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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000223013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900022301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900022301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernsap nach höherem Toris. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesorderung -Zt 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. An;eigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 98. Freitag oen 23. Februar 190A 9L Jahrgang. Reichstag und Strafgesetzgebung. SS Es ist ein eigenthümliches Geschick, daß, während sonst im Großen und Ganzen in gesetzgeberischen Fragen zwischen Reichs tag und Regierung meistens eine Verständigung sich erzielen läßt, gerade in Fragen der Strafgesetzgebung sehr oft ein negativer Effect zu verzeichnen ist. Wir erinnern nur an die Strafproceß- novelle vom Herbst 1896, die trotz jahrelanger Vorarbeit an der Halsstarrigkeit des Reichstags zu Falle kam, sowie an das Ar- beitswilligengesetz, das, allerdings mit sehr viel größerer Be schleunigung, im letzten Herbst eine Ruhestätte im Papierkorbe des Reichstages fand. Und noch vor Kurzem war die lex Heintze, die nun schon seit Jahren nicht leben und nicht sterben kann, auf dem besten Wege, mangels Verständigung zwischen der Reichstagsmehrheit und der Regierung zu scheitern; ihr Schicksal ist immer noch zweifelhaft. Das Eigenartige der Disharmonie in diesem Falle liegt darin, daß der Reichstag die Regierung an „Sittlichkeit" übertrifft Er will durch drakonische Maßnahmen die Verführung von jugendlichen weiblichen Personen, und speciell von Arbeiterinnen verhindern, während die Regierung der Ansicht ist, daß die von der Reichstagsmehrheit votirten 182 und 182a nur der un gerechtfertigten Denunuation Vorschub leisten würden. Der Streitfall ist so viel erörtert worden, daß es hier nicht darauf ankommen kann, ihn nochmals breitzutreten. Es soll, vielmehr nur die Frage aufgeworfen werden, was denn eigent lich werden soll. Nach der Erklärung des Regierungsvertreters ist es ganz zweifellos, daß der Bundesrath die Vorlage ablehnen wird, wenn der Reichstag in der dritten Lesung die von der Re gierung angefochtenen Bestimmungen aufrecht erhält. Was will nun die Mehrheit, die beiläufig in beiden Fällen verschieden zusammengesetzt ist, thun? Giebt sie nach, so wird ihr der Vor wurf nicht erspart werden können, daß sie entweder inconsequeni sei, oder mit der Abstimmung in der zweiten Lesung nur ein Scheinmanöver vollführt habe. Wir müssen bekennen, daß wir in der Ablehnung der lex Heintze an sich noch kein nationales Unglück sehen würden. Denn einmal fehlt es schon jetzt nicht oa einer ganzer Reihe von straf gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Sittlichkeit, und zweitens meinen wir, daß gerade die Sittlichkeitsdelicte am aller wenigsten durch gesetzgeberische Bestimmungen aus der Welt ge schafft werden können. Die wärmsten Fürsprecher des Gesetzes und Diejenigen, die die zum Streite zwischen Regierung und Reichstagsmehrheit führenden scharfen Bestimmungen am hart näckigsten verfechten, sind die Ultramontanen; und wie ist doch gerade ultra montos, in Italien, zur Zeit der weltlichen Macht des Papstthums, die Sittlichkeit so übel daran gewesen! Welt liche Gesetze und kirchliche Gesetze, sie vermögen alle beide nicht gerade gegenüber der menschlichen Sinnlichkeit. Doch dies nur beiläufig. Das Schlimmste ist nicht sowohl, daß die lex Heintze vielleicht trotz aller Verständigungsversuche zu Falle kommt, sondern daß die Regierung, wenn aber mals ein strafgesetzgeberischer Versuch scheitert, überhaupt davon abgeschreckt wird, gerade strafgesetzgeberische Reformen mit der Volksvertretung zu berathen. Und doch sind sowohl auf dem Gebiete des materiellen, wie des processualen Strafrechts Re formen dringend geboten. Auf dem Gebiete des materiell-n Rechts handelt es sich vor allen Dingen darum, eine vollständige Aenderung der Art der Bestrafung herbeizuführen, denn mit den gegenwärtigen Strafen wird weder der Bcsserungszweck, noch der Abschreckungszweck erreicht, wie einerseits die große Anzahl der rückfälligen Verbrecher, andererseits die Zunahme der Ver gehen und Verbrechen überhaupt beweisen. Das procesiuale Recht bedarf einer gründlichen Aenderung durch eine durch greifende Verbesserung des Untersuchungsverfahrens. Alle diese Mißstände im Strafrecht und Strafproceß liegen schon seit langen Jahren klar zu Tage und bedürfen an sich einer viel geringeren gesetzgeberischen Vorarbeit der Regierung und der Volksvertretung, als es für die gewaltige Umwälzung auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts nothwendig gewesen ist. Trotz dem hat die Reform des bürgerlichen Rechts viel früher den sicheren Hafen erreicht, als es der Reform des Strafprocesses und des Strafrechts gelingen wird. Der Grund dafür liegt darin, daß, sehr mit Unrecht, in die Fragen des Strafrechts sofort die politischen Gegensätze hinein verwoben werden, ganz besonders in die Fragen de» materiellen Rechts. Die konservativen Parteien werden jederzeit für Straf schärfungen zu haben sein, die liberalen Parteien, besonders in ihrer radicalen Schattirung, streichen in einer Verwechselung von Humanität und Gerechtigkeit den Verbrecher mit Glacßhand- schuhen, der UltramontanimuS ist immer dann zur Strafschär fung bereit, wenn damit der Verbreitung von Bildung und Kunst ein Damm entgegengesetzt werden kann, und der Socialismus endlich hat einen doppelten Boden, er ist für neue und strenge Strafgesetz-, wenn dadurch der CapitaliSmuS getroffen werden kann, und für Abschaffung von Strafgesetzen, die den Arbeiter bedrohen könnten. Darum will er den Arbeitgeberparagraphen, während er die Majestätsbeleidigung und die Gotteslästerung aus dem Strafgesetzbuche ausgemerzt sehen möchte. Bei diesem Zwiespalt der Weltanschauung ist eS allerdings nicht ganz leicht, auf dem Gebiete der Strafgesetzgebung Er sprießliches zu leisten. Den Nachtheil davon hat das gesammte Volk, denn ein gute» und gerechte» Strafrecht ist für die Nation und für da» öffentliche Leben von derselben Wichtigkeit, wie ein gute» bürgerliches Recht. E» müßte daher Sache der Wähler schaft sein, die Abgeordneten darüber aufzuklären, daß e» sich doch empfehlen würde, die Fragen de» Strafrecht» von einem höheren Standpunkte, als dem der Partei, anzusehen. Die Un fruchtbarkeit auf dem Gebiete der Strafgesetzgebung enthält zu- gleich eine scharfe Verurteilung de» Parlamentarismus. Der abgesehle uno oer neue Gouverneur von Schanrung. SlaLdrxck »ertöten. Au» Peking, 28. Derember, schreibt UN« unser ständiger Herr Mitarbeiter: Wie viele deutsche Zeitung»leser hätten sich wohl vor drei Jahren finden lassen, für die di« Nachricht, daß e» dem Sohn« des Himmels gefallen habe, für seine Provinz Schantung einen anderen Statthalter zu bestellen, auch nur das geringste Inter esse gehabt hätte! Heute, wo die deutsche Niederlassung in Tsing tau schon über die Anfangsstadien der Entwickelung hinaus ist, und wo in nicht zu ferner Zeit der erste Eisenbahnzug in das Innere abgehen wird, ist es durchaus nicht mehr so gleichgiltig für uns, wer Gouverneur der das Hinterland unserer Colonie bildenden Provinz ist. Denn von der Stellungnahme des obersten Beamten der Provinz zu den deutschen Bestrebungen, mögen diese nun auf die Bekehrung der Heiden oder auf wirthschaftliche Aufschließung gerichtet sein, hängt die Haltung seiner stimmt« lichen Untergebenen ab, nach den Beamten richten sich die Lite raten, und nach diesen die Bevölkerung. Die Ermordung der beiden deutschen Missionare Nies und Henle im Herbst 1897 wurde daher mit Recht dem da maligen fanatisch fremdenfeindlichen Gouverneur in die Schuhe geschoben und deshalb seine Absetzung verlangt. Sein Nachfolger war ein aufgeklärter Mann, die Folge war, daß das erste Jahr nach der Besetzung von Tsingtau ohne größere Zwistigkeiten zwischen Deutschen und Eingeborenen verging. Als ein Opfer der nach dem Staatsstreich im vorigen Jahre eingetretenen Re volution mußte dieser uns wohlgeneigte Gouverneur dem bigot ten, altconservativen Mandschuren Aü-Hsien das Feld räumen. Kaum war dieser im Amte, so regten sich die fremdenfeindlichen Elemente wieder in vermehrtem Maße. Jetzt nun ist die von ihm selbst angefachte Bewegung dem M-Hfien über den Kopf gewachsen, und er ist selber darüber zu Fall gekommen. Dies ist folgendermaßen zugegangen: In allen Provinzen Chinas bestehen unter den verschiedensten Bezeichnungen eine Menge von Geheimbünden und Secten. Nun war M-Hsien, der in Schantung groß geworden ist, während ves chinesisch-japanischen Krieges Taotai (Regierungspräsident) oes südwestlichen Theiles der Provinz. Er benützte die Organi sation, die sich ihm in der dort bestehenden „großen Messer-Secte" darbot, um eine Art Miliz zur Landesvertheidigung zu bilden. Da die Japaner aber nicht in sein Gebiet kamen, richtete die Secte, die zwischen Japanern und anderen Ausländern k.'um Unterschied macht, ihren Haß gegen die in der Provinz befind lichen Missionare. M-Hsien, der inzwischen Oberrichter und später Gouverneur wurde, konnte die Verbindung mit der Secte nicht mehr abschütteln, er blieb ihr Protector, und aus diesem Grunde war es nicht möglich, die Provinzialregierung zu einem energischen Vorgehen gegen die Mörder von Nies und Henle zu bringen. Im vergangenen Winter und in diesem Frühjahr nahm die fremden- und christenfeindliche Bewegung immer größere Ausdehnung an; vom Süden der Provinz ausgehend, breitete sie sich über den Westen aus und hat neuerdings auch den Norden ergriffen. Die zeitweilige Besetzung von Ji-chao durch ein Detachement deutscher Soldaten schaffte zwar für einige Zeit Ruhe, durch die andauernde Trockenheit des vergangenen Sommers entstand aber in vielen Gegenden große Noth, aus der sich, wie immer in solchen Fällen, locale Aufstände entwickelten. Die Nothleidenden machten mit der großen Messer-Secte, dem Bunde der Faustkämpfer und anderen Geheimbünden gemeinschaftliche Sache und griffen zusammen dir einheimischen Christen an. Da M-Hsien noch immer nicht zu energischem Einschreiten zu bewegen war, richteten die fremden Gesandten, deren Missionare bedroht waren, dringende Vor stellungen an die Central-Regierung. Diese ist nun endlich aus ihrer Lethargie aufgerüttelt worden; durch ein kaiserliches Decret vom 6. December wurde M-Hsien nach Peking berufen, um sich hier zu verantworten, und der General Uuan-shih-kai mit seiner Stellvertretung beauftragt. Der neue Statthalter von Schantung hat sich seine Sporen als chinesischer Resident in Korea verdient, wo er durch sein energisches Auftreten viel zur Befestigung der chinesischen Ober hoheit beitrug, zugleich aber die Japaner verletzte und daher den unglücklichen Krieg von 1894 herbeiführte. Nach Ausbruch der Feindseligkeiten verschwand Man-shih-kai von Söul; nach Ab schluß des Friedens wurde er mit dem Kommando einer all mählich auf 7000 Mann Stärke erhöhten Truppenabtheilung, der in der Nähe von Tientsin stationirten sogenannten Reform- Armee, betraut. Mit Beihilfe von deutschen Jnstructeuren gelang es ihm, für chinesische Verhältnisse ziemlich gute Resultate zu er zielen. Da er, so lange die Reformpartei Oberwasser hatte, sich stets als ihr aufrichtiger Anhänger gerirte, glaubten die Leiter der Reform-Bewegung sich seiner und der ihm unter stehenden disciplinirten Truppe bedienen zu können, um das Haupthinderniß für die Neuerungen, die Kaiserin- Mutter, gewaltsam aus Peking zu entfernen. Man-shih-kai, der wohl scharfsichtig genug war, um die Un durchführbarkeit der überstürzten Reformen zu erkennen, ver- rieth den Plan und führte dadurch den Staatsstreich herbei. Sein Verrath trug ihm Ehren und Beförderung ein, noch heute ist er pk»rsvvn bei den augenblicklichen Machthabern. Wie man sieht, hat der neue Gouverneur von Schantung sich schon wiederholt in schwierigen Verhältnissen zurecht zu finden verstanden; er besitzt Erfahrung im Verkehr mit Fremden und mehr rücksichtslose Energie, wie sonst bei Chinesen zu finden ist. E» ist daber zu hoffen, daß eS ihm gelingen wird, den Frieden in der Bevölkerung Shantungs wieder herzustellen und zu er halten, damit die wirthschaftliche Erschließung unbehindert fort schreiten kann. Der Lrieg in Südafrika. -p. Unser« Annahme, daß eS im Oranjefreistaat in der Nähe von ROotzsnSran-, östlich von Jacob-dal, auf dem Wege nach Bloemfontein, nicht ein Treffen, sondern ein» Schlacht gegeben hat, bei welcher die Engländer eine Niederlage erlitten, wird durch unker« im gestrigen Abendblatt mitgetbeilte Depesche be stätigt. Die Verlust« der Engländer müssen, wenn auch die zuerst telrgraphirten Zahlen noch rectificirt werden sollten, ganz bedeutende, namentlich an Officieren ganz «norme gewesen seien. Robert- Plan scheint vollständig gescheitert und sein Vormarsch gänzlich in- Stocken geratben. E« ist nicht so leicht, nach Bloemfontein zu kommen, w«un man auf sandigen Wegen bei glühender Hitze, auf wasserlosem Terrain Reiterschwadronen zu seinen Operationen nöthig hat, wenn man in den Flanken von zwei von der Nordgrenze der Capcolonie kommenden boerischen CorpS bedrängt wird und endlich, wenn man vor sich einen zu verzweifeltem Widerstand bereiten, durch recht zeitig berangezogene Verstärkungen ebenbürtigen Feind findet. Roberts gesammte Streitmacht soll, so weit sie nicht zur Deckung seiner RückzugSlinien benöthigt war, im Feuer gestanden haben, was zur Folge hatte, daß die nach Kimberley gesandten Entsatztruppen zum größten Theil zurllckgenommen werden mußten. Die Folge hiervon wieder war, daß Vie Boeren, welche sich von der Diamantenstadt nur seitwärts gezogen hatten, ihre alten Stellungen wieder ein nahmen und den Belagerungsring um die Stadt wieder schlossen. So muß man wenigstens nach den vorliegenden Privatmeldungen, deren Richtigkeit voraus gesetzt, die Situation zeichnen. General Macdonald ist in den Kämpfen bei Paarde- berg, welche denen bei Koodoosrand voraufgingen, schwer verwundet worden. Macdonald, der vom Volke „L^üting (Haudegen) genannt wird, ist der populärste General der schottischen Hochländer. Er ist der Nachfolger de- bei Magersfontein gefallenen Generals Wanchope, nach dessen Tode Macdonald auS Indien nach Südafrika beordert wurde. Höchst verdächtig ist, daß das KriegSamt in London keine Nachrichten herauSgiebt. Selbst die englischen Blätter ahnen nicht- Gute-, und geben zu, daß Robert» unter äußerst schwierigen Umständen kämpft. Man darf darauf gespannt sein, was derselbe nun thun wird, nachdem der erste Versuch, die Boeren zu umgehen, zu umzingeln und in die Pfanne zu hauen, kläglich mißlungen scheint. Ein weiteres Vordringen dürfte für den Augenblick unmöglich sein, vielmebr wird Roberts wohl wieder aus Jacob-dal zurückgehen müssen, um seinen schwer mitgenommenen Truppen, namentlich der Cavallerie mit ihren erschöpften Rserden, am Modderfluffe Erholung zu gönnen. Vielleicht wagt er überhaupt keinen zweiten Vorstoß, da er sich auch im Rücken bedroht sieht, denn von der Spytfonteinhöhe bis hinauf nach Kimberley ist die Gegend nicht „boerenrein" und auch südlich vom Modder- und Rietfluß schwärmen Freicorps auS Griqualand und macken die Bahnverbindung unsicher. Freilich, ein endgiltiges Urtheil wird erst möglich sein, wenn auSführlickere Nachrichten eingetroffen sind. Vorerst ist man nur auf Eombinationen angewiesen. Ein Meisterstück war das rechtzeitige Eintreffen eines boerischen Hilfscorps von ColeSberg her. Allerdings wird dadurch die Offensive Schoemann'S bei Naauwpoort gehemmt, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ist Roberts aus den Modder und Riet endgiltig zurückgeworfen, so wird eS nur weniger Tage bedürfen, um die beiden FreistaatcorpS wieder nach Arundel zu führen. Dann aber thut Eile Noth, um endlich sich de AarS zu versichern. Von Buller sind authentische Nachrichten noch nicht eingetroffen, man weiß also auch nock nicht, ob die Boeren sich thatsächlich von Ladysmith zurückgezogen und die Belagerung ausgegeben haben. Nur das scheint sicher zu sein, daß die Generäle Sckalk Burger, Lukas Meyer nnd Botha mit starken Com- mandoS zur Verstärkung Cronje'S abgegangen und zum Theil bereit- westlich von Bloemfontein eingetroffen sind. Bloemfontein ist nach Professor Bryce (Impressions of South Asrica, Macmillan L Cie.) die einzige Ortschaft im Oranje-Freistaat, die Anspruch darauf erbeben kann, eine Stadt zu sein. Sie ist Sitz der Regierung und liegt an der großen Eisen bahnlinie von Capstadt nach Pretoria, 750 englische Meilen von der ersteren und 290 von der letzteren Stadt. In Deutschland würde man eS ein „freund liches Städtchen" nennen, eine nette, frohmüthige Ort schaft mit 3300 weißen und 2500 schwarzen Ein wohnern. Sie liegt unter einer felsigen Kopie eingenistet und schaut nach Süden und Osten auf endlose Ebenen au». Die Luft ist trocken und erfrischend und soll für Lungenleidende besonder- gesund sein. Bloemfontein ist nicht nur eine der kleinsten, es ist anch eine der nettesten und in seiner be scheidenen Art eine der besteingerichteten Hauptstädte der Welt. Es hat ein ursprünglich von der britischen Re gierung gebautes kleine- Fort, mit zwei Maximgeschützen (da- Buck ist 1896 geschrieben), ein Zeughaus, ein GotteSbauS der Episkopalkirche und eine römisch- katholische Kathedrale, sowie holländisch-reformirte Kirchen, öffentliche Anstalten aller Art, einen geräumigen Marktplatz mit einem Club und gutem Gasthof, breite, reinlich gehaltene Straßen, Gärten mit Bäumen bepflanz», die jetzt so groß sind, daß der ganze Ort im Grünen zu liegen scheint. Auch besitzt Bloemfontein ein Nationalmuseum, ein stattliches Ge bäude für die gesetzgebende Versammlung, dessen Haupträum lichkeit gerade so geschmackvoll, hell und gut eingerichtet ist, wie in irgend einer britischen Colonie oder in einem ameri kanischen Staat. Neber die Eitllatian vor »er Schlacht »ei »OallaaSran» schreibt unS unser Londoner Correspondent unterm 2l. Februar: Am Tugela-, Modder- und Orangefluß lichtet sich der Himmel für die Engländer, wenn eS nicht nur rin Wetterscheinen ist, hinter welchem sich bereit» von Neuem die drohenden KriegSwolken zusammenballen, welche bi» dahin stet» in rin unhrilbringende» Gewitter über die britischen Heere anSbrachen. Wären nicht all die bösen Erinnerungen der letzten vier Monate mit all ihren vernichteten kühne» Hoffnungen nnd den immer wiedrrkehrenden Enttäuschungen, man könnte fast glauben, da» Schicksal habe sich zu Gunsten der bi» dahin viel geprüften und tiefgedemüthigten Eng länder gewandt. Am Tugela hat Buller seine Streitkräfte wieder zu sammengerafft und nach fünftägigem Artilleriekamvfe von Neuem in einem bald Front-, halb Flanken-Anariff gegen di« Befestigungen de« Feinde-, dir-mal zwischen Colenso und Hlangwane, geführt. Sein Gegner hat, genau wie bei dem ersten Ansturm Buller'», Colenso und die Vorhügel des Hlangwane, wie e» scheint sogar den westlichen Theil des Letzteren selbst geräumt und sich auf seine be festigten Stellungen auf und nm GroblerSkloof, den AnAriss ruhig erwartend, zurückgezogen. Die beiderseitigen Stel lungen sind fast genau dieselben, wie damals, nur daß Buller nicht auf beiden Seiten des OrteS Colenso vorzugehen scheint, sondern diesmal sich mit der ganzen concentrirten Macht seiner Truppen auf eine kleine Oeffnung in den feind lichen Stellungen wirft, welche sein Widersacher selbst ihm eigener Angabe nach freiwillig dargeboten. Gerade das ist ver dächtig. Noch verdächtiger klingt die eigene Bemerkung Buller's, er habe genügend Truppen zum Schutze seiner linken Flanke im Westen nächst Colenso und im Süden zurückgelassen. Dort also glaubt er einen Angriff auf jener Seite der Bahn Estcourt-Frere stehenden oder gestandenen CommandoS be fürchten zu müssen. Das siebt fast auS, als mache er allen Ernstes einen neuen verzweifelten DurcbbruchSversuch gegen und zum Entsätze von Ladysmith und habe nicht nur die Aufgabe, die am Tugela stehenden feindlichen Streitkräfte dort festzuhalten und von der Vereinigung mit Cronje abzu leiten. Zum Theil wäre das ja auch zu spät, wenn die Meldungen sich bcstäligen, daß sämmtliche Freistaatler und viele Boeren, im Ganzen mindestens über 10 000 Mann, bereits vergangene Woche, wenn nickt schon vor 14 Tagen während oder gleich nach den Kämpfen am Spion-kop nach Oranjesluß und Modder gezogen wären. So günstig sich aus den ersten oberflächlichen Blick diese neueste Operation Bnller's aber auch anläßt, und soweit besser diesmal ihre Chancen sein würden, wenn die Streitkräfte der Boeren wirklich so, wie behauptet, geschwächt wäre», so wenig kann bis zur Stunde von einem entscheidenden Erfolge die Rede sein. Joubert's Avantgarde war fast überall bereits abgezogen unv außer Sicht, ehe die Engländer in Len Stellungen eintrafen, von denen sie nicht einmal angeben, wann sie thatsächlich ge räumt wurden. An der Modder ist die Lage eine sehr ähnliche. Ofsiciell wissen wir nichts Neues, Priratdepeschen lasse» Lord Roberts selbst zu Kelly-Kenny und Kitchener stoßen und 48 lcm östlich von der Modderstation, d. h. ein Drittel Wegs auf der Straße nach Bloemfontein bei Paardeberg stehen, von wo aus der Feldmarschall selbst gestern seine letzte Depesche datirte. Leider sagt er nicht, ob er sich lediglich auf der gleichnamigen Farm diesseits dcS PaardebergS befand, oder ob er diesen, welcher angeblich von PrinSloo stark be festigt war, genommen. Wäre letzteres geschehen, so hätten wir indeß offenbar davon gehört, selbst wenn der Paardeberg nicht mit Artillerie besetzt gewesen wäre, denn er beherrscht weithin die Straße nach Bloemfontein nicht nur, sondern auch diejenige nach BoShof und Kimberley. Daß Roberts kein Wort der Erklärung dem Kriegsministerium gesandt haben sollte, dafür, daß er nacheinander die 6., 7., 9. und schließlich auch noch dicHochländer-Brigade Kelly-Kenny und dann Kitchener zu Hilfe gesandt, ist fast unglaublich, und so dürften die wichtigsten Mittheilungen einfach wieder zurückgehalten sein. Jedenfalls müssen ernste Dinge am Paardeberg vor sich gehen, denn wozu sonst die fortwährenden Verstärkungen und das Abgehrn de» Obercommandirenden selbst nack diesem Pnncle in einem Augenblicke, wo er selbst behauptet, nicht einmal zu wissen, wo die eigentlichen Streitkräfte des Feinde- sich befanden. Von General French fehlt jede zuverlässige resp. endgiltig bestätigte Nachricht, seitdem er dringend um Verstärkungen gebeten, die ihm unter Lord Methuen gesandt wurden. Um die Verwirrung vollständig zu machen, lassen zwei sich einander folgende osfieiöse Mittheilungen Lord Methuen nur nach Kimberley gehen „um dieses zu schützen" und French von Roberts zurückberufen und gleichfalls nach Paardeberg gesandt werden. Eine dritte gleichfalls indirekt aus Regierungsbureaus kommende Nachricht schickt ihrerseits Lord Methuen anstatt nach Kimberley, gleichfalls zu Kitchener nnd Roberts. In letzterem Falle würde also das gesammte englische Heer bei Paardeberg stehen, im ersteren lediglich einige Tausend Mann desselben zum Schutze Kimberleys detachirt sein. Was ans Kimberley geworden, erfahren wir nicht, es sei denn, daß Cecil RhodeS in vorzüglicher Stimmung ist. Sicher scheint, daß von Ladysmith wie von ColeSberg herauf bedeutende Verstärkungen der Foderirten, ehe Robert» da ahnte, zu PrinSloo gestoßen und Kelly Kenny'» 6. und die ibm zu Hilfe gesandte 9. Division so bedrängt haben, daß Robert- gezwungen war, alle seine Truppen ihnen schleunigst entgegen zu werfen. Auch hier kann von einem endgiltigen Erfolge nicht die Rede sein. Spenser Wulkinson, der competenteste der englischer Kritiker, sieht die Lage folgendermaßen an: „Buller meldet, nur eine schwache Nachhut der Boeren halte die Gegend zwischen ihm und Ladysmith. Er braucht also nur vorzugehen, und seine Vereinigung mit Sir George White zu vollziehen. Aber das bedeutet, daß die Boeren ihre Hauptstreitmacht gegen Robert» zu Hilfe gesandt haben, Buller hat jetzt nur schnell vorzudringen, seine Vereinigung mit White zu vollziehen, gegen Leing» Nek vorzudringen, oder zwei Divisionen Roberts zu Hilfe zu senden, wahrend er zwei in Natal zurückhalt, um diesen Wmkel reinzufegeu. Da» GravitationScentrum aber ist nach dem Hauptquartier Lord Robert-' verlegt und dort sollen alle britischen Streitkräfte schleunigst vereinigt werden. Lord Robert-'Telegramm beweist, daß seine Hauptcorp- sich auf dem directen Wege nach Bloemfontein befinden, aber deshalb braucht di« 7. und 9. Division nicht auch schon bei Paardeberg zu stehen. Eine oder beide können über die Modder geworfen sein, um an dem Angriffe auf Cronje tbeilzuoehmr», oder beide nördlich vorrücken, um dessen Rückzug abzuschnerdrn In dessen find da« Hauptboerenheer von Natal nnd die Mehrzahl der Boereneommaado» vom Orange fluss« in schleunigem Anmarscke auf da- neue Action«centrum. E« ist zu hoffen, daß Cronje'S Wider stand gebrochen werden kann, «be diese «uea Streitkräfte ! auf dem Kampfplatze erscheinen. Geschieht da» nicht, so dürst«
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