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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189911191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18991119
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18991119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 8972-8975 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-19
- Monat1899-11
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1899
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Druck und Verlag do» L. Pol» in Leipzig. 93. Jahrgang. Sonntag de» 1 November 1899. 58V. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/r? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Anzeigen-Prets die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsftrich (4an spalten) LO/^, vor den Familiennachrichtea sLgespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem P«i-- verzeichniß. Tabellarischer und gisserasatz nach höherem Tarif. Redaktion und Expedition: LohanniSgasse 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Avnahmeschtllß frir Anzeigen: Abeud-Au-gab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen find stet» an di« Expedition zu richt«. Filialen: Dito Klemm's Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Loni» Lösche. Aatharinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7. Parteilieder" wären genug ba den Kritiker der »Sachs. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l 80.—, mit Postbeförderung >4 70.—. L -m -m- ^dm!" °°n""wT» mch^-77eu B'yer°n' m suchen AN vÄÄtenreckun^ - L würde durch einen solcken Modus erbeblich benacktbeiligt werden. Sollte jenes Verlangen von der Besorgmß vor etwaigem FloitenenthusiaSmus der bayernchen Klerika en em- aeaeben sein, so hätte es auck keinen Smn. Die bayerischen C-ntrumsmitgli-d-r haben mit einer -.nz'g-n Ausnahme schon gegen daS jetzige Flottengesey gestimmt und Herrn Schävler's Auslastungen in der Münchner Kammer tasten aus Alles eher als eine Sinnesänderung schließen Wenn der Nationalsociale Naumann Recht batte, Ware freilich an Flottenbekehrung Alles möglich. Dieser Herr meint die Socialdemokraten müßten eigentlich, sckon wegen der sicheren Lohnerhöhungen, für die Flotte eintreten, »und sie würde» cS auch thun, wenn es keine Zuchtbausvorlage gäbe". Glaubt daS der Mann? Wir glauben, nein. Der »Vorwärts" bezeichnet sogar noch die nationlliberalen An träge zum Arbeitswilligengesetz, obwohl sie die Beseitigung des Verbindungsverbotes für dir Berufsvereine und eine starke Erweiterung der EoalitionSfreiheit enthalten, als eine nationalliberale „Brutalität", ein »halbes Zuchtbausgesetz". In Wirklichkeit bieten diese Anträge das, womit der Bundes rach mit sicherer Aussicht auf Erfolg vor den Reichstag Härte treten können, eine Perbinterung des Mißbrauch« der EoalitionSfreiheit unter sorglicher Wahrung, und, wie gesagt, Ausdehnung dieser Freiheit. Jetzt, nachdem die Karre ver fahren, ist kaum noch Hoffnung vorhanden, in Verbindung mit den Anträgen mehr zu erzielen, als die Erbringung des Beweises, daß die nationalliberale Partei durch diese Frage nicht im Mindesten an ihrer Einigkeit gelitten hat. DaS Eentrum in seiner übergioßen Mehrheit empfindet so gut wie irgend eine andere Partei die Schutzbedürftigkeit von Arbeitswilligen gegen einen vor Aechtung, vor Verurtheilung von Arbeitern zum Hungeriode nickt zurückschrcckenden TerroriSmu«, und gerade Centrumsblätter haben in neuester Zeit nicht mit schlimmsten Erfahrungen zurückgehalten, die katholisch organisirte Arbeiter wegen dieser Eigenschaft machen mußlen. Aber das Centrum weiß, daß die Arbeiterschaft jetzt von keiner Action in dieser Richtung etwas wissen mag, und ist zu feig, den Arbeitswilligen wider ihren Willen unter die Arme zu greifen. Tb eil im Parteiinterefse betreiben, weiß man längst. Auch die »Sachs. Arbeiterztg." erkennt dieS an, indem sie von dem Concertprogramm deS Dresdner Arbeitersängrrbunde» sagt, „Freibeitslieder" und gewesen. Aber das hat ... Arbeiterzeitung" noch nicht zufriedengestellt; er schreibt: „Ich backte, die Weltanschauung deS Prole tariats müßte sich auch in der Kunst deS Proletariats widerspiegeln, auch in den Liedern, die nickt dirrcte Beziehung zu seinen Leiden und Kämpfen haben. Die Weltanschauung deS Proletariats aber hat nicht» gemein mit träumerisch-rührseligem Empfinde!» oder mit naiver Kinderfibelbegeisterung a» der lieblichen Natur, beides doch nur eine Flucht auS dem Katzen jammer der Wirklichkeit. Sie ist tiefer, größer und Kerber, der Wirklichkeit zugewandt, freier und hoffnungS- frcudigcr, selbstbewußter, männlicher!" — All' diese schmückenden Beiworte, die der Kritiker der »Sächsischen Arbeiterzeitung" der Weltanschauung deS Proletariats giebt, können über das eigentlich von ihm erstrebte Ziel nicht binwegtäuschen: eS besteht in der Absicht, zu verbüken, daß dir Arbeitergesangvereine durch ihre Concerte die Zuhörer auch nur ein wenig von der verbisseuen Stimmung des Elassenkampfes befreien, in welche die social demokratische Presse und die socialdemokratischeo Agitatoren ihre Anhänger Tag für Tag hineinhetzen. Deshalb nennt die „Sächs. Arbeite, ztg." Heimaths-, Liebes-, Frühlings- und Sommerlieder »träumerisch-rührseligesEmpfindeln" und »naive Kinderfibelbegeisterung". Solche „Naivetät" steckt indessen auch den deutschen Arbeitern so tief im Blute, daß der Kritiker der „Sächs. Arbeiterztg." in absehbarer Zeit daran nichts ändern wird. -4- Berlin, 18. November. (PartikulariSmuS und preußisches Centrum.) Die Anwesenheit deS Corvetten- kapitänS von Heeringen in München und die falsche Nack- rickt von der bevorstehenden Reise deS Staatssekretärs Tirpitz nach der Hauptstadt Bayerns benutzt die „Köln. Volks zeitung" zu einer Aufreizung deS PartikularismuS, die von ähnlichen Leistungen allbayeriscker, welfi'cher rc. Organe nur durch jesuitisches Raffinement sich unter» scheidet. Unbekümmert um die Erklärung keö bayerischen Ministerpräsidenten, daß Bayern rechtzeitig von den Flotteiiplänen unterrichtet worden sei, zeigt sich die »Köln. VolkSztg." von dem Glauben durchdrungen, der Prinzregrnt und die bayerische Regierung seien erst nachträglich über die Flottenvorlage aufgeklärt und um ihre Zustimmung an gegangen. Die „Köln. VolkSztg." spricht sodann die nach der bekannten Erklärung deS bayerischen Ministerpräsidenten doppelt haltlose Vermntbunz auS, daß Bayern seine Un zufriedenheit mit dem Flottrnplaoe, wie mit der „ganzen Behandlung" der bundesstaatlichen Regierungen" deutlich zu erkennen gegeben hätte. Nun zweifelt das rheinische CentrumS- blatt trotzdem an der schließlichen Zustimmung Bayerns vor sicktigerweise nicht; aber eS fügt hinzu: »Man würde in Berlin wohl eiwaS vorsichtiger sein, wenn die Einzel regierungen sich nickt so willig in da» Vasallen- verbäliniß hineinfänden." — Dergleichen war in der specifisch bayerisch-particnlaristischen Presse schon uozäblige Male zu lesen, ohne baß auck nur ter Schatten eines stichhaltigen Beweises dafür erbracht worden wäre. Aber die »Köln. VolkSztg." begnügt sich mit der Aufreizung deS bayerischen ParticulariSmuS nicht. Vielmehr verwendet sie die angeblich Bayern verspätet erwiesene Höflichkeit — gemeint ist damit der gar nickt iu Frage kommende Besuch drö Staatssekretärs Tirpitz — zu dem Versuche, dir uickt- bayerischen Bundesstaate» gegen Preußen zu verstimmen. In Stuttgart, Dresden u. s. w. soll man, so versichert die »Köln. VolkSztg.", dasselbe Reckt baden, wegen der lleher- raschung in der Floltenfrage verstimmt zu sein, wie in München. Da eS nun dem Staatssekretär unmöglich wäre, an allen Höfen über die Flottenplane Vortrag zu halten, hätten Wütltemberg, Sachsen u. s. w. als »übergangen" ein Reckt zur Verstimmung! Also obwohl dir »Kölnische Aus der Woche. k'ait accompli! Der Kaiser befindet sich auf der Fahrt nach England und damit muß man sich eben abfindeo. Einen zwingenden Grund zu dieser Reise hatte da» deulscke Volk trotz vfficiöser Bemühungen bis zuletzt auch nicht in dem Umstande zu erkennen vermocht, daß daS Reicksoberbaupt einer vor längerer Zeit angenommenen Einladung Folge leistet. Die Zusage, der Königin Victoria im November einen zur zur Zeit der ersten Einladung für unthunlich erachteten Be such abzustatten, war ohne Zweifel in der Voraussicht gegeben worden, daß der deutsche Kaiser in der Lage sein werde, ein mit aller Welt im Frieden lebendes Großbritannien die Ehre seiner Anwesenheit theilhaftig werden zu lassen. Heute führt England einen Krieg, den kein unabhängiger Mann und keine freie Feder in Deutschland als einen gerechten ansieht. Allein in der Zwangslage, iu die die öffentliche Meinung nun einmal gebracht ist, muß sie sich bemühen, dem Unabwendbaren die besten Seiten abzu gewinnen. Da findet sich nun der nicht allzuzezwungene Trostgedanke ein, daß ein Besuch zur Zeit der diploma- tisck en Verwickelungen Englands mit Transvaal, die schon weit gediehen waren, als die Königin um den Besuch des Kaisers bat, die Entschließungen des kleinen Boerenvolkes hätten beeinflussen können, während heute die Kanonen eine durch die Zuiammenkunft in Windsor unbeirrbare Sprache sprechen. Auch aus der ursprünglich in Abrede gestellten Tkeilnahme deS Grafen von Bülow an der Reise saugt jetzt Mancher den Honig der Hoffnung, der politische Ge schäftsmann werde englische Versuche, „familiäre Beziehungen" geschäftlich auSzubeuten, vereiteln helfen. Im Grunde aber sind diese und andere Erwägungen Sophismen, ausgeklügelt, um das schwere deutsche Herz zu er leichtern. Die direct und indirect bonorirten Febern mögen schreiben, was sie wollen: den Kaiser begleite» Be sorgnisse um die Zukunft, die von den. Sym pathien für die um ihr Dasein ringenden Niederdeutschen in Südafrika ganz unabhängig und durchaus deutschegoistisch sind. Die Schmeicheleien und Heucheleien, in denen sich die englische Presse ergebt, lassen auf kluge An schläge der angelsächsischen Machthaber schließen, und es ist schwer, die Erinnerung an den einst über den Canal herübergebrachten Verzicht aus Zanzibar und Witu zu bannen, der jedoch ein Nickt- sein würde im Vergleich zu einer Verschiebung der europäischen Constellation, wie sie — doch wohl nickt ganz „akademisch" — am Tage der Abreise des Kaisers von Berlin von der „Nat.-Zta." als eine Möglichkeit erörtert wurde. Dieses Blatt hat den Reiseplan des Monarchen niemals bedauert, eS weist auch heute schroff die Ansicht zurück, der Besuch hätte nicht erfolgen sollen, weil seine Bedeutung durch Zwischenträgereien entstellt werben könnte, aber eS schreibt: ,.Jn England ist man nicht so kurzsichtig, um mit der Möglich keit späteren Eingreifens Rußlands, sowie seines Verbündeten Frankreich, das ohnehin antienglijch gestimmt ist, nicht zu rechnen. Was läge da näher für englische Staatsmänner und die englische öffentliche Meinung, al- der Wunsch, de» deutschen Reiche- al- eontinentalen Verbündeten sicher zu sein? Aber gleichviel, welcher Preis uns Lasur geboten würde, er könnte uns nicht veranlassen, selber den continentalr» Krieg um die Existenz Deutschlands auf zwei Fronten herau-zuforder», den wenn möglich, zu verhüten die Opfer für unser Heerwesen seit zwei Jahrzehnten gebracht worden. Nicht nothgedrungen sür die nationale Existenz Deutschland- würden wir dann gleichzeitig gegen Rußland und Frankreich zu fechten haben, sondern in erster Reihe sür englische Interessen, wobei aber die nationale Existenz Deutschlands gleichzeitig auf dem Spiele stände. Andererseits hat eS nicht an Anzeichen, namentlich in der französischen Presse, für da- Bemühen gesehlt, Deutschland günstig sür ein Zusammengehen mit Rußland und Frankreich gegen England zu stimmen. Es giebt in Frankreich noch immer Leute, wrlche un» zutrau«, daß wir nur auf eine europäische Verwickelung warte», um über Frankreich herzusollen: diese Politiker mögen sogar eine Sicherheit hiergegen zu bedürfen glaub«, um ihrer Abneigung gegen England die Zügel schießen zu lassen, und de-halb auf ein« StellnagnahmeDeutschland- gegen England al» Voraussetzung einer ungehiaderten französisch . russischen Action hinarbeitrn. Verbreiteter ist aber in Frankreich bei derartigen Be- mühungrn jedenfalls der Hintergedanke, daß der Verlauf einer Welt verwickelung sich niemals vorhersehen läßt, daß die Theilnehmer an Coa- litionen der Mächte schon manchmal am Ende auf einer andern Seite standen, al- am Anfang, und daß sich so dir Gelegenheit ergeben könnte — Elsaß-Lothringen durch Waffengewalt oder ver- mittelst einer Lompensatiou, die man jrnseit- der Vogesen ja immer noch für möglich hält, zurückzuerhalten. Käme »S zu Eonflictrn, wie die Eonjecturalpolitik sie ausmolrn kann, so würden wir als Bundesgenossen England- die Heere Rußland» und Frankreich- auf unsere O st und We st grenze ziehen, als Alliirte deS jetzigen Zweibundes aber zunächst die Flotten Englands auf unsere Häfen und Küsten, sowie auf unsere überseeischen Besitzungen, und nachher vielleicht doch auch einen Landkrieg im Westen zu führen haben. Diese Grundzüge einer CoalitionS-Politik der einen oder anderen Art sind zu klar, als daß, so scheint un», deutsche Staatsmänner Ver- langen tragen könnten, da» Eintreten einer dieser Constellationen durch Abmachungen nach der einen oder anderen Seite hin irgend wie zu erleichtern." So die, wie anerkannt werden muß, in Fragen der aus wärtigen Politik nicht leicht ein überflüssiges Wort redende „Nationalztg.", der wir übrigens zustimmen, wenn sie sagt: „Wir wollen in aller Gelassenheit der Berichte über den Aufenthalt deS Kaiser» in England harren." Dies aller dings mit dem einschränkenden Ausdrucke der Meinung, daß sich etwaige in Windsor vo» Deutschland herbeigcführte Arnderungea der europäischen und der Weltlage auch erst geraume Zeit nach der Rückkehr erkennbar machen könnten. Hat der Gedanke, daß wir mit der größten Seemacht der Welt in intime Freundschaft gerathen könnten, vieles Bängliche, so steht doch daS Eine nicht zu befürchten, daß der Glaube an den Verlaß auf die Briten die deutsche Flottensache schädigen könnte. So naiv, englische Gunst auf den Wertd auch nur eine» alten Kreuzers zu schätzen, ist in Deutschland Niemand mehr, und so skrupellos, eine solche oder gar eine noch weitergebende Rechnung aufzumachen, sind höchstens noch Leute, die ohnehin keinen Schaden mehr anrichten können, wie z. B. Herr Richter und die Braven von der Süddeutschen Volkspartei. Deren Hauptoraan, die „Franks. Ztg.", die, so lange »S sich nur um ein „Problems" handelte, den durch die Au-dehnung de» überseeischen Handels Deutschlands be dingten maritimen Bedürfnissen die Anerkennung nicht versagte, knüpft jetzt, da e» sich um die Uebertrumpfung der württem- bergischen volk-parteilichen Concurrenz bandelt, an ihre besten AntiseplennatSüberlieferungen an. Da« Blatt ist sehr erregt über den eben erschienenen trefflichen Aufruf sür eine starke deutsche Flotte und den Plan seiner Unterzeichner, Vorträge zur Auf klärung de» Volkes über die Nothwendigkeit einer Verstärkung der Seewehr zu veranstalten. Zwar hat die „Franks. Ztg" die Gewogenheit, Männer wie v. d. Goltz, Wilhelm Raabe, Schmoller, Sohrn, Lamprecht, Marck» u. A. nickt in einen Topf mit Herrn Schweinburg zu werfen und ihnen sogar da» Zeugniß achtbarer Persönlichkeiten auszustellen, aber, meint die „Franks. Ztg.", da« sind Leute, die gerade von Marinefragen am wenigsttn „Kenntniß haben". Herr Sonnemann und Seinesgleichen können allerdings leicht mehr vom Meere verstehen. Sie erfüllen, wir Wenige, die Voraus setzungen, unter denen man fick geraume Zeit deS JahreS in den verschiedensten Seebädern zwischen Badekarren und Strandkörben die Autorität zur Beurtbeilung von tcck- nischen und politischen Marinefragen erwerben kann. Auf der andern Seite haben dir Unterzeichner de» Aufrufs ein stärkere» Interesse an der Integrität der deutschen Be sitzungen, al» der früher nachweislich gut französisch gesinnte Bezugs-Preis kn bcr Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierlestährlich 6.—. Direkte tägliche Krruzbandiendung in» Ausland: monatlich ^ll 7.50. Deutsches Reich. Leipzig, 18. November. Die (Socialdrmokralie und die Arbeitergesangvereine.) Die „Sächs. Ar beiterzeitung" veröffentlicht über eia vom Arbeitersänger bunde Dresdens gegebenes Concert eine Besprechung, auS der hervvrgeht, daß die zielluwußten Socialdemokraten nicht lieber sähen, als wenn die Geiangvereine der Arbeiter sich ausschließlich in den Dienst der Partei stellten. Daß die Arbeitergesangvereine die Pflege des Gesanges zum großen WpMer TliglRE Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Natizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Er zuckte zusammen. Halle es nicht eben draußen geklingelt? Gewiß. LS war freilich alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß es der Briefträger war, der eine Ansichtskarte oder die Drucksachen einer GlückScolkctr brachte, der Abonnentenscunmler einer Zeit schrift, ein hausirender Clavierstrmmer, kurz Alles, nur kein Pattent. Aber der juntz« Arzt spitzte doch die Ohren und sah erusgervgt nach der Thür. Dl« ging auch richtig auf und Frau Fathke huscht« herein, die akte Auftvärkrin, die mit ihrem schwarzen Wollkleid« und der großen weiß« Schurze darüber einen so vortrefflich medi- cintschen Eindruck machte. „Herr Doctor", raunte daS Weiblein aufgeregt, „et is Len«r da! Drüben sitzt er, ins Wartezimmer." „So?" fragte der Arzt mit halblaut«! Kehlstimme. Der Patient im Wartezimmer sollt« ihn nämlich mit Jemandem reden hären, ohn« das Gespräch verstehen zu können. „Wohl ein Ar beit«?" „K«ine Spur, Herr Doctor!" antwortete die Alte ebenso. Frau Fathke war ein« kkug« Frau und merkte sofort, waS ihr Herr wollte. Si< schiwerte daher auch den Hilfesuchenden in längerer Red«. „Ein pikfeiner junger Herr is et. Un 'n« wichtige Sach« muß et schon sind, denn «r war janz kribblich, der junge Herr, wie er mir fragte, ob der Herr Doctor zu sprechen wär«. Und 'n Nerzpelz hat er im Borzimmer uffjehängt, un 'm Roochrsse, fein, sag' ick Ihm», Herr Doctor!" ES war eigentlich unverschämt von der Alt«n, daß sie dir auf die Wohlhabenheit de» Ankömmling» deutenden Umstände mit solchen Lobpreisungen hervorhob, al» wäre der Herr Doctor da ein versirter Kümmelblättchenspieler und fie sein „Schlepper", vr. Bergmüller aber wurde in dem Hoffnungltaumel, in den ihn die Ankunft eines wirklichen Patienten, obendrein eine» au- der guten Gesellschaft, versetzt hatte, dieser Unverschämtheit offenbar nicht inne. Er ließ Frau Fathke reden. Die schwatzte denn auch in dem halblauten Ton«, der dem im Wartezimmer Harrenden als das bedrückte Gemurmel einer ihre Leiden klagenden Kranken erscheinen mußte, eine ganz« Weile fort. Dann schien es dem Herrn Doctor genug. Er schickte di« Aufwartefrau hinaus, öffnete die Thür zum Wartezimmer und sagte in möglichst gleich- giltigem, geschäftsmäßigem Tone: „Drr Nächste, bitte!" Der junge Herr, der auf di« Einladung in der Thür erschien, übertraf durch seine Erscheinung selbst die beredten Lobpreisungen Frau Fachtr's. l)r. Bergmüller sah auf den ersten Blick, daß er ein Exemplar der allerechtesten jounesss ckorös vor sich hatte. Der Anzug stammte offenbar au- dem Atelier eines Londoner Meisterschneiders, in der weichen Hemdenlbrust funkelte ein sehr ernst zu nehmender Brillant, in dem noch ziemlich frischen Ge sicht über dem hohen Umlegekragen war der gewisse blastrt hoch- müthige Millionörszug nicht zu verkennen. WaS in aller Welt konnte dieser Mensch von einem völlig unbrkannten jungen Arzt« wollen? Der junge Herr hatte unterdeffrn auf Bergmüller'» einladende Handbewegung in einem Armyuhle Platz genommen und begann nun ein wenig.näselnd zu sprechen: „ES rst ein« ungewöhnliche und schwierig« Angelegenheit, Herr Doctor, ,n der ich komm«. Ich müßt«, hm, auf Ihre Di»- crrtron rechnen können. Al- Gegenwerth würd« ein fürstliche» Honorar..." ' ' c Vr-Bttginüller, der zu verstehen glaubt«, schnitt dem Br- facher mit einer energischen Handbewegung da» Wort ab. „Ehe wir weiter reden, Herr . . ." „. . . Meyer, wenn ich bitten darf" „Also nehmen wir an, Meyer. - Er soll Vorkommen, daß kurze Zeit nach ihrer Niederlassung Zumuihüngtv ^"dtn, bei denen man darauf rechnet, daß der enge G Kautel ein weite, Gewissen macht. Wenn Sie etwa« der- art»g«s ,m Sinne haben, müßte ich Sie bitten, weq-uaehen ohne würde Sie, sobald Sie die Sach«' aus gesprochen hatten, hinau»werfen.' Der junge Herr Meyer hörte sich die Harken Wort« mit einem leisen Lächeln um die Mundwinkel an. „Hm, höflich sind Sie gerade nicht, Herr Doctor", antwortet« «r mit einig» Ironie. „Mer da» ist mir lieb. Es beweist mir, daß ich es mit einem Ehrenmann« zu thun habe, auf den ich mich dann im Puncte der DiScvetion verlaffen kann. Was Sie übrigen» für eine prächtig« Tiefquart im Gesicht haben, Herr Docwr! Die wird so hübsch roth, wenn Si« sich ärgern . . „Herr!" brauste Bergmüller nun auf. Wollen Eie mich an- ullen? Was geht Sie meine Tiefquart an?" „Oh — sehr viel", antwortete Herr Meyer ruhig. „Ich möchte nämlich auch so eine Hoden." Die wuchtige Gestalt des Herrn Doctor- fiel fast au- dem Armstuhle vor Erstaunen. „Nanu! ... Und da komm«» Sie zu mir? Gehen Sie doch einfach unter den Linden o.er in der Friedrichstraße spazieren und rempeln Sie den nächsten Eouleurstudenten an. Wenn Sie dann mit dem Gesicht pariren. . ." „Das kann ich «ben nicht, Herr Doctor! Ich, hm, ich bin ein principiellcr Gegner de» Du«ll-, und dann ... ich hab« so schwache Nerven ... ich kann kein Blut sehen ... da dachte ich denn, auf operativem Weg«, in der Narkose natürkich, schmerz los . . ." vr. Bergmüller hatte di« größt« Müh«, nickt kaut heraus- zulachen. Im Kampfe mit seinen Lachnru-keln schnitt «r ein so bedenkliche» Gesicht, daß Herr Meyer eilig hinzvfiigtr, um rin«r Ablehnung vorzubeugen: „Er hängt sehr viel davon ab für mich . . . HeiraHs- projecte. . . Di« Fonrikien find sehr dafür. . . . Di« junge Dam« alber, so'n bi»ch«n romantisch, schwärmt für Ritt«rltchkeit und so weiter. Wenn ich zu Weihnachten mit einem gediegenen Schmiß im Gesicht noch Haus« komme, macht sich» vielleicht. Ich würde auch fürstlich honoriren. Fünfhundert Mark..." Eine kleine Stunde später verließ der junge Mann die ärzt lich« Stätte, die er gesund und heil betreten hatte, mit einer so Fonilletsn. Der Kenommirschmiß. Von Gustav Johanne- Krauß (Groß-Lichterfelde). Slachdiuck »«ldrlea. Herr vr. weck. Arnold B«rgmüller saß in seinem Sprech zimmer so mutterseelenallein, wie eben junge Aerzte in ihren Sprechzimmern zu sitzen pflegen. In seinem hübsch«», männ lichen Gesicht drückt« sich tiefe Empörung au», mit den Zähnin knirschte er, daß e» nur so krachte. „Verflucht! Schon wieder kommt Keiner! Und in acht Tagen ist der Erste. Mieth«, Möbelfritze, Aufwärterin . . ." Er riß erst di« alte, silberne Uhr aus der Westentasche, die sich an der feinen Goldkeite ausnahm, wie ein abgerissen«! Tag schreib«! am Arm« einer in S«ide raschelnden Börsianer-gattin, und sah nach der Zeit. Dreidierkl fünf schon. In fünfzehn Minuten war seine „Sprechstunde", dies« tägliche Stund« tröst- losester Einsamkeit, die er mit grimmigem Humor seine „Selbst- gcsprächstunde" nannte, vorüber, ohne daß auch nur der berühmt, Hund, der mit seiner gebrochenen Pfote zum Arzt humpelt, an der Thü, gekratzt hätte. Gestern und vorgestern war e» gewesen wie heut«, und morgen und übermorgen würde «» auch so sein, do war hundert gegen ein» zu wetten. vr. Bergmüller seufzt« tief auf und zog sein« Geldbörse. Im Nickelfach Groschen für beiläufig eine Mark, im Silberfach zwei Thaler und ein Fünfzig-Pfennigstück, in der Goldabtheilung eine einsam« Doppelkrone. Der junge Mann schüttelte betrübt den Kopf. „Da kann ich am nächsten Ersten den letzten schäbigen Rest meines Erbtheils von der Bank abheben", murmelte er. „Und dann? . . . Arm« Klara! Aber ein solches Pech auch!!"
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