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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010502011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901050201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901050201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-02
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Amlsötatk des königlichen Land- «nd Ämtsgenchtes Leipzig, -es Mathes «nd Molizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. 2A. Donnerstag den 2. Mai 1901. Anzeige« «Prel- die 6gespaltene Petitzeile 85 F. Reklamen unter dem Redaction-strich (4 palten) 7K vor den FamMrnnack» richten (v gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen u»d Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gesalzt), nur mit t er Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderu:^ ./t 60.—, mit Postbefärderuug >l 7V—. Aanahmtschluß für Auzei-en: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de« Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Vrprditton zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck usd Verlag von E. Holz in Leipzig. 85. Jahrgang. Sicherheit-Vorschriften bei -er Errichtung von Fabriken. 2s E» war vorherzusehen, daß die Katastrophe von Gries» heim einem Theile der Presse erwünscht« Gelegenheit geben würde, nach neuen Polizeioorschriften für oi« Errichtung von industriellen Anlagen zu rufen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob er überhaupt gestattet sein solle, Fabriken, die in irgend einer Weise mit gefährlichen, entzündbaren Stoffen zu thun haben, in der Nähe bewohnbarer Ortschaften zu errichten. Es wird an die alten Bestimmungen für Errichtung von Pulverfabriken er innert, die man von jeher weit auf einsamen Feldern isolirt hätte. Aehnliche Bestimmungen müßten heute für einen großen Theil aller industriellen Anlagen Platz greifen, di« in irgend einer ''Neise di« Sicherheit bewohnter Ortschaften gefährden könnten. * Wir sind der Meinung, daß gerade die Katastrophe von nm abermals zeigt, wie vorsichtig di« Staatsbehörden in «imigung zum Bau und Betriebe feuergefährlicher Fabrik- ein müssen. Es muß unbedingt verlangt werden, daß hier von Sicherheit geschaffen werde, das die Möglichkeit 'astrophen auf ihren Heers zu beschränken, um nicht entfernter gelegen« Ortschaften in 'Gefahr zu bringen, en wiH aber dabei gewöhnlich zweierlei. Einmal schon weitgehende Vollmachten für die Behörden, die dustriell«! Etablissements fast aller Art zu versagen. Gewerbe-Ordnung bestimmt, daß zur Errichtung welche durch die örtliche Lage oder oie Beschaffen- ciebsstätte für Besitzer oder Bewohner der benach- idstücke oder für das Publicum überhaupt erhebliche Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, oliche Genehmigung versagt werden kann. Zu solchen .>, deren Genehmigung ver'agt werden kann, gehören nicht Pulver- und Sprengstofsfabriken, sondern, wenn man näher ceht, eigentlich industrielle Anlagen aller 2srt. Die Gewerbe- rdnung stellt ein langes Verzeichniß solcher Fabriken auf. Durch reichsgesetzliche Bekanntmachung ist dieses Verzeichniß seit Inkrafttreten d«r Getverbe-Oidnung derart erweitert, daß heute kaum eine Fabrik davon verschont wird. Wer mit der Praxis, die bei der Genehmigung industrieller Neuanlagen gehandhabt wird, einigermaßen Bescheid weis,, wird zugeben muffen, daß über jeder industriellen Nrugründang die polizeilich Genehmigung wie das Schwert des Damoklrs hängt. Daan-, r-'.k.- .sstHisrarhes un mancher Ackionär neuzegriin deter Gesellsch ,t«n zu erzählen. Es kommt bei der Genehmigung nun aber nicht'allein auf die Feuergefährlichkeit, auf die mögliche Belästigung des Publicums an, sondern auch noch auf allerhand andere Dinge. Dem Anträge auf die Genehmigung, so heißt es im 8 17 der Gewerbe-Ordnung, muffen di« zur Erläuterung er forderlichen Zeichnungen und Beschreibungen beigefügt werden. Ist gegen die Vollständigkeit dieser Vorlagen irgend etwas zu er innern, so bann die Ertheilung der Genehmigung jahrelang hin bezogen werden. Es sind Fälle bekannt geworden, wo ein klein staatlicher Minister die Errichtung einer Sprengstofsfabrik ge nehmigt hatte und der Dau vollendet war, und wo doch schließlich die Inbetriebsetzung der Fabrik mit Erfolg verhindert werden konnte. Millionen Capital gingen auf diese Art verloren, obgleich für die Sicherheit deS Publicums in jeder Weise gesorgt war. An der Möglichkeit also, feuergefährliche oder auch andere mißliebige industrielle Anlagen behördlicherseits nicht zu ge nehmigen, fehlt es heute wahrlich nicht. Schließlich können auch von privat«! Seite der Errichtung industrieller Etablissements soviel Schwierigkeiten bereitet werden, daß davon Abstand ge nommen werden muß. Einwendungen auf Grund besonderer privatrechtkicher Titel lasten 'sich leicht finden und werden, wie die Praxis zeigt, auch weidlich gemacht und ausgenuht. Ist aber einmal die Anlage einer Fabrik genehmigt, so bestehen ebenfalls die strengsten Vorschriften, daß in derselben nichts Anderes be trieben werden darf, als was in der Genehmigungsurkunde an gegeben ist. Die Behörden sind also in jedem Falle ganz genau unterrichtet, wo Schwefelsäure, Pikrinsäure, Sprengstoff, Papier, Zucker oder Baumwollgarn hergestellt wird. Der andere Umstand, der von Denjenigen, die bei jedem Un glücksfall« nach neuen Polizeioorschriften rust^r, übersehen wird, liegt in der Unzulänglichkeit polizeilicher Unfallverhütungsvor- schrtften überhaupt. Was in Griesheim passirt ist, könnt« in tausend anderen Fabriken Deutschands ebenso gut passirt sein. Unter Umständen hätte schon di« Explosion einer Dampfkeffel- anlage Unglück anrichten können. Auf diese Art müßte man schließlich dahin kommen, in der Nähe bewohnter Onschaften keine Dampfmaschinen zu dulden. Außerdem werden bei solchen Unglücksfällen erfahrungsgemäß in erster Reihe nur immer die in ver Fabrik beschäftigten Ingenieure und Arbeiter betroffen. Wie man diese durch polizeiliche oder andere behördliche Vor schriften vor allen Eventualitäten schützen will, ist kaum erfind lich. Zum Schutze der Beamten und Arbeiter Innerhalb der Fabrikbetriebe geschieht außerordentlich viel; in Deutschland mehr als in anderen Ländern. Wie weit solche Schutzmaßregeln aus- zudehnrn sein werden oder ausgedehnt werden können, läßt sich an der Hand der Erfahrung bei Unglücksfällen niemals sagen. Erfolgt irgendwo ein« Explosion, so ist gewöhnlich die Zerstörung so groß, daß nachher Niemand sagen kann, wodurch das Unglück entstanden ist. Ost weiß man nicht einmal die Stelle zu bezeich nen, an 'der die Explosion erfolgt ist. In dem vorliegenden Falle haben wir es wieder einmal mit einer Reaction der Naturkräfte gegen die Versuch« ihrer Beherrschung durch den Menschcngeist zu thun. Die Technik wird und muß Mittel finden, die Zahl solcher Reaktionen zu vermindern. Poli zeivorschriften sind im Allgemeinen dazu nicht in der Lage. Wenige Kilometer von Griesheim entfernt, ereignet« sich im ver gangenen Herbst das Eisenbahnunglück bei Offenbach, das in seiner Plötzlichkeit und in seinen Folgen einen mindestens ebenso schrecklichen Verlauf nahm. Und der Staat ist doch am ehesten in der Lage, für seine Betriebe die größtmögliche Sicher heit zu schaffen. Aber auch er und seine Organe sind ohnmächtig, wenn nicht jeder einzelne Arbeiter nach Kräften be müht ist, der Entstehung und dem Umsichgreifen einer Kata strophe entgegenzuwirken. Und gerade die Achtlosigkeit und der Leichtsinn von Arbeitern tragen gar oft die Hauptschuld daran, daß irgend ein in seinen Folgen unübersehbarer Mangel einer maschinellen Einrichtung, irgend ein Symptom, daß den Eintritt einer Katastrophe im Voraus erkennen läßt, unbeackitet bleibt. Die Unfallstatistik weist überzeugend nach, daß in Fabriken oie Achtsamkeit der Arbeiter viel mehr zu wünschen übrig läßt, ars xr gute Wille der Fabrikbesitzer und Leiter, Vorketzrungin gegen Unfälle zu kreisen. nsso vaiastiophen wie der Gries.reimer vorzubengen, sollte ü. erster Linie das Pflicbtbewußisein der Arbeiter zu heben suchen. Be sonders gilt dies von der socialdemokratischen Presse, die doch emen sehr erheblichen Einfluß auf die Arbeiterwelt hat. Leider aber benützt gerade diese Presse solche Vorkommnisse zur Verhetzung der Massen gegen die „ausbeuterischen Industriellen" und trägt dadurch nur dazu bei, daß viele „Genossen" in ihrem Hasse gegen Vie „Ausbeuter" deren Vorschriften mißachten und dadurch die mit jedem maschinellen Betriebe verbundenen Ge fahren vergrößern. Der Krieg in Südafrika. Der Rücktritt Str Alfrev Milner's von seinem Posten als General-Gouverneur der beiden neuen „Colonien", des Transvaals und des Freistaates, bildete am Montag in den Wandelgängen des englischen Parlamentes wieder einmal den Gegenstand lebhaftester Erörterungen, und es wurde denn auch, wie schon telegraphisch gemeldet, mit größter Be stinrmtheit behauptet, daß aus dem einstweilen bewilligten Urlaub sehr bald eine officielle Demission werden 'würde, zumal es mit der Gesundheit Milner's thatsächlich zur Zeit sehr schlecht bestellt sein soll. Es wurden aber auch einig« Stimmen laut, die unver hohlen die Ueberzeugung aussprachen, die auch in den breiten Massen des Volkes immer mehr Boden gewinnt, nämlich, daß es sich bei dem wahrscheinlich bevorstehenden Rücktritte des Gen«- ral-Gouverneurs in der Hauptsache um die so außerordentlich erschütterte Gesundheit des britischen Staatssäckels handele, dessen Zustand es nicht mehr, wi« bisher, zulaffe, daß ein Mann dir weiteren Geschicke Südafrikas zu leiten berufen sein soll, der nach oder mit Rhodes und Chamberlain der bestgehaßte Mensch nicht nur bei den Boeren, sondern auch bei der ganzen loyalen holländischen Bevölkerung der Colo-ni« und der Boerenstaat«n ist. Die ministeriellen Kreise verhielten sich allen Anzapfungen gegenüber durchaus reservirt, beinahe z u reservirt, um nicht der Ansicht verschiedener Parlamentarier bezüglich des erwarteten Rücktrittes erst recht Nahrung zu geben. Sogar der Nachfolger in dem schwierigen Amte Milner's soll bereits gefunden sein, und zwar in der Person des vielgepriesenen jungen Staatsmannes, der heute noch als Vicekön-ig von Indien di« größte britisch« Colonie beherrscht. Lord Curzon wird ganz offen als Mil ner's Nachfolger genannt, und diese Nachfolgerschaft findet in London ungemein viel Glauben und Beifall, zumal Lord Curzon durchaus nicht der ausgesprochene Jingo sein soll, wie es Sir Alfred Miln«r unzweifelhaft ist. Curzon wird außerdem ein« bedeutend größere Unparteilichkeit und Gerechtigkeitsliebe nach gerühmt. Ganz abgesehen davon, daß er als Staatsmann und als Mensch in höherer Achtung steht, als der bisherige Statt halter des Herrn Chamberlain in Südafrika, was wohl schon daraus hervorgeht, daß Curzon auch als Vicekönig von Indien wiederholt Veranlassung zu lebhaften Reibereien mit dem bri tischen Colonialminister gefunden und genommen hat. Jeden falls läßt sich mit ziemlicher Sicherheit annehrnen, daß die Tage der Diktatur Milner's in Südafrika und speciell im Transvaal und im Freistaate gezählt sind, und diese Ueberzeugung bricht sich hier in London in eingeweihten Kreisen mit jedem Tage mehr Bahn. Gcneralcomman-ant Louis voth« soll sich jetzt in oder bei Jrmelo im östlichen Transvaal befinden, -wo er mit 2000 Mann die Bewegungen einer englischen Colonne unter dem Brigadier Dartnell beobachtet. Ueber Christian De Wet'S Aufenthalt ist seit beinahe drei Wochen nichts Genaues bekannt geworden, und von den verschiedenen ihn betreffenden vagen Mel dungen englischer Korrespondenten ist bis heute kein« einzige be stätigt worden. Auch Kitchener wußte letzthin und bis zur Stunde nichts über Botha und De Wet zu berichten. Die neueste G^^keit, welche die englische Regierung in Behandlung der Boeren au-findig gemacht hat, besteht in dec Entsendung von ungefähr 1000 Kriegsgefangenen nach Ahmednagar in dem District von Bombay in Vorderindien, wo die Boeren in Wellblechhlltten zu sammengepfercht werden sollen. Der genannte Ort ist nach der Beschreibung einer Bombayer Zeitung durchaus unge sund und für längeren Aufenthalt geradezu lebensgefährlich, und englische Truppen, die dort stationirt gewesen sind, haben geradezu fürchterlich gelitten. Der Kriegsminister wurde gestern Abend im Parlament von einem liberalen Abgeordneten wegen dieser unglaublichen Angelegenheit befragt, gab aber nur die hoch- mllthige Antwort, daß, wenn britische Truppen in Ahmednagar hätten aushalten können, jetzt auch kriegsgefangene Boeren dort Aufenthalt nehmen dürften. In verschiedenen Morgenblättern wird Mr. Brodrick dieserhalb aufs Schärfste angegriffen. * London, k. Mai. (Telegramm.) Bor der Prüfung?, commission für Entschädigungsansprüche der au» Süd« nfrika anSgewiesenrn Personen vertrat gestern im Auftrage der deutschen Regierung Sieveking und im Auftrage der öfter» reichisch-ungarischen Regierung Stockinger die Ansprüche der be treffenden Staatsangehörigen. Eine lebhafte Erörterung entspann sich über die Frage, in wieweit sich die Commission mit dem den fremden Regierungen übergebenen Material begnügen, und inwieweit sie mündlicher Vernehmungen bedürfen würde. Die drei Bevollmächtigten Bischop, Sieveking und Stockinger erklärten, sie würden zu diesem Puncte die Instructionen ihrer Regierungen ein ¬ holen, weil sie davon überzeugt seien, daß dir Regierungen e» ab- lehnen würden, den Zeugen die Au-lagrn für eine Reise nach England zu erstatten, und legten nahe, daß die britische Re gierung diese Auslagen übernehme. Die Commission vernahm dann fünf Zeugen aus Holland. Der holländische Bevollmächtigte erklärte zuvor, er habe dir Anweisung, nicht über eine Berechtigung der Reclamanten zu sprechen, da diese Frage zwischen den Regierungen auf diplomatischem Wege erledigt werden müsse. Seine Regierung gebe zu, daß das Militär das Recht habe, aus militärischen Rück- sichten Personen zu deportiren, er hoffe aber, daß dir betreffenden Leute Entschädigungen erhalten würden, namentlich mit Rücksicht auf die Art und Weise, wie die Ausweisungen durchgefübrt worden seien. Die Wirren in Lhiua. * Loudon, 1. Mai. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Peking unter dem 29. April: Die Arbeiten, diedrnSchutz des Gesandtschaftsviertels bezwecken, schreiten schnell vorwärts. Die deutschen Casernen sind fertiggestellt. Eine sechs Fuß dicke, mit Schießscharten versehene Mauer bildet die westliche Grenze der neuen amerikanischen Gesandtschaft und beherrscht den Haupt eingang zum Kaiserpalast. * Londou, I. Mai. (Telegramm.) Die „Times" berichten aus Peking unter dem 29. April: Das au» den Gesandten Eng» landS, Frankreichs, Deutschlands und Japan» gebildete Unter- comitk wird am Mittwoch einen Bericht über die Finanzlage China» mit Rücksicht auf die Zahlung der Entschädigung», summe vorlegen. Die Summe beläuft sich bereits auf 65 Mill. Pfund Sterling. Um sie aufzubringen, wird sich China gezwungen sehen, eiae Anleihe von mindestens 85 Millionen Pfund Sterling aufzuurbmen, die zum Tbeil der Provinz Tschili, hauptsächlich aber nur den Provinzen im Süden, denen des Nangtseegebietes, zur Last falrn wirv. * New 7)ort, 1. Mai 'Telegramm) Da« Blatt „The Christian Herolü" hat üch telegrophi'ch an den Feldn^rschall Graf ÄVYerl»» mit d-r Bitte um *>'e Erl"''*-,'-!', ^.'.rb-n^mi't l na/4 Schansi sende» zu dürfen, gewandt. Kampf »er russische» und javanischen tttnffüffs um den Thronerben in Korea Aus Tokio, 27. März, schreibt man uns: In Korea, dem ostasiatischen Bulgarien, gilbt es wieder, ganz nahe bei der Hauptstadt, bewaffnete Erhebungen, die vielleicht weittragende Folgen haben werben. Es sind augew scheinlich Machtkämpfe -wischen der großen Famillenverbindung Min, zu der auch die von den Japanern 1895 so grausam er mordete Königin von Korea gehörte, und ihren zahlreichen Gegnern, die jetzt im Palaste die einflußreichsten Hofdamen auf ihrer Seite haben. Der Preis des Kampfes ist die Thronfolge. Der nach europäischen Begriffen allein legi time Thronerbe ist der einzige Sohn der ermordeten Königin. Er ist aber schwachsinnig, und da Korea eine absolute Regierung hat, erfordert das Staatswohl, daß der Monarch, wozu er nach Herkommen berechtigt ist, seinen einzigen vollbürtigen Sohn über geht und einen Sohn einer seiner Nebenfrauen, die in Korea eben falls königliche Prinzen sind, als Thronfolger bestimmt. Dem wider setzten sich die Min und ihr Anhang, und da sie am Hof« des wilknsschwachen Herrschers nicht viel vermögen und China, ihre alte Zuflucht, augenblicklich nicht actionsfähig ist, so suchen sie Hilfe bei Rußland, dem sie wach dem Siege ihrer Partei gern die Inseln abtreten würden, die an der Südküst« Koreas von strategischem Werthe sind. Die Japaner haben um so mehr Interesse daran, daß der jüngere Königssohn, ein aufg« schossener junger Mann von intelligentem Aussehen, der vor 6 Jahren in Japan weilte und sehr ausgezeichnet wurde, zur Nachfolge berufen wird. In der Garnison der Haupt» Feuilleton. „Meine Äelteüe." Novellette von A. Godin-München. A-chdn»ck vnbolni. I. In einem Coupä de» Schnellzuges, der von Hamburg nach dem Rhein, von dort weiter nach Pari» fährt, saßen im Herbst deS vorigen JahrrS zwei Passagiere schon seit einer Reih« von Stunden sich gegenüber. Der Zug war an diesem Tag« schwach besetzt; die Beiden blieben, von Bremen auS, ohne weiter« Reise gesellschaft. Solche Gelegenheit, einander kennen zu lernen, war nicht unbenutzt geblieben; der Ton de» Gespräches verrieth sogar eine gewisse Vertraulichkeit. Eben jetzt entnahm der jung« Mann, der rückwärts saß, seiner gediegenen Brieftasche ein« Photo- graphi« und reichte si« der ihm gegenüber sitzenden Dam«, indem er etwa» bewegt sagte: „Sehen Tie, da» ist mein« Mutter!" Sein« treuherzigen Augen folgten dem kleinen Bildniß. Er hatte starke», dunkelblonde» Haar, eine freie Stirn, ein dunkkrrr, leichter Schnurrbart verbarg nicht den blühenden Mund. Seine au» den besten Stoffen gut gearbeitete Kleidung saß etwa» nachlässig, ein Lravattenzipfel, der sich rückwärts au» dem Kragen Fahl, verrieth Gleichgiltigkeit gegen den Spiegel. „Sie alklchen ihr", sagt« tsi« in den sogenannten besten Jahren stehende oehabige Dame, indem sie ihre lebendigen Augen zwischen ihm und dem Bilde hin- und herschweifen ließ. „Wie fteundltch sie auSfieht und wie Nug dabei." „Daß wir unS gleichen, sagt Jeder", entgegnet« rr; „nur war sie weit klüger als ich! Seit ich sie nicht m«hr hab«, fehlt «S an allen Ecken und Süden. Gan» oerloren find' ich mich in unserem Hause mit den vielen leeren Zimmern, so öd' und einsam, wie sich's gar nicht sagen läßt." „Warum heirathen Sie nicht? Eine junge Frau bringt Leben genug ins Hau»!" „Den Rath hat mir schon Mancher gegeben, ich selbst nicht zum Letzten. Wo aber eine Frau hernehnien, dir für mich Paßt? Wissen Sie, alle diese jungen Mädchen von heutzutage sind mir zu prächtig! Und wir kommt man Dazu, sie auch nur kennen zu lernen? Auf der Straße oder in Gesellschaften, deren ich wenige besuche, ist mir noch Keine begegnet, der ich zugetraut hätte, daß ihr ein stilles Leben gefiele, so wie ich's daheim immer gewohnt war. Man müßte sie in ihrem Hause sehen — das ist aber nicht so leicht. Unsere paar alten Hausfreunde haben zufällig keine Töchter, und läßt man sich bei fremden Familien einführen, so wittert all« Welt gleich den Freier. Das paßt mir nicht." Die Dame schwieg und saß eine gute Weile nachdenklich in ihrer Ecke. Auf ihrem frischfarbigen, gescheiten Gesicht stritten sich allerlei Geister der Ernsthaftigkeit wir deS Humor». Die im Schooße ruhenden rundlichen Hande drehten sich lebhaft um einander, ihre Fußspitze klopfte auf und ab, ohne daß sie e» merkte. Nach einer geraumen Paus« hob si« mit einem Ruck den Kopf, beugte sich etwas vor, sah ihvcm Gegenüber gerad« in die Augen und fragte resolut: „We komme ich Ihnen vor?" Der junge Mann sah sie erstaunt an und wiederholt« un sicher: „Wie Sie mir Vorkommen, gnädige Frau?" «Ja, ja, ganz wörtlich! Wir sind nun so und so viele Stunden mit einander gefahren, haben uns so und so Vieles erzählt, Namen getauscht, und so weiter — da bekommt man d«h einen Begriff von einander. Sie zum Beikpiel kommen mir al» ein durch und durch braver, zuverlässiger Mensch vor. Jetzt macht' ich auch wissen, wa» Si« von mir holten." „Nun, gnädige Frau", sagte rr ganz ernsthaft, „würde ich wohl von meinen persönlichen Verhältnissen, von meinen An sichten so frrlmllthig zu Ihnen gesprochen haben, wrnn Sie mir nicht dal größt« Vertrauen eingrflößt hätten durch Ihr« — darf ich es sagen? — durch Ihr« mütterlich« Art, Ihre ontheilsvolle Güte?" „Dann also heraus!" entgegnete sie frisch. „Erscheint Ihnen, was ich Vorschlägen möchte, vielleicht wunderlich, so werden Sie mich doch wenigstens nicht falsch taxiren. Daß ich Wittwe bin und mein Mann mir ein schöne» Weingut hinter lassen Hot, wissen Sie schon; auch, daß ich dr«i Töchter habe. Sehen Sie sich diese Mädchen einmal an. Wir stehen vor der Weinlese; ich lade Sie ein, als Hausgast bei mir einzukehren, Sie haben ja noch 8 bis 14 Tage freie Zeit. Den Mädels werde ich sagen, Sie seien mir empfohlen; daS sind Sie auch durch Ihre beiden ehrlichen Aug«n. Sie bätten da Gelegenheit, zu sehen, wie Töchter eines guten bürgerlichen Hauses sich daheim be tragen. Von Arglist und Schönthueret wissen all« Drei nichts. Mich däucht, mein« Arlteste könnte für Sie passen; sie ist ein großes, frisches Mädel, wirthlich und allezeit guter Dinge. The rese, die Zweite, ist ein bischen still, nicht dazu angethan, ein HauS diel aufzumuntern, auch glaub' ich, sie hat schon so wa» im Kopfe. Unsere Klein« ist noch ein halbes Kind, erst seit Ostern aus dem Institut der englischen Fräulein heimgekommen, ein rechter Sausewind, den man am Schlafittchen erwischen muß, bis sie Stand hält, was Ordentliche» zu thun . . . Natür lich haben si« all« Drei ihr« Schulen durchgemacht, sind nicht dumm, auch nicht ungeschickt, ober doch keine Stadtdämchen von drr Sorte, die Eie fürchten macht. An Freiern fehlt e» nicht, di« Kinder werden auch nicht ohn« Pfennig au» dem Hause gehen, aber gerade de»wrg«n bin ich in Sorgen. — Wrnn Sie sagen, daß e» schwer halt, über jung« Fräulein» Richtige» zu erfahren, so gilt da» noch viel mehr bei Euch jungen Leuten. Di« Kinder haben keinen Vater mehr, da muß die Mutter doppelt bedacht sein. Sie gefallen mir, Herr Holst, und wenn Tie einschlagen, bl^bt mir alle Freiheit, mich nach Ihnen zu erkundigen. Gegen seitige, volle Freiheit ist überhaupt selbstverständlich. Ueberlegen Sie sich jetzt die Sache; wir sind nicht mehr weit von Köln; dort wartet mein Wägelchen auf der Bahn. Reisen Die weiter, so geben wir unS die Hand al» gute Freunde und sagen Ade." Während sie in einem Zuge so hin sprach, hatte Fritz Holst'S Gesicht sich langsam tiefer gefärbt. Seine klaren Augen ver ließen die Sprechend« nicht; indem er zuhört«, ohn« «in« Be wegung zu machen, trat ein neuer Ausdruck in sein sym pathisches Gesicht, etwas Bestimmtes, verständlich Nachdenk liches. Seine Gönnerin lehnte sich, nachdem sie ausgesprochen, ganz gelassen in ihr« Ecke zurück und begegnete zuweilen seinem for schenden Blick, ohne vir geringste Ungeduld über sein andauerndes Schweigen zu verrathen. Ein langanhaltender Pfiff kündete di« Nähe eines größeren Haltepunct«». Der Zug fuhr in die Halle d«S Kölner Bahn hofes ein. Ein leises Lächeln glitt über Fritz Holst'» volle Lippen. Er streckte seiner Reisegefährtin die Rechte entgegen und sagte heiter: „Sehr dankbar nehme ich Ihre freundliche Einladung an, gnädig« Frau. Ich hab« schon immer gewünscht, ein« Weinlese zu sehen." Beide lachten ein wenig. „Si« dürfen mich daheim aber nicht „gnädige Frau" titultren", wehrte Frau Weber ab. „Wir vom Rhein hören un» lieber bei Namen rufen. H. Der Zug hielt. AuS dem Menschengewimmel, da» den Perron füllte, löste sich eine schlanke Gestalt, kam schnell und sicher auf das Paar zu und begrüßte freudig die heiMAekehrte Mutter, ohne d«S jungen Manne» zu achten, der da» Handgepäck au» dem Wagen nahm und dann stehen blieb, bi» Frau Weber sagte: „Ich bring' un» einen HauSgaft mit, Lott«. Herr Fabrik besitzer Holst au» Linden — meine Aeltrste!" „Seien Sie willkommen!" sagt« da» junge Mädchen ohne jedes Erstaunen und bot dem Fremdling di« Hand. Diesem selbst erschien ei merkwürdig, daß er sich ebenso unbefangen fühlt«. Während er Mutter und Tochter folgte, die einem dichten, mit kräftigen Braunen bespannten Waa«n zuschritten, dessen Kutscher mit den Gepäckscheinen «ntsandt wurde, betvachtet« «r di« ihm Zugedachte ungestört. Sie mochte etwa 2L Jahre zählen; ihre elastische, voll entwickelt« Gestalt, reiche», dunkle» Haar, die lebendigen Augen drr Mutter, frische Farben ließen s« das Prävioat eine» ungewöhnlich Hubsehen Mädchen» verdienen. Die Sicherheit, womit sie ihre Mutter und deren Kl«ing«päck bequem einschachtel'.«, die Leichtigkeit, womit sie die unaedul- digen Pferde zum Stehen beschwichtigt», gefiüea Holst ebenso,
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