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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000116023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900011602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900011602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Paginierfehler auf letzter Seite: S. 244 statt 424
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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4^8 , . - bttr. Gerüchte schlechthin dementirte — wie e« di«» in früheren Fälle» anstandslos grthan, — sondern lediglich er» klärt. „eS bade der Presse keinerlei Mittheilungea zu machen", — was allerdings leicht dabin interpretirt werden könnte: „Wir haben allerdings schlechte Nachrichten erkalten, ziehen es aber vor, dieselben vorläufig dem großen Publicum nicht mitzntheilen." Soweit unser Corrrspondent. — Man nimmt in Loudon an, daß Buller bei PvtgieterS Drift und Elery bei Colenso aleichreitig die Boeren angreifen werden. Dabei rechnen die Engländer darauf, daß e» ihnen gelingen werde, die an ihrer rechten Flank« auf dem Hlaogwane-Hügel, südlich vom Tugela, verschanzten Boeren vom Gro- nördlich des Tngela abzuschneldeu. Wen» dabei nur den Engländern ihr Mängel an Terrainkenntniß nicht wieder einen böse» Streich spielt. Sir scheinen jetzt erst ihre Eolonie Natal zn entdecken, denn es giebt von den Gegenden, in denen sic jetzt kämpfen, noch keine Karten io großem Maßstabe. Deshalb wußte man in Loudon auch zuerst nicht, woPotgieterS Drift liegt. „Das nördliche Natal", sagen die „Times" entrüstet, „ist bekannt al» schwierige» Terrain, auf dem wir schon einmal einen unglücklichen Feldzug geführt und den Preis für Nachlässigkeit uud übertriebene» Vertrauen zu zahlen gehabt haben. Allein obwohl e» unser eigenes Gebiet ist und »oti unseren Ingenieuren längst jeder Zoll desselben ver messen sein sollte, scheint eS doch keine Karten großen Maß stabe» von der Gegend zu geben, in der wir kämpfen." lieber die Beschaffenheit der PvtgieterS Furtb theilt „ein Kenner de» Landes" der „Köln. Ztg." Folgendes mit: „Die durch den UmaehungSversuch d«S General» Buller noch Westen über Springfield rn den Vordergrund der Interesses tretende Furth durch den Tugela bet Potgieter» Farm, allgemein PvtgieterS Drift genannt, ist eine der gefährlichste» in ganz Natal. Bis ganz kurz vor dem ungemein steil abfallenden Einstieg zum Fluß ahnt der unbefangene reisende Fremdling übrrh.rupt nichts vom Vorhandensein eine» Stromes. Häufig sind nämlich die Ufer dec Flüsse unmittelbar am Rande höher als LaS weiter abliegende Gelände und bilde» so gewissermaßen natür liche Damme. Bei ganz besonders hohem Aasserslande steigt der Fluß aber über diele hinweg und lagert den mitgesiihrtcn Sand und Schlamm ausS Neue aus den Userrändern ab, sie so abermals etwas erhöhend. Anstatt nun, wie man beim Herannaden er- warten sollte, eine weitere Erhöhung zu überichreiten, sieht man sich, geradezu erschreckt, vor einen» sich plötzlich öffnenden, gähnenden, so außerordentlich steil aus steiniger, zerrissener Straße hindurch« führenden Einschnitt, daß man nur noch, kurz entschlossen, die Pserde mit Gewalt zurückhalteu und die Brems« des GesährtS io scharf wie möglich anzichen kann. Ein Zurück giebt es kaum! Im nächllichen Dunkel diese Fnrlh durchfahren zu müsse», macht auch die Pulse eine» sonst beherzten ManneS höher schlagen Dort untea, 12 Meter tiefer, rauscht bei niederem Wasjersland ein Fluß von etwa der halben Breite des RheineS, mit einer geradezu unheimlichen Stromgeschwindigkeit vorüber. Gegen sie ist die nnserer heimischen Flüsse alS hannloS zu bezeichnen. Der Kenner dieser Drift Hot bei Tage an bestimmten, am User des FlusseS liegenden großen FelSsteiucu rin Merkmal über die Höhe de» WasjerstandeS, NachtS wird er sich bei den ans dein nördlichen User wohnende» Kaffer» oder aus PvtgieterS Farin, die am südliche» User liegt, über den Stand deS FluffiS Auskunft rinholen. Im Flutzbeit selbst liegen in der Fahrbahn große und kleine FelSblöcke, von denen man im Sommer erst Kenntniß erhält, wenn die Räder Les Geführtes sie überkleitern; zu sehen sind sie in dem lehmig gefärbten Wasser nicht. Die Fahrbahn ist auch keine gerade Verbindung zwischen der Ein fahrt« und AuSsahrtrampe, sondern bildet einen Bogen nach der Quelle deS Flusses zu. Den Untergrund bildet eine große flache Frlüplatle, die jedoch an jenem Bogeu, unmittelbar unterhalb der Fahrbahn, einige Fuß senkrecht absällt. W.chc dein Leichtfertigen, der sich bei zweifelhaftem Wasserstau!» und wen» er noch dazu mit dem Lause der Fahrbahn unbekannt ist, Lein Tugela in dieser Furih anvertraute. Die Strömung würde Pferd und Wagen hin« wegwasche» oder das Gefährt müßte bei einer kleinen Ab- weichuug flußabwärts durch Absturz von der Platt« verunglücken. Haben sich die Boereu hier aus daS nördliche User zurückgezogen und «ine nach General Vuller'S Meldung zu vermuthendr provi- jorifche Brücke stehen lassen, so konnten sie sich ganz getrost dir Arbeit deS Abbrechens ersparen. „Der Fluß steigt langiam", sagt Buller. Ter langsam steigende Fluß wird langsam, ebenso sicher dal Abbrechen der Brücke übernehmen, die den ongeublick« liche» Wasserstaud jedenfalls nur um wenige Fuß übersteigt. Je !»ehr Feinde sie noch schnell benutzen würden, um so lieber dürste daS den Boeren sei», deun die Mausefalle auf dem nördlichen User hat Platz für alle. Ein Zurück gäbe rS dann abermals nicht. Oberhalb der Furth beschreibt der Tugela «inen großen Halbkreis von einigen Hundert Meter Durchmesser, in dem ein von Kaffer» bewohnter Felsenhngrl liegt. Dieser Hügel ist die einzige Kuppe auf dem Nordufer in der Nähe deS Flusses. DaS Gelände steigt dort ganz allmählich auf mehrere Kilometer weit mit der Straße aus Ladysmith zu au. Deckungen finden sich hier für augreifendr Truppen nicht» mit Aus nahme der die Straße begleitenden und stellenweise sich kreuzenden unwesentlichen Rinnen der TageSgewässer. Den einzigen Schutz würde die erwähnte Kuppe unmittelbar am Fluß bieten, wenn nicht auch ihre sämmtlichen Hänge von anderen Stellen deS Nord ufers deS vielgrschlängelten FlusseS au» unter Feuer genommen werden könnten. E« ist nicht unmöglich, daß es hier zu einer der intereffantesten Episoden des Feldzüge» kommen wird." von »en Kämpfen bei Ladysmith kommen jetzt Darstellungen von boerischer Seite. Man be richtet unS: * London, 15. Januar. DaS „Reuterssche Bureau" veröffentlicht nachstehende Meldung auS dem Hauptquartier der Boeren vor Ladysmith vom S. d. M.: Di« Engländer griffen am Sonnabend Abend diejenigen Abtheilongea der Boeren aa, die auf dem südlichen Rande von Bester- Kop standen, und zwangen riese, sich zurückzuziehen, llommandant Nel besetzte im Westen der Stadt und daS Eommondo von Pretoria im Norde» die Hügrlreihen, die SäsarS üamp beherrschen und von wo au» sie ein stete» Feuer aus dir englischen Truppen unter- halte». Zwei FeldcoraetS-Eommando» von Pretoria halten einen dicht bei der Stadt in der Nähe de» Punkte» gelegenen Hügel besetzt, wo die Eifrnbahn nach Harrismith von der Haupt- bahn abzweigt. DaS Commando von Pretoria hatte einen Verlust von 6 Tobten uud 7 Verwundeten bei einem unbedachten Versuche der Bürger, unter denen sich Willeme befand, fortzu- stürmeu. Weitere Einzelheiten über die Verluste auf Seiten der! Boeren werden am heutigen Vormittag erwartet. DaS ist ja eine höchst bedeutungsvolle Meldung! Einmal bestätigt sic vie von Brüssel au» verbreitete Version, daß eS den Boeren gelungen sei, die wichtigsten der von ihnen ge nommenen Stellungen zu behaupten — im Gegensatz zu der Meldung Wbite'S, dieselben seien am Abend de- 6. Januar au» allen Positionen wieder vertrieben worden — und zweitens wird englischer seit« diese» Resultat jetzt zu gestanden, denn da» officwse „Neuter'scbe Bureau" ist e», welches die Nachricht nach London übermittelt und die eng lische Censur hat sie, wenigsten» in ihrem Hauptinhalt, passiren lassen. Es sind die Endergebnisse vom 6. Januar Abend», über die wir hier Authentische» erfahren und ein Zweifel, daß der Tag mit einer schweren Niederlage White'- endete, ist kaum mehr möglich. Ans dem Ecntral-Kricaoschauplatz ist nichts von Belang geschehen. Nach einer amtlichen Meldung beschoß General Fr euch, wie uns auS London depesckirt wird, am Sonnabend die fahrbare Brücke bei EolcSberg mit Granaten. Heute ist Dienstag, uud die Brücke scheint immer noch iutact zu sein. — Die Generale Methuen und Gatacre melden nichts Neue», sind also immer noch zu fast absoluter Unthäligkeit verurtheilt. Aus Kapstadt wird uns berichtet: Sir Alfred Mil »er scheint entschlossen zu sein, durch einige drakonische Ezempcl die etwa noch schwan kenden Afrikander zu schrecken und vor Allem, soweit dies in seiner Macht sicht, die allgemcineErhebung zu ver hindern, die wir, wie hier die Spatzen von den Dächern es pfeifen, bei der ersten größeren Niederlage der Engländer zu er warten haben. Er hat deshalb die bei Sunnysi'se gefangenen 43 englischen Unterthemen HofländcrAbkunft hierher bringen lassen und wollte dieselben als Warnung für alle übrigen Afrikander kriegsgerichtlich vcrurtheilcn und eventuell standrechtlich erschießen lassen. Zu seinem großen Aerger int-rvenirte indeß das Cop ministerium, und Herr Schreiner, welcher sich sonst so außer ordentlich entgegenkommend gezeigt, blieb diesmal, und in diesem Puncte, unerbittlich. Er erklärte dem englischen Obercomimssar rund heraus, daß dieser über die Gefangenen gar kein« Verfügung habe, da dieselben sich unter dem Schutze der Verfassung des Cap landes befänden und wie alle gewöhnlichen Angeklagten vor den zuständigen Civilgerichten zu erscheinen hätten. Sir Alfred Milner's Einwurf, die „Rebellen" seien mit den Waffen in der Hand ergriffen, wies Schreiner ebenso kategorisch mit der Er klärung zurück, sie seien jetzt in der Capcolonie und nicht mehr unter dem Protektorate der britischen Krone (Bctschuanaland) und da sie in Eapstatdt selbst, wo das Standrecht nicht proclamirt ist, bereits «ingetroffen seien, so könne von einer kriegsrechtlichen Wurtheilung keine Rede sein. Und Herr Schreiner verlangte zum Schluß kurz und bestimmt die Auslieferung der Gefangenen an die CrvilgerichtSbehörden mit dem Hinzufügen, dieselben würden, wie jeder andere Civilangeklogte, Vcrtheidiger erhalten. Damit aber bricht der ganze Plan Milner's, ein abschreckendes Beispiel zu statuiren, zusammen, denn es ist zehn gegen eins zu Ivetten, daß die Angeklagten entweder mit einer ganz nominellen Strafe davonlommen oder schlechthin freigesprochen werden. Das Letztere ist da» Wahrscheinlichere, und in diesem Falle würde natürlich der Speer sich gegen Herrn Milner richten, dessen An sehen und Einfluß sowieso schon außerordentlich geschwunden ist, und — was die übrigen Afrikander schrecken sollte —, würde schließlich nur dazu dienen, sie zum Abfall und zur bewaffneten Rebellion zu ermuthigen. Nicht wenig zu dieser Wendung der Dinge hat di« Nachricht beigetragen, daß der intime Freund Schreiner's und einer der hervorragendsten Leiter des Bonds, Herr Hoffmann (Mitglied des Parlaments), welcher als Führer einer Ambulanz nach dem Norden der Capcolonie gegangen war, und seine Dienste als Arzt den Freistaatlern zur Verfügung gestellt hatte, von den Eng ländern gefangen genommen sei und standrechtlich abgeurtheilt werden solle. Englischerseits war behauptet worden, Hoffmann habe seine Stellung als Arzt nur als Deckmantel be nutzt und sei thatsächlich sozusagen der Delegirte des BondSnnmsteriums bei den Freistaatstruppen, an deren Spitze er feierlich und officiell in Colcsberg eingezogen sei. DaS ist nicht währ, und da Herr Hoffmann zu der« 'bekanntesten und populärsten Mitgliedern der Bonds- keitung gehört, so kann man sich leicht den Eindruck in allen Nicht-Uitlanderkreisen der Capcolonie vorstellen, welche die Meldung hervorgerufen, baß dieser Ghrenwertheste aller Ehren männer, welcher stet» sein ganze» Leben und seine ganze Kraft seinen Mitbürgern und seinem Vaterland« gewidmet, in Aus übung seiner menschenfreundlichen Thätigteit, und wahrend er sich für seine Mitmenschen aufopferte, als Rebell von den Eng ländern eingefangen und nun mit dem Tode bedroht sei. Wenn irgend etwa» selbst die Afrikander, ursprünglich eng lischer Abstammung, in da» Lager der Holländer treiben konnte, so war«» diese Nachricht, und thatsächlich sicht heute Sir Alfred Milner mit seinen wenigen Myrmidonen vom Schlage der Jameson, RhodeS, Beit vollständig allein da. nur noch geschützt durch die Kanonen der englischen Kriegsschiffe, denn die eng lischen Truppen fürchtet hier Niemand mehr.. Wir fügen dem noch die folgende Meldung an: * Uttendaqe (Cup-Colonie), 13. Januar. (Telegramm de» „Reuter'scheu Bureaus".) Hier wurde ein Afrikander, Namen» Barkhuizen, welcher sich al« Emissär der Boeren bezeichnete, verhaftet und in» Gefängniß unter gebracht. Er erzählte einigen Farmern, daß er im Distrikt von Somerset-East die Zusage» von 2000 Leuten erhalten habe, daß sie sich auf die Seite der Republiken stellen wollten. , . Da» rothc Kreuz. * Petersburg, 10. Januar. Die öffentliche Meinung in Rußland ist recht erregt durch Gerüchte, die wisse» wollen, die Engländer beabsichtigten, die Landung einer Sani- tätöcolonne in Loureneo-MaraueS zu hindern, zu deren Bildung Hunderttausend« in Rußland ihr Scberslein deigetragc» haben. Es sind über den Charakter der au» Ruß land entsandten ärztlichen HilseJrrthümer in Europa verbreitet, die zu beseitigen nicht überflüssig ist. Rnssischerseit» wurde amt lich den Negierungen vo» England und den Boerrnstaaten die Hilfe deS russischen rolhen Kreuzes angeboten. England lehnte be kanntlich ab; daraus erfolgte über Odessa die Entsendung der Abtbcilung des russische» rvtheu Kreuze» auf einem fran zösischen Dampfer in Begleitung de» iuS Boerenlager com- mandirten russischen Obersten Gurko, des Sohnes des greisen FeldmarschallS. Die russische Evlonnc scheint wohlbehalten und ungestört an ihren Bestimmungsort Transvaal gelangt zu sein. Wir haben wenigstens nicht- in Erfahrung bringen könne», das die- bezweifel» ließe. — Anders liegen vie Dinge in Betreff der von dem diesigen holländischenHilfSauSschuß entsandten Colonne. Wie bekannt, hatte sich hier auf Anregung von russischer Seite dieser Ausschuß gebildet und sammelte Gelder zur Erreichung seine- Zweckes : Beihilfe für die Boeren ausschließlich zur Pflege von Kranke» und Verwundeten. Von anderen Zwecken ist nie die Rede gewesen. Es ist eine verbürgte Tbalsache, daß kriegslustige Abenteurer, die auf kosleufrcie Beförderung durch den Ausschuß gerechnet batten, mehrfach unter dem Hinweis auf den wahren Zweck der Sammlungen abgewiesc» wurden. Mitte Dccember waren die erforderlichen Gelder beisammen und der Zug konnte zu» sammengestellt werden. An russischen Tbeilnebmern gehören ibm die vier Aerzte an: Di. Linde, I)r. von Renuenkamff, Or. Bornbaupt und l)r. Kucharenko, außerdem fünf barm herzig« Schwestern. Di: andern Theilnebnier sind Holländer, wie auch der Chefarzt. In Rom trafen die Herren zusammen und setzten von dort am 3. Januar an Bord des „Kanzler" die Reise fort. Wenn auch ein Meinungsaustausch zwischen dem englischen Eonsul iu Neapel und dem deutschen Kapitän jetzt in Abrede gestellt worden, so scheint Loch das Gepäck der Colonne Bedenken auf englischer Seite erregt zu haben. Und vielleicht nicht das Gepäck allein, den» außer den holländischen Aerzlen geboren auch mehrere Lazarrth- diener holländischer Nationalität dem Zuge an. E» ist nun die Frage entstanden, ob die englischen Behörden einen HilsS- zuz mit seinem zahlreichen Gepäck ungehindert durchlassen werden, nachdem eS ihnen bekannt geworden »st, daß die freiwillige Kraft, die den Zug iuS Leben gerufen hat, für die englische Sache so wenig wie nur möglich Neigung gezeigt hat. Der Zug ist nicht eine Unternehmung eines der staatlich an erkannten Zweige de» Rothen Kreuze-, sondern eine private Unternehmung. DaS ist aber auch der einzige Unterschied. DaS russisch-holländische Lazareib bat bereits seine Bestimmung erhalten und soll südlich von Bloemfontein in der Nähe deS Oranje-River seine Thäligkeit entfalten. England würde wahr scheinlich seine» eigenen Leuten einen schlechten Dienst erweisen, wenn eS diese Absichten verhindert. Die uns persönlich bekannten russischen Aerzte sind vortreffliche Menschen, denen nicht» ferner liegt, al- politischer Rassenhaß; verwundete Engländer werden bei ihnen dieselbe gütige Wege finden, wie verwundete Boeren. Und ihre 30 oder 40 Zelte, Betten u. s. w. werden kaum den Gang deS Kriege- beeinflussen, wenn sie — nehmen wir da» Unmögliche einmal an — wirklich durch Zufall oder Jrrtbum den Boerenkriegera in die Hände fielen! Jede Störung dieser Unternehmung, für die sich ganz Peters burg bis in sehr hohe Kreise interessrrt, würde hier äußerst tief empfuuden werden. Man würde nicht geneigt sein, sich in akademische Erörterungen einzulassen, wenn un berechtigtes Mißtrauen, Kleinlichkeit und Ueberhebung edle Absichten störte. (Köln. Ztg.) - Bei Krüger untz Ttcijn. L. 6. Pretoria, 2. December. Gestern gelang es mir, den greisen Präsidenten zu besuchen; Staatssekretär Reitz war so liebenswürdig, mich selbst zu ihm zu führen. Ich hatte Krüger seit 19 Jahren nicht gesehen und war denn überrascht, ihn fast unverändert zu finden, wohlverstanden, nicht in seinem Aeußeren, denn sein Haar ist ergraut und die Runzeln und Furchen in dem beiten, gutmüthigen, aber energischen Gesichte haben sich vertieft. Aber er trägt heute seine 75 Jahre fast mit derselben Rüstigkeit, wie damals die Fünfziger, seine Bewegungen haben nichts von ihrer alten Spannkraft verloren, das Auge denselben schnellen, den Beobachter direkt treffenden Blick behalten, und er schmaucht vergnügt nach wie vor seine Pfeife vom frühen Morgen bi» in die späte Nacht. Auch sein Gleichmuth und die große geistige Ruhe, welche ihm stets eigen war, beherrschen nach wie oor den alten Mann, der heute noch mit demselben rastlosen Eifer und ohne jede äußere Spur deS Ermüdens die erdrückende Last der Staatsgeschäfte erledigt, unter der nach unseren Bc griffen selbst ein viel Jüngerer und Kräftigerer zusammen brechen würde. Präsident Krüger erhob sich rasch, erkundigte sich mit wenigen Worten nach dem, was ich seit unserem letzten Zusammentreffen getrieben, und setzte sich dann zwanglos wieder an die Arbeit, mit der fast wie selbstverständlich klingenden, wenn auch barschen Bemerkung, er habe zum Plaudern jetzt keine Zeit. Dieselbe fast wunderbare Arbeitskraft fand ich bei Herrn Reitz und ebenso dieselbe Ruhe und unwandelbare Gleichmüthigkeit. Er arbeitet von Sonnenaufgang bis Mitternacht, und die Masse der dabei abgethanen Arbeit ist erstaunlich. Es regnet förmlich Telegramme, über die er zugleich die Censur ausübt. Ich fand Herrn Reitz, welchen englische Berichte als völlig gebrochenen Mann dargcstcllt hatten, in vollster Kraft und Gesundheit. Er verrieth nicht die leiseste Spur von Ueberarbeitung. Auch die übrigen Beamten arbeiten mit einer Schnelligkeit, fast möchte ich sagen, Indifferenz, als sei das Ganze eine Spielerei. Dazwischen gehen sie reihum an die Front, machen ein Sc fccht mit, kehren wieder in ihr Bureau zurück, als sei gar nichts vorgefallen und all das ganz selbstverständlich. Ganz ähnlich hatte ich die Dinge in Bloemfontein gefunden; die in meiner Begleitung fahrenden Transvaaler, welch: nach der Front abgingen, waren von einer stoischen Ruhe, die mich selbst, welcher sie doch seit 25 Jahren kennt, überraschte. Bloemfontein war noch ruhiger und stiller als sonst, obwohl wir in einem Militärzüge voller Bewaffneter ankamen, waren nur wenige Frauen und Kinder auf dem Bahnhofe. Um das Negic- rungsgebäude dieselbe Oedc. Präsident Steijnsaß mit einigen Räthen auf der Veranda und besprach mit dec gleichgiltigsten Miene von der Welt die Wahrscheinlichkeit, daß Lord Methuen mit seinen 12 000 Mann und übermächtigen Artillerie die Frei- staatler zurückdrängen und in Kimberley einziehcn werde, ehe Cronje eintreffe. Da kam ein Telegramm mit der Nachricht, die Transvaaler hätten den Rietfluß besetzt. Steijn bemerkte nur: „Jetzt können die Engländer ruhig nach Hause gehen, nach Kimberley kommen sie nicht mehr." Am 28. sah ich ihn wieder. Er zeigte mir ein Telegramm Cronje's, worin dieser meldete, 5000 Republikaner hätten am Rietfluß 15 000 Engländer ge schlagen. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 15. Januar. (Institut für Meeres kunde.) In Berlin ist bekanntlich die Errichtung eine« Instituts für Meereskunde mit Sammlungen in Aussicht ge nommen. Es entspricht dies der wachsenden Bedeutung der wissenschaftlichen Erforschung deS MeereS. An der Berliner Universität dürste das Institut nicht nur im Hinblick auf die Zahl der Studirendcn und nach den örtlichen Verhältnissen für den weitesten Jnteressenkreis nutzbar werden, sondern es sind auch in den vorbandenen Lehrkräften und Instituten bereits vielfache Ansätze für ein solches Institut gegeben. Dieses soll neben einer naturwissenschaftlich-mathematischen Sektion eine volkSwirthschastlich-historische Sectio» umfassen, von denen die erstere die Erforschung deS MeereS nach der oceanographischen, geologischen, magnetischen, meteorologischen, biologischen Seite und in allen sonstigen naturwissen schaftlichen Beziehungen, die letztere daS MeereSstudium nach Seiten der historischen und der wirthschaftlichen Be deutung zum Ziele hat. Auch die Sammlungen sollen in entsprechender Weise gegliedert werden. DaS Institut soll bereits am 1. April d. I. iuS Leben treten; großer Werth soll auf ein umfassendes Anschauungsmaterial gelegt werden. Für die Unterbringung des Instituts sind zunächst Räume in dem in Kürze fr« werdenden I. chemischen Institut iu Aussicht genommen. 1t Berlin, 15. Januar. (Anwendung der Ge- werbeordnungausMotorwerkstätten.) Die vom Staatssekretär des Reichsamts LeS Innern angckiindigte Ver ordnung über die Anwendung der Gewerbeordnung auf die Motorwerkftätten ist auf ? 154, Abs. 3 der Gewerbeordnung zurückzuführen. Rach dieser Vorschrift finden di« Bestimmungen über den Schutz der Kinder, der jugendlichen Arbeiter, der Arbeiterinnen, sowie über die Gewerbeaufsicht auf Arbeitgeber und Arbeiter in Werkstätten, in welchen durch elementare Kraft bewegte Triebwerke nicht blos vorübergehend zur Verwendung kommen, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der BundeSrath «für gewisse Arten von Betrieben Ausnahmen von der Beschäftigungszeit der Kinder und jugendlichen Arbeiter, von den Arbeitspausen der Letzteren, von der Arbeitszeit der Arbeiterinnen Nachlassen kann. Der Ausführung dieser Gewerbe- „Rache, Gerechtigkeit, Arbeit, Brod ... und das Alles suchen Sie hier bei mir?" „Und ich werd' es finden!" antwortete eine klangreiche, feste Stimme, die so gar nicht dem wankenden Männchen zu gehören schien. „Gestatten Sie mir, abzulegen", fuhr er sanfter fort, das grünliche Packet bescheiden auf eine Ecke des Tisches schiebend und erläuternd. „Es sind Acten, Belegschriften, allerhand, waS Ihnen dienlich sein wird." Und nun setzte er sich, ohne weitere Aufforderung, dicht neben seine Papiere. Die knickenden Beine hielten ihn nicht länger aufrecht. Er wischte sich mit einem selt samen Lappen, den er schamhaft auS der Tasche zog, den Schweiß vom Gesichte, während Immanuel au» irgend einer Ecke eine halbgeleerte Gilkaflasche hervorholte und ein Gläschen vor dem Sitzenden vollschenkte. „Stärken Sie sich und bringen Sie ausführlich vor, waS Sie mir mittheilen wollen." Und als der also Bediente die Hand nach dem bischen Kümmel auSzustrecken zögerte, fuhr er fort: „Ich hab' Ihnen leider nichts andere- anzubieten, also bitte, stärke» Sie sich und reden Sic mit Vertrauen rückhaltlos." „Dazu bin ich hier", antwortete jener und schob die Hand, ohne sie zu erheben, auf der Tischplatte bis zu dem Gläschen und init diesem ebenso wieder zurück, worauf er, das Haupt geneigt, sacht am Rande nippte, bis er eS langsam, man mochte sagen tropfenweise, auSgeschlürst hotte. Erst nachdem er damit fertig war und sich den Bart abgrwischt hatte, einen seltsamen Bart, den er wohl mit einer Schrere so ungleich kurz geschnitten hatte, Hub er zu reden an, die Augen funkelnd auf Immanuel gerichtet, der in Ermangelung eine» zweiten Stuhls, die Hände Überm Knie gekreuzt, auf seinem Bette hockte. ..Ich heiße Seegräber, ich bin Maschinenarbeiter und ar beitete seit Jahren zu Lübeck in der Thiel'schen Fabrik." Winkler hielt eS für nothwendig, ihn mit der Vorfrage zu unterbrechen: „Sind Sie Socialdemokrat?" „Nein!' antwortete der Andere barsch. > Und Winkler fragte gleicherweise: „Warum nicht?" Der Andere brach in Gelächter aus und strich mit einem Fingerknöchek sich langsam über beide Augenlider, bi» er fort fuhr: „Da» ist eine Geschichte für sich. Wenn Sie Göduw dazu Hoden, sdllen Sie sie gern erzählt kriegen. S» mögen so gegen dreißig Jahre her sein . . . Genau weiß ich die Jahreszahl nicht «ehr,.aber, e» war noch vor dem großen Kriege, in der Zeit, wie wir nur den norddeutschen Bund uud sein Parlament hatten. - mar ich noch ein frischer, fröhlicher, naseweiser Mensch und hatte bereits mit meiner nachmaligen Frau ein zärtliches Ver- hältniß angebändelt, das zu einer glücklichen Ehe führen sollte. Ich war noch so Mitte zwanzig und konnte warten, und sie hatte eine gute Stellung und wollte sich in dieser noch etliche Spar groschen verdienen. Sie war erst Dienstmädchen und nach und nach Kammerjungfer bei einer Frau Fürstin . . . Nein, nein, lächeln Sie nicht, bei einer wirklichen Fürstin, deren Name damals oft genug in allen Zeitungen zu lesen stand, weil sie jahrelang des großen Agitators Ferdinand LassallcS vertraute Freundin gewesen war, und sich auch noch mit deS Erschossenen einbalsamirter Leiche auf eine Art Schaustellungsreise begeben hatte. DaS Ivar aber vordem gewesen, denn als mein Schatz in Dienst der Fürstin und ich durch ihn auch ein wenig mit der Durchlaucht in Beziehung kcrm, da war der große Agitator schon tbdt und die alte Dame hatte sich, da sic doch nicht ohne Agitator leben konnte, einen ganz kleinen zugelegt. Der kleine machte den großen soweit nach, als es In seinen Kräften stand, hielt sich sogar enger und treuer an seine hohe Gönnerin, als es daS Mäch tige Vorbild gethan haben soll, nahm dafür eine Führerstellung in der Partei und durch diese einen Sitz im norddeutschen Reichs tag ein, gewöhnte sich vornehme Manieren an und trug sich, trotz seines demokratischen Innern, äußerlich wie ein eleganter Herr. Insbesondere glänzte er in einer reichen Abwechselung schöner Westen, und ich sehe ihn noch vor mir, wenn er zwischen seinem Platz und der Rednertribüne sich aufpflanzte, wie er die Rock aufschläge gegen die Schultern zu werfen und die Hände in die Hosentaschen zu stecken pflegte, um die Pracht seiner Brust bekleidung recht auffällig zu machen. Die von den anderen Parteien lqchten den Gecken auS und sagten: die Fürstin habe ihm erlaubt, Laffalle'S hinterlassene Westen aufzutragen. Daß er als Redner geglänzt hätte, wüßte ich mich nicht zu erinnern, aber er war im Parlament ein schöner Statist; zu Hause, ich meine bei der Fürstin, war er wchl etwas mehr, und sie hätte gern über haupt mehr auS ihm gemacht, wenn'» möglich gewesen «väre. So diel werih wie die heutigen Führer mag er Immerhin auch gewesen sein. Und al» ich ihn zum ersten Male sah und hörte, imponirte mir der Mensch, der sich so stolz und groß -u geben wußte, nicht wenig. Ich ward nämlich damals, da meine Fanny sehr in Gunst und Vertrauen der Fürstin stand und ich der Liebsten zu Liebe nicht weit gesucht zu tverdrn brauchte, sondern immer bei der Hand »ar, al» Laufbursche zu allerlei und den wichtigsten Lommissienen verwandt und könnt« sonach, wenn ich, Iwie so Dirke, schwindel» wollte, mich für »inen Veteranen im j Dienste der Partei ankgehen. Nnn müssen Sie nicht etwa glauben, daß ich damals so stumpsinnig gewesen wäre, daß mich die neue Lehre von der Berechtigung des Proletaritts zu poli tischer Thätigkeit und zur auSgleichmdcn Umgestaltung aller Verhältnisse des Arbeiters nicht so heftig ergriffen hätre, wie Andere meines Zeichens und meines Alter-. Die Begeisterung für meinen vierten Stand tobte sogar sehr arg in mir und wenn der Freund der Fürstin bei Gelegenheit mir einen Haufen der gebräuchlichsten Schlagwörter, die ich aber zum ersten Male hörte, in die offenen Ohren warf, da wallten Muth und Un geduld nur so aus in mir und ich suhlte mich als ein voll wichtiger Streiter in der neuen deutschen Revolutionsarmee, die da berufen war, eine durchgreifende Aenderung aller Lohn- und Erwerbs-verhältnisse und damit die gründliche Umgestaltung deS Vaterlandes — ja so! „der Proletarier hat kein Vaterland" — sagen wir also: der ganzen gesitteten Welt zu erkämpfen. In diesem Sinne war ich also, wenn Sie wollen, so gut Socialdemokrat, Ivie irgend Einer. Indessen, der liebe Herrgott hat auS mir keinen Schwärmer machen wollen, und wenn ich Ohren und Herz für die berauschende neue Lehre hatte, so besaß ich auch Augen und Verstand, mich ernüchtern zu lassen, sobald sich die Kehrseite der Angelegenheiten bemerkbar machte. Ich habe eS niemal- über mich vermocht, mich einer Theorie zu Liebe selbst zu beliigen, und da ich von Haus aus in kleinen dürftigen Verhältnissen erwachsen bin, war ich immer zunächst darauf be dacht, mich vor Roth und Hunger zu wahren, ehe ich einer von fern gezeigten Sache oder gar einem sie verfechtenden fremden Menschen zu Liebe Opfer zu bringen bereit war, die vielleicht doch nur dt» Teufels Dank eintrugen. Man kann das kleinlich nennen, indessen, daS Schicksal ist auch allezeit kleinlich gegen mich gewesen und, wie Du mir, so ich Dir. — In jener Zelt, da mir die Fürstin joden Tag einen oder mehrere Aufträge zu ertheilen geruhte, begab eS sich nun, daß gegen ihren Liebling ein Urtheil rechtskräftig wurde, danach er etliche Zeit etngespunnt werden sollte. Ich weiß nicht mehr, waS für ein« Dummheit er an gestellt hatte, eü wird wohl eine mit Tinte und Druckerschwär« verübte gewesen sein. Darüber kam die alte Dame in Auf regung, wir ich sie niemals bei einem anderen Menschenkind« ge sehen hatte. Sie setzt« Himmel und Ende in veweguag, daß daß Parlament die Frlaubnrß zur Inhaftnahme ihre» Freunde» ver weigern sollte, und da sie in allen Fraktionen Bekannte hatte, schickte sie Brief« an Hinz und Kunz, wenn sie nur einigen Ein fluß bei ihnen »ermuthetr. Ich hatte diese Brief« auszutragen und immer pevsönlich de» Ldreflatrn in di« Hand zu -«en. Auf diese Werse habe ich alle Leute, die damals im Vordergründe des parlamentarischen Lebens standen, wenigstens einmal im Leben gesehen und gesprochen, was mir nicht wenig werih erschien. Der Eine und Andere der Herren nahm die Botschaft der Fürstin ernst und beschied mich, auf eine spätere Stunde aus führliche Antwort abzuholen. DaS ward mir nun eines Abends sehr zuwider, denn cs war in der nämlichen Angelegenheit ein großartige Versammlung im Nordosten der Stadt angesagt worden, wo die Begeisterung für die Freiheit der Meinung und die Entrüstung gegen ihre Bedränger sich in prachtvollen Reden Luft machen sollten. Statt mich von ihnen begeistern zu lassen, mußte ich in Vorzimmern Zeit verlieren und auf Briefe passen, die doch nichtssagend aurfielen. Indessen dafür wurde ich ja be zahlt und eS half kein Bedauern. Endlich hatte ich die erwarteten Schreibereien beisammen und stürmte nach der Halle, wo ich sic dem Nachfolgerchen des großen Lassalle für die Fürstin, die diesen Abend unsichtbar blieb, überreichen sollte. Ich drängte mich in und durch den überfüllten Raum und bi» an die Rednertribüne und an den Tisch der Leitenden. Mein Mann war nicht zu finden. Reden wurden geschmettert gegen baS Glend der Arbeiter, das Einem daS Herz weh Hat und der Unmuth gegen die Bedrücker mit jeder Phrase wuchs. ES war wirklich hart und grausam, waS hier geschildert wurde, und die eS mit anhörten, abgeinagerte, heruntergekommene Gestalten, denen ihre schwieligen Fäuste kein menschenwürdige» Dasein ver dienten. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie den Sprechenden an, dessen Schilderungen sie eine glücklichere Zu« kunft ahnen ließen, wo man sich satt essen und seine Kinder zu gleichberechtigten Menschen erziehen könnte. Die Meisten hatten ein Gläschen dünnes Bier vor sich stehen und im schiefen Munde eine von den schlechten Cigarren, die die ohnehin schon fürchter liche Lust mit ihrem Qualm noch weniger erträglich machten. Plötzlich in diese Hitze, in diese Ausdünstung athemlo», wie ich war, hineinversetzt, ward mir übel und ich suchte sobald wie mög lich auf der anderen Seite, hinter der Tribüne, au» dem Saal zu kommen. Siner von den vielen Kellnern, die ich draußen nach dem Agitator fragte, gab mir lächelnd einen Fingerzeig nach der Gegenid hin, wo ich ihn finden möchte. Ich ging auf die Suche und musterte etliche kleine Cabinette auf einer erhöhten Galerie, die mit dem Saale nur in entfernter Verbindung standen, doch noch so, daß man die Stimmen der Redenden hören, wenn auch kaum die von ihnen gesprochenen Worte verstehen, jedenfalls aber da» Auf- und Abkbrausen der Begeisterung der Menge ungestört verfolgen konnte. (Fortsetzung folgt.)
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