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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000226019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900022601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900022601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-02
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Die Morgeu^luSgab« afchetut «m '/,? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag» um S Uhr. VezrrgS-PreiS -«l-tex-S-Mo« od« de» im Stadt- dmi Bvkvllen errichtete» A>«» «»geholt: vierteljihrlich^4.bO, tlglicher Zustellung in» )«ch die Post bezogen für d und Oesterreich: viertestäbrlich . Direct« tägliche Kreuzbandievdung t»t Ausland: monatlich 7.bO. Uedutts« ruck LrpeLition: z»H«t»1»«afse S. DieExpüütiou ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet non früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Mal«: Alfred Hatz« vor«, v. Memm » Lortini. UmverfittltSstraß« S (Paulinum), Lösche, Katharinenstr. 14, -art. und König»platz 7. Morgen-Ausgabe. MpMer TagMaÜ Ailzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes «nd N-lizei-Nmtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6gespaltme Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (»ge spalten) bO^z, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten) 40 »z. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferusatz nach höherem Tarif. Kxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für AnO-en: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Ex-edition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. HM. Montag den 26. Februar 1900. 94. Jahrgang. Sächsische Fürstinnen. To-Hie von Böhmen Wir haben bei der Biographie Hedwig» von Askanien gesehen, in welche Handel ihre Affenliebe zu ihrem jüngsten Sohne Dietrich da» Land gestürzt hatten, und wie unter diesen Zuständen nicht nur ihr greiser Gemahl, sondern auch ihr Sohn Albrecht litt. Albrecht hatte «ine Prinzessin von Böhmen aeheirathet. Sophie von Böhmen war die Tochter Herzog» Friedrich, der durch die Schwächlichkeit, mit der er seiner Frau Elisabeth die Regierung überließ und die dann da» Volk und Land arg bedrückte, um seinen, Thron kam. Seine Unterthanen hatten da» Weiberregiment satt und ver jagten ihn sammt seiner Gemahlin und wenn er auch vom Kaiser wieder in seine Würde eingesetzt wurde, so machte doch rin neuer Aufstand im Jahre 1184 ihm da» Leben schwer, so daß er den Tod vielleicht al» Erlösung begrüßte. Bon Sophie selbst ist nicht viel zu berichten. Albrecht hatte sich gegen seinen Bruder und gegen den Kaiser zu wehren, den er mit einer größeren Summe für sich gewinnen wollte. Er mußte erfahren haben, daß die Mönche im Kloster Alt-Zelle einen solchen Schatz hüteten und wahrscheinlich in« guten Glauben, daß diese« ein Theil seine» Erbe» sei, forderte er von den „frumben Mannern" die Herausgabe. Was aber die Kirche in den Händen hat, das giebt sie nicht gutwillig her und so mußte denn Albrecht, den man deshalb auch den Uebermüthigen und Stolzen nannte, ein wenig Dampf da hinter machen und die Mönchlein zur Hergabe zwingen. Da» haben sie ihm nie vergessen. Sie wurden seine erbittertsten Feind«. Vor drm Bundesgenossen seines Bruder», dem Land grafen Hermann von Thüringen, mußte er nach zwei ver lorenen Schlachten fliehen und kam auch 1194 vom Peters berg und al» Mönch verkleidet nach Leipzig. Obgleich er es mit dem Kaiser hielt und augenscheinlich die Absicht hatte, diese Freundschaft auSzubeuten, fiel er doch bei Heinrich VI. in Ungnade, und da er auf einen Angriff gefaßt sein mußte, that er sich nach Bundesgenossen um. Er sand einen solchen in dem Herzog Ottokar von Böhmen. Allein ihr Bündniß half ihnen nicht», der Kaiser setzte Ottokar ab und beauf tragte den Bischof Heinrich von Prag mit der Bestrafung der Beiden. Da» hat denn auch der „Bischof" aufs Gründ lichste besorgt und das Meißner Land aufs Gründlichste verwüstet. Albrecht hat r« freilich nicht mehr erlebt. Seinen Feinden schien sein sorgenvolles Leben noch zu lang. Eines Tage«, ai« er Freiberg in guten BertheidigungSzustand setzen wollte, gab ihm irgend ein gekaufte» Subject Gift ein, an dem er in wenig Stunden starb. Man bat wohl nickt mit Unrecht auf die Alt-Zeller Mönche als Anstifter dcS Morde» verwiesen, aber auch der Kaiser Heinrich kommt vielleicht bei diesem Mord in Frage. Seine Unstätheit und seine Sorgen hat wohl seine Frau ebenso getheilt, wie seinen Tod. Sie muß auch von dem Gift genossen haben, denn sie befand sich seit ihre» Gatten Tode unwohl und starb dreißig Tage nach ihm am 24. Juli 1l95. Beide sind in Alt-Zelle be graben. Ueber den Charakter Sophien» ist nur wenig bekannt. Man sagt von ihr, daß sie einen unheilvollen Einfluß auf Albrecht ausgeübt habe, insofern sie in ihrer Ranke- und Händelsucht, ihn zu dem Kriege, insbesondere aeaen de« Kaiser angestiftrt habe. Wenn man die Theorie der Erblichkeit hier gelten lasten will, so dürfte man damit nicht weit vom Ziele vorbeischießen. In der That war ihre Mutter, wie erwähnt, so ein bischen Hyäne, und von dieser Raubnatur hat sie vielleicht ein Tbeil abbe kommen. Da die Regierung Albrecht'« nur fünf Jahre zählte, hat sie, wenn sie mit Schuld an den Fährnissen de« Lande» trüge, in der Zeit gerade ihr Möglichstes gcthan, um den Wohlstand deS Landes zu gefährden. Aber e» ist vielleicht ungerecht, sie für Zustände verantwortlich ru machen, die in der Zeit lagen, die die Zeit au» sich heraus gebar und die uns in der Geschichte zu ost begegnen. Das Kind beider, Christine, war beim Tode der Eltern noch jung an Jahren. Tie Prinzessin heirathete später einen Grafen von ArnShaugk-Lobdaburg. Jutta -on Thüringen. Jutta ist die erste Frau auf Meißen» Throne, von der un» eine ziemlich eingehende Schilderung erhalten geblieben ist. Sie wurde 1183 als Tochter des Landgrafen Herrmann'» I. von Thüringen geboren. Sie hatte noch eine Schwester Namen» Hedwig. Beide Schwestern waren so ungleich als möglich. Hedwig schön wie der erste Morgeu- strahl der Sonne, eben gewachsen, rein von Herzen, da» Ideal eines deutschen Mädchen», Jutta dagegen häßlich, mit einem Gesicht wie ein Eskimo, etwas verwachsen und sehr kurzsichtig. Aber Jutta war gescheidt. Wa» ihrer Persön lichkeit am Aeußeren abging, das ersetzte ihre Zunge und ihr Geist. Das ist ja die alte Erfahrung, daß gewöbnlich häßliche Weiber geistreich sind. Wa» der Landgraf Herr mann zu dieser Verschiedenheit seiner Töchter gesagt hat, ist un» nicht erhalten geblieben, wir kennen nur Wagner'» Tannhäuser und da spielt keine von seinen Töchtern eine Nolle. Trotz ihrer abstoßenden Persönlichkeit kam Jutta sehr bald unter die Haube. Schon mit elf Jahren wurde sie dem Bruder Albrecht'» de- Stolzen, Dietrich, vermählt und zwar als Entgelt für die Hilfe, die ihr Vater Dietrich gegen Albrecht leistete. Ma» sieht, der gute Herrmann wußte seine Tochter auf anständige Weise zu versorgen. Dietrich paßte dieser Preis für den Beistand nickt, denn schon als Mädchen war Jutta so häßlich, daß Dietrich sich es ein paar Mal überlegte, ehe er in den saueren Apfel biß, um so mehr, al» er ja gar nicht wußte, was für eine Jungfrau sich au« dem schnippi- scken Ding zu der Zeit, wo die Vermählung vor sich ging, entwickelt haben würbe. In welches Jahr man die Ver- heirathung zu setzen hat, ist nicht bekannt, e» mag um 1200 gewesen sein. Dietrich zog damals gegen die Türken und als er zurückkehrte, batte er wieder sein Erbe gegen den Kaiser zu vertheidigen. Dann kamen Kämpfe gegen die höhere Geistlichkeit, die selbstverständlich so viel al»> möglich von den Unruhen im Lande profitiren wollte. Mit Leipzig war Dietrich nicht gut daran. Die Chronik nimmt an, daß die Meuchelmörder, die in Eisenberg an Dietrich heranwollten, von Leipzig gekommen seien und wenn auch der Mord verhindert wurde, doch Leipzig mit dem Markgrafen in arge Fehde ver wickelt wurde. Und schließlich half Alle« nichts. Der eigene Leibarzt war zum Morde gedungen worden und am l7. Februar l22l starb Dietrich der Bedrängte in den Armen seiner Gemahlin an Gift. Die Markgräfin Jutta war damals 38 Jahre alt und während ihrer Ehe, die im Ganzen trotz idrer Häßlichkeit eine glückliche war, hatte sie ihrem Manne acht Kinder geboren. Fünf starben schon in früher Zeit, , drei Söhne überlebten den Vater. Diese drei Söhne (wir I folgen jetzt Stichart in seiner Galerie sächsischer Fürstinnen) I waren Dletrich, der älteste Sohn. Er hatte sich, noch zu Leb zeiten de» gleichnamigen Vaters, dem geistlichen Stande ge widmet. Er wird im Jahre 1223 als Domkämmerer in Naumburg, 1240 als Dompropst daselbst erwähnt. Als im Jahre 1242 der Bischof Engelhard zu Naumburg starb, hatte Prinz Dietrich in dieser Würde ihm nachfolgen sollen. Die Domherren wählten jedoch, aus Befürchtung, Dietrich möchte gegen seinen Bruder, den Markgrafen Heinrich, in Abtretung von LehnSgütern noch freigebiger sein, als es be reits Engelhard gewesen war, den damals zu Paris studi- renden Magister Peter. Auf Verwendung des Markgrafen aber ward, mit Verwerfung de» Gewählten, nach zweijährigem Streite Dietrich dennoch zum Bischof gewählt und vom Erz bischof von Magdeburg bestätigt. Er hat während seiner langen Regierung den Ruhm eine» löblich regierenden Bischofs hinter sich gekästen und starb den 22. September 1272. Heinrich, der ältere, war gleichfalls Geistlicher, und zwar Dompropst zu Meißen. Er wird als solcher in den Urkunden öfter, und zuletzt in einer Urkunde vom 26. Mai 1255 erwähnt; in der Urkunde vom 22. Mai 1255 aber wird er ausdrücklich als Bruder de» Markgrafen Heinrich bezeichnet. Heinrich, der jüngere, ist derjenige, welcher dem Vater in der Regierung folgte und in der Geschichte als der Er lauchte bezeichnet wird. Am dreißigsten Tage nack dem Ableben deS Markgrafen Dietrich machte Jutta in ihrem (und als Vormund Landgraf Ludwig in ihres jüngsten Söhnleins Heinrich) Namen zum Seelenheil ihre» Gemahl» eine Stiftung an das Kloster Alt- Zelle, indem sie dasselbe von Zöllen und Abgaben befreite und demselben einen Antheil an den Gerichtsnutzungen be willigte. Im Leben der verwittweten Markgräfin Jutta beginnt nun ein neuer Abschnitt, indem von nun an die Sorge für die Regierung de» Lande» hauptsächlich mit in ihren Händen lag. Da die beiden älteren ihrer noch lebenden Söhne, wie bemerkt, den geistlicken Stand gewählt batten, so blieb nur der jüngere Heinrich al« Erbe der väterlichen Würden und Länder übrig. Allein dieser, 1218 geboren, war bei de» Vater» Tode noch nicht drei Jahre alt, bedurfte also eine» Vormunde». Durch letztwillige Verfügung nun, nach welcher Markgraf Dietrich fast all sein Eigengut seiner Gemahlin Jutta überließ, be stellte derselbe zum Vormunde für den jüngeren Heinrich den bereit« oben erwähnten Stiefbruder Jutta'», den thüringer Landgrafen Ludwig IV. oder den Heiligen. Markgraf Diet rich war zu dessen Wahl al« Vormundes durch die „stetickeid (Stetigkeit) vnde vestin glaubin (Glaube»), den her an yme erkante", wie de» Landgrafen gleichzeitiger Biograph ver sichert, bewogen worden, und Ludwig bat dieser Erwartung, wie die« rühmend allenthalben anerkannt wurde, auf das Treulichste entsprochen und eine gute Vormundschaft geführt. Dabei nahm, wie gesagt, die Markgräfin-Wittwe Jutta Theil an der Regentschaft, und gleich in der ersten Zeit stellen sie urkundliche Nachrichten neben dem Landgrafen Ludwig als Mitvormünderin auf. Au» dieser Zeit der vormundschaft lichen Regierung Jutta's sind noch drei Original-Urkunden vorhanden; die eine vom 18. März 1221 und die andere vom 20. Februar 1226 sind beide von ihr, Heinrich und Ludwig ausgestellt, außerdem ist ein Befehl dcS Kaiser« Frie drich I. an sie und Ludwig wegen Silberquellen und Zinsen des Bischofs von Meißen vom 23. März 1222 vorhanven. Gleich anfangs griff Ludwig kräftig ein, um die Rechte und Regierung seine« Mündel« zu befestigen, und Jutta bezeigte sich dafür ihrem Bruder dankbar, indem sie e» be wirkte, daß die Unterthanen und Vasallen die Erklärung ab gaben, ihn, den Landgrafen Ludwig, zum Markgrase» er wählen zu wollen für den Fall, daß Heinrich während seiner Unmündigkeit sterben sollte. Ja, sie legten ihm sogar in diesem Betreff gleich im Voraus den HuldigungSeid ab. Uebrigens hatte Ludwig seinen Sitz nicht in Meißen, sondern in Thüringen und kam nur von Zeit zu Zeit in daS Meißner Land, um dessen Angelegenheiten zu ordnen. ES trat aber frühzeitig zwischen Jutta und ihrem Bruder eine Verstimmung ein. Ludwig war nicht nur Heinrich s Alters-, sondern auch der Geschlechts - Vormund der Mark- gräsin-Wittwe, und diese letztere Beziehung mochte derselben hin und wieder lästig dünken. Der genannte Biograpb Ludwig'» bemerkt, Ludwig habe so guten Frieden im Lande gemacht, daß seine Schwester, deren Vormund er war, ge meint habe, sie bedürfe keines Vormunde» mehr; sie habe ihn also vernachlässigt und sich von ihm zurückgezogen, so daß sie, wie er sich ausdrückt, „in etlicher maße zweileuftiz worden." Derselbe berichtet ferner, daß Landgraf Ludwig im Lenze des Jahres 1223 in daS Osterland gezogen sei, um den Geschäften de» Landes vorzustehen. Dies habe seine Schwester, die Markgräfin, die also Wohl sonst die Regierung allein führte, verdrossen. Doch habe sich Ludwig wenig an ihren Zorn gekehrt, da er, stark an Ritterschaft, in da- Lanv gekommen. Bon dieser Zeit an nun habe die Markgräfin Jutta gegen ihren Bruder einen Haß getragen und darauf ge sonnen, ihn von der Vormundschaft zu verdrängen. Landgraf Ludwig hatte Wohl solche» erfahren, aber doch mit Gleichmuth ertragen. Allein tief verletzt mußte er sich fühlen, als seine Schwester Jutta heimlich und ohne sein Vorwissen eine neue eheliche Verbindung geschloffen. Am 9. Januar 1224 nämlich vermählte sich Jutta in der TbomaSkirche zu Leipzig mit dem Grafen Poppo XIII. von Henneberg. Drei Tage später erschien der Graf von Henneberg auf der Neuenburg (Freiburg) bei Landgraf Ludwig, theilte ihm mit, daß er sein Schwager geworden und lud ihn zur bevorstehenden Heimfahrt (Hochzeitfeier) ein. Ludwig, obschon er seinen Zorn verbarg, erwiderte diese Einladung ablehnend. Bon nun an ward da» Verhältniß der beiden Geschwister immer schroffer. Bald nach Jutta'» Vermählung erschienen Abgeordnete der Leipziger Bürgerschaft bei Landgraf Ludwig und brachten klagend an, daß eine im Besitze de» Ritters Dietrich von Sckladebach gewesene Kemnate (steinernes Ge bäude) an der Stadtmauer von der Markgräfin (ohne de» Landgrafen Wissen) besetzt worden sei, so daß die Leipziger von diesem Puncte aus beschädigt zu werden fürchten müßten. Auf Bitte der Leipziger belagerte Ludwig da» Schloß von der Außenseite der Stadt, während die Bürger ein Gleiche» von der Stadtseite au» thaten, worauf sich die Veste ergab und vom Landgrafen geschleift wurde. Zur Rache dafür ließ Jutta einen verheerenden Einfall in Thüringen thun, durch Boten bei den Edlen, Rittern und Knechten Klage gegen Ludwig erheben und die Schlösser mit ihren Anhängern be setzen, worauf der erzürnte Landgraf mit starker Mannschaft vor die Schlösser zog und einige Vorbauungen uiederbrannte. In der Palmwoche desselben Jahre» (1224) zog Ludwig «mit einem großem Bolke" in das Osterland, belagerte da» feste Schloß Tharand, da» er am Tage vor Ostern gewann. Nack I der Osterwoche belagerte, eroberte und besetzte Ludwig das l Schloß Nuwenhof (Nauenhof bei Leipzig); ebenso belagerte Fettillrtsn. Vie Milchstraße im Volksglauben. Bon Paul Pasig (Ilmenau). > Nachdruck vkrdoun. Währen o selbst der klarste Wintertag mit strengem Gebot alle» Leben in die engsten Schranken bannt und die Menschen kinder um da» trauliche Herdfeuer schaart, übt eine eisige Winternacht einen um so unwiderstehlicheren Zauber auf Alle au», welche mit der Natur auf vertrautem Fuße stehen und ihre geheimnißvolle Sprache zu deuten wissen. Denn zu keiner Jahres zeit glitzern und funkeln die himmlischen Leuchten in reinerem Glanze, al» im eisigsten Winter, und während der Forscher auf hoher Warte mit bewaffnetem Auge den Lauf der Gestirne mißt und Hypothese an Hypothese über deren Was? Woher? Wozu? Wohin? reiht, vertieft sich des sinnenden Volkes Blick liebend und theilnehmend in jene lichtvollen Welten droben und sucht deren Beziehungen zum Erdenball und dessen winzigen Bewohnern zu ergründen. So herrscht, ganz abgesehen von den wissenschaft lichen Forschungen, in der That seit grauer Vorzeit ein lebhafter Zusammenhang zwischen dem leuchtenden Sternenzelte und der Menschenwelt, eine Ahnung gewissermaßen der Thatsache, daß der Mensch, himmelentstammt, auch droben seine wahre Heimath, da» Ziel seiner Pilgerfahrt, suchen soll. Mannigfach sind die Sagen, di^ sich an die Sternenwelt knüpfen. Selbst die im Raume plan- und ruhelo» dahinsausenden Meteore, die Stern schnuppen, haben Antheil an ihnen. Denn dem Volksglauben sind die im Juli erscheinenden nichts als die leuchtenden Thränen de» frommen Laurentiu», der am 10. August 258 den qualvollen Märtyrertod erlitt, indem er bei lebendigem Leibe auf glühendem Roste gebraten wurde. Am meisten von der Sage verklärt erscheint indessen die Milchstraße, jener aus vielen Millionen leuchtender Welten bestehende Gürtel, in dessen Mitte vielleicht daS Centrum des Weltalls überhaupt, die Centralsonne, um die alle übrigen Sonnensysteme kreisen, zu sucken ist. Bei den Alten herrschte die Ansicht vor, die Milchstraße sei der lichte Pfad, auf dem Götter und Halbgötter (Heroen) ebenso wie die dem Körper entschwebenden Seelen dem Himmel zueilen. Aehnlich die Inder, die sie Surawithi (Weg der Götter) oder Siddhimarga (Weg der Frommen) nennen. Der römische Dichter Ovid bezeichnet sie als den Weg, auf dem die Götter zur Burg des obersten Gottes Jupiter gelangen. Nach PorvhysiuS (gestorben 304 n. Cbr.) und Macro - biuS (gestorben 430 n. Chr.) bedienen sich die Seelen der Milch straße als des PfadeS, um sowohl in die irdischen Leiber zu ge langen, als auch, um auS denselben wieder in die himmlische Heimath zurückzukehren. Aehnlich Pythagoras, der große Denker des griechischen Alterthums (gestorben 500 v. Chr.), der die Milchstraße ein „Volk von Träumen" nennt. Er meint näm lich, beim Eingehen in den irdischen Leib verliere die Seele das himmlische Bewußtsein, um nun gewissermaßen ein Schlaf- und Traumleben zu führen. Diese Träume aber seien in der Milch straße sichtbar verkörpert. Bei unseren altnordischen Vor fahren finden wir die ähnliche Vorstellung: sie nannten die Milchstraße u. A. Helweg, d. h. Weg zur Hel (d. h. Todesgöttin). Die Angelsachsen machten aus ihr im Besonderen die EarmingSstraße, d. h. die Straße der armen, aus dem Körper geschiedenen Seelen, während die Lithauer sie „Weg der Vögel" nannten; unter dem Bilde von Vögeln dachten sie sich — eine sehr anschauliche Vorstellung — gleichfalls die dem Leibe ent schwebenden Seelen der Verstorbenen. Am nördlichen Ende der Milchstraße befand sich nach ihrer Meinung die lichte Wohnung der Seligen. Auch die Finnen nennen sie „Weg der Vögel". Türken, Perser, Araber u. A. vergleichen die Heimkehr der geschiedenen Seele zum Throne Allah» mit einer Wallfahrt (nach Mekka), und wie jeder Mekkapilger ein „Hadschi" heißt, so nennen sie die Milchstraße „Weg der Pilger", d. h. nach dem ewigen, himmlischen Mekka. Nach Wolf. Menzel'S For schungen ist auch der Volksglaube, daß die Seelen vom Himmel auf der Milchstraße in die irdischen Leiber gelangen, uralt und stammt auS Asien. Die Brahm anen lehren nämlich, alle Menschen seien ursprünglich selige Geister im Himmel ge wesen, welche aber von Gott abfielen und zur Strafe für ihren Abfall als menschliche Seelen in irdischen Leibern Wohnung nehmen müssen, um, wenn sie rein und tugendhaft lebten, der einst wieder in ihre himmlische Heimath zurückzukehren. Ihr Pfad von oben nach unten und umgekehrt aber ist die Milch straße. Im 13. Jahrhundert taucht die Bezeichnung St. Jakobs straße auf. Dieser Name ist die Benennung für die Straße nach dem Hauptwallfahrtsort Spanien», dem Grab« deS heiligen Jakobus oder San Jago de Compostella. DaS Grab liegt im Westen Spaniens. Da nun nach alter Annahme die Milchstraße sich von Osten nach Westen bewegt, so fand man leicht eine Ähnlichkeit der irdischen Wollfahrt-straße nach S. Jago de Compostella und der Pilger dahin mit der himmlischen Straße und nahm an, der Glanz der Milchstraße sei nichts als der Widerschein der zahllosen weißen Stäbe der auf ihr wandernden seligen Pilger. Das sind aber eben die Seelen, die dem himmli schen Wallfahrtsort zustreben, um dort für ewig Ruhe und Er quickung zu finden. Selbst bei den Wilden Amerikas, den Irokesen, findet sich die Vorstellung, die Milchstraße sei der „Weg der Seelen", und als „Pfad der Geister" oder „Weg der Asche" (d. h. deS zu Asche verbrannten Leibes) bezeichnen sie die I n d i a n e r am oberen Missouri. In Deutschland hieß die Milchstraße vielfach auch Wodansweg oder Karls weg. Einige Forscher nehmen an, Karl sei eine Bezeichnung des höchsten Gottes Wodan, wobei wir an den mächtigen und so segensreich wirkenden großen Kaiser gleichen Namens zu denken haben. Das Sternbild des Bären erhielt nach dem Gotte die bekannte Bezeichnung „Himmelswagen" als Gespann desselben, und den kleinsten dieser sieben Sterne nannte man „Fuhrmann" oder „Knechtchen". Er war nämlich Knecht bei dem lieben Gotte gewesen, hieß mit seinem wirklichen Namen Hans Dünke und hatte es sehr gut. Aber er versah seinen leichten Dienst sehr liederlich, weshalb er nun zur Strafe auf der Deichsel des Himmelswagen» sitzen muß. Eine andere Sage be richtet, er habe es vorgezogen, lieber ewig herumzufahren als den Himmel zu ererben. Hier berührt sich diese Sage offenbar mit der vom wilden Jäger, der lieber ewig jagen, als den Himmel erben wollte, und nun ruhelos mit seiner gespenstigen Jagd in finsteren SturmeSnächsten daS All durchquert. Dieser wilde Jäger aber ist Wodan, der Todtengott, und sein Gefolge sind die abgeschiedenen Seelen — eine Sage bekanntlich, die das Christen- thum sich insofern dienstbar machte, als es in der wilden, ruhelosen Jagd «ine Strafe für SonntagSentheiligung sehen lehrte. Der bekannte Volks- und Reiseprediger Berthold von Regensburg, gestorben 1272, unterschied zwei Himmels wagen, einen großen und einen kleinen. Die Räder deS großen bedeuten ihm die vier christlichen Cardinaltugenden; auf dem kleinen aber, dem nördlichsten aller Sternbilder, fahren die Kinderseelen zum Himmel empor. In der Schweiz nennt man den großen Bären „HSrewagen". Er bewegt sich des Nachts mit lautem Geräusch, und sein Tief- oder Hochstand hat großen Einfluß auf Theuerung und wohlfeile Zeit. Eine anderweite Bezeichnung der Milchstraße im deutschen Alterthume bringt dieselbe mit dem KriegSgotte Irmin (vgl. Jrminsül — Jrmensäule, ein dem Kriegigotte geweihter heiliger Baum) in Verbindung, wobei der Gott zugleich als Beherrscher der im Kampfe aus dem Körper entfliehenden Seelen und der Tobten überhaupt, die sich unter seiner Obhut befinden, erscheint. Vielfach ist noch die Vorstellung verbreitet, die Milchstraße vermittle die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits, und in Schwaben meint man, die Boten Gottes stiegen auf ihr herab und hinauf, wie einst Jakob im Traume die Himmels leiter sah. Auch Wetterkundige richten ihr Augenmerk auf die Milchstraße. Daher heißt sie in der Mark „Wiärstrate", d. h. Wetterstraßc. Wenn sie nämlich recht hell leuchtet, so soll schönes Wetter bleiben, und eine Bauernregel lautet: Sind im De cember die Nächte hell und klar, und besonders die Milchstraße licht schimmernd, so steht ein fruchtbares Jahr in Aussicht. Das trifft insofern zu, als tlare, Helle Winternächste Frost zur Folge zu haben pflegen, und wenn Schnee und Kälte während der wirklichen Wintermonate sich einstcllen, so ist in der Regel kein sogenanntrr „Nachwinter" mit seinen vcrhängnißvollen Folgen für die Fruchtbarkeit zu befürchten. Eine ticfergreifende Legende erzählt, die Milchstraße sei durch die Thränen entstanden, welche die Sterne aus Mitleid beim Tode des Erlösers weinten — also jene ewigen Welten droben beredte Zeugen des ewigen Erbarmens und der ewigen Liebe. Zum Schlüsse mögen noch einige Bezeichnungen der Milch straße folgen, die leicht auf die Vorstellungen des Volkes über dieses wunderbare Sterngebilde schließen lassen. Altwendisch hieß dieselbe der „Winterweg", d. h. also eine mit leuchtendem, frischgefallencm Schnee bestreute Straße, ganz den Anschauungen eines Volkes entsprechend, bei dem der Begriff des Winters eine Hauptrolle spielt. Dem Weißen Silberglanze trägt man in Wales, dem Lande der Kaufleute, Rechnung, wo man sic kurz „Silberstraße" nennt. InKärnten, wo der Katholicis- mus alles Denken und Fühlen des Volkes beherrscht, heißt die Milchstraß: bezeichnender Weise „Weg nach Rom", um zugleich anzudeuten, daß sie zum Ziele das höchste Glück bat. Ganz historisch ist die Bezeichnung der Ungarn. Dieselben wander ten (als Hunnen) vom Osten in Europa ein und zogen also nach Westen. Sie folgten daher auf ihrem EroberungSzuge gewisser maßen der führenden Spur der leuchtenden Straße droben und nennen sie daher „Kriegsheerstraße". Aebnlicher Herkunft ist die noch in Thüringen, Westfalen u. A. gebräuchliche Be nennung als „Jringsstraße". Jring war bekanntlick gleichfalls ein grimmiger Kriegsheld, Markgraf von Dänemark und Etzel's (d. h. Atilla's) des Hunnenkönigs, Vasall, der von Hagen er schlagen wurde (vgl. das Nibelungenlied). Ganz eigenartig sind einige volksthümliche orientalische Bezeichnungen. Der Goldglanz der Milchstraße legt den dortigen Einwohnern einen Vergleich nahe, der mit ihrer ländlichen Beschäftigung, besonders ihrer Vorliebe für die Pferdezucht, die ja gerade bei ihnen in
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