Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010419024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-19
- Monat1901-04
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezug-,Preis I« der Hanptrxpedttto» oder de» k» Studt- deetrr und de» Vororte» errichtete» Au»> gabestelleu abgeholt: vierteljährlich ^l 4.V0, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS d.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. ^l 6. Ma» abmmirt ferner mit entsprechendem Po-auffchlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- dura, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de» Donaustaate», der Europäische» Türkei, Egypte». Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di» Expedition diese» Blattes möglich. Di« Morgen-klu-gabe erscheint um '/,7 Uhr,» die Abeud-AuSgabe Wochentags um k Uhr. Nrdaclion und Expedition: JohanniSgasse 8. Filialen: Alfred Bah» vorm. O. Klemm'» Sortim. UnIversitätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Aatharinevstr. 1^, -art. uud Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. MiWM TagMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen PretS die 6gespaltene Petttzctle 25 Rrclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteaanoahmr 25 H (excl. Porto). Grtra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabr, ohne Postbefürderung 60.—, mit Postbesörderuag .4l 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen »Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen stad stet» an die Expeditton zu richte». Die Expeditton ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» i» Leipzig. f<)8. Freitag den 19. April 1901. 95. Jahrgang. Vie Wirren in China. Die SntschädtgungSfrage. Mit Bezug auf die Kriegsentschädigung, welche die ver bündeten Machte von China verlangen werden, hat, wie schon telegraphisch kur» gemeldet, die Regierung der Bereinigten Staaten idrem Vertreter in Peking» Mr. Rockhill, den Auf trag gegeben, die folgenden Einzelheiten zur Grundlage seiner ferneren Verhandlungen mit den übrigen Gesandten zu machen : „Der amerikanische Vertreter soll unter allen Umständen, waS auch immer der weitere Verlauf der Indemnitätsfrage sei« wird, darauf halten, daß die von China verlangte Gc- sammtsumme den Betrag von 800 Millionen Mark nicht überschreite, da dies daS Aeußerste sein dürfte, waS China zu zahlen im Stande sein wird. Ferner soll diese Summe als ein Ganze- gefordert und in der Forderung keine Specificationen mit Bezug auf die Ansprüche der einzelnen Mächte gemacht werde». Die proportionelle Dertbeilung dieser Summe soll dann zwischen den verbündeten Mächten noch vereinbart werden, und zwar entweder durch rin Arrangement zwischen ihren Vertretern in Peking, oder, fall» sich die- al- undurchführbar erweist, durch einen Schiedsspruch der Haager internationalen Commission. Der Anspruch der Vereinigten Staaten selbst soll alle früheren, gegenwärtigen und vielleicht noch erstehenden Forderungen umfassen und der gegenseitigen Proportionellen und unparteiischen Abwägung unterworfen sein. Die Regie rung der Bereinigten Staaten betrachtet eS al» die erste und wichtigste Notbwendigkeit, daß die Verbündeten mit Bezug auf eine Totalsumme in der denkbar beschränktesten Höhe zu einer sofortigen Vereinbarung kommen und vor allen Dingen China- Zahlungsfähigkeit nicht aus den Augen verlieren, damit der chinesischen Regierung nicht etwa Bedingungen auf erlegt werden, welche nicht nur geeignet sein könnten, CbinaS Beziehungen zu den Großmächten später neuerdings schwierig zu gestalten, sondern auch die Beziehungen der Verbündeten untereinander bei der endgiltigen Verthcilung der Entschädigung vielleicht zu stören und zu erschüttern im Stande wären." * London, 19. April. (Telegramm.) Hiesige Blätter be richten aus Peking: Li-hn-tschang hat an den Kaiser und an den Gouverneur von Schansi Telegramme gerichtet, in denen sie ersucht werden, die chinesischen Truppen von der Grenze von Tschili zurückzuziehen. Der Krieg in Südafrika. Ehrungen englischer „Helden". Feldmarschall Lord Robert- kommt bereits jetzt, obwohl der südafrikanische Feldzug noch lange nicht zu Ende ist, mit einer ungeheuer langen Liste von Namen solcher Otficiere rum Vorschein, die er für ihre hervorragenden Verdienste im Felde von der Regierung geehrt sehen möchte. Die Londoner Morgenblätter geben die guten Zeugnisse, die der frühere Oberbefehlshaber in Südafrika anscheinend den meisten der ihm früher unterstellten Officiere vom Generalstabschef Lord Kitchener bis zum persönlichen Adjutanten des Feldmarschalls, Discount „Soundso", in mehr als liberaler Weise ausstellt, in allen Einzelheiten in langen Colonnen wieder, und eS ist charakteristisch für die ganze Auffassung der Engländer von diesem Feldzuge, daß man in diesen Listen so manchem alten Bekannten begegnet, der durch ein eickeneS Brett gelobt wird, während doch dir ganze Welt und sicherlich Lord Robert» auch von ihm weiß, daß in Wirklichkeit sein» militärischen Qualitäten in der ent gegengesetzten Richtung über all»n Zweifeln erhaben sind. Da erscheint der famose Sir Redvcrs Buller, der seit seiner Rückkehr nach England sich fast in jeder Woche in öffentlichen Reben schon selbst genügend lobt und immer aus» Neue den Lorbeer des gloriosen SirgerS auf daS stier nackige Haupt drückt, — da ist ferner der ebenso red selige General Vaden-Powell zu finden, welcher seit Mafeking zu nichts Anderem zu gebrauchen gewesen ist, als zum Polizeiofficier, und der daS einzige Mal, wo ihm wirk lich eine Brigade anvertraut wurde, schleunigst von den Boeren in Rustenburz wieder festgesetzt und mit knapper Noch von Kitchener gerettet wurde, — da sind ferner eine ganze Reibe von Generalen und Brigadiers, wie Methuen, Barton rc. deren mindestens zweifelhaften Erfolge in der Ehrenliste mit dem Mantel der Liebe decorirt und verschönert werden, und sie alle erhalten da- höchste Lob und den „tief gefühlten Dank" ihres früheren Oberseldherrn, der selbst so häufig Veranlassung nehmen mußte, in seinen Depeschen ihr Verhalten im Felde auf das Schärfste zu ver- urtbeilen. Jetzt aber in der etwas verfrühten per sönlichen FeldzugS-Bilanz des Lord Roberts macht eS sich natürlich besser, nur von Lob und Dank zu reden und der britischen Nation noch einmal gründlich vor Augen zu führen, welch' riesige Schaar von Helden sie mit Stolz ihr Eigen nennen kann. DaS Ganze ist natürlich mehr oder weniger nichts anderes als eine billige, aber gute Reclame für die englische Armee, welche gerade jetzt bei dem immer flauer werdenden Enthu siasmus deS Volkes für den südafrikanischen Krieg solche theatralische Kunststückchen und Renommistereien nicht gut entbehren kann. Dabei ist, wie Lord Roberts selbst sagt, diese Liste de- LobeS und der vorgeschla^enen Ehrung uoch lange nicht abgeschlossen und soll in Bälde noch eine recht beträchtliche Fortsetzung erfahren. König Eduard siebt sich somit in der Lage, seiner Lieb haberei für Ausstreuung von Decorationen rc. in weitest gehendem Maße zu fröbnen, und es beißt, daß er auch noch ganz besondere Ehrungen für die Truppen selbst, d. h. für die einzelnen Regimenter und Bataillone in petto bat, so daß also die glorreiche britische Armee für den mit 20facher Uebermacht immer noch weiter geführten Kampf gegen die Boeren ihr gerütteltes Maß von Belohnungen erhalten wird, mögen diese auch noch so unverdient sein. Recht auffallend ist übrigens noch die Tbatsacke, daß in der NoberiS'fchen Ebrenliste die Zahl der hochgeborenen Lord-, Discounts, Earls rc. ganz außerordentlich groß ist, wodurch er sich jedenfalls die ganz besondere Anerkennung der die sämmtlichen englischen HeereSverhältnisse io weit gehend beherrschenden aristokratischen „Unterröcke" er werben wird. * Kapstadt, 18. April. („Reuter'S Bureau".) Die Re- dacteure der Zeitungen „OnSIand" und „South African News" sind der Auswiegelunng und Beleidigung englischer Truppen für schuldig erklärt worden. Die Verkündung deS UrtheilS ist vertagt worden. Die Pest. * London, IS. April. (Telegramm.) „Standard" berichtet ans Kapstadt »ntcr dcm 18. April: Amtlich wird mitgetheilt, das; die Pest zunimmt. Man befürchtet, dutz noch eine beträchtliche Anzahl Erkrankungen ver heimlicht wird. Rach einer R chricht verschiedener Blätter ans Kapstadt ist die Pest anch in Port-Elizabeth aus- gebrochcn. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. April. Auch gestern hat der Reichstag trotz einer fünfeinhalb stündigen Sitzung die zweite Lesung des Urheberrechts gesetzes nicht sehr wesentlich gefördert; erledigt wurden nur die Paragraphen bis einschließlich 22. Und zwar mit dem Ergebniß, daß trotz der vielen vorliegenden Abänderungsanträge überall die Vorschläge der Commission zum Beschluß erhoben wurden. Eine kurze Unterhaltung wurde zunächst erforderlich über einen Antrag v. Strombeck zu dem von der „Ueber- tragung" deS Urheberrechts bandelnden ß l4. Der Antrag ver langte, daß zu den mangels ausdrücklicher Abmachung dem Urbeber verbleibenden Rechten auch dasjenige auf öffentliche Aufführung eines Werkes der Tonkunst gehören solle. Da die eigene Fraktion des Antragstellers denselben im Stiche ließ, wurde der Antrag mit großer Mehrheit verworfen. Eine Auseinandersetzung mit eigenthümlichem AnSgange fand beim § 16 statt, der den Abdruck von Gesetzbüchern, Gesetzen, Verordnungen, amtlichen Er lassen und Entscheidungen, sowie „von anderen amt lichen Schriften" für zulässig erklärt. Da dieser Begriff in der Commission keine volle Aufklärung gefunden hat, so war der Abg. Schrader so wißbegierig, eine solche im Plenum zu erbitten. Um so mehr, als er im Zweifel war, ob beispiels weise auch der Abdruck von Publikationen des Reichsstatistischen Amts ohne Weiteres erlaubt sei. Der Abg. Spahn vom Centrum verneinte daS mit dcm Hinzusügen, eS sei nur der Abdruck der „zu amtlichem Gebrauch hergestellten" amtlichen Schriftstücke erlaubt, und ein Commisiar dcS ReichSjustizamtS beeile sich, diese Auffassung als richtig zu bestätigen. Als aber nun auS dem Hause heraus daS Erfordcrniß betont wurde, diese Auffassung im Gesetze selbst festzulegen, und als der Abg. v. Strombeck sich beeilte, einen entsprechenden Antrag zu stellen, wurde derselbe — abgelebnt. WaS nun ? Die Ansicht deS Herrn Spahn und deS Herrn Comnnssars deS ReichSjustizamtS hätte vielleicht unter ankeren Umständen auch von den Gerichten adoptirt werden können, das ist aber augenscheinlich jetzt, nachdem ein darauf gerichteter Antrag ausdrücklich vom Reichstage abgelebnt worden ist, gänzlich ausgeschlossen. Wie soll sich jetzt die Rechtiprechung mit dem Begriff „andere amtliche Schriften" abfinden? ES wird da natüriich bei der dritten Leiung ein AuSweg gesucht und gefunden werden müssen, ß 18 behandelt Angelegenheiten, die für die Presse, daS Zeitungswesen, von besonderer Wichtigkeit sind, aber dem großen Publicum sebr gleichgiltig sind. WaS darf abgedruckl werden ohne Quellenangabe? WaS mit Ver pflichtung zur Angabe der Quelle? Und waS darf die eine Zeitung der anderen überhaupt nicht entnehmen, ohne daß dazu eie ausdrückliche Gen-bmigung des eigentlichen Autors erbeten und erlangt ist? Auf die Debatten und Be schlüsse über diesen Puucl näher einzugeben, ist um so über- flüisiger, je weniger bezweifelt werden kann, daß gerade dieser Punct gar bald einer Neuregelung bedürfen wird. Wer das Emporwuchern von gedruckten und autograpbirten Corre- spondenzen, die zum Tbeil im Aneignen ebenso groß sind, wie im Verfolgen von Aneignungen, kennt, muß zu der Ueber- zeugung kommen, daß jetzt mit gesetzlichen Bestimmungen nichts erreicht wird, al- neue Formen von verschleierten Aneignungen, die zu neuen gesetzlichen Bestimmungen zwingen. Von größerem Interesse für das Publicum war jedenfalls eine ausgedehnte Ve> Handlung bei ß 19 darüber, unter welchen Voraussetzungen literarische Publikationen anderweit vervielfältigt werden dürfen, also, um den Kern der Sache herauSzuschälea, Wiedergabe von Gedichten, Schriften und Theilen von Schriften in neuen literarischen Werken, Anthologien rc. Tie Vorlage hat hier an dem bestehenden RecbtS- zustande starke Veränderungen für geboten gehalten, sie ist nach Möglichkeit auf den Schutz der Autoren gegen Nachdruck bedacht gewesen. ES wurden dazu zwei bemcrkenswerthe Abänderungsanträge gestellt. Einmal von dem CentrumSabg. Wellstein, der die Aufnahme in Druck erschienener Gedichte wenigstens in Lieder-Sammlungen, d. h. für gesangliche Zwecke, freigegeben, also in diesem Puncte den bestehenden Nechtszustand aufrecht erkalten wissen wollte. Noch darüber hinaus ging ein Antrag deS Abg. vr. Hasse, der die bisherige Rechtslage auch den Anthologien überhaupt, nicht nur denjenigen für unterrichtliche und kirch liche Zwecke zu wahren bestrebt war. Nach langen Er örterungen wurde der Antrag Haffe mit großer Mehrheit abgelebnt. Der Antrag Wellstein erlitt zwar dasselbe Schick sal, jedoch nur, weil bei der Unruhe des Hauses die Frage stellung deS Präsidenten vielfach mißverstanden wurde und infolge dessen sogar Befürworter des Antrages denselben niederstimmen halfen. Bei der dritten Lesung wird dieses Ergebniß zweifellos eine Correctur erfahren. Ten Beschluß machte eine lange und interessante Debatte über die Frage der Reproduktion von Werken der Tonkunst auf Scheiben und Walzen mechanischer Musikinstrumente. Die Commission hatte hier zwischen den beiden einander schroff entgegenstehenden Richtungen «in Compromiß geschloffen und die Repro- duction nur für lolche Instrumente höchster Voll-! kommenheit, mit auswechselbaren Scheiden und Walzen, nicht freigegeben, deren Darbietungen in Folge von Stärke und Dauer deS Tone- u. s. w. gar zu sehr dem persönlichem Vortrage gleickkommen. Und an diesem Be schluß hielt gestern auch schließlich daS Plenum fest, unter Ablehnung von Anträgen, welche einerseits daS Urheberrecht verstärkt, andererseits vermindert wissen wollten. Bemerkens» werlh und amüsant war gestern wieder bei fast allen diesen Parteisragen das AuSeinanbergehen der Herren von der frei sinnigen Volkspartei, hier Richter, dort Trarger und Müller-Meiningen. Heute Fortsetzung. „Die gleichzeitige, auf einheitliche Leitung und Triebfeder zurückzuführende Hetze -ege» die religiösen Gemeinschaften in mehreren romanischen Ländern hat Papst Leo XIII. soeben im geheimen Consistorium kl eine neue Phase deS Vernichtungskampfes gegen die katholische Kirche gekennzeichnet." Also beginnt heute daS führende rheinische CentrumSblatt einen Leitartikel, ohne sich dabei anscheinend bewußt zu sein, daß die vorstehenden Sätze ein Zugeständniß enihalten, daS über die ultramontane „Abwehrbewegung" neuesten Datum« daS schärfste Verbiet auSspricht. Bekannt lich bat am Ostermontag in Köln eine Katholikenversamm lung eine Resolution angenommen, worin angebliche Angriffe aus die katholische Kirche in Deutschland in der schroffsten Form „zurückgewiesen" und die deutschen Katholiken zur Be kämpfung der „gegenwärtigen frivolen Hetze" auf da- Maß- loieste angestachelt werden. Die Ansprache deS Papste- im letzten geheimen Consistorium müßte für unsere LertiHeton. Der Oger. Roman von Hermann Birkenfeld. Nachdruck d-rbvlra. „Er ist es nicht?" „Der?" fragt sie und schürzt die Lippen. „Natürlich, Sie wissen noch nicht, daß er gar nicht bei uns wohnt, sondern im Nebenhause, und nur zu den Mahlzeiten herüberkommt. Wenn er den Hausherrn spielen möchte, so mag cr's in seinen Räumen thun und sich «ine Wirthschafterin nehmen." „Oder eine Hausfrau", wagt er einzuwerfen. „Meinen Segen hat er auch dazu", antwortet sie, ohne eine Miene zu verziehen. Als er aber lächelt, springt sie von ihrem Fensterplatz auf, tritt dicht bis vor den Frühstücksdisch und spricht, hochroth im Gesicht: „Ich weiß jetzt ganz genau, waS für Ge danken Sie haben. Weil aber Onkel Gerhard nur Gutes von Ihnen sagt, so hoffe ich nicht nur, daß Sie recht lange bei unS bleiben, sondern auch, daß 'wir Freunde werden. Und deshalb möchte ich von vornherein kein Mißverständniß aufkommen lassen, und Ihnen sagen, daß ich mir Ihre Gedanken verbitte." Jetzt sind ihre Augen keine Fragezeichen mehr, sondern bitter grollende Ausrufungszeichen zu dcm Texte: „Wahr' Dich!" Dennoch kann er sich nicht enthalten, lächelnd zu fragen: „Ver botene Gedanken? Gnädiges Fräulein sind streng —" „Finden Sie da-, so schadet'S nicht. Und wenn ich mich schief auSgedriickt habe, so verstehen Sie doch, daß ich mir jede Andeutung verbitte, als ob —" Ohne den Satz zu vollenden, ist sie zur Thür hinaus. Recht aber hat st« mit der Annahme, daß er ihren Wunsch verstanden hat. Al» er sie eine halb« Stunde später — er hat inzwischen die paar Zeilen an Helene zu Papier gebracht — vor der HauSthür trifft, fragt er mit ehrlicher Bewegung in Blick und Ton: „Sollen wir Frieden schließen, gnädige» Fräulein?" Sie lacht hell auf. „Unser Krieg hat ja noch gar nicht angefangen! Und gnädig komme ich mir eigentlich niemals vor." „Also Fräulein Frida?" ..Ich heiße doch einmal so", antwortet sie heiter, legt auch unbefangen ihre Hand in die sein«. „Uebrigrn» fragte Onkel Ger hard vor ein paar Minuten nach Ihnen. Irgend etwa» in der Schleiferei stimmt nicht, und er meint«, Sie könnten ihm vielleicht helfen. — Dort — an der HohlglaShütte vorüber, das zweite Haus links", erklärt sie und eilt ins Haus, wo eine Magd ihre Anwesenheit verlangt. In dem bezeichneten Hause findet Rudolf den Doctor mit einem der Schleifer im vergeblichen Bemühen, die einfache Ma schinerie einer unbrauchbar gewordenen Schleifbank wieder in Betrieb zu setzen. „Wir können das Ding gerade jetzt, wo innerhalb acht Tagen ein größerer Posten Kugelgläser abgehen soll, nicht entbehren, und bis ein Handwerker aus der Stadt kommt, vergehen min destens vierundzwanzig kostbare Stunden" erklärt er dem Ein tretenden, und dieser, voll Hoffnung, sich irgend nützlich zu machen, prüft eifrig Rad, Welle und Spindel des Geräths, bis er den Fehler in einem mangelhaften Zahnrad entdeckt hat. Onkel Gerhard schüttelt bedenklich den Kopf. Als Rudolf nach Verlauf einer halben Stunde rin anderes, zufällig vorhandenes Rad der Maschine eingepaßt hat und diese ihren regelrechten Gang geht, schlägt er ihm mit der breiten Hand freudig auf die Schulter. „Zu was zu gebrauchen, das sehe ich. Immer besser — immer besser!" murmelt er dann vor sich hin. Er scheint ordent lich stolz auf Rudolf und Letzterer hat Mühe, ihm die Kleinig keit als solche glaubhaft zu machen. „Ach was!" knurrt der Alte, „es ist nicht das praktische Können allein. Aber die Meinung der Leute Sie sehen doch, daß unsereins auch zu 'was gut ist. Wenn ich mir dagegen meinen Herrn Neffen betrachte — du liebe Zeit! Ein bischen Correspon- denz, auf Geschäftsreisen, reichliche Spesen machen, den Herrn spielen und ein Pferd zureiten — das kann er. Nicht 'mal einen Rehbock schießen! — Kannst Du schießen?" Rudolf gedenkt seiner Knabenzeit. Als Oger hat er mit Heini manchen verbotenen Schuß au» einer alten Pistole ge- than, die aus Urväterszeiten sich wie so viele» Gerümpel im Flügge'schen Haushalte vorfand. „Ob ich mit einer richtigen Büchs« umgehen kann —" „Sollst es lernen. Ist keine Hexerei. Heute Abend setzen wir unS an." Hexerei ist'» freilich nicht, aber gelernt will'» doch sein, und ohne ein gelintxs Donnerwetter von Seiten des Doctors ver schwindet der Rehbock, den Rudolf gegen Abend auf dem An stande regelrecht vorbrischießt, nicht laut scheltend zwischen dem Gestäng« der Fichtenschonung, nahe der er geäst hatte. „Cadence, mrin Junge, die fehlt Dir noch." „WaS ist da»?" „Hm! Etwa» im Leben überhaupt sehr Nothwrndige». Auf Deutsch heißt es einfach: kalt Blut. Bist auch einer von Denen, die am liebsten mit dem Kopfe durch die Wand rennen möchten, wenn die ihnen im Wege ist." Hier wird Rudolf Lammert sehr ernst. „Ich war einer", sagt er langsam und fest, „aber ich glaube, ich habe es überwunden." Das Herz ist ihm seit heute Morgen so voll; wir mit einer Zauberkette zieht es ihn zu dem Grau bart, dem er sich so gern eröffnen möchte — ganz, ohne Rück halt. Darf er? Er wagt keine Frage deshalb. „Hitzkopf!" murmelt Weber nur, während die Beiden da- hinstapftn, wie gestern. „Aber natürlich, wie sollt's auch anders sein?" Rudolf hat nicht recht verstanden, nur etwas wie «inen Vor wurf aus den Worten hcrausgehört. > „Urtheile nicht zu Hari, Onkel!" bittet er. „Vor Dir, ge rade vor Dir möchte ich nicht erscheinen als — als —" „Als Taugenichts?" fragt Weber. „Nicht besser, aber auch nicht schlechter, als ich war und bin", ruft er mit glühenden Wangen. Als er dann von seiner Heimath erzählt, von seiner freud losen Jugend, von der Mutter, dcm Gegensätze zwischen seinen Geschwistern und ihm, da unterbricht der Alte ihn mit keiner Silbe. Ihm aber, dem Verschlossenen, so lange Vereinsamten, entquellen die Worte wi< ein Strom. Der Rauch des Hüttenschornsteins steigt schon vor ihm auf, als er zu Ende und der Alte ihm die Hand auf den Kopf legt — er ist groß genug dazu — und spricht: „Schön war nicht Alles, was Du mir erzählt hast; denn schuldlos bist Du nicht. Aber — das glaube ich Dir, ohne daß Du es betheuerst, ehrlich. — Armer Junge! Armer Junge!" Wieder ist es Rudolf, als müsse er dem Wackeren an dir Brust —, nein, ihm zu Füßen sinken, seine Kniee umfassen, die liebe Hand mit Dank-sthränen netzen. Hat er sich ihm nun mit allen Fehlern, allem Fehl anvrr- traut? — Don Lisa Flügge hat er gar nicht gesprochen, von Helene von Rheinrrn Manches verschwiegen. Das lastet nun schwer auf ihm. Als er noch dem Abendbrot» mit Fräulein Frida in der Psrifenblattlaube des Hausgärtchens sitzt, gesellt sich Fritz Weber zu ihnen. Oder vielmehr zu ihm: denn Fnda erinnert sich bei seiner Annäherung dringender häuslicher Geschäfte, die sie zu er ledigen geht. Fritz Weber sieht ihr mit bo-hcrftem Lächeln nach. „Dackfischlaunen! DaS bildet sich fortwährend ein, nur seinet wegen sei man hier auf der Welt, während ich — Sie nehmen'» hoffentlich nicht übel — lediglich Ihre Gesellschaft gesucht habe. Wir sind uns ja eigentlich noch ganz fremd, und doch hege ich den sehr natürlichen Wunsch, einen jungen Mann von solcher Qualität, wie Onkel Gerhard sie rühmt, zum Freunde zu ge winnen." DaS kommt so unverblümt herzlich unter dem straffgezogenen Schnurrbart des Sprechers hervor, baß Rudolf Lammert sich überlegt, ob «r mit seinem vom ersten Augenblicke gegen den jungem Herrn gehegten Mißtrauen nicht sehr Unrecht habe und, das von Onkel Gerhard gespendete Lob überhörend, höflich ent gegnet: „Man hat mich hier so unverdienter Weise gastlich ausge nommen, daß ich Mühe haben werde, die gute Meinung Ihres Onkels, und nun auch die Ihrig«, zu verdienen." „Pah! Keine Redensarten, Bester! — Offen gestanden, sind wir hier gemeiniglich froh, eines anständigen Kerls Gesellschaft zu gewinnen. Landleben, Bergluft, Waldesschattcn und soge nannter würziger Kräuterduft sind sehr angenehm« Ding« — zum Drannippen. Aber, toujours psrckrix, — wollte sag«n, das ewige Einerlei — die Einsamkeit — die monoton klappernde Geschäftsmaschinr — das wird Einem zuletzt über und verbrämt jöves kleinste Ereigniß mit dem Nimbus des Bedeutenden, noch nie Dagewcsenen." Fritz Weber lacht kräftig über sein« eigenen Worte, unterbricht sich aber nun selbst: „Pardon, lieber H«rr Lammert! Paffe da neben Ihnen wie ein Schornstein, ohne Ihnen nur etwas Rauchbares anzubieten." „Bemühen Sie sich nicht, Herr Weber; ich bin Nichtraucher." „LH! Schade! Hätte gern «ine» Culturmenschen Urtheil über meine neue Cigarre gehört. Entbehren Sie da» denn nicht?" „Da ich es — von ein paar mißlungenen Versuchen kn meiner Knabenzeit abgesehen — nicht kenn«, nein. Und am wenigsten hier — im Genuß der reinen Bergluft, an einem Abend wie der heutige." „Freilich, freilich!" wirft Fritz Weber gedankenlos hin: „In Ihrem Alter-" Rudolf kann nicht unterlassen, ihn verwundert zu betrachten. „Ich glaube, wir find nur wenige Jahre autrinander, und ich hoffe nicht, daß mir in drei di- fünf Jahren di« Freude an einem reinen Naturgrnuß schwindet." Fritz Weber lacht. „Bitte, mich nicht mißzuvrrfiehen. Bin gleichfalls vollkommen empfänglich — versteht sich von selbst. Den Kukuk auch! Di- Lust am Schönen erstickt nicht sonachdenerstrn Jüngling»jahr«n — Gott behüte; bei mir so wenig wie btt Anderen. Fragen Sie nus
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite