie Guckkastenbilder an ihm vorüberzogen, über den Rand des Kahnes, eine Seerose zu pflücken, — da erblickte er sein Bild in der Fluth. Er er schrak. Das soll er sein? Dieser abgelebte Greis mit den müden Gesichtszügen, dem grauen Haar? Da hat man es wieder mit wem Reichthum! Freiheit! Selbstständigkeit! Er lachte bitter. Die Freiheit, sich körperlich und geistig zu ruimren. Dir Selbst ständigkeit eines Verlassenen! Wie war dos nur? Er fragt« den Alten dort unten im Wasser und plötzlich nahm er alte, bekannte, ganz jugendliche Züge an. Weißt Du noch in der Billa am Strome, im Rosen garten? Da arbeitetest Du an der „Insel der Seligen". Du warst zufrieden mit Deinem Werke, es war das beste! Die Brust war Dir geschwellt vom Schaffensdrang«. Das machte Dir viel Schmerzen, es war Dir zu enge in Dir. Du sehntest Dich nach immer freierem Genießen, nach höherem Schaffen und wußtest nicht, daß dieses Sehnen schon der Genuß war, der höchste Genuß. Da kam der Indier mit dem weißen Haar und Du gabst ihm Dein süße» Sehnen hin für einen Goldklumpen und deshalb bist Du verflucht in Zeit und Ewigkeit. Es klang wie ein Lachen au» der Fluth herauf. Da» Antlitz verschwand. Er beugte sich immer weiter hinaus, da» Wasser umspülte bereit» seinen Bart —da ertönte eine weibliche Stimme: „Vater! Vater!" Er richtete sich auf, Marie stand am Ufer mit flehender Ge- berde. Er ruderte an da» Land. Sie stieg zu ihm in den Kahn, setzte sich und streichelte ihm die Wangen. Und er erzählt« ihr pon dem Antlitz im Wasser und was e» Alle» gesprochen. „Kannst Du Dich noch erinnern, Marie? O erzähle! Erzähle!" Und Marie erzählte von einem Häuschen auf der Höhe, von einem Rosengarten, von einem Künstler, der gar Herrliche» ge schaffen. Drm die Natur »in offene» Buch, au» dem er immer neue wunderbare Märchen las, der allgemein geehrt war und ge liebt. Und Alles erzählte sie genau so wie das Antlitz im Wasser, nur viel ausführlicher, viel inniger, also mußte es doch wahr sein. Er aber lehnte sein Haupt an ihre Brust und weinte heiße Thränen der Sehnsucht nach Vieser schönen Zeit. Plötzlich ober hob sie mit beiden Händen sein Haupt und lachte ihn so lieb lich an. „Was weinst Du denn, Vater? Nur noch kurze Frist, und die zehn Jahre sind um, dann wandern wir nach dem weißen Schloß, zu ihm. Du giebst ilhm die Million, er giebt Dir Deig Genie zurück, und Alles ist wieder gut, lieb' Väterchen." „Aber er wird nicht wollen", wandt« Isländer «in. „WaS ist ein« Million für ein Genie! Er wird mich verlachen und weiter schicken." Da leuchtete es wie Morgenröthe auf Mariens Antlitz. „Er wird wollen, verlasse Dich auf mich. Er wird den Tag ersehnen, er wird von dem Thurmr auSblicken nach Dir, Dich wie einen Retter begrüßen, und dann — dann —" Mariens Stimme verklang in sanftem Geflüster. Er empfand nur eine unbestimmte Wonne. Die Wellen glucksten melodisch am Bug des Schiffes. Der weiße Schwan war in die Höhe geflogen und breitete seine zitternden Schwingen über Vater und Kind. Isländer entschlummerte im Arme Marien». — Schwarzes, geballt«» Gewölle jagte über da» nächtliche Firmament, an dessen Rand in schwefelgelben Streifen der Morgen sich emporrang über die weite, öde Haide, die der Sturm wind fegte. Er zerzaust« die verkrüppelten Eichen, die ihre knorrigen Aeste schüttelten, und beugte die geschmeidigen Weiden. Er wühlte in den langen, weißen Haaren eine» Mannes, der tiefgebeugt, von einem jungen Mädchen geführt, gegen sein Un gestüm ankämpfte, und lockte klagende Akkorde au» den Saiten der seltsam geformten Harfe, welche derselbe auf dem Rücken trug. „Nur Muth, Vater! Wir kommen schon noch zurecht", tröstete das Mädchen den Alten. „Der Morgen graut erst. Mittag sind wir im Schlosse, u^> alle» Leid hat ein Ende." „Was glaubst Du, Thörin, und hetzest mich über die Haide in solcher Sturmnacht. Käme ich mit vollen Händen, mit all' den schönen Päckchen, die ich damal» so gierig eingesteckt, auSlachen würde er mich: „Geh zum Teufel, wa» kümmert mich die alberne Million. Du Narr! Ich bin froh, daß ich eine lo» bin und fühle mich recht wohl in Deiner Haut." Ja, so würde er sagen, und nun komme ich al» Bettler, keinen gesunden Rock am Leibe, mit wunden Füßen und leeren, zitternden Händen! Soll ich ihm die Gutta geben, da» Harfenholz, da» un» ernährt seit einem Jahre? O, wirb er lachen! Wird er höhnen! Marie, kehren wir um. Ich werde es nicht hören können dieses furchtbare Lachen." Der Mann war Martin Isländer. Von all seinen Gütern, feinen Schätzen war ihm nichts geblwben, als di« indische Gusla auf seinem Rücken, die ihm das Leben fristete, und die qualvolle Sehnsucht nach seinem verlorenen Glücke, die den Verschmachten den immer vorwärts trieb an der Hand seines treuen Kindes. Auch jetzt folgte er wieder seinem innigen Zuspruch und schleppt« sich weiter, dem Sturme sich entgegenstemmend. Un unterbrochen tönte die Gusla auf keinem Rücken. Sie nahm selt same Stimmen an. Plötzlich hielt Marie ihn am Anne. Er blieb stehen. Zu seinen Füßen lag der Fluß, daS Dorf mit seinen schwarzen Mauern, und dort — im Glanz« der ausgehenden Sonne — das weiße Schloß. Isländer stützte sich auf seinen Stock und starrte auf das fremdartige Gebäude, das ihn anmuthete wie ein ver worrener Traum. Das war akso sein Werk? Diese zusanrmen- geiflickte Narrenburg? Er lachte, daß ihm di« Thränen herunter liefen, dann faßt« er sich plötzlich an die Stirn — er war ja der Narr. Wie konnte er denn j«ht noch begreifen, wa» er damals ge schaffen, in der Bliikhe seines Geiste», er, der stumpfe, enterbie Bettler. Mühsam erhob er sich. „Komm', Marie, führen wir eS zu Ende. Ich habe e» ja nicht besser verdient. Vielleicht kannst Du ihn rühren. Deine unschuldige Jugend, wenn ich r» nicht vermag." Langsam schritten sie hinab in daS sturmgesicherte Thal, an emsigen Landleuten vorbei, die dem Spiolmann nachsahen am Arme deS Kinde». Sie gingen über die Brück«, betraten den Park. Die Caicaden sprangen lustiger al» je. Ueberall prangten die farbigsten Blumen, Rosendust erfüllte die Lust, und plötzlich drang frohe» Kinderlachen an ihr Ohr. Ein Knabe und ein Mädchen haschten sich an ihnen vorbei durch di« Büsch«. Vor dem Thore hielt ein Reitknecht rin gesatteltes Pferd am Zügel. AuS einem offenen Fenster drang weiblicher Gesang, der Ton eine» Elavier». Kräftiger PulSschlag deS Leben» überall. Isländer zitterten die Kni«. Der Eontrast de» Jetzt mit dem Einst sagte ihm Alles, vernichtete jede Hoffnung in ihm. Er allein war der Betrogene, der Andere der Glückliche, der seinen Raub nimmer herauSgoben wird. Ja, e» war «in Raub, ein gemeiner Raub, im Rausche an ihm verübt. (Fortsetzung folgt.)
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