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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010508027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901050802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901050802
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
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Anzeigen »Preis die ögespaltene Petitzcile 25 Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familtenuach' richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaunahme 25 H (excl. Porto). Extra-tveilagen (gefalzt), nur mit der Morgeu-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60 —, mit Postbeförderuug 70.—. Luuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr- Bet den Filialen und Annahmestellen je eiu« halbe Stunde ftmher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag vou E. Potz tu Leipzig. 233. Mittwoch den 8. Mai 1901. S5. Jahrgang. Die Wirren in China. Deutschland und die KrtegSentschädigungSsrage. Großer diplomatischer Kunst wird es bedürfen, um die Ver- theilung der chinesischen Kriegsentschädigung unter den Mächten zu vereinbaren. Noch schwieriger aber ist es, die Modalitäten zu finden, unter denen China den vereinbarten Entschädigungsbetrag aufzubringcn hat. Nicht etwa, weil China nicht in der Lage wäre, eine größere Kriegsentschädigung zu zahlen. Diese Besorgniß ist durchaus unbegründet. An Ein nahmequellen, die vermehrt oder eröffnet werden könnten, fehl! es dem Reiche der Mitte keineswegs. Aber über die Art der Auf bringung Haden die Mächte zu entscheiden, und da laufen ihre Interessen wieder einmal bedenklich auseinander. Am leichtesten und sichersten könnte die Deckung der chinesischen Kriegs entschädigung durch Erhöhung der chinesischen Seezölle erfolgen. In diesem Sinne haben sich alle Sachverständigen und Landes kundigen ausgesprochen. Auch Graf Bülow hat hervorgehoben, daß das beste und sicherste Object für die Kostentilgunz in den Seezöllen erblickt wird, und daß selbst eine beträchtliche Erhöhung der Seezöllr auch nach Ansicht der Sachverständigen und der europäischen Kaufleute in China ohne ernstliche und dauernd« Schädigung des fremden Handels zu bewerkstelligen ist. Ur sprünglich waren die chinesischen Seezöllc mit 5 Procent vom Werthe der Waare bemessen. In Folge des gesunkenen Silber- werthes und anderer Umstände machen sie heute thatsächlich nur noch 21/2 bis Zi/2 Procent des wirklichen Waarenwerthes aus, während, beiläufig erwähnt, die Engländer in Egypten 8 Procent Zoll vom Waarenwerthe erheben. Nichtsdestoweniger setzt Eng land der vorgeschlagenen Erhöhung der chinesischen Zollsätze ent schiedenen Widerstand entgegen, in der Befürchtung, daß dadurch seine Handelsintrressrn zu sehr geschädigt werden würden. Eng land sei mit drei Vierteln an der chinesischen Einfuhr betheiligt und könne demnach einer Erhöhung der chinesischen Zölle nicht zustrmmen. Bei der Unzulänglichkeit der chinesischen Handels statistik läßt sich nicht genau feststellen, welcher Antheil des chine sischen Außenhandels auf England entfällt. In Wirklichkeit dürfte dieser Antheil höchstens zwei Drittel betragen. Wie dem aber auch sein mag, darüber sind außerhalb der englischen Re gierung alle Interessentenkreise einig, daß ein« mäßige Er höhung der chinesischen Seezöllc den chinesischen Außenhandel nicht ernstlich und dauernd schädigen -wird. Was England in letzter Reihe beabsichtigt, läßt sich ans seinen anderweiten Dvi- 'fchlägrn ersehen. Darnach sollen Steuern auf Stempel, Opium und Gebäude, ferner Abgaben aus Salz und Dschunken und «in Octroi für Peking vereinbart werden. Neue Steuern dieser Art einzuführen, ist in China außerordentlich schwierig und nicht denkbar ohne die Organisation besonderer Verwaltungen nach europäischem Muster, und zwar, was am nächsten liegt, nach dem Vorbilde der chinesischen Seezollverwaltunq. Diese chinesische Serzollverwaltung ist aber im Wesentlichen ein« englische Be hörde, sie zählt unter ihren höheren Beamten mindestens zwei Drittel Engländer, ihr Leiter ist ein Engländer, Sir Robert Hart, ja, China hat versprochen, "die leitende Stelle auch nach dem Abgänge des jetzigen Inhabers wieder mit einem Engländer zu besetzen. Werdrn neue Vcrwaltunzszweige in China organisirt, so hoffen di« Engländer, auch'diese unter ihren maßgebenden Ein fluß zu bringen, wie sie es mit der Seezollverwaltung bereits qethcm haben. Ein deutscher 'Kenner Chinas, Professor vr. Hermann Schumacher, hat es schon früher für nothwendig er klärt, gerade im internationalen Interesse diesem augenschein lichen geheimen Ziel der nicht ganz so uneigennützigen Politik Englands unter der Maske der „offenen Thür" entgegenzuwirken. Das ist insbesondere ar-', die Aufgabe des deutschen Reiches, nach dem di« Deutschen an anderen Rrorgamfationsversuchen Chinas bereits hervorragenden Antheil gehabt und vor Allem in Kiau- tschau gezeigt haben, was sie leisten können. Selbst in der chine sischen Seezollverwaltung sind die Deutschen ungenügend ver treten, nur mit etwa 5 Procent der höheren Beamten, obwohl die Deutschen nach dem Zugeständniß Sir Robert Hart's etwa 20 Procent zu den chinesischen Zolleinnahmen beitragen. In den letzten Jahren sind bei der chinesischen Zollverwaltung Russen und Franzosen auf einen gewissen Druck hin in unverhältnitz- mäßig großer Zahl angestellt worden, obgleich diese beiden Na tionen zu den Zolleinnahmen nur 4 Procent beitragen. Unter allen Umständen hat man deutscherseits die Augen offen zu halten, um bei der Lösung der chinesischen Kriegsentschädigungs frag«, sollt« sie nach englischen Vorschlägen mit einer Organi sation neuer Steuerverwaltungen verbunden fein, nicht allzusehr in den Hintergrund gedrängt zu werden. * Shanghai, 7. Mai. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Die hiesige Handelskammer richtete an die Handelskammern in Berlin, London, Paris und New Z)ork eine Protestkundgebung gegen den Vorschlag der Gesandten in Peking, den Zoll zu erhöhen, da ctn solches Vor gehen gegen die bestehenden Verträge verstoßen würde. * Berlin, 7. Mai. „Wolff s Telegraphisches Bureau" meldet: Gcneralfcldmarschall Graf Walders ec meldet aus Peking vom 6. d. M.: Leutnant von Kummer vom Reiter-Regiment stieß mit einer Patrouille 20 Kilometer westlich von Kalgan bei Ningjuanshing auf feindliche Caval- lerie und griff sie erfolgreich an. Ferner ist die 161 Meter lange Eisenbahnbrücke über den Peitaugho bei Hankau durch zwei Eisenbahn-Compagnien unter Major Gerhard neu gebaut und 14 Tage vor dem Vcrtragstermin fcrtiggestellt worden. (Wdrhlt.) * Tientsin, 7. Mai. („Reuters Bureau".) Gestern früh ist deutsche Infanterie von hier mit der Bahn nach Peitaho abgegangen. Am Mittwoch marschirtc eine Ab teilung englischer Artillerie nach Schanhaikwan ab, wo sie den Sommer über bleiben wird. Die letzten russischen Truppen sind heute nach Port Arthur abgegangen. Zum Bahnhof gaben ihnen die deutschen Truppen und Truppcn-Abthcilungen der übrigen Nationen das Geleite. Ter zur Zeit hier befindliche englische Admiral Seymour reist heute Nachmittag nach Taku ab. * Uokohama, 7. Mai. Es gewinnt der Eindruck an Boden, daß Marquis Ito ein Ministerium unter Ausschluß des jetzigen Finanzministcrs Vicomte Watanabe bilden werde. Der Krieg in Südafrika. „Räumung" des südlichen Transvaal. Aus S t a n d e r t 0 n , 7. Mai, wird berichtet: Vorgestern sind von hier einige britische Colonnen abgegangen, um sich mit der von Platrand aufgebrochenen Colonne zu vereinigen. Während des Marsches unterhielten die Boeren e in stän diges Feuer. Die Platrand-Colonn« erreichte in derselben Nacht Weltevreden, wobei der Feind einigen Widerstand leistete. Am nächsten Tage wurde ein Boeren lager bei Uithyk von Oberst Colville's Colonne aus Heidelberg überrumpelt, wobei drei verwundet« Boeren gefangen und vier Wagen, 13 Pferde und 800 Stück Vieh, sowie Munitionsvorräthe erbeutet wurden. Nebel machte die Verfolgung des Feindes un möglich. Die Colonne setzte sodann ihren Marsch nach Süden zu fort und griff ein anderes Boerenlager ohne Wider stand der Boeren an. Ein Maxim-Nordenfeldt-Geschütz und einige Wagen mit Vorräthen fielen in die Hände der Engländer. Inzwischen ging die Platrand-Colonne gegen den Vaal vor. Am 5. Mai griffen die Boeren energisch die briti schen Aufklärungstruppen an. Es gelang diesen, ihre Stellung zu behaupten. Die Engländer hatten drei Todte und zwei Verwundete. Schließlich wurde der Feind vertrieben. — Nach Boerenmeldungen hat sich das C 0 mmand 0 Britz, 250 Mann stark, dem Commandanten Christian Botha, dessen Truppen an sich 350 Mann und 2 Geschütze zählen, an geschlossen. Das vereinigte Commando steht jetzt östlich von Wetrockfontein. Oberst Cullock hatte gestern eiu Ge fecht mit dieser Colonne; das Ergebniß ist noch unbekannt. «olderzengung; die Ncomanry — überflüssig. * London, 7. Mai. (Unterhaus.) Black richtet folgende Anfrage an die Regierung: Werden, da die Gold- crzeugung in Transvaal wieder begonnen hat, Schritte zur Besteuerung des erzeugten Goldes gethan und welches Vcrhältniß wird die Besteuerung zum erzeugten Gold werth haben? Chamberlain erwidert, die Minen würden der früheren Besteuerung unterworfen werden, bis neue Ein richtungen getroffen seien. Im weiteren Verlaufe der Sitzung thcilte Br 0 drick mit, Kitchencr habe ihn vor einigen Tagen benachrichtigt, daß alle Freiwilligen, die verschiedenen Regimentern bcigcgcbcn seien, jetzt auf dem Wege nach Cap stadt oder nach England eingeschifft seien; er schließe aus der Disposition der Truppen Kitchcncr's, die ihm dieser durch die letzte Post bekannt gegeben habe, daß er die Hoffnung hege, binnen Kurzem der übrigen, dem ursprünglichen Corps des Aeomanry angehörigen cntrathen zu können, da sie nach seinem Dafürhalten der Ruhe bedürfen; aber er (Brodrick) könne das Datum der Außerdicnststellung nicht feststellen. New Aork, 7. Mai. Nach einem Telegramm aus Ber muda vom 1. Mai ist eine Anzahl Boeren mit einem Be- wachungsrcgiment am 29. April nach Bermuda abgegangen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Mai. Mit welchen Hoffnungen das Centrum sich getragen Hai, als es durch seine der Canalcommission des preußischen Abgeordnetenhauses zugehörigen Mitglieder di« neue Canalvorlage in einer Weise behandeln ließ, di« zum Sturze der Herren v. Miquel, v. Ha m merst«in- L oxten und Brefeld führte, geht aus der einzigen Bemerkung hervor, welche die „Köln. Ztg." zu der nunmehr vollzogenen Umbildung des vreutzischen Ministeriums macht. Das rheinische Cen trumsblatt verräth nämlich seine Enttäuschung über die Wahl der neuen Männer durch die Klage, jetzt scheine Herr 0. S ch ö n- st e d t der einzige Katholik im preußischen Ministerium zu bleiben, und Herr Schönstedt, der mit einer Protestantin ver- heirathet sei, lass« feine Kinder protestantisch erziehen. Das hatten sich die klerikalen Herren und ihr Führer vr. L ie be r, der bekanntlich dem Miniskr v. Miquel schon längst den Krieg bis aufs Messer angekündigt hatte, ganz anders gedacht! Zu ver zweifeln brauchen sie freilich nicht. Sie wissen ja, was sie am Grafen Bülow haben, der nunmehr keinen „Nebenchef" mehr hat. Die Thatsache, daß bei der Umbildung des Ministeriums ein Vicepräsident nicht wieder ernannt worden ist, deutet zweifel los auf die Absicht des Ministerpräsidenten hin, der thatsächlich leitende Staatsmann in Preußen zu sein, so weit dies in dem führenden deutschen Staate überhaupt möglich ist. Einigermaßen ausgewogen wurde der hierdurch hervorqerufene 'Eindruck durch Vie Umstände, unter denen der bisherige Bezirtsprästdent in Metz. Frhr. v. Hammerstein, auf den Posten des Ministers dä Innern gelangt zu sein schien. Gestern hieß es, wie erwähnt, fast überall, Graf Bülow hätte den neuen Minister 'des Innern bisher gar nicht gekannt. Air Verwischung des Eindruckes, den diese Meldung machen mußte, ist inzwischen eine Anzahl von Federn in Bewegung gesetzt worden. Ein freisinniges Blatt spricht von einer unbeschränkten Vollmacht, die der Kaiser dem Grafen Bülow zum Zwecke der Um bildung des Ministeriums ertheilt habe; die „Nat.-Ztg." bezeichnet den Freiherrn v. Hammerstein als Jugendfreund des Grafen Bülow; ein anderes Organ rühmt an dem Freiherrn von Hammerstein hervorragende Fähigkeiten und erzählt, daß er schon Ende der 80er Jahre — also während des Minister präsidiums des Fürsten Bismarck! — für einen Ministerposten in Frage gekommen sei. Wer nicht in der Lage ist, die letzteren Angaben auf ihre Richtigkeit zu prüfen, kann sich nicht leicht des Verdachtes erwehren, als hätten sie sammt und sonders die Zweckbestimmung, nicht den Glauben aufkommen zu lassen, daß Freiherr von Hammerstein allein dem Kaiser seine Ernennung verdanke. An sich aber wird es Manchem sehr plau sibel erscheinen, daß die persönlichen Beziehungen, in die der Kaiser während wiederholten Aufenthaltes in den Reichslanden zum Freiherrn von Hammerstein getreten ist, sowie der Erfolg, den Letzterer gegenüber dem elsaß-lothringischen Landesausschufle betreffs der Wiederherstellung der Hohkönigburg erzielt hat, von ausschlaggebender Bedeutung für den Eintritt des Metzer Be zirkspräsidenten in das Staatsministerium waren. Es ist des halb nicht nothwendig, daß gerade Freiherr von Hammerstein den Grafen Bülow verhindert, thatsächlich leitender Minister zu sein. Ist aber die überraschende Ernennung des Freihrrrn von Hammrrstein lediglich ein Werk des Kaisers, dann kann es nicht als übertriebener Pessimismus angesehen werden, wenn der Fortfall des Vicepräsidiums im Staatsministeriums vor der Hand nur als eine Aeußerkichkeit aufgefaßt wird, von der erst abgewartet werden muß, ob sie einen wesenhaften Inhalt erhält. Auf alle Fälle ist der bisherige Bezirkspräsident von Lothringen lein Mann, der sich an Autorität mit Herrn v. Miquel messen könnte und von dem das Centrum befürchten müßte, daß er gleich dem Gehaßten und nunmehr Gestürzten den Grafen Bülow von weiterer Bethätigung seiner ccntrumsfreundlichen Gesinnung abzuhalten vermöchte. In Sachen der Errichtung einer katholischen Aacultät an der Universität zu Straßburg ist unsere Centrumsprrsse recht kleinlaut geworden. Vor Kurzem noch der Hoffnung lebend, daß die Bemühungen des Frhrn. v. Hertling beim Vatican jetzt end lich von Erfolg gekrönt werden würden, geben «die klerikalen Blätter nunmehr ausnahmslos zu, daß an einen derartigen Aus gang der Sache nach wie vor nicht zu denken sei. Wahrend sie aber über den Grund hierfür Stillschweigen beobachten, läßt sich der Pariser .. Temps " aus Straßburg das Nach stehend« berichten: „Nachdem Le 0 XIII. Monseigneur Fritzen (den Bischof von Straßburg) gehört hatte, verhielt er sich gegen über dem Frhrn. v. Hertling sehr reserdirt und hat keine Ent scheidung treffen wollen. Der Bischof von Straßburg hatte dem Papste eindringlich oorgestellt, daß der e l s ä s s i s ch e K le r u s unbedingt darauf bestehe, sein Seminar zu behalten, und jeder Aenderung in dem Erziehungssystem der für den Klerikerberuf bestimmten jungen Leut« Widerstand leiste." — Der elsässische Klerus ist zugegebenermaßen französisch gesinnt und die Quelle seines Widerstandes gegen die Facultät ist die Französelei. Dem Franzosenthum also leistet Leo XIII. einen Dienst, wenn er die Facultätsfrcrg« beharrlich im Sinn« des elsässischen Klerus behandelt. Leo's Lie'be zu Frankrei-^ ist eben« il Ein Engel -er Fmfterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Uebersetzung von A. Brauns. Nachdruck »erbot«». I. „Revelsworth!!" „Sollte das hier folgende Inserat directen Nachkommen von Dudley und Harold Revelsworth, welche Beide England im Jahre 1847 verließen und in den Jahren 1878 und 1881 im Auslande gestorben sein sollen, zu Gesicht kommen, dann ergeht an sie die Aufforderung, sich unverzüglich mit den Herren Rechts anwälten Simpson L Watt — Bureau derselben: Lincolns Jem Fields 46 — in Verbindung zu setzen, die ihnen etwas in ihrem Interesse mitzutheilen haben dürften." Dieser Aufruf fiel Dudley Revelsworth, dem Sohne eines der darin genannten Männer, gleich in die Augen, sowie er an diesem Morgen nur den Fuß in das Redactionszimmer der Lon doner „Morning News" setzte, an welchem Blatte er Mitarbeiter war, und „Pariser Briefe", Plaudereien und Kunstkritiken lieferte. Es war ein bitterkalter Tag in der zweiten Hälfte des März im Jahre 1890. Dudley Revelsworth, eigentlich unempfindlich gegen rauhe Witterungseinflüsse, zog doch auch den Kragen seines fadenscheinigen Ueberziehrrs hoch, als er hinaustrat in die scharfe Ostluft, um über die Seinebrllcke zum zweiten Früh stück nach Hause zu wandern. In der Redaction hatte er nicht Zeit gehabt, die Bekanntmachung in den „Morning News" ein gehend zu erwägen, und doch hatte sie unverkennbar Bezug auf ihn selbst, da „Dudley Revelsworth", der Name seines Vaters, durchaus kein alltäglicher war. Dazu kam noch, daß sein Vater wie auch sein Onkel Harold zu der in dem Aufrufe angegebenen Zeit gestorben waren. Der junge Mann beschloß, die ganze Sache erst einer scharfen Prüfung zu unterziehen, ehe er im häuslichen Kreise etwas davon verlauten lassen wolle. Aus diesem Grunde trat er denn in ein an der Seinebrücke gelegenes Restaurant und bestellte sich sogleich eine Taffe Kaffee mit Milch, faltete das Zeitungsblatt ausein ander und breitete es vor sich auf dem Tische aus. Dann machte er sich, den Kopf auf die Hände gestützt mit ganzer Seele an d-S ^tudireu de» Seine Tasse Kaffee stand bald vor ihm. Die Kellner kannten ihn und ließen „Io grauä ^nglais" nie warten. Obgleich Dudley fünfzehn von seinen siebenundzwanzig Lebensjahren in Frankreich verlebt, obgleich er sich den französischen Sitten ange paßt, die Franzosen als Nation liebte und ihre Sprache mit vollkommener Geläufigkeit sprach, so würde trotzdem Niemand Dudley Revelsworth für einen Franzosen gehalten haben. Er war englisch vom Scheitel bis zur Sohle, englisch in seiner Hellen, frischen Gesichtsfarbe, den breiten Schultern und der hohen, markig gebauten Gestalt, in der tiefen, wohltönenden Stimme, der überlegten, langsamen Sprechweise, den klaren, blauen Augen, dem lockigen, dunkelblonden Haar und Schnurrbart. Englisch auch war er in dem bedächtigen Zaudern, in Zorn zu gerathen, wie auch in der bullenbeißerischen Zähigkeit und dem Muthe bei Streitigkeiten, wenn er sich vom Zorne und Unwillen einmal übermannen ließ, mit einem Worte, in Allem und Jedem war er, körperlich wie geistig, eine gesunde, schöne Species des typischen Engländers. Mit 27 Jahren war er das Haupt des kleinen Hausstandes, war die Stütze und der Leiter desselben bereits seit zehn Jahren, was ihm eine gewisse Würde und weit über seine Jahre hinaus gehenden Ernst verlieh. Mit Enttäuschungen schon zu sehr ver traut, gründete er auch jetzt auf diesen Aufruf kaum große Hoff nungen, trotz des viel versprechenden Vermerks: „dürften ihnen in ihrem Interesse etwas mitzutheilen haben." „Äermuthlich handelt es sich um ein elendes Legat von einem der Manchester Revelsworths", murmelte er für sich. „Victoria und I» ketite werden gleich Luftschlösser bauen. Aber nach dem zu urtheilen, was der arme alte Papa mir von seinen Ver wandten erzählt hat, und der Art, wie sie ihn behandelt, wird eS wohl kaum von Belang sein. Selbstredend muß ich an die hier angegebene Adresse schreiben. Aber nur zu deutlich ist mir noch erinnerlich, wie mein Vater auf seinem Sterbebette mir ge bot, lieber Hunger zu leiden, als mich an einen Träger des Namens Revelsworth um Geldunterstützung zu wenden. Und doch würden ein paar Pfund Sterling gerade jetzt recht gelegen kommen. Dann könnte la kotit« das FrühjahrScostüm, das sie sich so sehr wünscht, auch erhalten." Nun trank er seine Tasse auS, dann verließ er, durch die aro matische Wärme behaglich gegen die Unbill des Wetter- gekräftigt, nach Bezahlung seiner bescheidenen Zeche daS Restaurant und trat den Heimweg an. DaS kleine Logis, in welchem die Penaten deS jungen engli schen Journalisten ihren Sitz aufgeschlagen, lag im vierten Stock einet der hohen Häuser in einer schmutzigen, altmodischen Straße auf der billigeren Seite der Seine. Dudley stieg die braun ge strichene, flachstufige, teppichlose Treppe hinauf, jedesmal zwei Stufen auf einmal nehmend. Vor der Corridorthür blieb er eine Weile stehen, lächelnd einer Stimme lauschend, die drin ein französisches Liedchen trillerte. Es war la ketite, wie gewöhn lich beim Arrangiren des Frühstückstisches singend. „Hoffentlich bringt ihr dieses Zeitungsinserat ein bischen Glück", waren die Gedanken des jungen Mannes, als er sich mit seinem Drücker in die Wohnung einließ. Von dem winzigen Entree trat man ins Speisezimmer, in welches alle übrigen Räume mündeten. Vor einem Tische in der Mitte des Zimmers stand eine sehr kleine Dame mit zierlich frisirtem schwarzem Haar, in das sie kokett eine rothe Anemone gesteckt hatte, gebückt über eine Schüssel mit Salat, beim Zu bereiten desselben vergnügt trällernd. Bei Dudley's Eintreten richtete sie ihr niedliches, pikant, echt Pariser Gesicht, rund und blaß, mit einem Stumpfnäschen, rothen Blumenmund und glänzend schwarzen Augen, mit einem Ausrufe angenehmer Ueberraschung in die Höhe. „6'«gk ckono toi clejL!" rief sie, dem jungen Mann fröhlich entgegeneilend und ihn zärtlich auf jede Wange küssend, mußte aber, um bis zu seinem niedergebeugten Kopfe hinaufreichen zu können, auf die Fußspitzen treten. „Victor und ich hatten Dich nicht so zeitig erwartet", fuhr sie auf französisch fort, „er ist daher noch einmal ausgegangen. Wenn er zurückkommt, will ich Euch Beiden dann eine kleine Beichte ablegen, oukia, eine kleine Geschichte erzählen!. Sie sprach, lachend und erröthend, mit merklicher Nervosität und Hast. Mit der jetzt auf den Wangen kommenden und schwindenden Farbe erschien sie wie 28 Jahre, wennschon in der Ruhe ihr Gesicht ein wenig älter aussah. „Hat Dich denn wieder Jemand mit Heirathsanträgen ge quält", fragte Dudley, „und Du wünschest, daß ich ihm dafür den Kopf zurecht sehe?" „Llais non, Dudley! Welche Idee! Und nach Allem, warum soll man mir nicht Heirathsanträge machen? Eigentlich müßte ich mich davon geschmeichelt fühlen, nicht wahr?" „Na, in dieser Weise sprichst Du sonst nicht! Aber wenn Du Deine Neuigkeit erzählt hast, dann habe auch ich etwas mitzu theilen", äußerte Dudley und nahm aus der Brusttasche seines UeberzieherS die Ausgabe der „Morning NewS". Wer soll nun den Anfang machen, Du oder ich?" „Da ist Victor! Er soll entscheiden!" rief la keilte, als das dritte Glied des kleinen Hausstandes in der vierten Etage eintrat. Viktor Revelsworth, Dudley s um vier Jahre jüngerer Stief bruder, hatte in seiner äußeren Erschinung kaum Sehnlichkeit mit jenem. Ein junger Mann von Mittelgröße und schlankem Wüchse, wurde dagegen sein intelligentes und sympathisches Gesicht durch eine überlange und überbrcite Nase, einen Mund mit zu vollen Lippen und zu weichen, sogar etwas charakter schwachen Zügen um denselben und ein zurllcktretendes Kinn entstellt, welch' letzterer Schönheitsfehler zwar theilweise von einem kleinen, spitzen, dunklen Barte verdeckt wurde, den er, wie auch das Haar und den Schnurrbart, nach militärischer Art ge schnitten trug. Große, gefühlvolle und gütige braune Augen liehen einem Angesichte Reiz, das nur sehr wenig von der Schön heit seiner Mutter besaß, einer kleinen Pariser deautL, die während der zehn Jahre ihrer Wittwenschaft der gute Genius und die treu schützende Hausfee ihres Sohnes und Stief sohnes gewesen und von beiden jungen Männern mit dankbar zärtlicher Liebe behandelt wurde. „I,a petite möro hat ein wunderbares Geheimniß auf dem Herzen, das sie uns mitzutheilen schmachtet", scherzte Viktor, indem er Pinsel und Palette, die er mitgebracht, aus der Hand legte. „Ich habe mir das Hirn schon mit Rathen zermartert, sie wollte mir aber nicht eher, als bis auch Du da seiest, etwas sagen. Ich denke mir, der Herr Präsident hat um ihre Hand angehalten, und sie fürchtet nun die Folgen des ertheilten Korbes." „Dein Bruder hat ebenfalls etwas Besonderes", fiel seine Mutter rasch ein. „Xllons, Dudley, ruou Lils, Du sollst mit Deiner Neuigkeit zuerst an die Reihe kommen! Ich habe solch' köstliches Frühstück für Euch bereitet — Bouillon, Sardinen, ein kaltes gebratenes Hühnchen, Salat, einen Camembert-Käse und dazu eine Flasche vorzüglichen Medoc —" ketito möre, Du mußt das Wirthschaftsgeld von einer ganzen Woche aufgewandt haben! Und auch dies« Blumen «nd Apfelsinen und Weintrauben hast Du noch spendirt! Es ist auch so was Ungewöhnliches an Dir selbst — Du siehst hübscher und jünger aus denn je —" „Vierzig Jahre am nächsten I. Mai!" fiel die klein« Madan« Viktoire ihm ins Wort. „Doch still" — den Finger auf die Lippen legend — „nichts verrathen! Wie heißt rS doch bei Euch in England? „Eine Frau ist so alt, wie sie aussieht!" Ich sehe nicht aus wie vierzig Jahre — was?" „Fünfundzwanzig Jahre!" behauptete Dudley, von Viktor in seiner Ansicht kräftig unterstützt. „Was hat denn aber nur dieses großartige Frühstück zu be deuten?" forscht« der Letztere. „Es sieht Dir, x>e1ite wäre, gar nicht ähnlich, so extravagant zu sein!" „Mit dem Geld«, das Ihr beiden lieben Jungen mir gegeben.
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