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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000103019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900010301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900010301
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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42 In kürzt» Zeit (I) wird die Republik in de» Händen der Engländer iria, und kein Opfer an Leben Eurerseits wird im Stande sein, dies abzuwendrn. Die Frage nun, die Ihr an Euch zu richten habt, ehe eS zu spät ist, ist die folgende: Ist es Werth, in dem vergeblichen Versuche, die Invasion abzuwenden, Euer Leben zu verlieren oder eine Stadt auberhalb Eurer Grenzen zu belagern, die, wenn Ihr sie genommen habt, von fast gar keinem Nutzen für Euch ist? Da die Republik den Krieg erklärt hat und offensiv geworden ist, so ist eine Intervention zu ihrem Gunsten ausgeschlossen. Der deutsche Kaiser ist gegen» wärtig tu England und seine volle Sympathie ist aus unserer Seite. Die amerikanische Regierung hat erklärt, daß sie sich zu England halten werde, wenn eine andere Macht intervenirrn sollte. Frankreich hat große Interessen in Len Goldminen, dir den unseren identisch sind. Italien ist völlig im Einvernehmen mit un» und sür Rußland ist kein Grund vorhanden, zu inter- venireu. Der Krieg ist der einer Regierung gegen die andere und uicht der eines Volkes gegen das andere. ES ist die Pflicht meiner Truppen, hier auszuharren, bis dec richtige Zeitpunkt erschienen ist, und dann zu käinpscn, bis Ihr nachgebt. Ihr indessen habt an andere Interessen zu denken, an Eure Familien, Eure Farmen und Eure Sicherheit. Mein Vorschlag ist der: kehrt ohne Verzug nach Hause zurück und market friedlich da» Ende de» Krieges ab. Diejenigen, die dies bis zum 13. thun, werden so weit wir möglich Schutz sür sich und ihre Familien erhallen, während die Andern der Plünderung und Zerstörung ihrer Farmen ausgesetzt sein werden, wenn die Einfälle slatisinden. Diejenigen, die dies Anerbieten nicht annehmen, können versichert sein, daß ihr Eigenthum confiscirt werden wird, wenn unsere Truppen ankommen. Jeder Mann sei darauf vorbereitet, sein Gewehr und 150 Patronen zu übergeben. Sie haben sich im andern Falle den Verlust an ihrem Eigenthum und Unbilden aller Art selbst zuzuschreiben. Sie und ihre Familien mögen nachher leiden. Maseking, 10. De» cember. R. S. S. Badrn-Pomell, Oberst." Am 15. December, dem Tage der Schlacht bei Colenso und de» Kampfes bei Storenberg hatte Badeu-Powell seinen Appell an die „Feigheit" der Boeren schwerlich geschrieben. Daß seine Lügen nicht verfangen haben, lehrt der weitere Verlauf der Ereignisse, namentlich die fortschreitende Erhebung der Afrikander. Bill der Schreckliche. * London, 30. December. (Mgdb. Ztg.) Eine niedliche Ge schichte, die sich bei der Abreise eines englische» Reservisten zutrug, und die von dem hohen Vertrauen zeugt, das die britische Soldatenfrau in die Tapferkeit ihres Gatten setzt, weiß die „Birmingham Daily Mail" zu berichten. Eine Frau weinte bitterlich, als der Zug mit ihrem Gatten Len Bahnhof Snow Hill verließ. Ein Herr, der die Scene beobachtete, fühlte sich veranlaßt, ihr einige Worte des Mitgefühls zu sagen, war aber uicht wenig überrascht, als die Frau mit schluchzender Stimme erwiderte: „Ob, ich gräme mich nicht jo sehr um ihn; die armen Boeren sind es, die mir leid thun. Bill ist so schrecklich, wenn er erst angefangen hat." Sprach's und ließ den Mitleidigen verdutzt stehe». Lage in Johannesburg. AuS Posen, 30. December, schreibt man uns: Wie ich aus Ihrer heutigen Morgennuminer ersehe, verbreitet die „Köln. Ztg." die Nachricht, daß Johannesburg seit dem 16. September von Europa abgeschnittcn ist. Ich habe nun am 27. d. MtS. die Südafrikanische Zeitung vom 25. November erhalten, ein Beweis, daß Johannesburg nicht von Europa abgeschnitten ist. Auch der Inhalt wider spricht der weiteren Behauptung, daß die Hitze die Lage uner träglich macht und Sorge wegen der Nahrungsmittel herrsche. Sie ist vielmehr im redactionellen Theile sogar fidel gehalten und auch sonst von Angst keine Spur. Englands militärischer Zusammenbruch. L. 6. London, 3l. December. Die Kritik der eng lischen Mißerfolge wird in England selbst täglich schärfer und richtet sich bereits in den großen konservativen Organen des Landes direct gegen die Regierung. Das gilt nicht nur von Len Freilanzen der konservativen Partei, sonder» von so aitconservativen Organen, wie es z. B. die „Sunday Times" sind. Das genannte vornehme und dre Regie rung sonst und bis dahin unbedingt unterstützende Organ der öffentlichen Meinung schließt heute seinen Leitartikel unter der Ueberschrift: „Um welchen Preis der Friede?" mit den bezeichnenden Worten: „Der Frieden scheint noch weit ent fernt, aber sollte der ihn möglichmachende entscheidende Sieg nicht bald davongetragen werden, so wird die Nation auf das Tiefste unzufrieden und mit Recht erzürnt werden." Ueber die Möglichkeit eines Friedens selbst läßt sich die „Sunday Times" wie folgt auS: „Es mag überhaupt noch nicht an der Zeit sein, von Friedensbedingungen zu reden, während die Boeren noch Eindringlinge auf unseren Colonien sind und der Kampf auf britischem Boden vor sich geht. Wenn jene aus den britischen Territorien zurückgetrieben sein werden, so wird, wie Sir George Shaw Lefevre bemerkt, „die Gelegenheit zu Unterhandlungen und Neu- arrangementS gekommen sein", und dann sollte diese Gelegenheit schnell benutzt werden, den Wunsch der Boeren nach Frieden durch Vorschläge vernünftiger Bedingungen auf die Probe zu stellen. Eine allgemeine Amnestie mag selbst heute schon versprochen werden, sobald die Waffen niedergeletzt sind." Das ist, wie man sieht, immer noch der herablassende Ton des großmächtigen BritenreicheS; aber man muß zuge stehen, daß ein großes Organ der englischen öffentlichen Meinung und der regierenden Partei sich kaum weiter vor wagen kann und daß diese Sprache schon heute ganz wesent lich abstickt von dem bisherigen Kriegsgeschrei der niedrigeren Jingopreffe. Diese Haltung erklärt sich zum Theil auS der Erkenntniß der fast gänzlichen Aussichtslosigkeit aller ferneren Anstrengungen England« in diesem Kampfe, eine Einsicht, die sich besonders in den maßgebenden Kreisen jetzt ver- hältnißmäßig schüell und in rasch zunehmendem Maße Bahn bricht. Man bat dort endlich die einfache Wahrheit begriffen, daß alles Hinübersrnden von rein numerischen Verstärkungen den Boeren und ihrer Taktik gegenüber ganz wertblo« sein würde, eS sei denn, daß man Hunverttausende zugleich in eiuer einzigen Colonne mit überwältigender Artillerie vor sich den einzelnen BoereneommandoS «ntgetzenwerfen und diese so gewissermaßen in einer übermächtigen Um armung einzeln erdrücken könnte. Selbst daS dürfte man nach der heutigen Ansicht, selbst englischer Strategen, kaum er hoffe», da die Boeren sich entweder in kleine fliegende Corps zu»« Guerillakriege auflösen oder aber die „gedachte große englische JnvasionSarmee" vor einer uneinnehmbaren festen Stellung festhalten und dann im Rücken und von allen Seiten durch fliegende Colonnea angreifen und sich langsam zu Todte bluten lassen würden. Auch der Ausbruch der Pferdeinfluenza bat in dieser Richtung noch ernüchternder gewirkt als die stetig ernster werdenden und größere Dimensionen annehmenden Schwierig keiten in und nut der Delagoabay, welch letztere besonders nicht nur die Regierung mit tiefer Besorgniß erfüllen, sondern über die Frage ihrer principiellen Lösung direct in Conflict mit sich selbst gebracht haben. Es ist kein Geheimniß für die Eingeweihten, daß zuerst die Frage der Beschlagnahme von Brodfrüchten und dann die Wegnahme deS deutschen Dampfers „BundrSrath" eine kaum nothdürftig und für den Augenblick verhüllte Spaltung in den Reihen desMini- steriumS selbst hervorgerufen hat, dessen gemäßigtere Mit glieder mit Lord Salisbury an der Spitze und Balfour' Michael Hicks-Peach und LanSdowue die Ansicht Lord Rosebery'S tbeilen, daß die Beschlagnahme von Lebens mitteln respective Getreide eine indirekte Gefahr für England selbst bietet und schon deshalb nicht aufrecht zu erhalten ist, wie die höchst ungeschickte in immer steigendem Maße wiederkehrende Beschlagnahme fremder Kauffahrer nur dazu führen könne, schließlich noth- wendiger Weise nur zu stets ernsteren Fiktionen mit den übrigen Großmächten und der einen oder der anderen der selben schließlich Veranlassung zur Intervention geben könnte. In Bezug auf die Beschlagnahme von Brodfrüchten wagten selbst die „Times" nicht den Protest Lord Rosebery'S leichthin abnithun und begnügten sich mit ihrem bekannten Eiertanze. Das leitende City- und Uitlanderblatt konnte nicht umhin, zuzugestehen, daß „eS im Allgemeinen unweise sein würde, Brodfrüchte als KriegScontrebande zu behandeln, aber immerhin könnten die heute vorliegenden Umstände daS Ein schlagen einer neuen Politik in dieser Beziehung recht fertigen und die Wegnahme von Nahrungsmitteln für die Boeren berechtigt erscheinen lassen". Dazu bemerkt z. B. der „Sunday Special" treffend: „ES würde eine der größten Tollheiten unserseits sein, wie Lord Rosebery richtig be merkt, Brodfrüchte für KriegScontrebande zu erklären. Die größte Gefahr, welche unS heute bedroht, ist ein Krieg gegen eine mächtige Coalition zur See. Sollte daS eintreten, so würde zweifellos ein großer Theil unseres Handels sich unter die amerikanische Flagge flüchten und die Vereinigten Staaten von Amerika unsere große Getreide kammer werden. England hat stets Lebensmittel für Nicht- Kriegscontrebande erklärt, und in dem gegenwärtigen Kampfe um eines augenblicklichen VortheilS willen diesen Grundsatz aufgeben, hieße nichts Anderes, als einen Präcedenzfall schaffen, welcher jeden Augenblick mit vernichtender Wirkung gegen unS selbst ausgespielt werden könnte." . . . Die Beschlagnahme des „BundeSrath" hat weit ernstere Besorgnisse und in leitenden Kreisen einen an Be stürzung grenzenden Eindruck gemacht. Selbst die leiden schaftlichsten Jingoblätter wagten e« am Sonnabend Abend und Sonntag nicht einmal, irgend einen Commentar zu der Thatsacke selbst zu machen, und der klägliche Versuch „Reuter'S", die Beschlagnahme des deutschen Kauffahrteischiffes damit zu rechtfertigen, daß dasselbe 3 deutsche Officiere und 30 deutsche Militärs in Uniform und KriegSauS-! rüstung anBord gehabt habe, welche in der Boerenarmee Dienste nehmen wollten, darf füglich als kläglich gescheitert betracktet werden — wie er gleichzeitig die Ueberraschung und Hilflosigkeit der englischen Negierung in» Licht rückt. Diese selbst hüllte sich allen Erkundigungen gegenüber in den Mantel deS Nichtwissens und ließ spät am Sonn abend Abend, wiederum durch „Reuter", erklären, „eS müsse ein ernster Grund für diese Beschlomnahme vorgelegen haben, da deren Berechtigung vor dem Prisengerichte in Durban nachgewiesen werden müsse." Eine inhaltlosere Begründung läßt sich kaum denken. Die Regierung fühlte das auch selbst und ließ deshalb in letzter Stunde erklären, sie habe die zu ständige Quelle angewiesen, die Beschlagnahme sofort aufzuheben, eS sei denn, daß in unwiderleglicher Weise daS Vorhandensein von KriegScontrebande an Bord deS deutschen Dampfer» sestgrstrllt worden sei. Am gründlichsten von allen bisherigen Kritikern hat der eben ziemlich überflüssiger Weise, weil gleichzeitig mit seiner Begnadigung entflohene Sohn Lord Randolph Churchill'-, früherer Gardeofficier und gegenwärtiger KriegScorrespondent der „Morning Post", die verlockende Fatamorgana zerstört, al« könne man mit weiteren 60—80 000 Mann Freiwilligen und Landsturm-Reserven daS KriegSglück in Südafrika zu Englands Gunsten wenden. Er hat bekanntlich erklärt, „eS sei dort unten reichlich Arbeit für weitere 250 000 Mann. Armee korps von 15 bi» 20 000 Mann einzeln gegen die Boerrn- commandoS führen, hieße lediglich die englischen Truppen wie Schafe zur Schlachtbank schleppen, man müsse gegen jede der Boerenarmee mindestens 80 000 Mann hinter 150 Ge- schützsck'.ünden schicken, und jeder Boere sei mindesten« drei bis fünf englische Soldaten Werth". DaS Alles sind Dinge, die noch vor 14 Tagen kaum ein englisches Blatt zu drucken gewagt haben würde. Und so sehr hat sich das allgemeine Urtheil der öffentlichen Meinung geändert, daß man heute, drei Tage, nachdem die „Morning Post" den sensationellen Bericht ihre» Correspondenten gebracht, dessen Ansicht schon fast wk eia selbstverständliche» Factum di-cutirt. Nur gan- vereinzelt wird der Versuch gemacht, den einstigen Ge fangenen und Helden des Panzerzuges von Chirveley zu höhnen, oder ibn der Uebertreibung zu bezichtigen. Für einen Engländer aber ist e» fast eine Ungeheuerlichkeit und hätte noch vor ganz kurzer Zeit als durchaus ausgeschlossen gelten müssen, zuzugestehen, daß irgend ein nicht-englischer Soldat so viel Werth sei, al- fünf Rothröcke. Und nun fordert Churchill sogar 250 000 Mann, nicht etwa, um siegreich in Pretoria einzuziehen, sondern lediglich, weil dort unten für sie reich lich Arbeit vorhanden ist. Eine solche Truppenmasse aber auf zubringen, daran denkt selbst in England Niemand, und selbst die Möglichkeit, 100 000 Mann mit 150 Kanonen gegen die einzelnen Boerenheere senden zu können, gilt al« ausgeschlossen. DaS Resultat von alledertr ist, daß fast sämmtliche Blätter in ihren JabreSrückblicken die Thatsache deS vollständigen Zusammenbruches der englischen HeereSorgani- sation bis hinauf zu der neueren Einrichtung des NationalvertheidiguogS-Cvmit^S der Regierung rückhaltlos anerkennen und je nach ihrer Parteistellung kriti- siren. Selbst die „Times" erklären beute in ihren NeujahrSbetrachtungen: „Unser militärisches System ist geprüft worden und zu leicht befunden. . . Die Nation ist überzeugt, daß weitgehende Reformen unserer Militär organisation dringend nothwendig sind. . . Die hervor ragenden Eigenschaften unserer Soldaten stellen die Defrcte und Fehler, welche sie neutralisirt haben, nur in um so schärferes Licht. . . DaS System ist zusammengrbrochen." Mittheilung -es Hilfsausschusses für Transvaal und Oranje-Freistaat. * Antwerpen, 28. December. Die Geschäftsstelle des Hilss- ausfcknsses sür Transvaal und Oranje-Freistaat beehrt sich mit» zutheilen, daß in der Sitzung des Ausschusses ;vom 21. November folgender Beschluß mit Stimmenmehrheit gefaßt worden war: „In der Absicht, die großen Dienste geziemender Weise anzu» erkennen, welche der Alldeutsche Verband dem zu Antwerpen durch die dortige Ortsgruppe des Allgemeinen Niederländischen Verbandes begründeten Hilfsausschusse für Transvaal und Oranje-Freistaat geleistet hat, ersucht der Letztere die geehrte Hauptleitung des Alldeutschen Verbände-, den Titel des Mitbe» gründers und Vertreters des Hilssausschusses sür Deutschland und Oesterreich annehmen und als Hauptsammel» stelle sür die beiden genannten Reiche dienen zu wollen. Dieser hoppelte Antrag wurde von derHauptleitung des Alldeutschen Verbandes in ihrer Decembersitzung mit dankenswerther Bereitwilligkeit ange nommen. Gleichzeitig sei erwähnt, daß drei Vertreter des Alldeutschen Verbände-, Freiherr von Zingesar zu Brüssel, Fabrikdirector vr. Hartwig zu Hoboken und Kaufmann Kirsten zu Antwerpen an den Arbeiten des Hilssausschusses von Anfang an theilgenommen haben. Der Alldeutsche Verband hat bisher zur Ausrüstung der Deutsch-Belgischen Sanitätsexpedition für Südafrika 12 000 beigetragen, des Weiteren sür deren Unterhaltung aus dem Kriegsschauplätze eine zweite Rate von 12 000 bewilligt und eine gleichgroße dritte Rate für den Reservefonds der Expedition zur Verfügung gestellt. Deutsches Reich. (-) Berlin, 2. Januar. (Die Gefährdung von Eisenbahntransporten.) In der am Sonnabend zur Ausgabe gelangten Nr. 53 des Reichs-Gesetzblattes wird das Gesetz vom 27. December v. I., betreffend die Abänderung des § 316 des Strafgesetzbuchs, veröffentlicht. Der genannte Paragraph betrifft die fahrlässige Gefährdung eines Eisenbahntransports, die bisher unter allen Umständen mit Gefängniß bestraft wurde, in Zukunft aber auch mit Geld st rase bis zu 900 c/k geahndet werden kann. Veran lassung zu dieser Milderung hat die große Ausdehnung des Klein bahnverkehrs gegeben, die zahllose, und zwar meist wenig schwer wiegende Vergehungen gegen den tz 316 im Gefolge gehabt hat. Insbesondere kommt im Straßenbahnverkehr eine große Zahl von Zusammenstößen u. s. w. vor, bei denen zweifel los eine Gefährdung des Transports auf einer Eisenbahn vor liegt, wenn auch der ganze Sachverhalt nicht für die Anwendung einer Gefängnißstrafe spricht. Es ergaben sich daraus häufig Richterspriiche, die dem Gerechtigkeitsgefühl widersprachen. Als eigenthümlich mußte es z. B. gelten, wenn ein Angeklagter, der das Unglück oder hier vielmehr das Glück gehabt hatte, bei einem von ihm verschuldeten Straßenbahnunfall einen Menschen zu verletzen, mit Geldstrafe bestraft werden konnte, während er, wenn bei dem Unfall kein Mensch zu Schaden gekommen war, mit Gefängniß bestraft werden mußte. Es beruht dies darauf, daß nach 8 73 des Strafgesetzbuchs, wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt, das Ge setz zur Anwendung kommt, das die schwerste Strafe androht. Da nun fahrlässige Körperverletzung nach § 230 St.-G.-B. mit Geldstrafe oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren, fahrlässige Gefährdung eines Eisenbahntransports aber nach § 316 mit Ge- fängniß bis zu eine m Jahre bedroht wird, mußte, wenn fahr lässige Gefährdung eines Eisenbahntransports mit fahrlässiger Körperverletzung zusammentraf, der H 230 die Strafe bestimmen, so daß also auch auf Geldstrafe erkannt werden konnte. Es ist anzunehmen, daß die Gerichte in Zukunft von der Anwendung der Geldstrafe bei Gefährdungen von Eisenbahntransporten um fangreichen Gebrauch machen und daß auch die Freisprechungen sich damit verringern werden. 8 Berlin, 2. Januar. Ueber den Arbeitsmarkt im Jab re 1899 bringt die Halbmonatschrift „Der ArbeitS- markt" Mitthcilungen, denen Folgendes entnommen ist: Wenn es für den Arbeitsmarkt je ein günstiges Jahr gegeben hat, so war e- das abgelausene. Selbst die Textilindustrie, die bis dahin an einer schweren Krisis gelitten hatte, erholte sich beinahe plötzlich, so daß von dem allgemeinen Aufschwung keines der großen Gewerbe mehr ausgeschlossen war. Die starke Vermehrung der Geschäfts- thätigkeit, die Errichtung neuer Etablissements und die Erweiterung schon bestehender hotte verstärkte Nachfrage nach Arbeitern geschaffen. Dieser stand aber überraschender Weise ein nur verhältnißmäßig schwaches Angebot gegenüber. Nach den vorläufigen Ziffern der an den „Arbeit-Markt" berichtenden öffentlichen Arbeitsnachweise kamen auf 100 offene Stellen la den ersten II Monaten -e» Jahre» ArbeitssuckeuLe: Jan. Febr. Mürz April Mai Juni Juli Aug. Sept. Ort. Nov. 981149,9 1 34,2 103.5 108,6114,1 113,0112,5108,5 98,3 114,8 135,0 99 131,6 111,1 89,3 95,5 98,9 93,6100,7 92,5 99,9109,0 130,8 Mit Ausnahme deS September war das Angebot an Arbeits kräften durchweg geringer als im Jahre 1898; in nicht weniger als 6 Monaten blieb »S direct hinter der Nachfrage zurück. Große Industriezweige (namentlich Kohlenbergbau und Eisenindustrie) litten unter Arbeitermangel. Wahrend im Vorjahre die Zahl der beschäf tigten Arbeiter bis December um 10,2 Proc. sich vermehrt hatte, nahm dieselbe im ablaufenden Jahre nur noch um 7,0 Proc. zu. Wenn auch diese Procentzahl — nach den, noch unfertigen Charakter der bisherigen Statistik — mit einiger Reserve aufzunehmen ist, so dürste so viel aus ihr gefolgert werden, daß trotz großer Nachsrage bedeutend weniger Arbeitskräfte neu eingestellt werden konnten, als im Jahre 1898: wenn wir die Zahl der beschäftigten Arbeiter sür den Januar eines jeden Jahres --- 100 setzen, jo stieg sie in den nächsten II Monaten in folgendem Verhältniß: Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Oct. Nov. 98 100,0 100,2 101,0 104,8 107,5 107,4 107,8108,1 109,1109,2110,2 99 100,0 99,6 101,0 103,1 103,7 104,3103,8 104,5 105,6 106,8107,0 Die Zunahme der Beschäftigten hat also durchweg in schwächerem Grade als im Vorjahre stattgrfunden. Das mag einmal daran liegen, daß in den Vorjahren das vorhandene Material an Arbeits kräften jo weit wie möglich für Industrie und Gewerbe schon heran- gezogen war, zum Theil kann es aber auch darin seine Erklärung finden, daß der vorhandene Nachwuchs, der nach seinem Alter (in der Regel 14—15 Jahre) in die Arbeit treten sollte, geringer war. Die Jahre 1883 und 1884 hatten einen verhältnißmäßig geringen Ueberschuß der Geborenen über die Gestorbenen ergeben. Es betrug dieser Ueberschuß in Deutschland (nach der abnorm starken Periode 1874/79): 1880 1881 1882 1883 1884 1885 522 979 525 758 525495 493 697 522 083 530185 Es ergab sich für die Lage des Arbeitsmarktes vermindertes Angebot bei gesteigerter Nachsage; ein Verhältniß, wie es in dieser exceptionellen, für die Arbeiter jo günstigen Form kaum je dagewesen sein dürfte. Auch in England war der Arbeitsmarkt, wenigstens im An fang des Jahres, weit günstiger als in den Vorjahren. In Frank reich, in der Schweiz und namentlich in Belgien waren die Arbeiter fast überall hinreichend, zum Theil stark beschäftigt, und in den Vereinigten Staaten rief die Gunst der Situation in einer Reihe von Industriezweigen gleichfalls Arbeitermangel hervor. Nur in Oesterreich ließen dir Beschäftigungsverhältnisse zu wün- schen übrig; ja die dort bestehende Stagnation hat sogar Schaaren von Arbeitern zur Auswanderung in die Kohlendistricte Deutschlands veranlaßt. (Fortsetzung in der 1. Beilage.) Proben uwxeiienck postkrsl. Tel. 2526. Tel. 2526. 8oK^L1'26 uuä Vn20-81o1ke, kerltMe, Illlle. LaUxare von Ll. 1.— bis dl. 20.— per dleter. krLukrsivd. Krsiuk Mek öe knssie, «I'lUIeiiisxlie et öes kalmier«. Venlsvbes Kans ersten kunxes, qrrur naeki 8ilckeo xelexeu, —. ! Grosser karlc. seuvarrs, neisre unä farbige 8tziüen8toü'6 eu billigen kreisou. ^.usvakk unter Dauseuclen von LtUolceo. Naundörfchen 9 hinter dem Feuerwehr-Hauptdepot. Fleischerplatz. WWW »»nnnsnvrrsner. 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Da die Söhne, so lange ihre Eltern leben, stets von diesen abhängig bleiben, meistens auch in deren Hause mit wohnen, so können sie, selbst die nöthige Einsicht für das Ent würdigende in der Stellung ihrer Frauen vorausgesetzt, doch nicht da» Geringste zu deren Aenderung thun. Da schläft denn die junge Frau auf der Erde, in irgend einen Winkel gedrückt; die schwersten Arbeiten werden ihr aufgebürdet, Trägheit oder Unsauberkeit werden mit unbarmherzigen Schlägen bestraft. Ihr Essen nimmt sie in Hast in irgend einem Versteck ein, wenn sie zuvor den Anderen aufgewartet hat. Sie muß die Speisen zum Vorsetzen bereit halten, dabei in der Nähe der Schmausenden stehen — aber wehe ihr, wenn sie auf den Teller sieht. Dann heißt es gleich, sie sei ein gieriges Mädchen, oder verderbe die Speisen mit ihrem bösen Blick. Blickt sie aber ge flissentlich zur Seite, so heißt es wieder: sie passe nicht auf, wolle den Anderen nichts mehr geben, um nur recht viel für sich selbst zurückzubehalten. So schildert die Verfasserin das Leben des jungen Hinduweibe», ohne aber daraus den Schluß zu ziehen, daß hier die Frauenfrage naturgemäß ein ganz andere» Ansehen haben muß, als in Europa und Amerika, wo die Stellung der Frauen ja auch eine andere ist. Daß ihre Gedanken so viel weiter schweifen, so weit hinaus über das Ziel, das in diesem Falle zuerst ins Auge gefaßt werden sollte: der indischen Frau eine menschenwürdige häusliche Stellung zu schaffen, ist eben die Schuld ihrer internationalen Bildung. Das klingt gewiß sehr ketzerisch, ist aber nun einmal meine Ueberzeugung. Seltsamer Weise scheint Krugabai selbst gar nichts davon em pfunden zu haben, daß sie mit ihrer zunehmenden wissenschaft lichen Bildung immer mehr Engländerin und immer weniger Brahmanentochter wurde. Denn sie schreibt Seite 131: „Nichts fällt einem heutzutage mehr auf, als daß das Volk Indiens, wenn auch unbewußt, alle europäischen Sitten und Gebräuche nachahmt. Der Fehler, wenn eS ein Fehler ist, fällt nicht nur den eingeborenen Christen, sondern ebenso den Hindu zur Last. Nicht weil die Sitten und Gebräuche europäisch sind, werden sie unbewußt nachgeahmt, sondern weil man meint, diese gehörten nothwendig zur höheren Bildung. Wahrscheinlich läßt sich daS nicht mehr ändern, und es ist nutzlos, dagegen anzugehen, ich hoffe aber, daß meine Landsleute überhaupt, namentlich aber in diesem Punkte, in ihrem Eifer, sich Neue» anzueignen, nicht da» gute Alte aufgeben." Außerdem führt sie noch den Aus spruch eine» alten Freundes an: „Heutzutage laufen alle jungen Tagediebe Allem nach, wa» englisch ist." Es ist aber sicher nicht schlimmer, wenn die indischen Stutzer englische Kleider tragen und englische Manieren annehmen, al» wenn eine geistig be sonders hochstehende Indien« ihr ganze» Fühlen und Denken nach englischem Muster ummodrlt; von der geistigen Gleichheit mit dem Manne schwärmt in einer Umgebung, wo sklavische Unterordnung unter seinen Willen in allen Dingen noch Gesetz ist. Immerhin ändert dieses Bedenken nicht» an meiner An erkennung der außerordentlichen intellektuellen Befähigung jener Frau, ihrer eminenten That- und Willenskraft, die erst durch den Tod zu brechen, nicht aber durch Körperschwiiche und andauernde Kränklichkeit zu beugen war. Ihr Lebensbild „Saguna" muß ihr die regste Lheilnahme zuwendrn, spricht doch daraus nicht nur die kluge, sondern vielleicht mehr noch die liebenswürdige, sanfte Frau, die sie ja auch thatsächlich gewesen sein soll. Hochinteressant sind ferner ihre Schilderungen von dem Leben der Christen inmitten der andersgläubigen Bevölkerung, der Drangsale, die Jene zu er dulden haben, der Verfolgungen, denen sie ausgesetzt sind. Eine Fülle anregender Gedanken enthält die Darstellung von der Selbstbekehrung ihres Vaters zum Christenthum. Derselbe, eine sehr hochangelegtc Natur, war in seinem Streben nach Erkennt- niß von der Ueberzeugung geleitet worden, „daß der Mensch bei all seiner Sündhaftigkeit nicht dazu bestimmt sei, sich selbst zu leben, daß er vielmehr eine edlere Aufgabe zu erfüllen habe, als seinen persönlichen Neigungen zu folgen." Auf diesem Wege ge langte er zum Studium der Religion, in erster Linie zu dem de» Hinduismus, der ihm besser erschien, als alle anderen Religionen. „Jede neue Gedankenrichtung, die sein Geist nahm, fand er in den philosophischen und religiösen Büchern der Hindu zum Aus druck gebracht." Vorübergehend fesselte ihn auch die Philosophie deS Pantheismus, und als er nach den indischen, heiligen Büchern griff, stieß er auf eine ihn hochbeglückende Uebereinstimmung mit jener Weltanschauung. Aber die anfängliche Befriedigung wich nach kurzer Zeit ärgsten Zweifeln: ist die Welt etwas wirkliches? Sind die Dinge, wie sie scheinen? Dann dämmerte allmählich der Gedanke an eine „unbeschränkte Kraft in ihm auf, die das Weltall geschaffen hatte, eS regierte und erhielt", und dieser Gedanke, die Idee eine» persönlichen Gotte» fehlte in den von ihm bisher studirten philosophischen Systemen und machte ihn miß trauisch gegen die Zuverlässigkeit derselben. Ein Zufall führte ihn schließlich in einen christlichen Gottes dienst, der dermaßen anregend auf ihn wirkte, daß er die bisher ß von ihm unbeachtet gebliebene heilige Schrift der Christen einer eingehenden Prüfung unterzog. Die Wirkung, derselben auf den empfänglichen Mann muß eine gewaltig erschütternde gewesen sein, es geht das deutlich aus der Schilderung der Verfasserin hervor. Man kann wohl sagen, daß diese Episode nicht nur durch ihre gedankliche Eigenart, sondern auch Dank ihrer packenden Darstellung den Höhepunct des Buches bildet. Sehr ergreifend schildert dann Krugabai weiter, wie nach seinem Uebertritt zum Christenthume eine schwere Verfolgungs zeit über Harichandra hereinbrach. Vergebens war seine Mutter ihm zu Füßen gefallen, ihn anflehend: „tödte mich, aber beraube mich nicht meines Sohnes und meiner Ehre. Denke an Deine Angehörigen, bedecke sie nicht mit solcher Schmach." Als sie das Vergebliche solcher Bitten einsah, versuchte sie das Entsetzlichste: den eigenen Sohn zu tödtcn, indem sie Gift in seine Speisen mengte. Lieber ihn todt sehen, aber geachtet, als lebend und „unrein". Der Versuch mißlang, Harichandra blieb am Leben, aber auch standhaft, und zog hinaus, um die Christenlehre weiter zu vertreiben: „Der stolze Brahmane predigte den Parias und verkehrte mit den Geringsten unter den Geringen." Er litt Hunger und Durst mit ihnen und wurde wie sie auf das Unbarm herzigste verfolgt, so daß er mehr als einmal in Lebensgefahr war, mehr als einmal nicht nur den Flüchen und Schimpfreden, sondern auch den Steinwürfen der aufgeregten Widersacher zur Zielscheibe dienen mußte — doch seinen Muth vermochte nicht» zu lähmen, seine Ueberzeugungstreue nichts zu erschüttern. Auf diesen Schilderungen und auf den eingehenden christlich- historischen Ausführungen der Verfasserin beruht denn auch der Schwerpunkt des BucheS und macht diese» für weitere Kreise werthvoll. Ihre Agitation al» Frauenkämpferin dagegen kann nur im engen Kreis der Clique Beifall und Entzücken wecken Ll.
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