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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010320027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901032002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901032002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-20
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«-Prel- die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclameu unter dem Redaction-strich (4 gespalten) 75 L,, vor den Familiennach« richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—, 2lnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 20. März 1901. 95. Jahrgangs Der Krieg in Südafrika. Abbruch der FriebenSnnterhandlungen. —p. Endlich weiß man etwas Positives über das Er« gebniß des eifrigen Bemühens der englischen Diplomatie, die BurgherS beider Republiken zur Niederlage der Waffen zu bewegen und eS entspricht durchaus dem, was alle Äoeren- freunde erhofft und erwartet haben: Botha thut den Briten nicht den Gefallen, das Kriegsbeil zu begraben, ja er hält eS bei der Art der englischen Anerbietungen, die weder Autonomie noch volle Amnestie ge währen, nicht einmal der Mühe Werth, Kitchencr'S Vor schlag seiner Regierung zu unterbreiten. Bis gestern noch ließen die Londoner Blätter sich Telegramm auf Telegramm senden, aus denen mit positiver Sicherheit bervorging, daß Botha mürbe und daß seine Capitulation unter allen Umständen ehebaldigst — Tag und Stunde wurden sogar angegeben — zu erwarten sei. Dabei ließ man deutlich durchblicken, daß zwischen Botha einerseits und Krüger-Steijn- De Wet andererseits Meinungsverschiedenheiten beständen, daß Botha als wirklicher Stratege großen Stils, der den Guerillakrieg verachte, im Gegensatz zu dem ordinären Strauch ritter und Wegelagerer De Wet daS Vergebliche eineSlweitcren Kampfes in Ehren eingesehen habe und daß er daher, ohne Krüger und Steijn zu fragen, einfach über die Häupter der beiden Regierungen hinweg Frieden machen werde, worauf dann das Zusammenbrüchen des weiteren Widerstandes nur eine Frage kürzester Zeit sein werde. Und nun? Stolz wendet Botha den britischen Unterhändlern den Rücken, ein großer Stratege, aber ein noch größerer Patriot, ein treuer Paladin beider Präsidenten, völlig gewiß seiner Officiere und seiner Mannschaften, zieht er eS vor, weiter zu kämpfen und zu leiden, ebe er eS über sich bringt, schmachvolle Vorschläge auch nur an seine Negierung heranzubringen. Wie wird Dewet jubeln, wenn er Bolba's Entschließung erfährt! Auch in Petersburg wird man keine geringe Be friedigung empfinden. Man weiß, warum. Herr Schermbrucker, dessen famosen Aufruf an die Deutsche» der Capcolonie wir Lieser Täge mittheilten, einen Protest deS deutschen General- consulS in Capstadt v. Lindcquist provocirt hat, in dem gesagt ist, daß die deutsche Reichsregierung von allen deutschen Reichsangehörigen nach wie vor die strikteste Neutralität erwarte. Durch das Vorgeben des deutschen GeneralconsulS, daS zu Ausstellungen gar keinen Anlaß bieten konnte, fühlte sich nun Schermbrucker beleidigt, und er erließ einen neuen Aufruf bezw. eine Bekanntmachung, in der er von einem Ukas des Herrn v. Lindequist sprach, der die deutsche Reichsregierung und die deutschen ReichSangehörigen bei den Haaren herbei gezogen und in seinen ersten Aufruf hineininterpretirt habe. An den guten Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiser und England vermöge aber Herrn v. Lindequist'S Macht spruch nichts zu ändern und in seiner Eigenschaft als Mit glied deS ausführenden NatheS des Königs von Groß britannien und Irland in der Capcolonie sowohl in seiner Eigenschaft eines Vertreters deS Volkes im Parlament für King Williamstown weise er, Schermbrucker, jede Ein mischung in die localen Angelegenheiten Caplands seitens irgend eines in der Colonie mit internationaler Höflichkeit beglaubigten Vertreters einer fremden Macht entschieden zurück. DaS war unverschämt. Man mag über die trefflich ge lungene Anglisirung des Herrn Schermbrucker denken wie man Frnilletsn. Zwei Brüder. Roman von Franz Rosen. Nachdruck »kibolkil. In den vielen Stunden, die ihm in seiner nicht durch Be rufsarbeiten ausgefüllten Zeit wurden, empfand er zum ersten Male im Leben lebhaft das Bedürfniß nach Aussprache und Mittheilung, nach der verftändnißreichen Nähe einer Seele, in deren Tiefe die seine sich rückhaltlos ergießen konnte. Die merk würdige Folge dieses Bedürfens war, daß er die Gemeinschaft der Menschen immer mehr mied, statt sie zu suchen. Er zog sich in auffallender Weise von der Geselligkeit zurück, welche Manfred und Maria so viele schöne Gelegenheit bot, ihr Liebesglück vor den Augen einer schaulustigen Menge in allen Farben spielen zu lasten. „Warum hältst Du Dich Allem so fern?" fragte Manfred eines Abends fast vorwurfsvoll. „Ich kann den Trubel nicht recht ertragen, ich fühlte mich angegriffen, und ich bin zum Glück ja nicht verpflichtet." Und Manfred nahm sich keine Zeit, über diese Erklärung iveiter nach zudenken. „Warum sieht man Sie nirgends mehr?" fragte Elisabeth, als sie sich dennoch einmal zufällig in einem der winterlichen Salons trafen. „Es geht mir nicht gut", erwiderte Peter auch hier ziemlich kurz. Elisabeth sah ihn groß an und um ihren Mund spielte dabei das süße, wehmiithige Lächeln, das sie so jung, und doch so schmerzensreich erscheinen ließ. „Mir geht es auch nicht gut", sagte sie, „und ich möchte oft lieber bleiben, statt von einem Fest zum andern zu eilen. Trotz dem bin ich nachträglich oft dankbar für den Zwang, der mich wieder unter Menschen brachte. Glauben Sie mir, es ist nicht gut, sich einsam mit seinen Gedanken vom Leben abzuschließcn." Sie sah also von vornherein von einem körperlichen Unwohl sein ab und nahm an, daß es ihm seelisch nicht gut gehe. „Ich bin nicht dafür, Schmerzen oder Traurigkeit irgend welcher Art durch äußere Eindrücke zu betäuben", sagte er. „Sie können nur dann segenbringend sein, wenn man sie auswirken läßt und verarbeitet." „DaS ist ganz, was ich denke", erwiderte sie sanft. „Aber das geht mit inniger Theilnahme am übrigen Leben ganz gut Hand in Hand. Wenn man einsam nur seinem Schmerz lebt, so denkt man zu viel an sich — man wird sich selbst zu wichtig und ver- -ißt seicht seine Pflicht gegen Ander« — vergißt, daß man selbst will, jedenfalls ist eS erbärmlich, wenn ein Mann, der einen ofsiciellen deutschen Vertreter auS Anlaß einer pflichtgemäßen Amtshandlung desselben beinahe verächtlich behandelt, mit „deutschem Pflichtgefühl" hausiren gebt. Es versteht sich übrigens von selbst, daß die deutschen Ansiedler, die Scherm brucker für das Vertheidigungscorps warb, keine Reichs deutschen mehr sind. Tie Pest. * Capstadt, 10. Mär;. („Reuter s Bureau.") Heute sind hier fünf Personen an Ser Pest erkrankt, darunter drei Europäer. * Durban, IS März. („Reuter s Bureau".) Ter aus Capstadt eingetroffene Dampfer „Rosltn Castle" ist unter Lnarantäne gestellt worden, weil an Bord ein Pcstfall vorgekommen ist. Die Wirren in China. Tie englisch-russischen Differenzen. AuS Paris, 19. März, wird berichtet: Während in gestrigen Meldungen betont wurde, daß man sich in Tientsin etwas beruhigt babe, weiß der „New Jork Herald" beute aus Tientsin vom 18. März Folgendes zu berichten, daS sensationell aufgebauscht klingt: Die Spannung nimmt zu. Man kann sich jeden Augenblick auf den Ausbruch eines Streites gefaßt machen. Die Truppen aller Nationen sind unter Waffen. Die Lage längs der Eisenbahn bleibt dieselbe. Die französischen Truppen nehmen an dem Streite Tbeil, trotz aller Anstrengungen ihrer Officiere, die Neutralität aufrecht zu erhalten. Gestern Nachmittag haben mehrere Gruppen franzö sischer Soldaten die britische Concession durchlaufen unter dem Ruf: Nieder mit den Engländern! ES ist zu Schlägereien gekommen, von denen niedres o ?. liefen. Drei französische Soldaten griffen den englischen Hauptmann Bocler an und zwangen ihn, seinen Wagen zu verlassen. Der Hauptmann vertheivigte sich mit Faustschlägen und es gelang ibm, sich freizumachen, als eine Anzahl Sikhs ihm zu Hilfe kamen. General Campbell ließ als dann alle seine Truppen antreten, vertrieb die Franzosen und stellte rings um die Concession Schildwachen auf mit dem Befehle, keinen französischen Soldaten mebr zuzulassen. Der Feldmarschall Graf Waldersee, der nach Kiautschau abgereist ist, ist telegraphisch benachrichtigt worden und wird stündlich erwartet. ES sind .indeß wenig Gründe vorhanden, zu glauben, daß es ihm gelingen werde, den Streit beizulegen. Nach einer „Times"-Depesche auS Tientsin sind 40 franzö sische Soldaten wegen ihres diSciplinwidrigen Verhaltens verhaftet worden. * London, 19. März. Unterhaus. (Fortsetzung.) Unterstaats, sekretär des Aeußern Lord Cranbourne erklärte, die Regierung besitze keine Nachricht, daß Japan der chinesischen Regierung mit- getheilt habe, es würde, wenn das Mandschureiabkommen unterzeichnet werde, darauf bestehen, sein Protectorat über Folien herzustellen. — O'Kelly fragt an, ob das eng« lisch-deutsche China-Abkommen auf die Mand- schurei Anwendung finde. Lord Cranbourne erwidert, der erste Artikel des Abkommens drücke das Einverständniß beider Mächte auS, die Freiheit des Handels in den an den Flüssen und an der Küste Chinas gelegenen Häsen, wo immer sie einen Einfluß ausüben können, mit seinem Schicksal nur ein ganz winziger, unbedeutender Factor in dem großen Lebensprincip ist, das sich unaufhaltsam vor wärts bewegt." Peter sah sie überrascht an. Was mußte eine Frau denken und leiden, ehe sie sich zu solchen Auffassungen durchrang! — Er hatte sich gar nicht in ein Gespräch mit ihr einlasscn wollen; nun fesselte es ihn derart, daß er nicht wieder loskam. Es nahm ewe ganz unpersönliche Wendung und konnte deshalb um so un befangener fortgeführt werden. Elisabeth ereiferte sich dabei, sic bekam frische Farben wie ein junges Mädchen, und ihre grauen Augen leuchteten ganz eigenartig tief und sonnig Auch, als sie sich getrennt sahen, blieb auf ihrem ausdrucksvollen Antlitz ein heiterer Glanz zurück, als habe das leibhaftige Glück es geküßt — und sei vorübergegangen. Ein Menschenherz, und zumal ein junges, kann sich nicht be gnügen mit der Befriedigung, die ihm durch Pflichterfüllung er wächst. Es will einmal, ein einziges Mal, wenn auch nur viel leicht für eine kurze Zeit, ein volles, ganzes Glück haben, und das ist sein gutes Recht. Elisabeth's Herz sehnte sich nach diesem seinen guten Recht mit seiner ganzen, starken, unverbrauchten Kraft. Elisabeth war nicht arm. Sie war reich durch den Schah ihres starken Glaubens und ihres zielbewußten Willens. Je ent wickelter aber die Seelenkräfte im Glauben und Wollen sind, um so entwickelter sind sie auch im Entbehren und Leiden; denn erst aus diesem erwuchs ihnen Glaube und Wille. Peter kam nach dieser Unterredung wirklich wieder etwas häu figer aus seiner Zurückgezogenheit hervor. Aber die Nähe fröh licher Menschen schien ihn nur noch ernster zu stimmen. Es schien gar keine Beziehungen mehr zu geben zwischen ihm und ihnen. Er war still und in sich gekehrt und konnte nicht einstimmen in die vergnügten Töne, die ihn umschwirrten. Nur, wenn es sich fügte, daß er bei Elisabeth stand oder saß, wich die starre Unzu gänglichkeit von ihm, als öffne sein Herz sich sehnsüchtig dem sanften Licht, das sie ausstrahlte. Eine- Abends war er trüber als sonst. Elisabeth bemerkte es gleich und fragte endlich nach der Ursache. Er schien diese Frage nur erwartet zu haben. „Es ist heute ein bewegter Tag für mich", sagte er in ge dämpftem Tone, so daß nur sie ihn verstand. „Ich habe heute unsere Wohnung in dem alten, lieben, kleinen Hause gekündigt, in dem wir über zwanzig Jahre lebten." Er hatte das schnell hervorgesprudelt, als würde es ihm sehr schwer zu sagen. Sie antwortete nicht gleich. „Das liebe, alte HauS", wiederholte sie dann, und ihre Stimme klang tief und weich — „da» Hau», in dem Sie Ihre zu wahren. Der zweite Artikel erkläre, daß die beiden Regierungen die gegenwärtige Verwickelung nicht benutzen wollen, um territoriale Bortheile in China zu erlangen, und ihre Politik darauf richten werden, den Territorialbestand Chinas unvermindert zu erhalten. Diese Festsetzung sei ohne nähere Bestimmung (nitkout qualitr-ation). Beifall. — Auf eine weitere Anfrage erklärt Lord «»aokourile, der Regierung lei gemeldet worden, daß die Concession für oe» Lu» der Bah» vou Canton nach Hankau noch der amerikanischen Gesellschaft gehöre, doch hätten die Actionäre dieser Gesellschaft einen Theil ihres Aktienbesitzes an das belgische Syndicat abgestoben, daS die Concession für die Bahnlinie Peking-Hankau besitze. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. März. In der gestrigen Sitzung deS Reichstags war daS Be- merkenSwertheste ein Meinungsaustausch zwischen dem Reichskanzler Grafen Bülow und dem Abg.Fürsten Bismarck. Letzterer benutzte die Gelegenheit, die ihm die dritte Lesung des Etats des Auswärtigen Amtes bot, dazu, sich über die China-Politik des jetzigen Reichskanzler« zu äußern. Daß gerade der Abg. Fürst Bismarck dazu nicht nur ein Recht, sondern auch die Befähigung hat, ist selbst verständlich. Und liest man die heute vorliegenden Berichte über seine Auslassungen genau, so kommt man auch zu der Ueberzeugung, daß er die Schwierigkeit der Aufgabe, vor der jetzt Graf Bülow steht, vollauf würdigte und sich sorgfältig hütete, diese Schwierigkeiten seinerseits zu vermehren. Seine Absicht ging augenscheinlich dahin, zu verhüten, daß mit der am vorigen Freitag abgegebenen Erklärung deS Reichskanzlers, die ostasiatischen Wirren bedeuteten für Deutschland eine „Lebensfrage", falsche Schlüsse gezogen würden. „Gerade mit *^ücksicht aus die Neben" — so führte er aus — „die wir am ^r.itag von der linken Seite deS Hauses hörten, Hube ich es für meine Pflicht gehalten, diese Aeußerung deS Herrn Reichs kanzlers — vermuthlick mit seinem Einverständniß — aus ihren richtigen Werth zurückzuführen." Er legte nun die Bedeu tung unserer Handelsinteressen in China dar, sprach seine Befriedigung darüber au«, daß der Kanzler in erster Linie diese Interessen zu wahren bestrebt sei, und betonte besonders, daß das Geschick, mit dem Graf Bülow der Mandschurei- Frage den politischen und damit den gefährlichen Charakter genommen habe, das deutsche Volk mit Vertrauen zu dem Leiter der Auswärtigen Angelegenheiten und mit der Hoffnung erfülle, wenigstens den größten Theil seiner Kosten znrück- erstattet zu erhalten und bald auS China herauSzukommen. Man sollte nun meinen, eine solche Kritik auS solchem Munde hätte den Reichökanrler mit größter Befriedigung erfüllen und ihm willkommene Gelegenheit bieten müssen, auch seinerseits einer falschen Auslegung deS Wortes „Lebensfrage" entgegen zutreten. Aber Graf Bülow, der es doch selbst dann nicht an Anerkennung fehlen läßt, wenn ein Socialdemokrat Vor würfe in gemäßigte Formen kleidet, mißverstand die gute Absicht deS Fürsten, unterstellte ihm, er unterschätze die Be deutung der Ermordung unseres Gesandten, wies ironisch darauf hin, daß in der Beurtheilung der EntschädigungSfrage ein Bismarck mit einem Eugen Richter harmonire, und be quemte sich erst nach einer Entgegnung deS Fürsten zu dem Eingeständniß, daß er diesen in zwei Puncten miß verstanden habe und ihm für die geleisteten Secundanten- dienste Dank schuldete. Daß aber auch dieser Dank einen Kindheit verlebten — in dem Ihrer Mutter Sarg gestanden — muß es denn sein, und warum?" „Mein Bruder wird sich einen eigenen Hausstand gründen; für mich allein ist die Wohnung zu groß und zu theuer." Elisabeth empfand bitter die herbe Fessel äußerer Verhält nisse, an der die großen wie die kleinen Geister ziehen müssen. „Könnte denn nicht Ihr Bruder mit seiner jungen Frau darin wohnen bleiben?" Peter seufzte kaum hörbar. „Es liegt meinem Bruder unbequem — es ist auch wenig ge eignet für eine moderne Einrichtung — kurz und gut, es paßt nicht. Es ist im Grunde auch eine kleine Sentimentalität, daß mir der Abschied so schwer wird. Aber ich nehme nicht nur Ab schied von Holz und Stein. Er bedeutet für mich einen Lebens abschnitt." Er schwieg, als überlege er, ob er weitersprechen soll oder nicht. „Ich will mich um meine Versetzung bemühen", sagte er dann. Sie fragte nicht „warum?" Sie sah ihn nur erschrocken an und verfärbte sich. „Ich hatte daran gedacht", fuhr er mit an Eigensinn gren zender Beharrlichkeit fort, „mich ins Ausland schicken zu lassen. Aber ich habe den Gedanken aufgeben müssen, ehe er noch be stimmte Form gewann. Die äußeren Mittel fehlten mir dazu." „Wie schade!" sagte sie, wieder ganz gefaßt. „Wie hätte ich es Ihnen gegönnt, hinauszukommen, aus der Enge in die Weite, aus unseren bearenzten Verhältnissen hinaus auf den großen Schauplatz des Lebens. Erst da wird man recht inne, wie klein die Rolle ist, die man selber spielt — wie gering und armselig die kleinen Nöthe, die uns Niederdrücken." Sie übertraf seine Erwartungen. Sie hätte ihn also ziehen lassen, ohne Klage, ohne Vorwurf, in selbstloser Freude und in völligem Verstehen. „Ja — damit ist es nun nichts. Ich muß sehen, daß sich im Jnlande irgendwo ein bescheidener Platz findet." Sie schwiegen eine Weile, dann sagte Elisabeth: „Ich hatte dieselben Wünsche für uns — vor etwa einem halben Jahre, als es sich darum handelte, ob mein Mann in sein altes Regiment zurückkehren oder dem hiesigen eingereiht werden würde. Er wollte gern hier bleiben und setzte Alles in Bewegung, um cs zu erreichen. Es glückte ihm — und nun werden wir wohl noch lang« hier sein." DaS Letzte klang wie eine Entschuldigung. Peter sah sie traurig an. Sie hatte Thränen in den Augen und »inerz ge quälten Ausdruck, wie er ihn noch nicht an ihr kannte. Er drehte sich kurz um und ging seiner Wege. XX. Im ersten Frühjahr sollte Manfred's und Maria s Hochzeit gefeiert werden. Der Oberst war principiell gegen lang« Braut ironischen Beigeschmack hatte, ging auS der Heiterkeit hervor, mit dem ibn die politischen Gegner des Fürsten aufnahmen. Der Vorgang erinnert an die Behandlung, die der Abg. vr. Hasse sich unlängst vom Herrn Reichskanzler gefallen lassen mußte und der noch bis zur Stunde die von vielen — selbst der Regierung nabe stehenden — Seiten erwartete Begütigung nicht gefolgt ist. Der einzige Unterschied zwischen beiden Fällen ist der, daß der Abg. vr. Hasse grob, der Abg. Fürst Bismarck mit jener formellen Höflichkeit be handelt wurde, die in diplomatisch geschulten Kreisen nicht minder verletzt. Es scheint sonach, als ob Graf Bülow, der, wie gesagt, für jede Mäßigung der principiellen Oppo sition Anerkennung bat und mit den Herren vom Centrum umgeht, wie mit rohen Eiern, selbst die maßvollste Kritik nicht vertragen könnte, wenn sie von einer Seite kommt, die zur Kritik am meisten berufen ist. DaS könnte sich bitter rächen. Oder sollte der gestrige Zwischenfall noch eine andere Bedeutung haben und sollte eS kein Zufall sein, daß die dem jetzigen Kanzler durchaus ergebene „Weser-Zeitung" gerade jetzt folgenden Vorwurf erhebt: „Es ist doch eine ausfallende Erscheinung, daß der Reich-kanzler Graf Bülow, wenn er im Reichstage seine auswärtige Politik darlegt, regelmäßig kräftige Zustimmung auf fast allen Seiten deS Hauses findet, während der Widerstand auf ganz vereinzelte Brstand- theile beschränkt bleibt. Hernach aber geht der Strom roher Br« jchimpfungen gegen ihn in einem verhältnißmäßig große» Theil der Presse, namentlich der vou Friedrichsruh ressortirende», sowie der extrem agrarischen, unvermindert weiter. ES ist da» ein Zeichen, daß die Organisation der officiösen Presse, wie sie unter dem alten Curse bestand, immer noch vorhanden ist und daß dadurch dem neuen Curse ein Maß von journalistischer Opposition bereitet wird, das weit über den wahren Halt der Frondiste», Alldeutschen re. im Volke hinauSgeht. So erhält der Kanzler denn auch diesmal im Reichstag überwiegende Zustimmung nud in einem großen Theil der Presse eine Opposition, deren zu nehmende Rohheit gerade keine angenehmen Rückschlüsse auf den Stand der feinen Geistesbildung in Deutschland rechtfertigt. Oder doch? Ist die Qualität des Tones, der die socialdemokratisch« Gehässigkeit bereits überbietet, ein Zeichen, daß man sich nur noch von einem Appell au die geistige Hefe des Volkes Erfolg verspricht?" — ? Eine von „Friedrichsruh ressortirende" Presse giebt eS nicht mehr, wohl aber eine vom Auswärtigen Amte in Berlin ressortirende. Zuzugeben ist allerdings, daß zuweilen einige Blätter, die in den Fußstapfen deS großen Kanzlers zu wandeln behaupten, einen Ton gegen dessen jetzt im Amte be findlichen Nachfolger anschlagen, der den von ihm selbst gegen den Abg. vr. Hasse beliebten an Schärfe noch übertrifft. Aber mit dem jetzigen Herrn in Friedrichsruh haben diese Blätter nichts zu schaffen. Und wenn Graf Bülow diesen Verdacht hegen sollte, so wäre er ebenso auf dem Holzwege, wie die, die ihn als Inspirator gewisser Artikel der „Köln. Ztg." be zeichnen. Jedenfalls haben der Fürst und jeder andere Abge ordnete das Recht, von dem Reichskanzler zu fordern, daß Vieser in seinen Antworten desselben ToneS sich befleißige, den sie selbst anschlagen. In den „Hamb. Nachr." macht ein gelegentlicher Mit- « arbeiter darauf aufmerksam, daß vom Reichst«g am Sonn- I abend zu dem Anleihegesetze, durch das der Reichskanzler I ermächtigt wird, zur Bestreitung zweimaliger außerordent- schaften, und das Brautpaar selber durchaus einverstanden mit dieser Bestimmung. Manfred hatte in der elegantesten Gegend der Stadt «in« Wohnung genommen, die von seiner Schwiegermutter und ihm auf das reizendste unv behaglichste eingerichtet wurde. Der Oberst war wenig einverstanden mit all den Schätzen, die seine Frau für das junge Paar zusammentrug. Was sollte aus den Ausstat tungen der andern Töchter werden, wenn man bei der ersten so verschwenderisch war! Aber je älter und bequemer er wurde, desto mehr scheute er sich vor häuslichen Scenen, deren er in seinem Leben genug durchgemacht hatte, und wo er mit Vernunftgründcn nicht durchdrang, da schwieg er. Peter sah dem Allen sorgenvoll zu. Er hatte Manfred liebe voll, aber sehr eindringlich vorgestellt, daß er in einer einfacheren Wohnung, deren Unterhaltung weniger kostspielig sein und die für den Zuschnitt seines ganzen Lebens einen seinen Verhält nissen entsprechenderen Maßstab abgeben würde, ebenso glücklich sein könne. Er predigte tauben Ohren. „Maria braucht es so. Maria ist verwöhnt." Da er sich nicht berufen fühlte, handelnd einzugreifen, schwieg auch er und sah mit Bangen für das ahnungslose, unerfahrene Mädchen dieselben Stürme Herauf ziehen, unter denen seine arme Mutter so schwer gelitten hatte. — An einem rauhen, unfreundlichen Märztage wurden Man- sred's Sachen aus dem kleinen Gartenhause in die neue, schönere Umgebung geschafft. Er hatte sich mit Peter in die Einrichtung getheilt, so daß Jeder für sich behielt, was am geeignetsten für ihn war. Manfred beanspruchte nur die wenigen Gegenstände, die er persönlich benutzt hatte und die hübschen Möbel aus Frau Josefa's kleinem Salon, der immer verschlossen gewesen war. Auf das übrige „altmodische Gerümpel" legte er keinen Werth. Peter aber war es gerade lieb, daß die alte, vielbenutzte Wohn stube, in der jedes Stück sich mit Erinnerungen an die Verstorben« verwob, ihm überlassen blieb. Mit Schluchzen und Thränen begleitete die alt« Karina jedes Stück, das auf den breiten Schultern der robusten Träger zum Hause hinausschwankte und in dem ungeheuren Planwagen ver schwand. Dabei lief sie hin und her und war Jedem im Wege. — Mit Heller Stimme leitete Manfred die Arbeit, die ihn augen scheinlich in die freudigste Erregung versetzte. Peter war ausgegangen. Erst als der schwerbeladene Wagen gemächlich davonschwankte, kam er langsam zurück und betrat zög«rnd da» geplünderte Heim. Ein Graus von Ungemiikhlichkeit starrte ihm entgegen. Alle Thüren standen geöffnet; der Märzwind pfiff frostig hindurch und wirbelte Stroh und Papierf«tz«n durcheinander. In den kahlen Räumen z«ichneten sich die Stellen an dec Wand, die Möbel und Bilder gedeckt hatten, hell gegen die nach«
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