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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010207018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901020701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901020701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-07
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SS Man hat in Deutschland der liebreizenden Erscheinung der jungen Königin der Niederlande stets eine herzliche Zuneigung entgegengcbracht, nicht nur, weil sie vcr letzte Sproß eines hoch berühmten, oft zu Deutschland in Beziehungen getretenen Fürstengeschlechtes war, sondern weil aus Dutzenden von kleinen Zügen ihre Liebenswürdigkeit und ihr natürlicher Beistand her vorleuchteten. Bei gegebenen Gelegenheiten verfehlt man denn auch nicht, dieser Zuneigung öffentlich Ausdruck zu geben: so vor 2^ Jahren bei ihrer Großjährigkeit und oem damit verbundenen Regierungsantritt, so jetzt gelegentlich ihrer Bermählung. Daß sich gerade die Blicke des deutschen Boltes gegenwärtig mit besonderer Herzlichkeit nach den Niederlanden lenken, ist schon um deswillen selbstverständlich, weil ein deutscher Fürst der Er korene der jungen Königin ist, und weil dieser Fürst die herz lichsten Sympathien aller Derer, die ihm näher getreten sind, erworben hat durch zwei der besten Eigenschaften, die den Menschen zieren können: Pflichtgefühl und Fleiß. Wer ihn in der Zeit kannte, wo er beim Garde-Jäger-Baraillon in Potsdam als Oberleutnant Dienst that, konnte feststellen, daß er sich nicht als Prinz fühlte, sondern als Officier, der genau so seine Pflicht zu erfüllen hat, wie Jeder, der den deutschen Waffenrock trägt. Prinz Heinrich von Mecklenburg ist von seinen Kameraden und wohl auch von manchem anderen Prinzen, de): sich im Stillen die Hoffnung gemacht hatte, 'daß bas Auge der jungen Königin auf ihn fallen könnte, lebhaft beneidet worden. Sicher lich aber mehr um der Persönlichkeit der reizenden Fürstin Willen, als wegen der Stellung, die einzunehmen er berufen ist. Die Verhandlungen des niederländischen Parlamentes über diese Frage haben bereits dargethan, daß die Stellung des Prinzen nicht frei sein wird von Schwierigkeiten, vielleicht sogar von Bitternissen. Es 'bedurfte aber nicht erst dieser Verhandlungen, um das zu wissen. Ein anderer deutscher Fürst, Prinz Albert von Coburg, hat zwei Jahrzehnte hindurch als Gemahl der jüngst verstorbenen Königin Victoria von England zwar das voll kommenste Eheglück, aber daneben auch einen reichlichen Becher von Verdrießlichkeiten und Bitternissen genossen, vor denen ihn die zärtliche Liebe seiner Gattin vergebens zu schützen suchte. Ja, noch jetzt, 40 Jahre nach seinem Tode, kann man es ihm in England nicht vergessen, daß er ein fremder Fürst war, und als der gegenwärtige englische König bei seiner Thronbesteigung den Vornamen Albert ablegte, stieß das bedeutendste Blatt Eng lands, die „Times", einen Seufzer der Erleichterung aus, daß man nun endlich diesen fremden Namen aus der englischen Ge schichte los werde. Diese schnöde, in England freilich traditionelle Undankbarkeit braucht Prinz-Gemahl Heinrich nun freilich nicht zu besorgen; dazu haben die Niederländer glücklicher Weise noch zu viel von den guten Eigenschaften des germanischen Stammes bewahrt. Wenn Prinz Heinrich sich jenen Prinzen mit dem „aus der eng lischen Geschichte hinausgeschleuderten Namen" zum Muster nimmt, wenn er ebenso, wie Jener, mit einer regen Thätigkeit zum Wohl des Landes, dessen Königin sein Ehegemahl geworden ist, Tact und ruhige Zurückhaltung verbindet, so wird er sicher lich in nicht ferner Zeit die Zuneigung und Dankbarkeit des niederländischen Volkes genießen. Es versteht sich von selbst, daß der Prinz von jetzt ab seine Hauptaufgabe darin sieht, dem niederländischen Volke von Nutzen zu fein und «in guter Niederländer zu werden; es wird sich aber hoffentlich nicht minder von selbst verstehen, daß der Prinz dabei auch ein guter Deutscher bleibt. Die Vereinigung von Beidem ist heute viel leichter, als vor einem Menschenalter. Da mals waren die Niederländer vom tiefsten Mißtrauen gegen Deutschland, dem sic Annexionsgelüste zutrauten, erfüllt, heute sehen sie umgekehrt in Deutschland einen Schutz gegen die Annexionsgelüste einer gewissen anderen Macht, der die blühenden niederländischen Colonien sicherlich gut schmecken würden. So ist man in den Niederlanden zweifellos davon durch drungen, daß der heutige Tag vom deutschen Volke mit uneigen nütziger Antheilnahme begrüßt wird. Möge dieser Tag dem jungen Fllrstenpaare zum Segen ausschlagcn und möge er zu gleich dazu beitragen, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden stammverwandten Nationen noch zu festigen. Frhr. v. Friesen-Rötha und der evangelische Sund. Frhr. v. Friesen hat vor Jahren eine politische Rolle gespielt. Er war eine Zeit lang in die Stille zurückgetreten. Er« ver läßt jetzt diese und lenkt durch seinen Kampf gegen den evange lischen Bund wieder di« öfsrntliche Aufmerksamkeit auf sich. Freilich, er zeigt sich ihr dabei nicht in günstigem Lichte. In einer Entgegnung des Herrn Diakonus Klotz aus seine „Antwort an den evangelischen Bund" wurde ihm schlagend nachgewiesen, daß ihm eine gerechte Würdigung und eine genaue Kcnntniß der römischen und der evangelischen Kirche völlig aboehrn. Diesen Beweis verstärkt er durch seine Auslassungen m der „Köln. Dolksztg." vom 31. Januar, Nr. 104. In ihr legt er Ver wahrung gegen die Bezeichnung „Protestant" ein; er gehöre der evangelisch-lutherischen Kirche der unveränderten Augsburger Confession an; er versteigt sich zu dem Ausspruch: „Protestant ist ein« allgemeine, nichtssagende Behauptung". Aber die Geschichte bezeugt das gerade Gegentheil. Frhr. v. Friesrn mag die „Pro bestation" nachlesen, welche die evangelisch«» Stände dem Reichs tage zu Speier am 20. April 1529 überreichten; von ihr leite! sich der Name Protestant her. Aus jener Urkunde seien folgende Sätze herausgehoben: „In Sachen, GotteS Ehr und unserer Seelen Heil und Seligkeit belangend, muß ein Jeglicher für sich selb st vor Gott stehen und Rechenschaft geben, also, daß sich des Orts Keiner auf des Anderen minderes oder mehrereS Machen oder Beschließen entschuldigen kann." „Es ist eben ein Hauptstreitpunct, welches die rechte heilige christlich« Kirche sei. Nach unserer Meinung aber giebts keine gewisse Predigt oder Lehre, denn alleinbeiGottesWort zubleiben, und den einen heiligen Schrifttext mit dem andern ouszulegrn; und ist die Heilige Schrift in allen einem Christen zu wisst» nöthigen Stücken an ihr selbst klar und lauter. Darum gedenken wir bei dem zu bleiben, daß allein das in den biblischen Büchern verfaßte Gotteswort lauter und rein und nichts, was dawider ist, gepredigt werde. Denn an ihm als der einigen Wahrheit und dem rechten Richtscheit) aller christlichen Lehre und Lebens kann Niemand irren, noch eh len, während aller menschliche Zusatz und Tand fallen muß und vor Gott nicht bestehen kann." Auf diesen Grundsätzen ruht die evangelische Kirche; sie sind ihre Kraft, die Größe ihrer Vergangenheit und der Hort ihrer Zukunft; sie geben ihr das bestimmte Gepräge gegenüber dem Katholicismus „mit seinem menschlichen Zusatz und Tand"; sie machen es zur höchsten Ehre, „Protestant zu sein und zu heißen". Diesen Nam«n als eine „nichtssagende Behauptung" hinzustellen, kann nur der den Muth haben, dem die Urkunde der „Protc- tation" und die Geschichte des Protestantismus ein unbekanntes Land sind. Und ebensowenig wie in diesem Punctc, ist Frhr.v.Friesen über den evangelischen Bund und seine Anhänger unterrichtet. Er rechnet unter diese ohne Weiteres die „Allgemeine lutherische K irchenzeitung", gegen deren Aussage über ihn seine Zuschrift an die Köln. Volksztg." sich richtet. So gern wir die „Allgrm. luth. Kirchenztg." immer und überall auf unserer Seite sehen möchten, so sehr wir uns freuen, daß sie neuerdings freundlich und gerecht über die Arbeit des evangelischen Bundes urtheilt, so können wir sie doch noch immer nicht zu den Anhängern desselben zählen. Es thut uns leid, daß sie um dieser Vermuthung willen vom Frhrn. v. Friesen auf das Gröbste behandelt worden ist. Er wirft ihr Wortverdrehung und Unwahrheit vor; er nennt das, was die „Allgem. luth. Kirchenztg." schreibt, „elende Er findungen, ausschließlich zu dem Zwecke gemacht, um die hier in Sachsen inscenirte Katholikenhetze zu ermöglichen". Doch nein, wir bedauern nicht die „Kirchenzeitung"; sie weiß es, daß heut zutage Jeder, der entschieden für das evangelische Bekenntniß ein tritt, allerlei Verunglimpfung auf sich nehmen muß. Wir bedauern den Mann, der in eine derartige Polemik verfallen kann. Frhr. v. Friesen hat einen glücklichen Jnstinct gehabt, als er sein Schreiben wider die „Lutherische Kirchenztg."und den evangelischen Bund an die Adresse „Köln. Volksztg." sandte. Seine Schreib art gehört in die römische Presse. Die ultramontane Caplans- wesse ist völlig unfähig zu sachlicher Verhandlung; sie verleumdet und beschimpft die Personen ihrer Gegurr. Gerade die „Köln Volksztg." hat sich mit ihren Artikeln über sächsische Zustände im vorigen Jahre als Meisterin in diesem Genre gezeigt. Herr v. Friesen ist auf dem Wege zu gleicher Meisterschaft. Er nimmt sich gegen die Anhänger des Bundes den Vorwurf heraus, daß diese keine anderen Waffen als die der Unwahrheit und der Verdächtigung kennen; er nennt ihre Arbeit „unreines Getriebe". Ja noch mehr! Nicht blos, daß er Alles, was im vergangenen Jahre unter der Zustimmung fast des ganzen sächsischen Volkes zum Schuhe des evangelischen Bekenntnisses gethan wurde, unter das Schema „Katholikenhetze" bringt; er wagt es sogar, folgen den Satz hinzuschreibcn: „Gegen wen wendet sich diese evangelische Hetz«? Nicht gegen die katholische Kirche, sondern gegen das katholische Königshaus." Gegen diese dreiste Verleumdung nur ein Wort der Vertheidigung zu sagen, wäre Zeitverschwendung. Es genügt, mitzutheilen, was Blätter wie der „F r e i b. Anz." und die „D r c s d. Nachr.", die Herrn v. Friesen früher nahestanden, zu dieser seiner Auslassung sagen. Der „Frcib. Anz." erklärt: „Mit Leuten, Lenen in feudaler Abgeschlossenheit jedes Gefühl für die Empfindungen des sächsischen Volkes verloren gegangen ist, die sich nicht scheuen, die evangelische Sache, die sie zu vertreten be haupten, dem mit unlauteren und rücksichtslosen Mitteln kämpfenden Gegner gegenüber mit derartigen niedrigen Beschuldigungen zu be- schmutzen — mit solchen Leuten dürfen sich in Zukunft die Vertreter des Protestantismus in Sachsen nicht mehr einlassen! Man kann nur bedauern, daß Freiherr von Friesen den „inneren Versuchungen" nicht soweit nachgegeben hat, um nicht auch formell den Neber» tritt zum Katholicismus zu vollziehen. Als Vertreter de-Z sächsischen protestantischen Adels wird außer der „Köln. Volksztg." und ihren Freunden wohl Niemand Herrn von Friesen ansehen." Und die „Dresdner Nachr." sagen: „Mit solchen Aeußcrungen wird sich Herr Baron v. Friesen für alle evangelischen und protestantischen Kreise sein eigenes Urtheil gesprochen haben. Man muß thatsächlich die Sprach, schätze fanatischer Hetzcaplänr hervorsuchen, um den Ton wieder- zufinden, den hier rin evangelischer Adeliger anschlägt." Damit ist der Nichtprotestant Frhr. v. Friesen wohl für das ganze sächsische evangelische Volk abgethan. Ll. Der Krieg in Südafrika. Das grotze „Kesseltreiben". Nach allen bis heute vorliegenden Meldungen vom Kriegs schauplätze dürften im Verlause dieser Woche fast in allen Theilen des letzteren blutige und vielleicht entscheidende Ge fechte und Schlachten bevorstehen. — Lord Kitchener hat jedenfalls die Absicht, von der Thatsache, daß der lästige Christian De Wet wieder einmal „südwärts getrieben worden ist", zu profitiren und sich ungestört (wie er glaubt) der Aufgabe zu widmen, die im östlichen Transvaal »nd im WitwaterSrandbezirk „umherstreifenden Räuberbanden" mit einem energischen Schlage ein- für allemal zu „zer schmettern". — Sech» separate Colonnen, die mit einander in Fühlung bleiben, sollen von der Linie Pretoria- Johannesburg au» die Boeren unwiderstehlich gegen die portugiesische Grenze zurück—„fegen", wobei darauf ge rechnet wird, daß die einzige Rückzugslinie nach Norden wegen deS dort herrschenden Fiebers und Pferdesterb-nS für die flüchtenden Boeren-CommandoS „sozusagen" nutzlos und nur noch mehr verderblich ist. — Diese große combinirte Operation ist bereit» im Gange, wenigsten» in ihrem An fangs-Stadium, und e» fragt sich jetzt nur, welche Gegen maßregeln die Boeren mit Bezug auf den sechsfachen „fegenden" Vormarsch der Engländer getroffen haben. Wenn Kitchener diese langen Wochen in Pretoria mühselig seine Vorbereitungen zu dem beabsichtigten großen Schlage getroffen hat, so kann er versichert sein, daß Louis Botha und Delarev an Hand ihre» vorzüglichen Nachrichten- und Spiouen-Dienstc» über jede Einzelheit seiner Pläne und Ab sichten genau unterrichtet sind, und der Vorstoß her lLOy Delarey'schen Boeren vom Westen gegen ModLerfontein am Galsrand läßt darauf schließen, daß ^er englische Vormarsch nach Osten gleich zu Beginn von Seiten der Boeren eine energische Ablenkung erfährt. I» der Capcolonie, südlich von Graaf-Reinet, bei dem Oertchen Steytler- ville hat (wie schon kur^ gemeldet) ein fünfstündiges Gefecht zwischen einem Thcile der Westcolonne _ der Boeren und einer Abtheilung des Brabant'schen EorpS stattgefunden, in dessen Verlaus die Boeren angeblich, wie von Capstadt gemeldet wird, schwere Verluste er litten, um schließlich — wie üblich — in wilde Flucht gejagt zu werden. Eine Verfolgung des geschlagene» Feindes war aber für die britischen Truppen „leider" unmöglich, da den Boeren in dem dichten Busch und dem felsigen Gelände nur schwer bcizukommen war, weshalb die siegreichen Eng länder sich — ebenfalls wie üblich — nach ihrem Lager „zurückbegaben". — Das ist natürlich die Schilderung eines fehlgeschlagenen Angriffes der Brabant'schen Abtheilung für die feindliche Stellung und des späteren Rückzuges der Eng länder, — Alles nur in etwas milderer Form wiedergegeben. Im klebrigen liegt auch nicht eine einzige verbürgte englische Meldung vor, wonach es thatsächlich gelungen wäre, die cingedrungenen Boeren an irgend welcher Stelle unschädlich zu machen oder aus ihren festen Stellungen zu vertreiben. Die Minen. Wie vor einiger Zeit gemeldet wurde, sind die elektrischen Werke von Johannesburg durch die Boeren beschädigt woüven. lieber diese elektrische Anlage schreibt die „Tägliche Rundschau" Folgendes: „Obwohl die Werke jetzt den Rand Central Electric Works in Loudon gehören, waren diese gewaltigen Anlagen doch ursprünglich der Actien-Gesellschaft Siemens L Halske con- ccssionirt; von ihr wurde die Kraftübertragungsanlage ent worfen und ihr Bau auch ousgeführt, der ganz außergewöhnliche Anforderungen an die technische Umsicht der Leitung und Aus bildung der europäischen Hilfskräfte stellte. Denn das Werk liegt in öder Steppe, 29 Kilometer östlich von Johannesburg, ! vis wohin gegen 3000 der schwersten Maschinenthrilc zu befördern waren. Als Arbeiter standen nur ungeübte Kafsern zur Ver fügung. Man schuf seinerzeit die Anlage, um den Betrieb der Minen am Witwatersrand wohlfeiler zu machen, indem man die einheitliche Erzeugung der zum Betriebe von Pumpen, Bohrern, Steinbrechern u. s. w. nöthigen Kraft an die Stelle der einzelnen Dampfmaschinen - Anlagen setzte, deren Betrieb bei dem geringen Angebot von geübten Bedienungsmannschaften, bei der Kohlenknappheit und dem Wassermangel verhältnißmäßig theuer war. Das Werk war erst seit Anfang 1897 in Betrieb und befand sich gerade jetzt im Aufschwünge, da sich allmählich die Zahl der Abnehmer von elektrischer Kraft vermehrte und die meisten Minen sich auch mit elektrischem Licht versahen, schließlich sich auch ein Thcil von Johannesburg selbst, wie benachbarte Bahnhöfe zur Entnahme von Beleuchtungsstrom entschlossen. An 300 000 Meter Freileitungen waren verlegt worden und mit einer Spannung von 10 000 Volt wurde der Strom von der Hauptstelle an die Gobrauchsstellen geleitet, in der vier große Drehstrommaschinen, mit Dampfmaschinen gekuppelt, standen, die im Ganzen gegen 5000 Pfcrdekräfte entwickeln konnten. Drei von diesen Maschinen sind jetzt gesprengt worden, während die anderen Theile der Anlage, soweit bekannt, erhalten geblieben sind; auch von den Leuten ist Niemand zu Schaden gekommen. Doch hat der Betrieb eingestellt werden müssen und damit auch der der angeschlossenen Minen." Die Wirren in China. Der chinesische Hof in Singansn. lieber das Leben des kaiserlichen Hofes in Singansu, wo er am 26. October nach zweimonatiger Flucht aus Peking an langte, giebt der Vertreter des „Lemps" aus dem Munve des Lazaristcnpaters Maurice interessante Mittheilungen. Der Pater, der dort zehn Jahre lang für sie Ausbreitung des Christenthums gewirkt, ist soeben in Shanghai angekommen, um die Mittel zur Höhung der im Innern wüthenden Hungers not h aufzutreiben. Singanfn liegt ihm zufolge 10 Kilometer südlich vom Weiho, fast am Fuße der langen Kette des Tsinling, ist von riesigen Lchmmauern im Rechteck mit vier mächtigen Thoren umschlossen und gilt für eine Festung ersten Ranges, obgleich sie modernen Geschützen nicht fünf Minuten lang wider stehen würde. Die Einwohnerzahl wird auf 400 000 Köpfe ge schätzt, Chinesen, Tataren und Muselmanen. Dort haust also der Hof seit mehreren Monaten. Die Stadt, schon in gewöhn lichen Zeiten reich an einer zerlumpten Menge, ist jetzt davon überfüllt; denn alle Bauern aus der Provinz strömen auf Karren oder zu Esel 'Hebbel, um den Kaiser zu sehen. Die Menschen menge wogt auf dem 'Schmutzpflaster auf und ab, hält vor den niedrigen Mauern der Paläste, quetscht sich an den Thoren herum. Aber 'das ersehnte Bild bleibt verschleiert: die Kaise» r i n hält !sich in ihren mit gelber Seide ausgeschlagenen Ge mächern; nur selten geht sie auS, dann ckber, gleich einem mäch tigen Götzenbilde, zeigt 'sie sich au'f den Schultern ihrer Träger. Dann erscheint sie klein, dürr, pergamentartig, eine Mumie mit lebhaften, sehr Hellen, von einew Elfenbeinoval eingeschlossencn Augen. Zuweilen neigt sie sich in langsamer Bewegung vor wärts, streckt ihre Hand aus der Sänftenthür und wirft unter die Menge heraldische Drachenmünzen, um die sich dann der Jan hagel mit großem Geschrei katzbalgt. Und dann setzt sich der Spaziergang fort, feierlich, achtunggebietend, aber zugleich ärm lich und possirlich. Die tatarische Leibwache voran, in ihrer alten Uniform, mit schmutzigen Bannern, bewaffnet mit verrosteten Flinken, die um die Schultern an aneinandergestückelten Seilen hängen; dann der düstere Kaiser Kwanqsü, stets schweigsam unter dem scharfen Auge seiner schrecklichen Tante. Kwangsü, der seine Pfeif« raucht, gelangweilt, verthiert, abgemagert, blutlos, Alles anglohend, ohne zu sehen, in seinem Innern irgend einem Traume nachhängenv, bei dem er von Zeit zu Zeit seinen Mund aufsperrt und seine Zähne zeigt. 'Niemals verräth er irgend einen Wunsch, niemals erinnert er sich, «daß er Kaiser ist, oder wenn er sich dessen erinnert, wagt er nicht, es zu sagen. Glcich- giltig, gefühllos, fast todt, gleitet er vorüber. Mit Ausnahme Tuans, der degradirt und vorläufig seiner Titel beraubt seine Verbannung in -er Mandschurei bei einem tatarischen Marschall verbringt, sind sämmtliche Prinzen dem Hofe gefolgt. Sie lagern mitten in der Stadt, umgeben von ihren Militär'begleitern und Dienern, haben die Gasthöfe und öffentlichen Gebäude mit Beschlag 'belegt. Abends werden zu ihren Ehren die Speisehäuser und Ladengeschäfte an den Straßen entlang erleuchtet. Di- Theater sind überfüllt, man hört Gongs, Flöten, einsaitige Violinen und Guitarren in schauerlichen Mihtönen durcheinander erklingen und klirren. Bricht der Abend herein und ist die Kaiserin mitsammt dem öden Kwangsü in ihren Palast zurückgekehrt, dann stellen sich eine Menge hoher Mandarine bei ihr ein; fette, volle Gesichter auf dicken, fettgepolsterten Leibern steigen von den Tragbahren herab und verschwinden nach drei tiefen Knieheugungen im Thore. Dann kommen die Couriere an, ihren Stiesel stets im Bügel; die Depeschenträger, die Steuereinnehmer, die Bonzen und Eunuchen. Die Soldaten bleiben auf dem Pflasterboden der Gasthöfe, in den Straßen und in den offenen Pagoden. Sie zählen 10 000 Mann, 20 Regimenter, unter dem Befehl des famosen T u n g f u h s i a n g, dec sein Hauptquartier in Lintung, einige Kilometer nordöstlich von Singanfu, eingerichtet hat. Aber der "famose Tungfuhsiang ist stark zusammenge- chrumpft, ein fast verfallener „Tungfuhsiang". Dieser Koloß, der 'Lei jeder Mahlzeit 5 Pfund Fleisch aß, hatte sich ver schworen, Europa mit derselben Leichtigkeit zu verspeisen; er täuschte sich aber betreffs seines Appetits und ist jetzt so herunter, daß er sich schon verschiedene Male die Kehle durchschneiden wollte. Die Kaiserin wäre dieserhal'b nicht sehr traurig ge wesen, denn sie mißtraut diesem Tartarin aus der Tartarei; sie fürchtet sich vor ihren eigenen Soldaten, die zumeist Muselmanen sind; sie fürchtet sich außerdem vor dieser Provinz, deren Befehls haber aus Kansu, dem Herde der beständigen Empörungen, stammt. Die L a g e der Christen war während der Zeit vor dem Einzuge des Hofes furchtbar. Schon seit zwei Jahren wurden sie beständig mit dem Tobe bedroht. Der Bischof Pannucci wies sie daher an, sich mit Waffen zu versorgen, eebec mit welchen Waffen! Alten Lanzen, die wie Flinten aussahen, oder Flinten, die aus dem ersten Kaiserreich stammten. Aber die Nolh macht erfinderisch. Einer der unfern beschmierte die Gesichter der kleinen Mädchen unseres Waisenhauses mit chinesischer Tinte, worauf denn der 'Feind, der sich Teufelchen gegenüber glaubte, spornstreichs entwischte. Ein anderer häufte Tonnen überein ander, so daß 'sie wie Kanonen aussahen, und vor diesen Krupp- Kanonen verblieben dir Feinde in achtungsvoller Entfernung. Glücklicher Weise gelang es dem Vicekönig Tuanfung, sich deS Rädelsführers der Empörung zu bemächtigen und ihn aufzu knüpfen. Mer unterdessen sollte eine Depesche der Kaiserin mit dem Befehle eines allgemeinen Blutbades angelangt sein; that sächlich wurden zwei Bischöfe, Grassi und Fogolla, zwei Priester, sieben Nonnen und 160 Eingeborene enthauptet. Und schon machten wir uns auf den Eintritt der Henker gefaßt; wir fluch teten in die beiden Kirchen, glaubten uns verloren, aber der gute Tuanfung mischte sich ein und rettete uns auf die Gefahr seines eigenen Hauptes. Seitdem waren wir gesichert; am 20. Oktober langte die Nachricht an, daß alle Angriffe gegen die Missionare bei Todesstrafe eingestellt werden sollten; unv darob konnten wir denn, eine Woche später, hinter den Bambus-Verschlägen unseres Seminars den kafferlichen Zug ansehen, ohne für unsere Köpfe zu fürchten. Schrecklich soll, wie schon gestern erwähnt, augenblicklich in der Provinz Schensi die Hungersnoth wüthen. Die Hälfte der Bevölkerung stirbt vor Hunger; auf den Straßen streiten sich die Hunde mit den Bettlern um ein Stück Brod, das Letztere kaum mehr die Kraft haben, gegen die Hunde zu Vertheidigen. Der Hof hat zwar 1000 Taels zur Vertheilung gegeben, aber die Mandarine behalten dieser Summe für sich; dazu kommen noch die Bedürfnisse der tatarischen Leibwache, die täglich 15 000 Rationen für sich beansprucht. — Der Pater will deshalb Europa bereisen, um für die Hungerleidenden Hilfe zu erwecken, indessen wird er wohl angesichts der Greuel, von denen er selbst zu er zählen weiß, wenig ausrichten. * London, 6. Februar. (Telegramm.) Die „Morning Post" berichtet aus Peking unter dem 4. Februar: Wie verlautet, haben sich die Gesandten dahin geeinigt, die Hinrichtung von vier der elf sremdenfeindlichen Führer, deren Namen in der ersten Liste ausgeführt sind, zu fordern. Dies sind Züsien, Aungmen, Tschao-schu-tschiao und Prinz Lien. * London, 6. Februar. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Peking unter dem 5. Februar: Die Gesandten be sprachen heute früh mit den chinesischen Bevollmächtigten die Frage der Bestrafungen. Die Besprechung führte zu keinem be- friedigenden Ergebnisse und wurde deshalb von den Gesandten bis Nachmittag vertagt. * London, 6. Februar. (Telegramm.) Tie „Times" be richten aus Peking unter dem 4. Februar: Di« chinesische Regie rung genehmigte gestern, daß in London die Summen auSbezahlt werden, die den fälligen Betrag der aus den kaiserlich chinesischen Nordbahnen sundirten Anleihe von 1898 ausmachen. Nach den Bestimmungen des Anleibevertrags hätte, wenn diese Zahlung hinaus geschoben worden wäre, die englisch-chinesische Gesellschaft sich derganzen Bahnlinie Peking »Schanheikwan bemächtigen können; di« englische Regierung aber brachte, da sie keine neue Verantwortlich, keit in Nordchina auf sich nehmen wollte, ihre Ansprüche zur Geltung, woraus die Zahlung erfolgte. Der Berichterstatter der „Times" bemerkt, diese Maßnahme sei bedauerlich, da sie die Engländer einer Eisenbahn beraube, die ihnen erlaubt hätte, ihre Stellung in Nordchina zu befestigen. * Konstantinopel, 6. Februar. (Telegramm.) DaS rus sische Freiwilligrnschisf„Woronesch" mit für China bestimmten Truppen und das Freiwilligenschiff „Orel" mit nach Rußland heim, kehrenden Truppen an Bord haben den Bosporus pasftrt. Deutsches Reich. L LI 0. Berlin, 6. Februar. (Die ostdeutsche RhrVerei 1900/1901.) Die Bilanz der ostdeutschen Rhederei für das abgelaufene Jahr crgiebt abermals einen Rückgang d e s B e st ä n v c S. Die Handelsflotte der Provinzen Ost- una Westpreußen unv Pommern belief sich zu Beginn des Jahres 1900 auf 84l Schisse mit 100 940 Register-Tonnen. Der Zu gang durch Neubau beschränkt sich während de» Jahres 1900 auf
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