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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000403020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50A, vor den Familiennachrichten sttgespalten) 40^>j. Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichnib- Tabellarischer und Ziffernjatz nach höheren» Tarif. Vxtra-Veilagc» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .X 00.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Rachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je «in» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expeditio» zu richten. Druck und Verlag von C. Polz in Leipzig A. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. April. Der Held deS Tages ist heute der klerikale Reichstags abgeordnete Roer en. Er hat in seinem Eifer für die Ivx Heinze und besonders für den 184a die lox wenn nicht erschlagen, so doch wenigstens tvdtlich verletzt. Er bat nämlich einem Mitarbeiter der „Köln. PolkSztg." seine Ansichten über Kunst und Literatur älterer und neuerer Zeit ausführlich dargelegt und nicht versäumt, auch über das Endziel sich auszusprechen, daS er mit der klerikalisirten lox Heinze ver folgt. Und dieses Endziel ist so geartet, daß man sich kaum denken kann, der Bundesrath werde die Hand dazu bieten, daß es erreicht werde, selbst wenn die Conservativen sich durch ihre bisherige Stellungnahme für verpflichtet erachten sollten, Herrn Roeren und seinen klerikalen Freunden weiter zu folgen. Nach dem Berichte des rheinischen Centrumsblattes, der ausdrücklich als authentisch bezeichnet wird, bat nämlich Herr Roeren, wie längst vermutbet worden ist, das Ziel im Auge, ein Mittel zu schaffen, mit dem er und seine richterlichen Gesinnungsgenossen den Classikern der deutschen Literatur zuLeibe gehen können. Es wurde ihm von dem Berichterstatter der „Köln. Volkö-Ztg." die Frage vorgelegt, ob die Bestimmungen der lox Heinze auch auf längst verstorbene Classiker, z. B. auf Heine und Goethe, angewendet werden könnten. In Bezug auf Heine antwortete Herr Roeren, daß er „augen blicklich" nicht in der Lage sei, den Staatsanwalt zu spielen. WaS aber Goethe anlangt, so sagte Herr Roeren von ihm wörtlich: „Neber seine ästhetischen Salonthce-Romane hinaus hat er auch Obscönitäten verbrochen, die einfach in die Literatur-Rubrik der geheimen Sünden gehören." — Angesichts dieser Auslassung besteht kein Zweifel darüber, daß Herr Roeren eine „Reinigung" der Werke Goethe'S unter Anwendung der lex Heinze anstrebt, wenn er es auch vermieden hat, seinem AuSfrager klipp und klar mit einem einfachen „Ja" zu antworten. Die gleiche Vorsicht hat Herr Roeren überflüssiger Weise betreffs Paul Heyse's angcwendet, indem er auf die Frage, ob eine Celebrität wie Paul Heyse unter die lex Heinze fallen könne, den Bescheid gab: „Ihre Frage ist schwer zu beantworten ... ich glaube, er wäre juristisch schwer zu fassen ... ich halte ihn für einen dichterischen Clauren, für einen der unsittlichsten und schädlichsten Dichter der Neuzeit". — Nach dieser Charakteristik Heyse's zeugt eS noch von erstaunlicher Milde, daß Herr Roeren Wildenbruch und Spielhagen unter die „noch Halbwegs anständigen Leute" rechnet. Fügen wir hinzu, daß Herr Roeren auf die Frage, ob er in der praktischen Anwendung der lox Heinze zwischen einem „Modedichter" und einem „Fabrikantei» ordinärer Hintertreppenromane" einen Unter schied zulasse, zur Antwort gab: er wisse nicht, wie man gesctzestechnisch einen solchen Unterschied formuliren könne, so ist aus dem drei Spalten langen Berichte der „Köln. Volksztg." über die Offenbarungen des Herrn Roeren alles Nothwendige berücksichtigt. Wenn der „Vorwärts" diese Offenbarungen für einen „Aprilscherz" der „Köln. Volksztg." hält, so ist der Grund zu dieser Annahme unerfindlich. Jedenfalls steht nichts von dem, was daS klerikale Blatt Herrn Roeren in den Mund legt, im Wider spruch zu den von diesem Herrn im Reichstage gehaltenen Reden oder mit den von der klerikalen Presse bei vielen Anlässen ge äußerten Ansichten undWünschen. Jedenfalls würde HerrRoeren diesen „Aprilscherz" nur als eine meisterhaft gelungene Leistung eines Gedankenlesers bezeichnen können. Deshalb darf man nach dieser Aufklärung über das Endziel deS Klerikalismus von der Streitfrage der lex Heinze wohl sagen: errusa. kiuita! Eine ganze Anzahl von gerichtlichen Erkenntnissen der neueren Zeit hat bewiesen, eine wie scharfe Waffe der jetzt in Kraft stehende tz 184 gegen Alle in die Hand giebt, Vie unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen ver kaufen, vertheilen oder sonst verbreiten, oder an Orten, die dem Publicum zugänglich sind, ausstellen oder anschlagen. Es giebt Mittel und Wege genug, den Behörden einzuschärfen, von dieser gesetzlichen Bestimmung ausgiebigeren Gebrauch zu machen, als eS hier und da bisher geschehen ist. Damit wird man sich um so mehr begnügen dürfen, je weniger die ver bündeten Regierungen nach dem Ruhme geizen können, als Förderer der Literaturziele deS Herrn Roeren zu erscheinen. Die Veröffentlichung des Reicksmarineamts über die deutsche Capitalanlagc i» überseeische» Unternehmungen ist dem Herausgeber der „Freis. Ztg." höchst unbequem gekommen. Man sieht dies daraus, daß er die Aufmerksamkeit von dein abzulenken sucht. Was durch die Denkschrift bewiesen werden soll und auch bewiesen wird, und daß er behauptet, durch die Denkschrift werde lediglich dargelhan, daß die deutsche passive Handelsbilanz thatsächlich nur scheinbar passiv fei, da in der Einfuhr auch die Zinsen und der Ertrag aus den mit deutschem Gelde arbeitenden Unter nehmungen in überseeischen Ländern enthalten seien. Nur um dieser Feststellung willen hat nach Herrn Richter's Organ die Zusammenstellung des Reichsmarineamts ein Interesse, nicht aber wegen der Auslandsschiffe, auf deren Schutz es bei diesen Capitalanlagen nur ganz verschwinvend ankomme. Diese Ausfassung kann nur von dem mit solcher Ruhe vorgetragen werben, der nicht nur selbst kein Capital in überseeischen Ländern angelegt hat, sondern dem es auch herzlich gleichgiltig ist, was aus dem Capital wird, das von deutschen Landsleuten in überseeischen Unternehmungen angelegt wordenist. WeraberderThatsache,daß 7>/rMilliarden deutschen Vermögen« in überseeischen Ländern angelegt sind, etwas weniger „schnuppig" gegenübersteht, wird sich doch Wohl die Frage vorlegen, wie eigeutlich dies Capital geschützt werden soll, wenn die Flotte thatsächlich nur „minimal" zum Schutze beiträgt. Wenn in überseeischen Ländern Unruhen ausbrechen und dabei deutsches Eigenthum beschädigt wird, oder wenn die Ansprüche der deutschen Gläubiger eines solchen exotischen Staates nicht berücksichtigt werden, so werden auch die schärfsten Noten des schneidigsten Gesandten nichts auSrichten können, wenn nicht hinter diesen Noten reale Machtmittel stehen. Unser Consul in Port au Prince hätte sich vor zwei Jahren die Finger wund schreiben und die Beine ablaufen können, es wäre doch nie etwas erreicht worden, wenn nicht ein deutsches Kriegsschiff erschienen wäre, das binnen zwei Stunden durchsetzte, was diplomatische Kunst in zwei Monaten nicht durchsetzen konnte. Unsere pommerschen Grenadiere können wir nicht nach Caracas und Guatemala, nach Shanghai und Bangkok senden. Das deutsche Capital würde auch gar nicht den Muth haben, sich an überseeischen Unter nehmungen zu betheiligen, wenn es nicht gegebenenfalls aus den Schutz durch eine kräftige Marine rechnen könnte. Mit der Betheiligung deutschen CapitalS an fremvländischen Unternehmungen ist aber zugleich die Industrie auf das Innigste verknüpft. Denn wenn beispielsweise mit deutschem Gelde in Vorderasien oder in Südamerika Bahnen gebaut werden, so werden damit zugleich neue Absatzgebiete für die Industrie erschlossen. Die „Freisinnige Ztg." sollte doch einmal eine Rundfrage bei der politisch sehr freisinnigen Berliner Kaufmannschaft feststellen, ob diese in dieser Frage hinter Herrn Richter oder Herrn Tirpitz steht. Da es die Anhänger Richter's so gut verstehen, die Kauf mannschaft gegen das Waarenhausgesetz oder das Fleischschau-Gesetz mobil zu machen, so müßten sie doch eigentlich imposante Versammlungen der Kaufleute gegen die Marinevorlage um so leichter zu Wege bringen können, je weniger daran zu zweifeln ist, daß der wohl habendere Theil der Bevölkerung in erster Reihe die Kosten der Vorlatze zu tragen haben wird. Wenn man aber von kausmänniicken Kundgebungen hört, so finden sie zu Gunsten der Marinevorlage statt, wie beispielsweise die Kundgebung der recht freisinnigen Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft. Sollten diese Herren, die doch gewissermaßen „die Nächsten dazu" sind, nicht besser als die „Freisinnige Ztg." wissen, inwieweit das deutsche Capital in überseeischen Ländern durch eine kräftige Marine geschützt wird? Der Kauf mannsstand war früher die Hauptstütze des politischen „Fort schritts", aber es ist der Fortschrittspartei geglückt, sich zwischen zwei Stühle zu setzen. Infolge der socialen Rück schrittlichkeit der Partei sind zahlreiche kaufmännische An gestellte zur Svcialdemokratie abgeschwenkt; die Principale werden nun durch die kurzsichtige Politik in der Marinefrage ebenfalls der Fortschrittspartei entfremdet. Hatte inan aber durch die Fahnenflucht vieler Handlungsgehilfen Mannschaften eingebüßt, so verliert man durch die Abwendung der Princi pale von der Fortschrittspartei die stets bereiten Geldgeber. Daß aber auch der Wahlkamps ein Krieg ist. zu dem nach dem Ausspruche Montecuculis Geld, Geld und abermals Geld gehört, weiß doch wohl auch die Fortschrittspartei. Jir der italienische» D epu ti rt enkammer ist gestern die Neuwabl des Präsidiums erfolgt, nachdem am Sonnabend Präsident Colombo und mit ihm sämmtliche Mitglieder des Vorstandes demissionirt batten. Colombo ist, wie zu erwarten war, mit einer stattlichen Mehrheit wiedergewäblt worden; er erhielt, wie gemeldet, 265 Stimmen, mährend Biancheri nur 158 auf sich vereinigte. Dieser Ausgang der Wahl wird die Opposition der äußersten Linken natürlich nicht zum Schweigen bringen, im Gegentheil, sie wird (man sehe den heutigen Kammerbericht) nur mit erneuter Kraft einsetzen und mit den schärfsten Mitteln durchgeführt werden. Der Negierung bliebe dann nur übrig, die sofortige Vertagung der Deputirlenkammer oder deren Auflösung zu decretiren, wenn nicht das eintritt, woraus man in den Kreisen der Mehrheit noch rechnet, nämlich Ablehnung der Wahl durch Colombo, der sich mit der Sympathiebezeugung der Kammer begnügen würde, und Vereinigung einer großen Majorität auf Biancheri. Den aus Rom vorliegenden Be richten ist zu entnehmen, daß die Demission Colombo's durch die der sog. „constitutionellen Opposition" angehörigen Mitglieder des Kammervorstandes veranlaßt worden ist. Diese Herren, vier an der Zahl, wollten ihre Aemter wegen der vom Präsidenten am letzten Donnerstag geduldeten Abstimmung niederlegen. Sie bezeichneten die improvisirte Abstimmung als einen Gewaltstreich, und Colombo machte diesem Streit innerhalb des Vorstandes ein Ende durch die Ankündigung seines Rücktritts, lieber den Verlauf der entscheidenden Sitzunden wird der „Köln. Ztg." aus Rom geschrieben: Die parlamentarische Geschichte seit Mittwoch 28. ds. begann abermals »nit der Hoffnung, daß die constitutionelle Oppo sition sich endlich und endgiltig dazu verstehen würde, der ministeriellen Mehrheit im Kampfe gegen die Obslruction der Revolutionäre beizuspringen. Anders konnte man wenigstens die Frage Giolitti's an den Ministerpräsidenten kaum verstehen, ob die Regie rung der abnormen parlamentarischen Lage noch weiter gleichgiltig zusehen wollte. Herr Giolitti scheint aber im Stillen an eine Lösung des Zwiespalts durch einen Rückzug, vielleicht gar Rücktritt, deS Ministeriums gedacht zu haben, denn die einfache Lösung, die General Pelloux tags daraus mit Hilfe Les Kammerpräsidenten in Angriff nahm, befriedigte zwar die Mehrheit iin höchsten Grade, fand aber bei der constitutionellen Opposition ebenso heftigen Widerspruch, wie bei Len Revo lutionären. Man kann nicht leugnen, daß es rin strategisch geschicktes Manöver des Ministerpräsidenten war, in voller Gemüthsruhe den Verzicht auf Len Antrag Cambray- Tigny's, welcher die Geschäftsordnung behufs besserer Bekämpfung der Obslruction abändern will, vorzuschlagen und, während noch die Opposition von der Ucberraschung sich nicht erholt hatte, den An trag hinzuzufügen, daß am Dienstag. 3. April, über die in zwischen vom Geschästsordnungs - Ausschuß auszuarbeitenden Reformen ohne Erörterung durch Aufstehen und Sitzen bleiben abgestimmt werden sollte. Und nicht minder ist die Schlagfertigkeit des Präsidenten Colombo anzuerkennen, der ohne Verzug, als kaum das letzte Wort des Generals Pelloux ver hallt war, über dessen Vorschlag abstimmen ließ. Soweit war Alles gelungen, aber die Obslructionislen und ihre Helfershelser wollten das Ende der Obslruction nicht und erhoben gegen den geschehenen Beschluß lärmenden Widerspruch, indem sie sich darauf beriefen, daß zu den Erklärungen des Ministerpräsidenten zwei Abgeordnete das Wort verlangt hatten, ohne daß es ihnen gewährt worden war. Daraufhin erklärten sie die Abstimmung für eine Ueberrumpelun g, für ungesetzlich und den Kammerpräsidenten für einen Be trüger. Hätte Colombo allerdings in strengster Befolgung der Parla- mentarischen Ordnung jenen beiden Rednern das Wort ertheilt, so wäre die Obslruction auch aus Pelloux' Vorschlag eröffnet worden und der Antrag niemals zur Abstimmung gelangt. Grade das wollten offenbar auch di Rudini, Zanardelli, Giolitti und Genossen, die ungeduldig darauf warten, die Erbschaft Pelloux' anzutreten. Tie Revolutionäre, die durch die vielfache Nachsicht und Schwäche, die seit vorigem Sommer gegen sie geübt worden ist, nur übermüthiger geworden sind, bereiteten hieraus in der Freitagssitzung dem Präsidenten Colombo einen derart pöbelhaften Empfang mit Schreien, Schimpfen und Papierballgeschossen, daß er die Sitzung überhaupt nicht eröffnen konnte. Zugleich erklärten die vier zur constitu- tionellcn Opposition gehörigen Präsidiumsmitglirder ihren Rücktritt, weil sie Las Verhalten Les Präsidenten bei der Abstimmung ain Tage zuvor nicht billigen könnten. Colombo über zeugte sich, daß unter diesen Umständen auch seine Kraft nicht mehr ausreichte, um dem zur Herrschaft erhobenen Pöbeltumult stand zuhalten, und legte sein Präsidentenamt nieder." Der Vorschlag, Biancheri an Stelle Colombo's zu wählen, ist auf Rudini znrückzuführen. Dieser hofft, dadurch eine Spaltung der Mehrheitsparteien herbeizuführen, denn der PräsidentschaftS-Veteran hat auch auf der rechten Seite des Hauses zahlreiche Freunde. 7s Drei Teilhaber. Roman von Bret Harte. Nachdruck verbaten. Frau Barker warf die hübschen Lippen auf. „Man braucht nicht viel Zeit, um einem Freunioe zeynbausenb Dollars zu leihen", sagte sie. „Aber ich habe es ja immer gesagt! Du haft mir Vie Ohren vollgesungen mit Lobes erhebungen über Deine wunderbaren TkMhaber, und nun Du znm ersten Male leinen von ihnen bittest, Dir einen Gefallen zu thun, sagt er Dir, Du sollst Deine Papiere ver kaufen. Und er weiß doch so sicher wie zwei Mal zwei vier ist, daß sie jetzt fast nichts Werth sind." „Aber, liebes Herz, begreifst Du denn nicht —" begann Barker. Sie sah sehr hübsch aus in ihrer Entrüstung. „Der arme Henry ist verantwortlich für den Grubentauf", unterbrach sie ihn, „und Du hast ihm Dein Wort gegeben." „Ich werde es auch hakten; das thu« ich stets", erwiderte Barker sihr gelassen und mit dem seltsamen Gesichtsausdruck, den sich schon Stacy nicht hatte erklären können. Kitty, di« ihren Mann vielleicht besser kannte, sagte jetzt mit völlig veränderter Stimme: „Aber wie willst Du das denn machen, Georg?" „Wenn mir ein paar Tausend fehlen, werde ich Deinen Vater darum bitten." Sie schwieg einen Augenblick. „Vater wird jetzt von so vielen Seiten bestürmt. Warum ziehst Du nicht einfach die ganze Geschichte auf?" „Ich habe Deinem Detter Henry mein Wort gegeben." „Ja, aber nur Dein Wort. Einen geschriebenen Vertrag habt Ihr nicht. Du könntest nicht einmal darauf bestehen, daß er ihn erfüllt." Barker sah sie mit großen Augen verwundert an. Ganz so hatte Stacy gesprochen! Und «S war doch ihr eigener Vetter. „Uebrigens könnte er ja die Gruben auch an Jemand Anders verkaufen", fuhr Kitty unbeirrt fort. „Er hatte noch ein zweites Angebot; aber Deins sagte ihm am meisten zu. Also sei kein Narr." Sie waren jetzt in ihren Gemächern angelangt. Mit der ihm «igrnthinnlichen Lebhaftigkeit hatte sich Barker sofort die ganze Sache aus 'dem Kopf geschlagen; er eilte ins Schlafzimmer und schritt lächelnd auf «in Veilchen zu, das in der Ecke stand. „Aber er ist ja nicht da!" rief er gleich darauf voller Be stürzung. „Denkst Du etwa, ich soll ihn mit in den Salon hinunter nehmen, wenn ich Besuch empfange?" fragte seine Frau in etwas gereiztem Tone. „Ich habe ihn mit der Wärterin in die Vor halle hinunter geschickt, wo er mit den anderen Kindern spielen kann." Ein Schatten flog über Barker's Züge. Wenn er nach Hause kam, rechnete er stets darauf, gleich das Kind zu sehen, da er sich mit der völlig unbegründeten Vorstellung schmeichelte, daß der Kleine ein besonderes Verständniß für ihn Hube. Auch hatte er, nach Väterart, kein rechtes Vertrauen zu dem Gesundheitszustand fremder Kinder, deren Lebensverhältnisse er nicht kannte, und die jedenfalls nicht di« ausnahmsweise»» Vorzüge genossen, deren sich sein Söhnchen erfreute. „Ich will gehen und ihn holen", sagte er. Frau Barker war etwas abgespannt auf einen Stuhl ge sunken. „Du hast mir noch gar nichts von der Unterredung mit Deinem lieben Stacy erzählt", meinte sie. „Wenn Du nur gleich wieder nach dem Kinde laufen wolltest, so wär« es unterhaltender für mich gewesen, ich hätte Capitän Heath gebeten, noch dazu bleiben." „Ja so — Stacy", sagte Barker, letzte sich neben sie und ergriff ihre Hand. „Weißt Du, mein Herz, er war gerade sehr beschäftigt und in sein innerstes Privatbureau eingeschloffen, wie di« Agathkug«! in «invm Satz japanischer Schachteln. Aber", fuhr er mit leuchtrnden Blicken fort, „im Uebrigen noch ganz der liebe, alte Jim Stacy vom Kiefrrberg, wie ich ihn damals gekannt habe. Die ganze alt« Zeit wurd« mir wieder lebendig. Weißt Du noch, Schatz, wie ich um Dich anhielt, Werl ich glaubte, ich sei plötzlich reich geworden? Am nämlichen Tage hatte ich die Parzelle für die Jungens gekauft, und als ich wird«: zu ihnen kam, hatten si« gerade den großen Goldfund gethan. Ich er innere mich gut, daß ich mich nicht getraute, ihnen etwas von meinrr Verlobung zu sagen — aber sie erriethen eS ganz von selbst — der liebe gute Stacy zu allererst." „O ja", «ntgegnet« Frau Barker, „und hoffentlich hat Dein Freund Stacy auch nicht vergessen, daß Du ohne mein Zureden die Parzelle um ein Haar wieder aufgegeben hättest, als sich herauSstellte, daß Du gar nicht reich warst. Damit Du sie be halten könntest, habe ich damals meinen eigenen Vater betrogen und mir oft Gewissensbisse darüber gemacht, obgleich ich mir nichts merken ließ." Während sie so sprach, ließ sie die Dia mantspange an ihrem hübschen Arm mechanisch durch die Finger gleiten. „Aber liebste Kitty", rief Barker, ihr zärtlich die Hand drückend, „ich hatte ja einen Wechsel unterschrieben. Du sagtest noch, das genügt«, um den Kauf zu sichern; ich sollte warten, bis der Verfalltag käme, und die Parzclle erst aufgeben, wenn sich dann fände, daß ich nicht bezahlen könn«. Deinen Vater hast Du ganz und gar nicht betrogen", fügte er mit großem Ernst hinzu, „denn ich würde ihm Alles gesagt haben." „Freilich, wenn Du es so ansiehst, hat es nichts auf sich", erwiderte sie; „ich meine nur, man sollte den Leuten das ins Gcdächtniß rufen, wenn sie umhergehen und erzählen, Papa hätte Dich mit seinen Hotelprojecten um Dein Geld gebracht." „Wer untersteht sich, so was zu sagen!" fuhr Barker ent rüstet aus. Seine Frau warf ihren hübschen Kopf stolz zurück. „Wenn sie es nicht sagen, so steht es ihnen doch iin Ge sicht geschrieben. Auch halte ich «s für 'den Grund von Stacy's abschlägiger Antwort." „Aber er hat keine Silbe davon gesagt, Kitty!" „Ereffre Dich nur nicht unnütz, Georg", meinte seine Frau beschwichtigend. „Geh' jetzt lieber und hol« den Kleinen; Du brennst doch vor Ungeduld danach, und es wird wohl Zeit sein, daß Nora wieder heraufkommt." Unter anderen Umständen «würde sich Barker jedenfalls erst auf Erklärungen eingelassen haben, akxr augenblicklich hatte er ein zu starkes Gefühl, daß zwischen ihnen ein Mißverständniß obwalte, und er wünschte das häusliche Zwiegespräch möglichst ab- zukürzen. So stand er denn auf, gab seiner Frau die Hand und ging; doch war ihm nicht recht behaglich zu Muthe. „SS ist un recht von mir, daß ich, kaum nach Haufe gekommen, gleich wieder fortgehe", murmelte er in vorwurfsvollem Selbst gespräch, „aber ich glaube, sie sehnt sich ebenso sehr nach dem Kleinen wie ich, und will es nur nicht eingestehen — so sind die Frauen!" In der unttren Halle pflegten die Kindermädchen mit Vor liebe ihren Spaziergang zu machen. Barker fand sie alle an einem Ende versammelt, wo ein großes Fenster auf die Mont gomery-Straße ging. Aber Nora, die irländische Wärterin, war nicht unter ihnen. Suchend durchwanderte er die Corridore, »md da er sie noch immer nicht fand, schritt er endlich verstimmt und etwas besorgt durch den langen Saal, wo er vorhin seine Frau angetroffen hatte, um auf dies« Weis« wieder in seine Zimmer zu gelangen. Der Saal war jetzt leer; der letzte Gast hatte ihn verlassen — selbst das Courmachen war auf bestimmte Stunden beschränkt. So mußte es denn Barker auffallen, daß sich hinter den schweren Vorhängen in einer der Fensternischen ein sanftes Gemurmel vernehmen ließ. Es kam von einer leisen, wohltöncnden Frauenstimme und klang ganz rührend in seiner Zärtlichkeit. Gleich darauf folgte ein zufriedenes Kinderlallen und Glucksen und dann ein deutliches Jauchzen. Barker schritt sogleich nach der Richtung hin, und als er jetzt an dem Vorhang stand, bot sich ihm ein seltsames Schau spiel dar. Ganz wie bezaubert und in den Anblick ihres Schatzes ver sinken, saß dort in einem Lehnsessel das „schreckliche Weib", auf das ihn seine Frau erst vor Kurzem aufmerksam gemacht hatte, und in ihrem Schooße ruhte «in Kindlöin — Kitty's unantast bares Söhnck-en! Der Kleine griff mit den Fingerchen nach der feinen, von Juwelen blitzenden Halskette, welche die Frau in ihrer schlanken, mit Ringen geschmückten Hand hielt und ver führerisch hin- und hertanzen ließ. Des Kindes Augen leuchteten vor Entzücken, als wollte es die innige Liebe erwidern, die ihm aus dem schönen Gesicht enigegenstrahlte, das sich zu ihm herab beugte. Bei Barker's plötzlichem Evscheinen schaut« sie auf, und ihre Wangen rötheten sich, doch bewahrte sie ihre ruhig« Fassung. „Bitte, schelten Sie das Mädchen nicht", sagte sie; „verklagen Sie es auch nicht bei Ihrer Gemahlin. Ich allein bin schuld. Es kam mir vor, als ob Kind und Wärterin einander schrecklich langweilten; 'da habe ich mir den kleinen Butschen ein Weilchen geborgt, um mit ihm zu spielen. Wenigstens habe ich ihn nicht zum Weinen gebracht, nicht wahr, Herzchen?" Sie sagte das Wit so süßem Wvhllaut und fah den Kleinen so zärtlich an, daß auch der Vater sich davon im Innersten bewegt fühlte. Jetzt löste sie leise die kleinen Finger von ihrem Halsband uird führ fort: „Sehen Sie wohl; es ist keineswegs unser G-schlecht allein, auf Vas der Glanz der Juwelen seinen verführerischen Reiz übt." Barker war überrascht. Der madonnengleiche Ausdruck, den ihre Züge noch soeben getragen, war verschwunden; nur die Weltdame blickte jetzt lachend zu ihm auf. Doch fragte er zögernd und nicht ohne Rührung: „Haben Sie — je — «in KiNd gehabt, Frau Hornburg?" Er hatte eine unbestimmte Vorstellung, Vaß man sie für Sin« Mttwe hielt, und glaubte in seiner Herzens- einfalt, »das weibliche Geschlecht bestehe thrilS aus Jungfrauen, theils aus verheiratheten Tugendspiegeln. „Nein", lautete ihre kurze Antwort. „Vielleicht würben mich
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