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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010119022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901011902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901011902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-19
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472 solch« dir Berathung beginnen kann. In dieser Hinsicht ist es nicht ohne Bedeutung, daß Graf PosadowSky zu Beginn und zum Schluß seiner Auskunft nachdrücklich besonders hervorhebt, wie der Herr Reichskanzler die möglichst schleunige Vorlegung dieser Gesetzesarbeit wünscht. Das wird hoffentlich an denjenigen süddeutschen Stellen gehört, wo die Prüfung der ein zelnen Positionen und der handelspolitischen Bedeutung des Entwurfes anscheinend derart gründlich beabsichtigt ist, als ob die gegenwärtigen Handelsverträge erst nach einem Jahrzehnt ab laufen würden. Hören die Regierungen das, waS der Herr Reichskanzler so dringend wünscht, und suchen sie diesem Wunsche zu entsprechen, so kann der Entwurf des Zolltarifes gleichzeitig mit den calculatorischen Arbeiten des Reichsschatzamtes Anfang nächsten Monats an den Bundesrath gelangen. Dann ist es in der That keine Schwierigkeit, den Entwurf im Frühjahr noch an den Reichstag zu bringen. Den preußischen Conservativen, die gleichzeitig den Canal bewilligen sollen, wäre damit jeden falls ihre Stellung wesentlich erleichtert. Der Streit zwischen den Vereinigten Staaten und Venezuela verschärft sich, weil die venezuelanische Regierung zwei Amerikanern gehörende Dampfer der Orinoco-Gesellschast mit Beschlag belegt hat. Amerika hat darauf mit Entsendung eines weiteren Kriegsschiffes geantwortet. Der Conslict erfährt überdies eine Complication durch die revolutionären Zustände, welche derzeit in Venezuela herrschen. Ueber den Ursprung der Differenzen wäre Nachstehendes zu bemerken: Anlaß gab an geblich Las willkürliche Vorgehen der Regierung von Venezuela gegen die amerikanische National Asphalt Co., welche große Minenbesitztitel in Bermudez (Venezuela) hat. Die Gesellschaft gründete die Ortschaft Guanaco. AmerikamscherseitS wird be hauptet, die Regierung habe wiederholt, jedoch vergebens, ver sucht, die Privilegien der Amerikaner zu widerrufen. Am L3. December v. I. soll Präsident Castro dem amerikanischen Ge sandten Loomis persönlich erklärt haben, daß die Regierung die Siechte der Gesellschaft anerkenne, wenige Stunden darauf jedoch daS Eigenthum mit Beschlag belegt und unter dritte Parteien getheilt habe. Der Präsident, hieß es, beabsichtige, die werthvolle Conceffion der Aspholtfelder neuen Bewerbern auf Kosten der ursprünglichen Inhaber zu ertheilen. General Andrews, der Bice-Präsident der ersten Gesellschaft, wendete sich nach Washington um Hilfe. In einem Brief an die Actionäre er klärte er, alle gesetzlichen Mittel seien erschöpft, die Regierung von Venezuela habe das ganze Eigenthum der Gesellschaft mit Beschlag belegt, Leben und Eigenthum der Amerikaner schwebt-n in Gefahr, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten nicht «inschreite und Kriegsschiffe nach Venezuela schicke. Ein ameri kanisches Kanonenboot ging denn auch nach La Guayra ab. Präsident Mac Kinley versprach, die Gesellschaft zu untersi-"ben und empfahl, daS Uriheil des Obersten Gerichtshofes in Vene zuela, vor welchen inzwischen die Angelegenheit gebracht Worten war, obzuwarten. EL mag hinzugefügt werden, daß beide Parteien sich bezüglich der ConcessionS-Ertheilung Bestechung vorwerfen. Mittlerweile traten zu diesen Verwickelungen innere Unruhen. General Paraza fachte im Staate Miranda einen Aufstand gegen den Präsidenten Castro an und zog im Disirict Guarico eine starke Truppenmacht zusammen, worauf die Regie rung 2500 Mann unter General Fandco gegen die Rebellen aus sendete. In Washington scheint man zu glauben, daß Regierung und Insurgenten von Venezuela gemeinsame Sache gegen die Vereinigten Staaten machen wollen, und trifft Vorkehrungen. Gleichwohl ist kaum anzunehmen, daß man in Washington auf einen offenen Bruch mit Venezuela hinarbeitet, und es sicht zu hoffen, daß Mac Kinley dem nicht ungefährlichen Drängen der amerikanischen Asphalt-Gesellschaft Widerstand leisten wird. Deutsches Reich. Vertin, 18. Zanuar. Die socialdemokratische Presse Deutschland» umfaßt 52 Zeitungen, die täglich erscheinen, 7, die in der Woche dreimal, 5, die in der Woche zweimal und 10, die einmal wöchentlich herauSgeaeben werden. Ebenso erscheint „Die Neue Zeit", da» „wissenschaftliche" Organ der Socialdemokratie, einmal die Woche. Einmal im Monat treten ans Tageslicht „Die Fackel" (Berlin), „Der Dauernsreund" (Hanau) und „Der Ostpreußische Land bote" (Königsberg i/Pr.). Die „Witzblätter" „Süddeutscher Postillon" (München) und „Der wabre Jakob" (Stutt gart) verbreiten alle vierzebn Tage ihren vergiftenden Inhalt. Alle acht Tage erscheinen die mit großem Ge schick für die Socialdemokratie in Wort und Bilo Propa ganda machenden illustrirten UnterbaltungSblätter „In fre en Stunden" und „Die Neue Welt" (Beilage des „Vorwärts"). Sachsen stellt zu dieser svcialdemokratischcn Literatur süns täglich erscheinende Zeitungen, sowie ein dreimal wöchentlich („Voigtländ. BolkSztg." in Falkenstein) und ein einmal wöchentlich erscheinendes Blatt „Der arme Teufel", dessen hauptsächlichste» Verbreitungsgebiet die Lausitz ist. Bon der GewcrkschaftSpresse Deutschlands erscheint der „Correspondent für Deutschlands Buchdrucker und Sckrift- gießcr", der den entschiedensten Kamps gegen die Leipziger socialdemokratische Führerschaft und gegen die „Leipziger Volkszeitung" ausgenommen bat, dreimal wöchentlich; einmal dir Woche erscheinen 3l Blätter, dreimal monatlich ein Blatt, alle 14 Tage 20 Blätter und einmal monatlich 8 Blätter. — Man sieht au- den angeführte« Zahlen, daß die Social- demokralie eS verstanden bar, sich in der Presse ein stattiickr» Rüstzrug zu schaffen, dessen Wirksamkeit nickt zu unterschätzen und dem nur schwer entgegen,uwirkrn ist, da die organisirten Truppen der Socialdemokratie ihre geistige Uebung nur der eigenen Partripresse entnehmen. * Verlln, 18. Januar. (Die Regierung und der Erzbischof von Posen.) Au» der DienStagSsitzung des Abgeordnetenhauses ist noch ein bemerkcnSwertheS Stück der Rede de» CultuSminister» nachzutragen. Ein Zwischenruf au» den Reihen der Polen — sie riefen, als von dem Ver halten der Polen bei der Aushebung des polnischen Religions unterricht» in der Stadt Posen die Rede war „Erzbischof!" — veranlaßte den Munster Folgendes auSzusübren: „Gut, der Herr Erzbischof I Die Sache liegt folgendermaßen: ES ist in den sämmtlichen Vorschriften, di», wi» ich sagte, schon seit einem Menschenalter in Anwendung sind, nicht vorgesehen, daß bei der Einführung des Deutschen al« Unterrichtssprache im Religionsunterricht die geistliche Behörde gehört werden solle. ES ist dies auch im vorliegenden Fall nicht geschehen. (Rufe: Aha! bei den Polen.) Ja, e» ist nicht geschehen, und zwar mit gutem Grunde nicht, weil die bestehenden Vorschriften eine derartige Anhörung nicht Vorleben und dir seit Decennien bestehende Praxi» durchbrochen worden wär«, weil ferner dir Antwort ja ganz klar war: der Herr Erzbischof in Posen hätte, wenn er gefragt worden wäre, zweifellos nichts anderes thun können, al- sich gegen dies« Maßregel zu erklären. Ader ganz abgesehen davon, mein» Herrm, ist auch von dem Herrn Erzbischof ein der artiger Anspruch nickt erhoben worden. E» ist leider in deuticken Zeitungen, sofort, nachdem die Maßregel bekannt geworden, dir Mär verbreitet worden, der Herr Erzbischof hätte bet mir Be schwerde über die Maßnahme gefübrr. Das ist nicht richtig: Der Herr Erzbischof hat weiter nichts getban, als mir die Mit- thrilung zu macken, daß er aus den Zeitungen entnommen habe, die Maßregel wäre nun in Posen getroffen worden; er bäte um den Wortlaut der betreffenden meinerseits erlassenen Bestimmungen. Ta ich gar keine Bestimmungen getroffen, sondern nur zu de» von ter Regierung gevlautcn Moßnabmen meine Zustimmung ertbeilt hatte, so habe ich erst den Wortlaut der betreffenden Verfügung auS den Acten der Regierung seststellen lassen müssen; und dann habe ich allerdings nicht allein diesen Wortlaut dem Herrn Erz bischof mitgethrilt, sondern ich bin sogar in meinem Entgegenkommen so weit gegangen, daß ich ihm die Gründe, welche di« Bezirks regierung zu dieser Maßregel bestimmt hatten, eingehend dar gelegt habe." — Auch der Bischof von Osnabrück erhielt vom Kaiser ein Exemplar Les D ö p l e r - Blattes mit einer besonderen Widmung. — Heute Nachmittag stieß im Thiergarten die Equi page des Kaisers mit einem Geschäfts wagen zu sammen. Die Equipage dcL Kaisers blieb unbeschädigt und setzte ihre Fahrt fort. — Die Prinzen Eitel Friedrich und Adalbert sind gestern Abend von Plön in Berlin cingetroffen, um den Jubiläums-Hoffestlichkeitcn beizuwohnen. — Auf der morgigen Tagesordnung dcsBundesrathes steht unter Anderem die Besetzung von Stellen beim Reichs- gericht und den königl. Disciplinarkammern, sowie vir Be richte einiger Ausschüsse über Gesetzesvorlagen. — Als künftiger Oberpräsidrnt von Berlin wurde bisher immer der Landrath des Teltower Kreises von Stubenrauch genannt. Jetzt aber will die „Rhein.-Wests. Zeitung" erfahren haben, daß der Landrath v. Stubenrauch nicht in Betracht kommen dürfte; die Wahl werde wohl zwischen dem Landesvirector v. Manteuffel und dem Regier^»,as- präsidcntcn z. D. v. Jagow erfolgen. — Die Polen baden im Reichstage eine Inter pellation eingebrackt, die auf den ersten Blick als solche gar nicht zu erkennen ist. Sie lautet nämlick: 1) Ist dem Herrn Reickskanzler bekannt, daß in letzter Zett an vielen Orten deS Bundesstaats Preußen die Postbehörden Postwerthsendungen und einsacke Briefe, entgegen den Bestimmungen der Postordnung vom 20. März 1900, nickt befördert haben, wodurch zum Tdeil materieller Schaden für daS betreffende Publicum entstanden ist? L) Welch« Maßnahmen gedenkt der Herr Reichskanzler zu er greifen, um für Vie Zukunft solchen llebelständen vorzubeugen? Zur Unterstützung der Interpellation, die sick bekanntlich auf die Nichtbesörderung von Briefen mit polnischen Abreffen bezieht, Hal da» Ceolrum die den Polen selbst fehlenden Stimmen gestellt. — In der „Kreurzeitung" lesen wir folgend«, auch für Nichtpreußrn interessante gereizte Bemerkung: „Es muß aussallen, daß an den hiesigen Ehrentagen de» König« rrich» Preußen die Häuser fast ausschließlich Fahnenschmuck in den deutschen Reick-farben tragen, nur ganz vereinzelt bemerkt mau auch fchwarz-weiße Flaggen. Würde ein ähnliches Fest iu Bay»r» od«r Sackst« gefeiert w«rden, so würden ganz selbstv«rständ- lich dl» bayeriicken oder sächsischen Lande-farben vorwiegen." — Zum Oberlehrermangel schreibt di« „Germania": „Ueber den Oberlehrermangel wird nachgerade von allen Seiten geklagt. Di« Ursachen dieser betrübenden Erscheinung sind be kannt. Nicht so bekannt dürfte die Thatsache sein, daß gerade in den Kreisen, auS denen man Zuvrang zu dem höheren Lrhrer- stande erwarten und für wünschenSwerth halten sollte, die ge- ringste Lust besteht, dies« dornenvolle Laufbahn elnzuschlagen So wird uns mitgetheilt, daß unter 6400 höheren Lehrern sich nur 100 Söhne solcher befinden. Da dürfte der Cultusverwaltung zu denken geben." — Die Tischler haben die vor dem Einigungsamte ge schloffenen Einigungsbedingungen angenommen. — Gegenüber der gebrachten Nachricht von dem Ausdruck eines Streiks auf den Chemischen Werken, vorm. vr. Heinrich Byk in Oranienburg wird mitgetheilt, daß daselbst die Arbeiten nicht unterbrochen wurden. Die in der benachbarten Chemischen Fabrik A.-G. entstandenen Differenzen, an welchen die Byk'sche Fabrik nur einen mittelbaren Antheil hatte, und welche übrigens Lohnfragen nicht betrafen, sind inzwischen beigelegt worden. — Unter den gestern decorirtrn Officierrn befindet sick auch der Major Frecherr von Reihen stein beim Stabe des ostasiottscken Reiler-RegimenlS. Yreckerr von Reitzenstein, der damals General- stadSvsficxr in Breslau war, batte bekanntlich einen Tdeil des iüd- afrikaniichen Feldzuges im Boerenlaqer uiitgemacht; er war deshalb zu einer mehrwöchigen Festung-Hast verurtdrilt wororn. Nachdem er die Hälft« der Straf« abgebußt batte, wutde er begnadigt und trat dann in do- ostasiatische Reiter-Regunent eia. — Der beute in den Fürstenstand erhobene Gros Guido Henckel von DoniierSmorck, nunmebrige Fürst von Donnersmarck ist einer der be!an»testen Großindustriellen Schlesien-. Der Fürst, dessen Grundbesitz in Schlesien ca. 24 000 do, dazu ca. 18 000 k» in Polen, Galizien und Ungarn beträgt, ist am 10. August 1830 geboren, vermählt mit der nunmebrigen Fürstin Katharina, geb. von Slevzor, und Vater zweier Söhne, der Grafen Guibo-Otto und Kraft. * Halberstadt. 18. Januar. Vorgestern fand hier di« Heer schau des Bundes der Landwirthe für die Provinz Sachsen statt. Bei dieser Gelegenheit trat Or. Hahn als „Scharfmacher" gegen etwa zu einer Verständigung neigende Abge ordnete im eigenen Lager auf: Wenn auch für die Erhöhung des Zolles eine sichere Mehrheit vorhanden sei, so könnten sich, wie beim Fleischbeschaugesrtz, wieder Einflüsse geltend machen, die alle aufgewandten Bemühungen des Bundes vereitelten. Nach dem er vor diesen „Einflüssen" gewarnt, bestätigte er einem Redner aus der Versammlung den günstigen Eindruck, den Graf Bülow im Abgeordnetenhaus« auf die Rechte gemocht, und er klärte noch der „Deutschen Tagesztg.", „wenn Gras von Bülow und Herr von Miquel wirklich die klugen Realpolitiker wären, für die er sic halte, so würden sie sich auf Seite des Bundes stellen". In den gefaßten Entschließungen wurde „auf das Kräftigste" die gesetzliche Festlegung ausreichender Mindestzöllc im M i n i m a l t a r i f, und zwar in einer Höhe von 7,50 Mark für Weizen, Roggen, Hafer und Gerste (!) gefordert. Ein weiterer Beschluß lautet: „Die Ver sammlung hält cs für geboten, CanalvorlageundZoll- tarif unabhängig von einander zu beurtheilen. Sie hält jede Canalvorlage für unannehmbar, so lange die durch § 54 der Reichsverfassung bedingte Imparität zwischen Wasser- und Landverkehr nicht beseitigt ist." >V. Etuttaart, 18. Januar. Die Abgeordneten- kammer hat in der heutigen Sitzung den von der Volkspartei gestellten Antrag, eine Commission mit dem Entwürfe einer A n t w o r t a d r e s s c auf die Thronrede zu beauftragen, mit 56 gegen 29 Stimmen abgelehnt. Volkspartei und Social demokraten stimmten geschloffen dafür, alle anderen dagegen. Es unterbleibt also eine Adreßdebatte. In der Erörterung des Volksparteilicken Antrags wies Avg. Fr. Haußmann auf die in der Regierung eingetretenen Veränderungen hin. Die Thron- rede fordere gerade bei den wichtigsten Puncten zu einer Aus sprache heraus; die Kammer habe allen Anlaß, ihre An schauungen der Krone darzulegen, besonders wenn «in Front wechsel der Regierung eingetrcten sei, wie er (Haußmann) per sönlich glaube. Abg. v. Geß sprach im Namen der deutschen Partei gegen den Antrag; seine Partei verspreche sich von einer Adreßdebatte keinen Erfolg. Die von d«r Thronrede erhoffte „Ausgleichung der Meinungsverschiedenheiten" könne unmöglich in den wenigen Tagen einer Adreßberathung, eher durch längere Verhandlungen von Fraction zu Fraktion bewirkt werden. Aehnlich äußerte sich der Centrumsresner Gröber, der u. A. betonte: Bevor nicht die Volkspartei mit Conoessionen voraugehe, sei es zwecklos, eine Berathung zu beginnen, die nur eine Wieder holung o«r früheren sein könnte. Präsident v. Sandberger, der für die Privilegirten sprach, meinte, die Thronrede enthalte keinen Anlaß zu einer Antwortavrcsse. Die Ablehnung der Adreßdebatte soll« übrigens durchaus nicht der Stellungnahme der Privilegirten zu einer etwaigen neuen Berfassungsreform- vorlag- vorgreifen. * München, 18. Januar. Zum Rücktritt de» Prinzen Alfons vom Commando der ersten Cavallerie-Brigade wird der „Augeb. Abvztg." berichtet: Der Rücktritt de» Prinzen Alfons soll mit den Herbstmanövern zusammen- dängen. Auch da- Nichterscheinen deS Prinzen auf dem l-tzlen Hosball wird mit seiner RücklrittSabsicht in Ver bindung gebracht. Großbritannien. vestnden »er köniatn; Generell Toldtl«. *S»n»«n, >8. Januar. Sin amtl che» G»«»m,ique -»lagt: Die »rohevus-annnug Mähren» »e» letzten Jahre» hat da» Rer»eushftcm »er Königin in „«- nnstem Matze angegriffen. Tie verzte haben be»haib arglaubk, der Königin völlige Rude für »en Augenblick un» -ntbaltung von LlaatsgrjchSfkcn varfchreibeu zu müssen. * L«u»on, 18. Januar. General Colville, der kürzlich durck d«« Zeitungen gegen seine Abberusunq vo« seinem Posten ia Gibrattar Einspruch erhob, hat seinen Abschied erhalt««. Orient. Rumänien un» Vulgarien; bulgarische Tattnet-krife. * Wien, 18. Januar. Die „Politische Correspondenz" ver öffentlicht «ine Unterredung mit dem Ministerpräsi denten Carp, welcher u. A. erklärte, di« rumänische Re gierung warte in Ruhe ab, welch« Consequenzen di« bulga rische Regierung aus den ihr actenmäßig bekannt ge gebenen Ergebnissen des Bukarester ProcesseS ziehe. Er habe keinen Grund, daran zu zweifeln, daß die Consequrnzen für Rumänien zufriedenstellender Natur sein würoen. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, so wär« es gewiß für di« Beziehungen beider Nachbarländer sehr bedauerlich, weil Ru mänien genöthigt würde, die in Sofia fehlende Energie durch seinerseits zu ergreifende Gchutzmaßregeln auszugleichen. Zu mehr als einer bedauerlichen Trübung zwischen den beiden Nach barländern vermöchte aber auch diese Eventualität nicht zu führen. Ein« Angelegenheit, welch« Europa zu beschäftigen und andere europäische Staaten in Mitleidenschaft zu ziehen ver möchte, werde aus der häuslichen Auseinandersetzung zwischen Rumänien und Bulgarien, selbst wenn diese zu einer Einstellung der diplomatischen Beziehungen führen sollte, was aber, wi« er hoffe, nicht erforderlich werden dürft«, in keinem Falle erwachsen. Die Gerüchte über Bündnisse zwischen Rumänien und der Türkei bezw. Grirchenland bezeichnete Ministerpräsident Carp alt nicht ironisch genug zu behandelnde Ammenmärchen. — Minister präsident Carp kehrt am 21. Januar auf seinen Posten zurück. * Kosta, 18. Januar. Die CabinetSkrise gilt mit Annahme der Demission -deS Minister- de- Aeußern Tonischem als behoben. Ueber die Besetzung seine- Postens ist noch keine Entscheidung getroffen, ebensowenig über daS An erbieten Jwanschew's, interimistisch daS Portefeuille des Aeußern zu übernehmen. Afrika. Marokko und dte Mächte. * Madrid, 18. Januar. Der spanische Gesandte in Marokko bat der Regierung telegraphirt, die Beschwerden Spaniens in Marokko hätten zu einem ebenso befriedigenden Ergebnisse geführt, wie die Deutschlands und Italiens. Vie Anllieilnalime des Äusilindes am preußischen Lronjubilänm. * Wien, 18. Januar. Die „Neue Freie Presse" schreibt: DaS Preußen von heute ist der führende Staat im neuen deutschen Reiche. Das Jubiläum der preußischen Krone ist ein preußisches Fest. Seinen Glanz empfängt es durch die Macht stellung Deutschlands, das einst der österreichische Dichter das „Herzblatt der Weltenblüthc" nannte. Das „Fremdenblatt" schreibt: Mit frohem Stolze mag Kaiser Wilhelm II., das erlauchte Haupt des Hohenzollern- hauses, diesen Gedenktag begehen. Er sieht auf di« großartige Entwickelung zurück, die dem preußischen Staate seit jenem Königsberger Feste beschicken gewesen ist. Das „Fremdenblatt" gedenkt nun d-s mehr als 20jährigen Bündnisses Oesterreich- Ungarns mit Deutschland und der beiderseitigen Freundschaft der Monarchen und hebt hervor, daß der dem Throne am nächsten stehende kaiserliche Prinz der schönen Weihe beiwohnt, die der ruhmreichen Geschichte des HohenzollernstaateS gilt. Das „Neue Wiener Tagblatt" meint: Preußen ist oller inneren Kämpfe ungeachtet ein durchaus moderner Staat und ist die Vormacht des deutschen Volkes geworden. Noch herzlichere und innigere Wünsch: aber, als dem 200jährigen Königreiche, gelten heute überall, wo Deutsche wohnen, dem neuen Reiche, das an diesem 18. Januar ein Menschenalter, reich an Erfolgen, an Wohlfahrt und Gesittung zurückgelegt hat. Das „Deutsche Volksblatt" schreibt: Oesterreich sieht dem mächtigen Emporblühen des deutschen Reiche» neidlos zu. Unsere Dynastie verleiht in ihrer Antheilnahme am preußi schen Kronjubiläum demselben besondere Bedeutung, indem sie jenen kaiserlichen Prinzen nach Berlin entsandte, der dem Throne am nächsten steht. Die „Deutsche Zeitung" schreibt: E» war in Wahr heit ein kühner Adlerflug, den der Hohenzollern-Aar genommen, und Preußen und Preußens König Wilhelm II., der heute auch die deutsche Krone sein eigen nennt, kann mit stolz geschwellter Brust die Glückwünsche der Vertreter der Mächte entgegen nehmen. * veft, 18. Januar. „Magyar Nemzet" 'dringt zu dem 200jährigen Kronjubiläum Preußens einen Festartikel, in welchem der herzlichen Sympathie der ungarischen Nation an sprung zu gewinnen? Dann ging der Steinschlag im Bogen über ihren Kopf weg, ohne daß sie gefährdet war. Tastend bahnte sie sich den Weg abwärts — an allen FelS- stücken sich festhaltend, um nicht vom Sturme fortgerissen zu werden.... Da schien ihr endlich Rettung zu winken: dicht unter dem Rande de» Abhange» fanden ihre Füße eine kleine Platt form, halbkreisförmig, von der Größe einer Tischplatte etwa. Wieder brauste der Steinschlag heran — und kurz ent schlossen wagte sie den Uebergang dahin vollends. Mit Händen und Füßen arbeitend, erreichte sie den kleinen Felsboden, von dem der Sturm jedes Körnchen Schnee weggeweht hatte. Sie wollte sich auSgestreckt darauf niederlassen, weil ihre Kniee zitterten; aber die Füße ragten frei in die Luft hinein. In kauernder Stellung verweilte sie also. Sie fühlte sich hier wie der Schiffbrüchige auf dem Riff, daS hoch auS der Brandung aufragt. Ueber ihr Haupt weg ging der Fall der Steine. Sie sah es ein paar Mal schwarz Uber sich im Bogen zur Tiefe brausen. Wie ein Schild hielt der Rand der FelSmauer den Steinschlag von ihr ab. Aber die Kälte drang ihr bi» inS Mark. Furchtbare Stunden verlebte sie so, zitternd und frierend. Der Sturm ließ nach, — als ei Mitternacht sein mochte, hörte eS auch zu schneien auf. Ein Stern nach dem andern ward sichtbar. Auch da drüben — scheinbar mitten im Felsen — sah sie'S hell aufblitzen. Aber da» war kein Stern — da» war da» Licht der Hütte! Sie richtete sich jäh auf. Ob sie fetzt da- letzte Stückchen Weg zu nehmen wagte. Da prasselte e» mit noch furchtbarerer Gewalt über den Fell rand herüber al- je zuvor. Eine Lawine au» Eit, Schnee und Steinen stürzte über die ganze Breite del Abhänge» und kam erst tief unten, jenseits de» BergschrundeS, dumpf verhallend zur Ruhe. Dieser Schlag hätte ihr den sicheren Tod gebracht, wenn sie bereit» oberhalb de» Randes gewesen wäre. Sie wartet« eine Viertelstunde. Schon hoffte sie, daß der Gteinschlag sein Ende erreicht habe, da Hub da» Knattern und Dröhnen von Neuem an. Eine glatte Bahn war geschaffen, auf der der Feksenschutt und die Moränen, die der Sturm vom starren Firnschnee befreit hatte, ohne Widerstand zu Thal rauschen konnten. In ven Pausen erhob nun Elisabeth ihr« Stimme. Sie er schrak selbst über den schauerlichen Klang ihres Hilferufs. Aber der tönende, surrende Wind, der dem Orkan noch immer nach- zitterte, ließ ihren flehentlichen Ruf nicht bis zur Hütte dringen. Sie weinte bitterlich — unter Schüttelfrost und Zähne klappern. Der Mond ging hell auf und leuchtete kalt auf daS erstarrte, blasse Opfer der entfesselten Elemente. Sie ergab sich endlich in ihr Schicksal. Doch noch einmal ward ihr Hoffen rege. War'» nicht, als ob dort drüben vor der Hütte eine Männer gestalt im Schnee stünde? Sie breitete die Arme aus — aber die Kraft mangelte ihr zum Rufen, und die wenigen schwachen Töne wehte der Nacht wind nach der entgegengesetzten Richtung. Und die Gestalt verschwand wieder. Gleich darauf erlosch auch das Licht in der Hütte — und mit ihm vir lctzte, die allerletzte Hoffnung der Unglücklichen. Nun sank sie in die Kniee, um zu beten — um sich auf den sicheren Tod vorzubereiten. NeuntesCapitel. WaS mir die Feder heute Abend noch einmal in di: Hand zwingt, während draußen der Sturm sein Unwesen treibt, Lawinen und Steinschlag loslöst von den Gletscherrärrdern und Schrecken und Verderben Uber die Thäler ausbreitet, in denen die grünenden Matten bereits den lachenden Lenz ersehnten — ich weiß es nicht. „Mein Werk ist gethan, ich habe in dieser Welt nicht» mehr zu suchen. Wenn das Protokoll über mein Wirken hier oben, daS die Berechtigung meiner Bedenken, gegen den Orell'schen Plan unwiderleglich beweist, in die Hände meiner Braut gelangt sein wird, weile ich nicht mehr unter den Lebenden — bin ich weder für den Haß, noch für die Rachsucht, noch auch für Bitten um Der. söhnung erreichbar. „Vielleicht vernichte ich diese Zeilen, bevor ich den letzten großen Weg, die Reise ins Unbekannte antrete. Ich weiß eS jetzt noch nicht. Aber es ist mir ein Bedürfnitz, sie niederzu schreiben. Jetzt, nachdem die Qualen und Strapazen, die ich see lisch und körperlich zu erdulden hatte, ihr Ende erreicht haben, nackdem ich innerlich freiqeworden bin und mich oer äußerlichen Fesseln entledigt habe, überfällt mich ein Gefühl unsagbarer Leere. Ich kann so still und klaglo» doch nicht au- der West scheiden. Ich sehne mich danach, mich zum letzten, zum aller- letzen Male einer mitfühlenden Seele anzuvertrauen — ihr zu beichten, was auf mir lastete — und wat mich Schritt für Schritt btt zu dieser Stelle trieb. — „Dierun'vzwanzig lange, einsame Stunden liegen hinter mir. Der Brief, den ich heute früh dem Boten mitgab, muß erst der Post übergeben sein, bevor ich den letzten Schritt unternehmen kann. Denn fände man mich hier oben auf, solange der Brstf sich noch in den Händen deS Boten befindet, so würden die Be hörden ihn vielleicht zurückhalten, ihn öffnen und die Erklärung, den Zweck, die Bedeutung meine- Werke» daraus entnehmen. Ich will Anna aber nicht durch solche Gewaltmaßregeln zwingen — auch ihren Vater nicht —, ihr bitteres Unrecht einzuschrn. Freiwillig vielmehr sollen sie Beide auf die Durchführung ihre» Planes verzichten, überzeugt, daß ich ein Recht hatte, den För» derer ihres Unternehmens als einen Charlatan aus tiefster Seele zu vcrackten. „Sechs Uhr ist es. Dor acht Stunden verließen mich meine treuen Gefährten. Ich habe Alles unter sie getheilt, waS ich besaß. Arm ließen sie mich zurück — sie aber glauben gewiß an einen unermeßlichen Reichthum, der allein zu solcher Freigebigkeit verführen konnte. Vor der Hütte siebend, verfolgte ich sie mit den Blicken, bis ich sie unten bei der Jägerherberge anlangen sah. Gewiß haben sie von meiner Erlaubnitz, sich an den Weinvor- räthen, die ich daselbst deponirte, gütlich zu thun, rechtschaffen Gebrauch gemacht . . . Sie Haden den Feiertag wahrlich ver dient, nach all' den unbarmberzigen Strapazen, die sie Seite an Seite mit mir erdulden mußten — wie sie glaubten, um einer Schrulle willen! „Um einer Schrulle willen!" „O, hätten sie geahnt, von wie furchtbarer Bedeutung diese angebliche Maroktr ist!" „ES taugt nicht, daß ich so ungeordnet meinen Ge- banken und Empfindungen, so wie sie auf mich «instürmen, AuSvruä verleihe. „Ich will an Elisabeth schreiben." „An Dich, Elisabeth, deren Güte, denn Aebe, deren Opfer bereitschaft mir die Kraft und den Muth zu der sogenannten „Feigheit" giebt, die meinem Leben ein jäheS End« machen soll. „Ich werde den Brief mit der Adresse versehen, die ich von meinen Mitarbeitern erfuhr. Elisabeth Grimm — sie kennen Dich bier Alle — kennen Deine Bannberzigkeit, Dein Mitleid mit den Aermsten der Armen in Wängli und Windgäll. So nimm die Widmung dieser Zeilen an — habe Erbarmen mit dem Aller ärmsten aller Armen. „Du allein, Elisabeth, stehst meinem Herzen nahe in dieser Stunde — der Todesstunde. „So will ich denn diesen Blättern ?in letztet vermächtniß anvertrauen. Geschieht noch meinem Willen, daß, der st« findet, wenn ich todt sein »erd«, st« in Deine Hände gelangen läßt, so lieS sie in der Ueberzeugung, daß ich ehrlich und wahrhaftig darnach gestrebt habe, Dir rückhaltlos und ohne Beschönigung zu erklären, wie ich in diesen grausamen Widerstreit der Pflichten und deS Gewissens gerathrn bin. „Furchtbar wüthet der Schneesturm draußen. Er rüttelt am Eisen der Hütte. ES klirrt und tobt, es rauscht und heult und zischt um mich her. Die Hütte ist weiter« und sturmfest. Aber selbst durch die dünnen Fugen der Kupferplatten dringt hie und da, trotz der doppelten Wandung, ein pfeifender Luft strom, der daS Licht, bei dem ich schreibe, jäh erlöschen macht. Hastig zünde ich es wieder an — denn im tiefen Nachtdunlel, da» mich umgiebt, dringen Gespenster auf mich «in, di« mich schrecken und ängstigen, die mich kleinmüthig und verzagt machen, wie ehedem, als ich noch nicht der „Mann der That" war. „O Elisabeth —e» hat eines gewaltigen Umschwünge» be durft, um au» dem stillen Träumer, dem bedächtigen Gelehrten, den Du kanntest, den „Mann der That" zu machen, dessen kühne- Unterfangen wohl bald in aller Welt Mund sein — und wovon die Kunde gewiß auch bald zu Deinem Ohr« gelangen wird. „Diese weihevoll« Stunde der letzten Beichte soll keinem häß lichen Vorwurfe gewidmet sein. Aber zurückblicken muß ich doch noch einmal auf jene trauervolle Zeit, da Du Dich von mir in unerklärlicher Verblendung loSrissest und mich in so faauner- voller Vereinsamung zurückließest. „Wo immer Du weilen magst — ob Du glücklich oder mr glücklich geworden bist — au» meiner tiefsten Seele schreit ein Mißklang, tönt rin« bittere Anklage, di« Du hören mußt. „Jener gcheimnißvolle Fremde, der in der finsteren verember- nacht zu mir stieß, eS war Dein Bruder, nicht wahr, der Pfarrer von Wängli — hat mir zwar eine Erklärung dafür abgegeben, was e» war, daS Dich damals zur Flucht von mir bewog: Du wolltest mir keine Fessel sein, frei und ungehindert sollt« ich meinem Studium leben. Du „wolltest mir die Schwingen nicht stutzen", auffliegrn sollte ich in kühnem Fluge, dem Adler gleich. Ach, aber waS half Deine schwesterliche Fürsorge und Vorsicht: ich kam beim kühnen Aufflug« der Sonne zu nahe — und so ende ich hier mit verbrannten Flügeln in kläglicher Einsamkeit. „Nein, einsam bin ich nicht — denn Du »ist bei mir. LlL ich auS dem Mundt jene» seltsamen Manne» Deinen Namen zum ersten Mal« fett langen Jabrea wieder nennen hörte, durchzitterte mich eine namenlose Freud«. Aber gleichzeitig beugte mich die Erinnerung an Dich tief, tief in den Staub nieder. Denn da erst wußte ich, fühlte ich wieder, wa» ich s» unwiderbringlich mir Dir und in Dir verloren hatte: mein LebenSglüS, mein Liede»- gluck!" (Fortsetzung folgt.)
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