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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010216023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901021602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901021602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-16
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Der Bielgewandte bat die Engländer durch seine Operationen östlich von ver Eisenbabnlinie getäuscht und erreicht, baß sie wobt die östlichen Furten de« Oranje, nicht aber die westlichen besetzten. Da zur Beförderung von Truppen nach diesen letzter» Eisen bahnen nicht verfügbar, in der Marschierfähigkeit die Boeren den Briten aber weit überlegen sind, so fand er sowohl Pbilippolis al» auch die Zanddrift unbesetzt und konnte den Uebergang ungehindert bewerkstelligen. Unbegreiflich er scheint besonders, weshalb die Engländer, nachdem die Schwenkung De Wet'S bei Smithfield gemeldet worden war, nicht die ganze Eisenbahnlinie zwischen Bloem fontein und Norvals Pont mit Truppen gespickt haben; nach allen Nachrichten muß mau annevmen, baß De Wet zwischen den Stationen IagerSfontein Road und Spring- sootein, also genau westlich von Smithfield, wo der Durch bruch am ehesten zu erwarten war, nicht den geringsten ÜPiderftand gefunden bat, vielmehr in aller Gemüibsruhe now einige Züge abfangell und verbrennen konnte. Erst in PhilipStowu trat ibm eine englische Abheilung entgegen, etwa 50 Icm südwestlich von der Zanddrift. — Sonst wirb un« noch über die Gefechte bei Philippötown gemeldet: * LoleSberg, 15. Februar. (Reuter'S Bureau.) Die Boere» überschritten am 9. Februar den Oranje-Fluß bei Zanddrift und nahmen in der Richtung auf Philipps« tow» eine auSgedehute Stellung ein. LOO Mann Coloniahtruppen kamen am Mittwoch mit fünfzehn« hundert Boeren iu Fühlung und behaupteten sich, bis sie durch australische Truppen unter Oberst Plumer verstärkt wurden. Der Feind, der zuerst langsam zurückgrdrängt wurde, war gestern in vollem Rückzüge gegen Osten, vou Oberst Plumer ver« folgt, begriffe». Da« lassen wir vorläufig noch dahingestellt sein, bis eS Kitchener'» amtlicher Telegraph bestätigt. Es wird sich nun zeigen muffen, ob die von mancher Seite gehegte Hoffnung, daß De Wet'S und Sleijn'S Erscheinen den Hellen Aufruhr iu der Capcolonie entfachen werde, sich erfüllen wird. Nach der Lauheit zu schließen, mit der die Capboeren biSber ihre eiugedrungenen Blutsverwandten empfangen haben, wird sich vennuthlich i» der Capcolonie auch jetzt nicht viel ändern. fürstliches Aufstandsgebiet der Capcolonie. * Eradock, 15. Februar. (Reuter'S Bureau.) Eine Abtheiluug vo» SO Boeren nahm gestern zehn Meilen von hier einen Tro»sport vou 70 Pferden, die für die englischen Truppen bestimmt war«, weg. (Das wird den Engländern bei ihrem notorisch« Pferdemaugel besonders fatal sein. D. Red.) Kämpfe i« Transvaal. * Tapßtadt, 15. Februar. („Reuter'S Bureau.") General Smith Dorrten hat Amsterdam (an der Grenze des Swazi« lande») besetzt. * Ltandertou, 15. Februar. („Reuter'S Bureau.") Die Boere» svreugte» zwischen dem Baal und Greyliugstad einen Arbeits-llg iu die Luft. Der nachfolgende Panzerzug eröffnete do« Feuer, zwei Boeren wurde» getödtet. Die Geschwister. iss Roma» vo» Alexander Römer. SiLibdruck «rrboUu. „Wenn Sie auf ldaS Vergnügen zunächst verzichten, wäre es Wten oa recht, wenn wir uns aus diesem Gewühl lösen und dort in das Nebenzimmer fluchten?" sagte Welcoro. „Gern, aber man wird Sie nicht freigeben", entgegnet« Ellen. „Sehen Sie, Frau Rose schaut nach Ihnen um, kümmern Sie sich um mich nicht weiter, ich empfehle mich später un'oemerkt." Er verbeugte sich und folgte dem Wink der Gastgeberin, die ihn erspäht hatte. Ellen trat in das leere Nebengemach, sie sehnte sich, einen Moment allein zu sein, wollte sich abtühlen und dann nach Hausse gehen. Sie lüftete den Fenstervorhang. ES war eine schöne, sternen helle Frühlingsnacht. Ihr Herz war schwer — warum? Ayr war, als erwache 'sie aus einem Rausch, und die Nüch ternheit nach einem solchen ist niemals ein angenehmes Gefühl. Zwei weiche Arme uwfinaen sie von hinten. Es war Ange lika, welche ihr glühendes Köpfchen an ihre Wang« lehnte. „Ast eS nicht himmlisch heute Abend, Fräuletn Ellen, und Sie sehen so wundeihübsch auS, Sie müssen noch ranzen — wie gut Sie und Don Adolfo walzten, Sir paffen gut zusammen, daS meinte auch Herr von Möllenbach. Tanzt der nicht wie ein Gott? ist überhaupt ein prächtiger Mensch." Ellen sah die aufgeregt Plaudernde ein wenig befremdet an. „Angetita — ich halt« eigentlich heute Abend ganz etwas Anderes erwartet", entfuhr cs ihr unwillkürlich, „Ihre Ver lobung mit " „Don Adolfo?" fiel Angelika ihr erschrocken in die Rede. „Nein! noch nicht, noch nicht. Wir kennen uns noch nicht genug, das hat auch er zur Mama gesagt, er ist so gut und ge duldig." Ellen unterbrach sie jetzt lachend. „Freilich — ivarum auch, wenn eS Ihnen Beiden noch nicht eilt." „Nein — gar nicht — und ich bin ja auch noch so sehr jung." „Angelita!" Der Mutter Stimme rief sie, und sie flatterte davon, Ellen blieb mit einem räthselhaften Gefühl von Ruqe zurück. Aber sie sehnte sich nach Hause, drüben in der Garderobe wartete ihr Mädchen auf sie, sie eilte unbemerkt hinaus. Minna war auch richtig da, sie hatte durch die offene Thür dem Tanze ein wenig zugesehen, und sich däbei sehr gut unter halten. Das „FricdenSeomitS". Nach einer Mittbeilung des „Manchester Guardian" sind Piet de Wet (angeblich der Bruder des bekannten Boeren- fübrerS) und Paul Botba (ein Vetter des oft genannten Commandanlen) als Abgesandte deö Kroonstader FriedenscomitvS kürzlich in Capstadt angekommen. Ersterer wird von dem Correspondenten des genannten Blattes als typischer Boere, auffallenv einfach gekleidet, und als ein hervorragender Kenner des Englischen geschildert. Auf die Frage des Correspondenten in Sacken derFricdensunterbanklungen er widerte de Wet, daß die jetzige Zett nicht recht dafür geeignet sei; er schien Sorge zu tragen, mit den Fübrern der Afri kanderpartei zusammenzutreffen. Auf eine weitere Frage, wie er sich die Zusammensetzung der deute noch im Felde stehenden Boerenabiheilungcn denke, soll de Wet geantwortet haben, daß diese in drei Classen zu zerlegen sind. Die eine glaubt, daß sie eine von Golt gestellte Ausgabe erfülle, wenn sie gegen die Engländer bis zum Ende kämpfe, und diese Leule würden sich niemals ergeben. Die zweite Classe umfasse Leute, die weniger fest entschlossen sind, jedoch aus Furcht vor ihren Fübrern zur Fahne hallen. Die drille Classe endlich bestände auS Leulen, die nichlS zu verlieren ballen. De Wet war der sangui nischen Hoffnung, daß es schließlich möglich sei, die zweite Classe zur Capilulalion zu bewegen, sein Bruder jeroch würbe dies nur lbun, wenn auch Louis Botha und der Präsident Sleijn die Waffen nieverlegeu würden. Der Oianje Freistaat habe unter den Folgen des Krieges besonders stark gelitten. So sah er zwischen Bolksrust und Vcreenizing an der Natal-Eisenbahn- lime nur eine zerstörte Farm, während er auf der Strecke zwischen Vereeniging und Kroonstad nur eine geseben habe, die nicht niedergebrannt war. Er schenkt den Meldungen von der Tödtung einiger FriedenSbevollmächtigten vollen Glauben und zweifelt nicht daran, Laß auch ibm ein gleiches Swickial bevorslehe, wenn er es wagen würde, die Com- mandoS aufznsuchen. Die wirren in Lirina. Dem „Standard" wird aus Tientsin gemeldet, daß die Lage inPeking wieder verwickelt wird. Die Aussicht auf eine befriedigende Lösung ist weiter entfernt als je. Es heißt, die Unterschriften der chinesischen Unterhändler unter den Friedensbedingungen seien nicht in correcter Form. Der englische Gesandte soll ein baldiges energisches Vorgehen befür worten und Graf Waldersee soll ein Ultimatum an den Hof geschickt haben. Allem Anscheine nach macht China nur darum so viele Schwierigkeiten, weil es sich inzwischen auf die Er neuerung der Feindseligkeiten im Frühjahre vorbereiten will. — Der „Morning Post" zufolge haben die Gesandten auf die Frage der chinesischen Unterhändler, ob sie nicht damit zufrieden sein würden, daß den Beamten, deren Hinrichtung verlangt wird, be fohlen wird, Selbstmord zu begehen, erklärten, bas würde sie nicht alle befriedigen, und die Gesandten hätten dargelegt, daß die Kaiserin-Wittwe versuche, die schuldigen Personen zu schützen. Der Korrespondent entwirft dann in einem zweiten Tele gramm ein sehr düsteres Bild von der jetzigen Lage in China. Sechs Monate, sagt er, seien verflossen, seit die be lagerten Gesandtschaften befreit wurden, und dennoch sei noch keine der Forderungen der ausländischen Regierungen erfüllt. Geld und Zeit der Ausländer werden vergeudet, und nur theil- weise sei ein Ersatz dafür zu erwarten. Das Prestige der aus ländischen Regierungen sei gesunken, und die Sicherheit der Aus länder würde nie wieder dieselbe werden, die sie vorher war. Die Ellen hüllte sich in ihren Tbendmantel, und warf eine weiße Schleierhüll« über ihr Haar. Das Mädchen löste ihr die Atlas- schuhe von den Füßen und vertauschte sie ihr mit den Tages- stieseln, so war sie wohlgerüstet, zu Fuß nach Hause zu gehen. Als sie draußen auf der Treppe stand, trat ihr Herr Welcord entgegen, ebenfalls im Paletot, den Hut in der Hano. „Ich dachte mir's", sagte er, „Sie würden sich heimlich davon machen, mir gcht'L wie Ihnen, auf die Länge ermüdet solch ein Trouble 'Leib und Seele. Wenn Sie es erlauben, geleite ich Sie ein Stück Wegs, draußen wird es viel schöner sein, als drinnen." Sie war augenscheinlich verlegen, es überraschte sie, daß er so früh das Fest, auf dem er eigentlich die Hauptperson war, ver lassen wollte, und nun gar als ihr Begleiter. Er schien ihre Gedanken zu ahnen. Ein humorvolles Lächeln spielte um seinen Mund, er streifte Minna, ihre Duenna, mn einem schalkhaften Blick. „Sie sind freilich schon wohlbehütet", meinte er, „aber da wird es um so weniger schaden, wenn ich mich als Dritter geselle. In dieser Form nehmen ja wohl auch die Pfahlbürger hier zu ^ande keinen Anstoß an der Sache." Sie schüttelte den Kopf und lachte. So schritten sie neben einander auf der stillen Straße unter dem klaren Frühlingshimmel, an dem die Sterne leuchtend funkelten. Das Mädchen folgte ihnen in kleiner Entfernung. Er redete launig über die Gesellschaft, batte heute Abend Land und Leute studirt, wie er 'sich ausdruckte, und machte allerlei treffende Bemerkungen. Er sah fast beim ersten Blick in die Herzen der Menschen hinein, las in den Physiognomien, erfaßte rasch kleine, charakte ristische Züge. Ellen hatte diese ungewöhnliche Fähigkeit schon früher bei ihm erkannt, und verwundert« sich heute Abend wieder über sein richtiges Urtheil über Menschen, die sie weit länger kannte, als er. Sie lachten ein paar Mal laut und herrlich alle Beide, und Ellen empfand ein bischen ungrkanntcs GlückSgefühl, das sie nicht weiter analysirte. Der Weg von der Annenstraße bis zu ihrer Wohnung war lang, sie schritten hinter dem Theatergebäude herum, passirten ein Gäßchen, von wo auS sie dann auf bem Museumplatz ge langten, der links vom Dee, gerade aus vom Schloß begrenzt war, und auf dem rechts die Straßen, welche in die Innere Stadt führten, mündeten. In dem Gäßchen lag di« Stammkneipe der Schauspieler, eS war zwei Uhr in der Nacht, aber es ging noch sehr lustig dort zu, als sie vorübcrkamen. Ellen erklärte ihrem Begleiter, daß das lustige Völkchen der TheSpisjiinger sich dort zu versammeln pflege, sic saßen ^spät chinesische Regierung, beeinflußt durch Berichte ihrer Vertreter im Auslande, glaube, daß die Regierungen jetzt nachgiebig werden würden, weil sie sich fürchten, den Folgen einer ernsten Politik entgegen zu sehen. Rußland allein sei stetig zur Sicherung einer guten Position vorgerückt und habe mit Chinas Zu stimmung das Protektorat über die Mandschurei erhalten. Komische Tagesschau. * Leipzig, 16. Februar. Ob wirklich, wie behauptet worden ist, die Schwierigkeiten, die dem Grafen Waldersee in China von russischer, französischer und amerikanischer Sette, nur nicht von englischer bereitet werden, im Zusammenbange mit den besonderen Freundlichkeiten sieben, die der Kaiser neuer dings Repräsentanten der englischen Nation erwiesen hat: daS scheint dem Reichstage oder wenigstens der kleinen Schaar von Volksvertretern, die an den Sitzungen tbeilzunebmen pflegen, döckst gleichgiltig zu sein. Kein Mensch bat gestern bei der dritten Lesung der China-Vorlage danach ge fragt. Der Äbg. Bebel sprach allerdings von bem deutschen Obercommandirenden in China und seiner wenig beneidens- werlhen Rolle, aber statt um Auskunft darüber zu ersuchen, ob wirklich die Fügsamkeit des englischen Con« tingents unter die deutsche Commandogewalt von Einfluß auf jene Freundlichkeiten gewesen ist, welche die deutsche Nation so tief bewegen, erging sich der socialdemokratische Redner gegen den Grafen in haltlosen Vorwürfen, die der Kriegs minister v. Goßler leickt zurückweisen konnte und die ibn der Nvthwendigkeil überhoben, die politischen Folgen der Mission deS Grafen Waldersee auch nur zu streifen. So bedauerlich cs aber auch ist, daß Herr Bebel durch seinen wilden Ritt gegen daS deutsche Oberkommando in Cbina die Aufmerksamkeit des Hauses von einem der Aufklärung so sehr bedürftigen Puncte ablenkte, so war eS andererseits auch erfreulich, daß er durch diesen Ritt dem KilegSt'.iinistet nicht nur Gelegenheit gab, das Bcstebeu einer Liigcnfabrik in Cbina nachzuweisen, die besonders die social demokratische Presse mit „Hunnenbriefen" versorgt, sondern auch die strafrechtliche Verfolgung der Blätter in Aussicht zu stellen, die durch die Veröffentlichung solcher Fabrikate die Ekre der in China kämpfenden deutschen Truppe» besudeln. Vielleicht bewirkt diese Ankündigung, daß die socialdemokralische Presse auS Furcht vor Strafe eine Vorsicht übt, die sie aus Mangel an Nanonalgefübl bisher zu üben unterließ. Entgingen bet der dritten Lesung der Cbinavorlage die Vertreter des BundcS- ralbS dem Zwange, über die politischen Folgen der Miision des Grafen Waldersee sich zu äußern, so wuiven bei der Bc» ratbung des Etats der Postverwaltung bem Staatssekretär v. Povbielski wegen der Errichtung von Uebersetzungsstellen in Posen und Bromberg goldene Brücken gebaut. Ter national liberale Abg. Basser mann begnügte sich damit, diese Ein richtung als die äußerste Grenze deS Entgegenkommens zu bezeichnen, über die unter keinen Umständen hinauSgeganzen werben dürfe; daß er aber der Meinung war, die Grenze sei bereits überschritten, ging daraus hervor, Laß er Maßregeln für nötbig erklärte, die auf daS Erlernen und nickt auf daS Verlernen der deutschen Sprache hinwirken. Ob Herr v. Povbielski diese Biücke betreten wird, geht auS feiner Antwort nicht klar hervor. Er versicherte einerseits, er habe Lurch seine Maßnahme nicht capilulirt, sondern die frühere Bestimmung verschärft und bereits den Erfolg zu verzeichnen, genug noch beisammen, Singen, Johlen und lautes Lachen ver- rieth Die Stimmung der Nachtschwärmer. Sir gingen rasch vorüber und setzten ihr durch den Lärm unterbrochenes Gespräch fort. „Ach! Du meine Güte!" rief Minna plötzlich hinter ihnen. Sie wandten sich Beide um. In der Thür des Locals rangen zwei Gestalten mit einander, ein Mädchen und ein Mann. Ein kurzer Aufschrei, wie von Todesangst erpreßt, erfolgte, dann flog ein weibliches Wesen, in einen dunklen Mantel gehüllt, pfeilschnell an ihnen vorbei, über den Platz, der Richtung zu, wo der See lag. Der 'Mann, von dem sie sich geivaltsam losgcriffen, verfolgte sie ein paar Schritte. Als er aber die drei weiteren nächtlichen Wanderer gewahrte, besann er sich eines Besseren und trat in die Kneipe zurück. Ellen war tö'otlich erschrocken. „Was ist dem Mädchen?" rief sie, um Gottes willen, dort ist der See " Welcoro theilte ihren Gedankengang, er folgte mit seinen großen Schritten der Fliehenden, sie hatte indeß einen großen Borsprung. Ellen und das Mädchen standen athemlos, tn bebender Spannung. Kurz vor der Allee, die am Seeufrr entlang lief, stürzt« das Mädchen plötzlich zur Erde. Wclcord war in einer Secunde neben ihr. In Ellen'S erstarrt« Glieder kehrte die Wärme zurück, sie lief, so schnell sie konnte, dem Platze zu, wo Welcord eine leblose Ge stalt im Arme hielt und zu einer der in der Allee stehenden Bänke trug. Des Mädchens Kopf war hintenüber gesunken, unter dem dunklen Mantel trug sie ein Helles Kleid, auf dem sich Blutflecken zeigten. Das iveiße Tuch Welcord's, das er an ihren Mund preßte, war blutacfärbt. „Sie hatte sich einen Blutsturz ^ugezogen durch den rasenden Lauf, und vielleicht vorhergegangene große Aufregungen", sagte er, „es ist ein ganz junges Geschöpf." Ellen war jetzt neben ihm und blickt? in das bleiche Gesicht. Sie stieß unwillkürlich einen Schrei aus. „Susi!" „Kennen Sie die Unglückliche?" fragte Welcord befremdet. Ellen war fassungslos. Sie sah ihren Begleiter verstört an, und nickte. „Ja, ich kenne sie — das arme, arme Ding!" Er schwieg, seine Augen hingen verständnißkos an ihren von tisfer Erschütterung zeugenden Hiigen. „Was fangen wir mit ihr an?" stammelte sie mit einem rath losen Ausdruck, „sie muß um jeden Preis gerettet werden vor Denen da" — sie wies zurück in di« Gegend, woher die Flllch- daß ibm der Erzbischof von Pose» gesckrieb«: „Ich habe jetzt die Verordnung herauSzegeben, daß meine Iniereffeoken nur deutsch schreiben"; andererseits aber ließ er durchblickm, daß er erst noch weitere Erfahrungen abwarten müsse, bevor er über die Nützlichkeit oder Schädlichkeit der Einrichtung ein Urtbeil zu fällen vermöge. Bei der vom Reichskanzler ge- priesenen Einheitlichkeit der Reich-Verwaltung wird es übrigens nickt von Herrn v. Povbielski allein abhängen, welchen Gang die Polenpolitik geht, und so lange nicht einerseits der preußische Iustizminister von seiner Sehnsucht nach Ein führung deS obligatorischen polnischen Sprachunterrichts an den höheren Schulen der gemischtsprachigen LandeStbeile durch eine von höherer Seite verordnete Cur befreit und andererseits daS Ccntrum von seiner dominirenden Höbe berabgidrangt ist, können wir uns der Hoffnung auf eine conseguenle und energische Bekämpfung der polnischen Gefahr nicht hingrben. Den Centrumspolrtikern ist «S sehr wider den Strich ge gangen, daß zur Beleuchtung deS klerikalen„ToleranzautragcS" die Toleranz des llltramontanismus durch Citate aus dem „Staatslexikon" der Görresgesellschaft be leuchtet wurde. Die „Köln. Volksztg." sucht die ihrer Partei damit widerfahrene Verlegenheit aus der Welt zu schaffen, indem sie mittheilt, der hauptsächlich Anstoß erregende Artikel über das staatliche Oberaussichtsrecht würde in die zweite Auflage nicht übernommen werden. Und was den gleichfalls die zahlreichsten Angriffspuncte enthaltenden Artikel „Syllabus" anbelange, so werde er schwerlich in der Fassung der ersten Auflage in die zweite übergehen. „Wenn wir nicht sehr irren", schreibt das rheinische Centrumsorgan alsdann wörtlich, „dürfte auf denselben (nämlich den ,,Syllabus"-Artikel) der Passus im Vorworte zur zweiten Auflage Anwendung finden, daß in einzelnen neuzeitliche staat liche Verhältnisse behandelnden Artikeln zwischen den katho lischen Principien und deren Anwendung auf die Gegenwart, zwischen feststehenden Lehren der katholischen Kirche und mehr oder minder autoritativen Schulmeinungen genauer zu unterscheiden ist." — Es wäre sehr verfehlt, wollte man in der Zurückziehung, resp. Umänderung besonders anstößiger Beitrciof des „Staatslexikons" ein Zeichen für die Umwandlung ultra montaner Anschauungen und deS ultramontanen Wesens er blicken. Der Klerikalismus denkt gar nicht daran, von seinem Wesen und von seinen Grundsätzen das Geringste preiszugeben: lediglich taktische Rücksichten, das Bedllrfniß, wegen des Toleranzantrages die ultramontane Intoleranz ein wenig zu verschleiern, haben zur Nachgiebigkeit für die zweite Auflage des „Staatslexikons" geführt. Ist der Zweck, der durch den tak tischen Zug erreicht werden sollte, erfüllt, dann kehrt man gelassen zu den „katholischen Principien" zurück. Das Papstthum ist das Vorbild für diese Art der politischen Strategie. Vermuthlich wird schon die dritte Auflage des „Staatslexikons" die Beweise für die Richtigkeit unseres Standpunctes erbringen. Thut das die dritte Auflage aber nicht, dann sicherlich die vierte oder die fünfte! In den Vereinigten Staaten bleibt nichts unver sucht, was unsere Rcichshandelspolitik in Verlegenheit bringen kann. Das Neueste ist der Antrag eines Kongreßmitgliedes, den Rohcisenzoll ganz fallen zu lassen. Natürlich muß der Antrag steller zur herrschenden Partei gehören, sonst wüßte man ja von vornherein, daß es sich um ein« Action handelte, die in den Ver einigten Staaten selbst nicht ernst genommen werden könnte. ! Natürlich muh auch die angesehene Presse, voran die „New Zorker Handelszeitung", darüber wie über eine sehr ernste Sache i reden. Doch mögen cs die Aankres ebenso natürlich finden, daß tig« gekommen war, „sie bedarf der Pflege, und — ich kann sie nicht zu meiner Mutter bringen, nicht in unser HauS aufnehmen." „Es wirv hier ein Krankenhaus geben, ich werde sie dahin bringen", entgegnete Welcord. Ellen legte ihre Hand auf seinen Arm; er hielt noch immer den Kopf der Bewußtlosen, deren Körper er auf di« Bank ge bettet hatte. i „Ich kann Ihnen hier und zu dieser Stunde nicht den Zu sammenhang erklären", sagte sie mit erstickter Stimme. „Ich fürchte, dieses arme Mädchen hat schwer gelitten, und ist vor großer Gefahr geflohen. Sie ist — sie war — ich kannte sie vor Jahren — ich wußte, daß sie hier war in Begleitung einer Freundin, einer jungen Schauspielerin " Welcord nickte. In der halben Dämmerung — der Morgen graute schon — sah sic in sein gutes Gesicht. „Lassen Sie, ich verstehe schon — wollen Sie die Kranke ein paar Minuten halten? Es wivd daS Beste sein, wenn ich zurücklattfe, in der Annenstraße finde ich noch Wagen, ich nehme einen derselben, kann sehr rasch wieder hier sein. Dann bringe ich sie in das Krankenhaus, und morgen können wir überlegen, was für sie zu thun ist." Ellen stimmte zu. Welch' ein Gkück, daß er da war, der stets Hilfe leistete und einen Ausweg wußte. „Fräulein Ellen", rief er noch im Davoneilen zurück, „bitte schließen Sie Ihren Mantel fester, eS weht kühl um diese Stunde der Morgendämmerung, und ich sehe «S, Sie zittern an allen Gliedern? Er war mit einem Sprunge noch einmal -ei ihr, legt« selbst den Mantel fester um ihre Schultern, und wand den Schleier um ihren Hals. Es lag etwas zärtlich Fürsorgliches in jeder seiner geschickten Bewegungen. Sie dankte ihm leis«, trieb ihn aber zur Eile an. Als Welcord dem Gesichtskreis Ellen'S entschwunden ivar, beugte sie sich tief über das todtblaffe Gesicht, das sie in ihren Armen hielt, und trocknete mit ihrem feinen Battisttuch vor sichtig die Blutspuren von den Lippen und dem Kinir. „Kleine Susi!" flüsterte sie weich und ihre Stimme brach in Thräncn. Sie versuchte sie ins Bewußtsein zu bringen, sie schickte das Mädchen an den Ser, damit sie ihr Taschentuch ins Wasser tauchte, und netzte damit die Schläfen und die Stirn der Ohnmächtigen.l Aber es erfolgte kein Lebenszeichen — ein« Todesangst erfaßte sic, die Minuten dehnten sich ihr zu Ewigkeiten, bis er wieder kam, er — der in der Sinnverwirrung dieser Stund«, ihr als allzeit zu ihr gehörig erschien. Endlich rollte da ein Wagen heran — er toar es. „Lassen Sie mich das Mädchen hineinheben, Sie müssen nu« HerrrNetoir.
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