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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.03.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000302019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900030201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900030201
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Gröbere Schriften laut Miseren, Preis- verzetchniß. Tabellarischer und Zissernsap nach höherem Laris. drxtra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesürderung ^l 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzei-eu sind stet» an die Expeditian zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. lll. Freitag den 2. März 1900. 9t. Jahrgang. Der ehemalige Kriegsminifter verdy du veruors zur Flottennovelle. 6. L. Unter den zahlreichen Schriften, welche für eine Ver stärkung der Marine eingetreten sind, verdienen diejenigen ein besonderes Interesse, welche die Bedeutung der Flotte im Verein mit dem Heere behandeln. Dieser Aufgabe haben sich bekannt lich Generalleutnant z. D. v. I a n s o n in seinem Buche „Das strategische und taktische Zusammenwirken von Heer und Flotte", sowie der Generalleutnant Frhr. v. d. Goltz in seinem Auf satz „Seemacht und Landkrieg" unterzogen. Diesen Schrift stellern gesellt sich jetzt als dritter der General der Infanterie v. Verdy Lu Vernois zu, welcher in gleichem Maße, wie die beiden erstgenannten Herren, einen großen Ruf in militärischen Kreisen genießt und als langjähriger Mitarbeiter des Feld- marschallS Grafen Moltke und früherer Kricgsministcr besonders in der Lage ist, die einschlägigen politischen und militärischen Verhältnisse mit klarem Blick zu beurtheilen. General von Verdy's Schrift „Heer und Flotte" wird im Märzhrft der „Preußischen Jahrbücher" erscheinen und geht von dem Grundgedanken aus, daß diejenige Nation, lvelche Weltpolitit treiben will, hierzu auch die Kraft haben muß. Der Verfasser erläutert dies mit folgenden Worten: „Die Organisation der Streitmittel in Preußen und im deutschen Reiche hat sich bisher vorzugsweise mit der Entwicke lung des Heeres beschäftigt; der jüngere Genosse unserer Wehr kraft, die Flotte, fand erst seit etwa 50 Jahren Berücksichtigung. Dabei ist die Marine bis heute jedoch nur auf einen Standpunkt gelangt, der hinsichtlich der Aufgaben, welche in der Jetztzeit an uns herantreten können, als ein völlig unzulänglicher bezeichnet werden muß und der dringend umfassende Maßregeln er fordert, wollen wir überhaupt die Stellung im Völker-Concert, die uns gebührt, auch für die Zukunft unter allen Verhältnissen bewahren. In der Fürsorge für die Entwickelung der Armee darf aller dings keine Lücke entstehen: der Standpunkt, welchen diese den Streitkräften anderer Großmächte gegenüber erlangt hat, muß gewahrt bleiben. Aber neue Anforderungen treten hervor, die ebenfalls volle Berücksichtigung verlangen. Wir sind bis vor Kurzem eine rein kontinentale Macht gewesen, und dadurch waren für uns die Kriege mit den benachbarten Großmächten solche, welche unsere Lebensbedingungen am tiefsten berührten; der sieg reiche Vorstoß einer derselben traf uns ins Herz. In dieser Be ziehung hat sich nichts geändert, und eben deshalb muß dem Landheer dieselbe Aufmerksamkeit, wie bisher, gewidmet bleiben, und den Ansprüchen, welche im Wechsel der Zeiten für seine weitere Entwickelung hervortreten, muß genügt werden. Aber wir dürfen und können den anderweitigen Aufgaben, welche an uns herangetreten sind, uns nicht entziehen; sie bedingen eine Erweiterung des bisherigen Gesichtskreises, denn sie haben uns, außer unseren Kämpfen mit Nachbarstaaten auf dem euro päischen Continent, die Möglichkeit einer Kriegführung auf dem Weltmeere, wie in fremden Erdtheilen, um ein Bedeutendes näher gerückt. Schon aus letzterwähntem Grunde läßt sich die Nothwendigkeit einer starken Seemacht für uns auf das Ein dringlichste ableiten." Der Verfasser stellt alsdann fest, daß bei der großartigen Entwickelung unseres Handels und der Schaffung von Colonien Deutschland aus dem Verhältniß einer scharf abgegrenzten Continentalmacht heraustritt und mithin auch deutsches Gebiet in fremden Erdtheilen zu sichern hat. Er geht dann auf den eigentlichen Kern der Abhandlung über, inwiefern eine Vermeh rung der Flotte für die dem Heere zufallenden Aufgaben von Werth sei. In richtiger Erkennung der Thatsachen charakterisirt General v. Verdy unsere Lage in einem Kampfe gegen Mächte, welche wir nur auf dem Seewege zu erreichen vermögen, wie folgt: „Die Armee kann in die Lage kommen, nicht nur Detache ments, sondern auch Corps und größere Massen auf dem See wege nach dem Kriegsschauplätze zu entsenden. Dies aber kann nur geschehen, wenn unsere Flotte stark genug ist, uns das Meer frei zu halten. Wer die Möglichkeit eines Zusammenstoßes mit großen Mächten, die nur auf dem Seewege zu erreichen sind, zugiebt, muß daS Bedürfniß einer Flotte anerkennen, die außer den für locale Zwecke erforderlichen Schiffen stark genug ist, um es mit den maritimen Kräften der in Betracht kommenden Mächte auf zunehmen." England wird in Folge unserer Ohnmacht zur See logischer Weise bei diesen Betrachtungen gänzlich fortgelassen, und nun mehr zu Kriegslagen mit Staaten übergegangen, deren Gebiete an die unsrigen grenzen und wobei die Möglichkeit eines Zu sammenwirkens von Heer und Flotte vorliegt. Vor Allem ist es der dänische Krieg 1864 und der französische Krieg 1870/71, welche der Verfasser zum Gegenstand seiner Studie gemacht hat. Die Worte Moltke's: „So lang« unsere Marine nicht eine Landung auf Seeland ermöglicht, um den Frieden in Kopenhagen selbst zu dic- tiren, bleibt nur die Okkupation der Jütischen Halbinsel, welche, um al- ein Zwangmittel zu wirken, eine länger dauernde sein muß, dann aber die diplomatische Intervention und eventuell das tatsächliche Einschreiten dritter Mächte her- oorruft", zeigten den Mangel einer au-reichenden Flotte bereit- bei den Vorbereitungen zum Kriege. Im Kriege selbst aber machte sich diese Schwäche zur See in äußerst nachtheiliger Weise für unS bemerkbar. Operationen zu Lande konnten auf die Mitwirkung der Flotte nicht basirt werden. Alles scheiterte an der Unzulänglichkeit unserer maritimen Kräfte. Um eine Be setzung des gesammten Jütlande» zu vermeiden, sah sich die Arme« gezwungen, gegen die Düppelstellung vorzugehen. Diese Stellung wäre für die Dänen unhaltbar gewesen, wenn unsere Flotte das Meer beherrscht hätte. Da dies nicht der Fall war, mußten wir uns auf die langwierige und schwierige Be lagerung der dortigen Befestigungen einlassrn. Ebensowenig wie bei der Eroberung der Düppelstellung vermochte sich die Flotte bei der Wegnahme der Insel Llsen zu betheiligen. Sehr be- merken-werth ist, was der Verfasser über das Bündniß mit Oesterreich betreffs der maritimen Machtentwickelung denkt. Er äußert sich hierüber folgendermaßen: „Das späte Eintreffen der österreichischen Schifft und die -»ringe Stärke, mit der si» anfangs in di» Aktion zu t«t»n vermochten, ebenso wie der von einer dritten Macht auf unseren Bundesgenossen geübte exorbitante Druck weisen darauf hin, daß, so gewichtig auch die Hilfe eines starken Bundesgenossen sein kann, wir uns auch in den Kämpfen zur See, wie bei denen zu Lande, mit Sicherheit nur aufdieeigene Macht stützen können. Kein Hinweis auf voraussichtliche Bundesgenossenschaften enthebt uns der Ver pflichtung, mit allen Kräften danach zu streben, uns mit der Zeit eine Flotte zu bilden, die uns in den Stand setzt, anderen Großmächten dereinst ebenbürtig entgegen- z u t r e t e n. " In dem französischen Kriege werden die unzureichende Vor bereitung, Unklarheiten in den Absichten, Wechsel und Wider sprüche in den Befehlen als Ursache für den Mißerfolg der fran zösischen Flotte hingestellt. In Folge unserer eigenen unzu reichenden Streitkräfte zur See waren wir gezwungen, zu An fang des Krieges 70 000 Mann in den Küstendistricten gegen eine eventuelle Landung des Feindes bezw. gegen Demonstrationen Dänemarks festzuhalten. Hieraus zieht der Verfasser die Lehre, daß, wenn die Stärke der eigenen maritimen Kräfte nicht auS- reicht, um durch sie eine völlige Sicherung der Häfen und Küsten erwarten zu können, die Kräfte der Armee in einem recht be trächtlichen Umfange in Anspruch genommen werden können. Diese Zersplitterung der Kräfte kann aber unter Umständen von verhängnißvoller Wirkung sein. Ganz anders jedoch liegen die Verhältnisse, wenn eine starke Flotte eine Unterstützung für die Operationen der Armee zu bieten vermag, die von gewichtigem Einfluß sein kann. Die Armee wird dadurch ihren Operations kreis erweitern und in Folge dessen schneller die Beendigung des Krieges herbeiführen. „Deshalb", so schließt der Verfasser, müssen Armee und Flotte stets in Achtung ge bietender Stärke erhalten bleiben, sollen sie ihre Aufgabe ganz erfüllen. In Bezug auf die Flotte gilt es bei uns, Zurückgebliebenes nachzuholen, unddies muß soschnell als mög lich und in völlig ausreichender Weise ge schehen." Der Krieg in Südafrika. —p. Auf allen Theilen de- ausgedehnten Kriegsschau platzes wird eS jetzt lebendig und überall zeigt sich eine energische Offensive der Engländer. Namentlich bei Ladysmith. Nur noch wenige englische Meilen davon entfernt steht die Hauptmacht Buller'- und General Dundonald ist eS bereit gelungen, an der jSpitze einer kühnen Reitersckaar nach Ladysmith zu gelangen. Wir erhalten hierüber noch folgende Nachrichten: * Landon. I.März. (Telegramm.) DieDepesche des Venera!» Buller lautet ausführlicher: „Veneral Dundonald ist mit den Natal-Carabinier» und einem combinirtcn Regimente vergangene Nacht in Ladysmith et «geruckt. Das Gelände zwischen mir und Ladysmith soll vom Feinde gesäubert sein. Ich rücke ans Nelthorpe vor." k. Loudon, 1.März. (Privattelegramm.) Lady smith ist noch nicht thatsächlich entsetzt, nur Lord Dundonald gelang es gestern Abend, mit einem Reiter regiment nach Ladysmith eiuzudringen, Loudon bejubelt indessen den Entsatz als vollzogen, wie tkronje's Uebcrgabe. * London, l. März. (Telegramm.) ,,Reuter'- Bnreau" berichtet ans dem Hauptlager der Boeren bei Ladysmith unter dem 24. Februar: 28 Gefangene, hauptsächlich JnniS- killing-Füsiliere, ein Secondelrutnant inbegriffen, kamen hier auf dem Wege nach Pretoria an. — Die Krankheit deS Generals Elery zwingt ihn, sein Zelt nicht zu verlassen. General Lytt- leton übernahm das Commando seiner Division. — Das Hauptquartier deS Generals Bnller liegt in der verlassenen Ortschaft Colenso. — Die JnniSkilling-Füsiliere verloren siebzig Mann und neun Officiere. Die Verbündeten hatten 40 Ver wundete. Die Boeren sind guten MutheS. Es scheint sich bei Ladysmith dasselbe abzuspielen, wie bei Kimberley, daS ebenfalls zuerst von French'S Reiterregiment erreicht wurde, während Robert- mit dem GroS seiner Truppen zurückblieb. Wo Dundonald den Weg nach Lady smith offen gefunden bat, wird nicht gesagt. Wohl nicht von Süden her, wo die VertheidigungSfront der Boeren noch fest geschlossen scheint. Wahrscheinlich hat Dundonald dieselbe westlich oder östlich umgangen und ist dort auf kein Hinder niß gestoßen, da Joubert zu schwach ist. Alle- zu decken. Ob Buller sich nun noch zu einem Sturm auf den Jsimbulwana- berg bereit finden läßt, läßt sich bezweifeln. Vielleicht folgt er der Spur Dundonald'» mit demselben Glück. EoleSberg im Norden der Capcolonie ist von den Boeren geräumt und von den Engländern besetzt. Man meldet unS: * London, 1. März. (Telegramm.) Die Depesche des FeldmarschallS Robert- vom Paardrberg vom 28. Februar btsagt: „Auf di« Nachricht, daß die Boeren Lole-brrg ge räumt hoben, sandle General Clement» Truppen zur Be setzung von Tole-berg Junction und ritt nach EoleSberg hinein, wo er begeistert begrüßt wurde. Er erbeutete dort Munition, verhaftete mehrer« Rebell«« und kehrte daun nach Ren-barg zurück." k'. London, 1. März. (Privattelegramm.) Die Frei- staat-Eommando- um EoleSberg gehen hinter den Orangefluß zurück, offenbar gegen Bloemfontein, nur schwache EorpS und Aufständische zurücklassend. An» de« Osten der Capcolonie, wo Gatacre bisher brkanntlich strt» im Hintertreffen war, wird berichtet: * StrrkSspruit, 28. Februar. (Telegramm.) Die vo»r»«t in Sadygriy räumen »in, deß General Brabant für die Gefangennahme Cronje'S und seiner 4000 Braven ans „über 600 Tode und Verwundete" bezifferte, lieber 600 Mann hatte dieser Cronjetag und die Rache sür Majuba heute schon gekostet — wenn man die Verluste seit dem Auszug: von Graspan und den Uebergana French'S über den Rietzähite, erreichten sie mindestens daS Dreifache, wahrscheinlich noch eine weit höhere Zahl. Man hatte darauf gerechnet, daß Lord Robert» daS Gesammtheer Cronje'S stellen und zur Uebergabe zwingen, oder mindesten» in einer großen Schlacht aufreiben und danach in schnellem Siegeszuge den Freistaat reinfegen und erst vor Pretoria Halt machen werde und nun war der Preis eiueS vierzehntägigen Ringen- der zehnfachen britischen Uebermacht gegen diese Hand voll Tapferer nur die Gefangennahme von kaum der Ge- sammtstärke des Feiude» und die erbeuteten fünf Kanonen machten nicht einmal den Gcschützverlust deS 15. December bei Colenso wett. Bon einem Ueberlaufen des Freistaates war keine Rede mehr und diese Freistaatler, welche man immer als kriegSmüde und frieden-süchtig hingestellt, ver- theidigten plötzlich mit der finsteren Entschlossenheit von Männern, die mit ihrem Leben Weib und Herb zu schützen entschlossen, selbst diese ertraglosen, kaum bewohnten westlichen Ebenen ihres Vaterlandes, hinter denen das friedliche Oertchen Bloemfontein außer dem Namen „Hauptstadt de» Oranjefreistaate-" selbst dem Sieger Weber irgend welchen politischen, noch strategischen Gewinn von seiner Einnahme versprach. Man hatte um so mehr darauf gerechnet, daß Bloemfontein und die Straßen dahin gar nicht vertheivigt werden würden, al» man wußte, daß die Archive und Werthsachen de» Freistaates längst nach Pretoria in Sicherheit gebracht worden, und daß selbst da- RegierungScentrum, soweit die Bezeichnung dort zutrifft, bereits für eine schnelle Verlegung vorbereitet war. Und nun kam die Meldung, baß die Foderirten sich bereits zum Schutze Bloemfonteins concentrirtea, und daß in Stellungen, welche wahrscheinlich gerade so schwer zu nebmen sein würden, wie die von MagerSsontein, beim ersten Angriffe Methuen'S. Selbst im besten Falle, d. h. wenn es dem Bezwinger Cronje'S gelänge, den Feind aus seinen Verschanzungen heraus zu mauövriren, würde weiter« kost bare Zeit verloren und da» Ende dieses Krieges war immer weniger abzusehen. Wo waren die übrigen Ver- theidiger der Modder und der Sphtfouteiaberge, wo die Belagerer Kimberley'S geblieben? Ent weder Methuen'S Heer war von diesen wenigen Tausend Helden geschlagen, oder die anderen standen noch im Felde, und dann, — wie lange sollte dieser Kampf währen, wenn soviel Zeit, Blut und Mannschaften nothig gewesen, um diesen ersten Erfolg zu erringen!? Oder waren alle diese Ziffern von 5 000 Boeren an der Modder, 30 000 Föderirlen am Tugela und je 10 000, ja 25 000 Freistaatlern und Aufständischen unten in den Stormberzen und vor Colenso nur Legenden, nur Gespenster, herausbeschworen von der eigenen englischen Presse, um die britischen Niederlagen zu bemänteln. Wenn Legende, dann hatte man einen Gegner vor sich, der, im eigenen Lande Haus und Herd vertberdigend, erst furchtbar und fast unüberwindlich werden mußte, — entsprachen jene Zahlen der Wahrheit, dann braucht man 100 OOo Manu mehr, um dieses Gegners Herr zu werden. DaS war der Gedankengang Dilke'S, und ich begegnete ihm überall. Ein Trost in alle dem: Cronje und Albrecht, der „geriebenste" der alten Majubaboeren (denn Cronje hat nicht nur Jameson, den «Tölpel", wie man ihn in jenen erlesensten Kreisen seit seiner Gefangennahme nennt, abgefangen, sondern auch schon Majuba mit gestürmt) und der deutsche Oberst der Boerenartillerie allein waren eia Preis, der des Blutes der Edelsten Werth war. Ja, man batte einen Erfolg, den ersten, wirklichen, fast glänzenden Erfolg errungen, und hatte sich daran al» schwache Sterbliche einige kurze Stunden lang gefreut — jetzt war e» Zeit, an die Gesammtlage zu denken. War nicht Cronje'» Capitulation gar unr ein Intermezzo — fast eine Art Mißverständniß in diesem Kriege? Wenn diese Uebergabe von so elementarer Bedeutung, wenn sie den Föberirten so wichtig, so entscheidend erschienen, weshalb sandten sie dann nicht lieber sofort beim Borrücken Robert» alle ihre Leute von Stormberg und Coles- berg an die Modder? Zeit dazu hatten sie — und, wenn nöthig, konnten sie nicht auch Ladysmith opfern und von dort gen Paardrberg ziehen, wohl wissend, daß Buller ihnen nicht würde folgen können? Je mehr man dieser ganzen Lage aus den Grund ging, sie nüchtern und sachlich viocutirte, desto weniger erfreulich erschien sie. Haue jener Unkenruf de» Uitlander-Countö- au» Cavstadt wirklich Recht, daß der eigentliche Krieg erst nach Cronje'S und Lady smith» Capirulatioa beginne? Die Stimm«»» in London X. 0. London, 28. Februar. Der ersten Aufregung ist rasch die Rübe gefolgt, jene specisisch englische Ruhe, welche, ein Muster des Gleichmuths, das fast daS äußere Gepräge der Gleichgiltigkeit trägt. Während bis spät Nachmittags sich Hunderttausende in den Straßen Loudons freudig erregt gedrängt hatten unter einem ununterbrochen nieder strömenden Regen, welcher sonst Alles schnell in die Häuser treibt, waren Abends, selbst die soisst belebtesten Verkehrs adern der britischen Metropole menschenleer, ja geradezu ver ödet, obwohl der Himmel sich geklärt und eine milde Früh lingsluft vergessen ließ, daß dieser Cronjetag auf den vor letzten deS Februar gefallen. ES war ganz, wie an einem Sonntage, oder nach jenen großen Festtagen, an denen der Engländer sich an seinen Herd und in den Schooß seiner Familie zurückzuziehen liebt und die heimische Ruhe dem Treiben der Straße vorzieht. Selbst die Wirthsbäuser schienen nur von Denen gefüllt, denen selbst ein Sieg nur ein will kommener Vorwand zu desto kräftigeren Libationen und sür die da- schöne Wort siegestrunken eine ganz specisische Be deutung bat. Nur die Theater und jene theaterähnlichen riesigen „Music HallS", welche ein liberales englische- Blatt kürzlich nicht mit Unrecht „PatriotiSmuS-Tingel-Tangel" nannte, waren zum Brechen voll. Aber die Haltung der Gesammtheit der Bevölkerung war nüchtern, ruhig, ja vornehm und konnte sür manche al» Muster dafür gelten, wie ein gesunder Mensch, dessen Nerven nicht da» Gleichgewicht verloren, Freude wie Leid tragen soll. Die Gründe dieser männlichen Ruhe zu erörtern, ist hier nicht am Platze — sie wurzeln zum größten Tbeil nicht in ethischen, sondern in materiellen Ursachen. Dafür im Vorübergehen nur ein kleine-, aber lichtvolle» Beispiel: Die Abend-Au-gabe deS„MorninzLeader", der „Star", konnte eS sich nicht versagen, in seinem Wunsche den großen Sieg noch ein wenig zu vergrößern, indem er auf seinen Affichen mit Cronje zu gleich 14 Kanonen eroberte. Wie er die erhielt? Einfach, indem er den officiell gemeldeten Neunpfünder in neun Pfünderkanonen umarbeitete. ES ist da» derselbe Geist der Naivetät, der sich säst versöhnend über einen so großen Tbeil der bisherigen englischen KriegSberichterstattunz, wie ein ihr» ernsteren Schwächen verhüllender Mantel legte. Besonders ruhig, hier und da sogar sorgenvoll ernst, war die Stimmung in den vornehmen und besonder» der Heer- und Marineclub», in denen e» noch am Vormittage so lebhaft zugeaangen war. Besonders die älteren Militärs sahen die Lage nicht ohne Besorgniß an. Da ward Dir Charles Dilke» Interview bekannt und sofort fast der ausschließliche Gegenstand aller Gespräche. Dilke hatte erklärt, er sähe die Lage al« schlecht, ja düster an und seine Auffassung legte sich wie ein giftiger Nachtarbel auf die schon so ernüchterten Gemütder. Und al» wäre da» nicht genug, erschien in dieser späten I Nachtstunde noch wir rin blutige» Gespenst eine neu« furcht-1 bart biredt» Verlustliste, welchr „provisorisch" den Preis I JamrStown wiedergenommen habe. Die Boeren hatten 50 Tobte und 153 Verwundete; 300 werden vermißt. (?) Biele Rebellen kehren zu ihren Heimstätten zurück. Diese Zahlen sind höchstwahrscheinlich bedeutend über trieben. Nach Koodoosrand nimmt „Reuter'S Bureau", welche- die Meldung verbreitet, den Mund wieder übervoll. Mnseking ist auffallender Weise von Roberts noch nicht entsetzt, obwohl man doch annehmen muß, daß jetzt der Weg dorthin frei ist. Man meldet unS: * London, 1. März. (Telegramm.) Die Abendblätter veröffentlichen eine Depesche au- Lapsiadt, die lautet: „Die Boeren machten am Sonnabend einen heftigen Angriff auf Mafeking, sie wurden aber aus allen Punkten zurück geschlagen. Ein weiterer Angriff wurde am Sonntag ebenfalls zurückgeschlage», wobei die Boeren 40 Todte und Verwundete hatten. Die Briten hatten zwei Todte und drei Verwundete." Es ist merkwürdig, daß die Boeren sich immer noch mit dem nun fünf Monate belagerten strategisch werrhlosen Platze abmühen. Oder sollten sie noch keine Kunde von dem er- -alten haben, was inzwischen geschehen ist? ES kann sich doch nur noch um eine Loneeutrirung »er voere« im Oranjesreistaat handeln, und dabin lauten auch ver- chiedene Nachrichten. Wo die neue Armee aber zusammeo- lezogen wird, ist noch völlig unbekannt. Einmal heiß: e-, in Südwesten von Paardeberg stünde eine starke Streit macht der Boeren — das könnte östlich nabe der Bahnlinie Yei Belmont und GraSpan sein und den Zweck verfolgen, Robert'- Rückzua-linie zu bedrohen — dann wieder beißt eS, Joubert ziehe das GroS seiner Streitmacht, ungefähr 50000 (?) Mann, bei Wynburz, östlich von Bloem- ontein zusammen und scheine die Hauptstadt deS Oranje- reistaateS preisgeben zu wollen. Nach einer „TimeS"-Mel- dung soll die siegreiche britische Armee bereit- dicht bei Bloemfontein stehen. So ist Alle- noch im Fluß und man muß noch einige Tage Geduld haben, bi» man Genauere» erfährt Die englischen Verluste am Modderflusse sind viel bedeutender gewesen, al- Robert«' erste Meldungen zuaaben. Man schreibt uns aus Loudon hierüber unterm 28. Februar: Zwei neue, drei Spalten lange Verlustlisten bringen bereits die noch gestern Abend von 645 auf 717 gestiegenen Ziffern auf weit über Tausend für die am 18. Februar gefallenen Eng länder allein, so daß die Gejammtverluste, welche zur Gesangen nahme Eronje's führte», weit die bisherigen selbst pessimistischen Berechnungen übertreffen müssen. Die Äejammtzadl der Boereu- Gesangenen wird setzt die der in Pretoria befindlichen Engländer nm einige Hundert übersteigen. Ueber die Verluste der Föderirtrn in den Kämpfen der letzten zehn Tage ist noch nichts bekannt. Ueber den Guertllakrteg der V»erev stellt der bekannte russische Gtaat-rath Johann v. Bluoch, dec Verfasser 'des Buche- vom Kriege, in der „Nr. Fr. Pr." folgend.- sehr interessant« Betrachtungen an: Die Capitulation Cronje'- bedeutet einen Wendepunkt in der Taktik der Boeren, aber schwerlich zum Dortheile der Engländer. Es ist nichl anzunehmen, daß die Boeren, da eS sich um ihre Existenz handelt, bereit- bis zum Verzicht auf den Kampf ent muthigt find. Daarm kann logischer Weif« die Folge der Capitulation nur sein, daß da- jetzig- Festhalten der Boerentruppen in rrnrm begrenzten Raume, welcher ein« Umzingelung gestattet, aufge- geben wird und daß die Boeren thun werden, wa- sie schon langst hätten thun sollen, nämlich daß sie sich in» Innere zurück zie^n. Zu Beginn de» Kriege» bot sich den Boeren die Mög lichtest, sich der Uebermacht de» englischen Reiche- zu erwehren. Tsse Boeren konnten den Feldzug mit circa 80 000 Mann gegen 12000 Mann englischer Truppen beginnen und diese schlagen oder ins Lapland einfallrn und dir Häfen besetzen, um eine Landung der englischen Truppen zu verhindern und einen Auf stand hervorzurufen. Da die- nicht geschehen ist und England jetzt mehr als 150000 Mann in Südafrika zur Verfügung hat, so blieb den Boeren nicht» Andere- übrig, -al- 'die englischen Truppen in« Inner» zu lassen und »inen klonen Krirg zu führ»». L»r
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