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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010513021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901051302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901051302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-13
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Ärntsvlatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Montag den 13. Mai 1901. Anzeige« »Preis die »gespaltene Petitzrile 2L Reclamen unter dem Redaction-ftrich (4 gespalten) 75 L,, vor den Familiennach- richten (8 gespalten) SV H. Tabellarischer und Ztffrrusatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürdernng 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. Änuahmeschlnß fir Aiynge«: Abend-Ausgabe: BormtttagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag-ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Berlag von T. Polz in Leipziz. SS. Jahrgang. Die Wirren in China. Bestrafungen. Die „Times" melden aus Shanghai vom 12 15.: Am 4. Mai ist ein kaiserliches Edict erlassen worden, welches die Strafen ausspricht, welche in Verbindung mit den Metzeleien in Tschutschan verhängt worden sind. Der Gouverneur von Tschekiang Liuschutanz und der Tartoi, General Pao, sind ihrer Aemter entsetzt; Aungtsbeing, der Schatzmeister der Provinz, ist zu lebenslänglicher Zwangsarbeit an den Posislraße», der Hauptmann der Leibgarde, TschvuseteS ist zum Tode durch Enthaupten verurtheilt. Die milde Bestrafung der hohen Mandarinen ist durchaus keine angemessene Vergeltung sür die brutale Hin- mordung britischer Männer, Frauen und Kinder. Man ist in Shanghai darüber empört, daß die wirklich Schul digen der Bestrafung entgehen. Tie Kämpfe an der Große» Mauer. Ueber die letzte Expedition nach der Großen Mauer und die Kämpfe daselbst gicbt die „Norddeutsche Allgemeine Zlg." folgende zusammenfassende Darstellung: Ende März liefen Gerüchte über größere Ansamm- lungrn regulärer chinesischer Truppen im Nord westen und Südwesten von Tschiii beim Armee-Obercoinuiando ein. Zunächst sollte Tungfuhsiang mit etwa 11000 Mann in der Mongolei stehen; die Angaben über seinen näheren Aufenthaltsort lauteten sehr verschieden. Das Armee-Obercommando sah sich trotz der Unwahrscheinlichkeit dieser Nachrichten veranlaßt, eine Cavallerie-Nbthcilung nach Tschatao (62 Kilometer nordwestlich von Peking an der Großen Mauer) mit dem Auftrage zu senden, gegen Kalgau aufzuklären. Nach den bisherigen Meldungen dieser Cavallerie sind bis Kalgan und in dessen weiterer Umgebung keine chinesischen Truppen angetrossen worden. Im Südwesten von Tichili war schon seit Ende Februar be- kannt, daß die nach der Provinz Schau si führenden Pässe von Kuangtschang ab südwärts bis Huolu von den Chinesen besetzt und theilweije befestigt seien. Ende März erhielt das Armeeober kommando die Nachricht, daß der Schwarzflaggenführer Liu an der Spitze einiger 20 000 Wann 19 Kilometer westlich von Huolu, also 25 Kilotneter innerhalb der vom Grafen Wa.derser mit den Chinesen vereinbarten Demarkationslinie, stände. Ihm gegenüber befanden sich etwa 3000 Franzosen bei Tschengting und Huolu. Seit December hatten die Franzosen Truppen bis Tschengting vorgeschoben, im Februar aber fast die gesammte Besatzung von Paotingfu dorthin verlegt und Vortruppen nach Huolu entsandt. Graf Waldersee hatte in Bezug auf die Festsetzung der Demarkationslinie hier im Süden den Franzosen vollständig freie Hand gelassen, da ihnen mit Rücksicht aus den von ihnen betriebenen Bahnbau nach und südlich von Paotingfu und aus die Verpflegung ihrer Truppen riu ge- wisser Spielraum zur Ausdehnung ihrer Unterkunft nach Süden hin gegeben werden mußte. Durch die abwartende Haltung der ihnen gegenüberstehenden Truppen der Verbündeten ermuthigt, ließen die Chinesen in Schansi von Neuem ihrem Christen« und Fremdenhaß freien Lauf, der sich in neuen Christenmorden zu erkennen gab. Ta außerdem L i u wiederholten Aufforderungen der Franzosen, nach Schansi zurück- zugehen, nicht nachkam, der Aufenthalt chinesischer Truppen inner halb der DemarcationSgrenze aber nicht geduldet werden konnte, so entschloß sich der Feldmarschall Graf Waldersee, sie mit Gewalt zu vertreiben. General Vvyron entsprach bereitwillig der Aufforderung des Oberbefehlshabers zur Theilnahme an Lieser Unternehmung. Die Franzosen brachen demgemäß mit 4000 Manu unter General Bailloud am 17. April von Thing auf und marschirten über Tschengting-Huolu auf Kukuan (an der Großen Maner). Deutscherseits wurde Generalleutnant von Les sei zum Führer der e Expedition bestimmt und ihm die 2. Lstasiatiscbe Jnsanteric-Brigade (Generalmajor von Kettler), das II. Bataillon 1. Ostasiatischen Infanterieregiments (Major von Mühlensels), eine Eskadron, zwei fahrende Batterien und eine Gebirgsdatterie unterstellt. Diese Truppen verließen Tbing am 18. Avril und marschirten über Siulö, Lingjchon, Phingschan (letztere- 137 Kilometer südwestlich von Paotingfu), mit einer rechten Seitendeckung über Hingthang i96 Kilometer südwestlich von Paotingfu). Von Phingschan ab er folgte — soweit ouS den bis jetzt vorliegenden kurzen telegraphischen Berichten erkennbar — das weitere Vorgehen gegen die Große Mauer in vier Colonnen, deren nähere Zusammensetzung noch nicht bekannt geworden ist. Bom rechten Flügel ab waren dieS: 1) Colonne Oberst Freiherr von Ledebur (Commandeur des 3. O. J.-R.), 2) Colvnne Oberst Hoffmeister (Command. des 4. O. J.-R.), 3) Colonne Major von MühlenfelS (Command. des II. Bataillons 1. O. J.-N.), 4) Colonne Oberstl. von Wallmenich (beim Stabe de- 4. O. J.-R.). Im Vormarsch wurde noch auf dem äußersten linken Flügel die Colonne von Mülmann (Command. des I. Bataillons 3. O. J.-R.) über Tsinghing abgezweigt, die sich später auf dem Gesichtsfelde selbst mit der Colonne Wallmenich ver einigte. Die Colonne Ledebur erreichte nach leichtem Gefecht bei Heischankwan am 24. die Große Mauer. Schon am 23. hatte Oberst Hoffmeister mit zwei Compagnien und GebirgS- Artillerie die Chinesen 10 km südlich von Heischankwan angegriffen und mit großen Verlusten nach Schansi zurückgeworsen, wobei vier Geschütze älterer Constrnction und vier Fahnen in seine Hände fielen. Auf deutscher Seite waren in diesem Gefecht nur vier Mann verwundet worden. Den heftigsten Kamps hatte, wie es scheint, die Colonne Mühlensels zu bestehe». Sie stieß am 23. auf den Feind, welcher starke Stellungen auf den Paßhöhen nördlich des Taohodurchbruches besetzt hatte und sie hartnäckig vertheidigte. Erst nach 11 stündigem Kampfe wurde der Feind ver- trieben, wobei auf deutscher Seite zwei Mann fielen, vier Ofsikiere (Major von Mühlenfels, Leutnants Richert und Drewello vom 1.. Leutnant Koch vom 4. O. I -R) und 16 Mann verwundet wurden. Leutnant Drewello ist später seinen Wunden erlege». Tie Colonne Wallmenich endlich stieß am 23. nordöstlich des Taohodurchbruches auf einen vielfach überlegenen Feind und zersprengte ihn nach hef- tigem Kampfe, in welchem ein Manu fiel, ein Osficier (Leutnant Düslerberg vom 3. O. J.-R.) und 17 Manu verwundet wurden. Tie Kampfe an der Großen Mauer hatten bedauerlicher Weise von unseren Truppen ernste Opfer gefordert, di« ober nicht umsonst gebracht worden waren. Der Zweck der Unlernrhmung war im vollsten Umfange erreicht. Die vertragswidrig über die Demar kationslinie vorflegangcnen Chinesen waren unter schweren Verlusten, in voller Auflistung und von unseren Truppen noch bis auf 8 km über die Mauer hinaus verfolgt, noch Schansi zurück geworfen worden. In den recht ernsten Gefechten, deren Durch- Führung infolge der taktischen Verhältnisse den deutschen Truppen allein zufiel, hatten diese ebenso viel Energie und Frische gezeigt wie bei dem überaus beschwerlichen Vormarsch, bei dem von allen Truppen- theilen große Ausdauer und viel Geschick im Ueberwinden sehr be- deutender Geländeschwierigkeiten gezeigt worden war. Den Chinesen hatten die deutschen Truppen außer 11 Kanonen alten Modells 18 moderne Schnellfeucrgeschütze und zahlreiche Fahnen abgenommcn. Soweit bis jetzt bekannt, betrug der deutsche Gesammtverlust: todt und an ihren Wunden gestorben 1 Osficier, 7 Mann, verwundet 4 Officiere, 46 Mann. Die Franzosen, welche, wie erwähnt, auf dein äußersten linken Flügel vorgcgangcn waren, aber keine Gelegenheit gesunden batten, in die Kämvfe einzugreiseii, besetzten zur Sicherung der deutschen linken Flanke vorläufig den Kukuanpaß und gingen am 26. bi- Huolu und Nüschuitien zurück und von hier an den folgenden Tagen auf Paotingfu. Am 26. traten auch die deutschen Truppen den Rückmarsch an, und zwar die Brigade Kettler in breiter Front in kleine» Etappen auf Paotingfu, daS Bataillon MühlenfelS (H. Bat. 1. O. J.-R.) am Osirande de- Gebirge- entlang nach seiner Garnison Peking. Die Colonne Wallmenich blieb zunächst zur Sicherung de- Abmarsches bei Tsinghing stehen und schloß sich dann dem Rück- Marsche an. Tie stellenweise feindselige Haltung der Bevölkerung machte in dem durchzogenen Gebiete die Bestrafung mehrerer Ort schaften nothwendig. Der Krieg in Südafrika. Eine Ehrcnrcttnng des FeldmarschnllS Lord Roberts versucht der zur Zeit in Deutsch-Südwestafrika weilende Kriegsberichterstatter der „Tägl. Rndsch.", indem er schreibt: Lord Roberts ist vielfach ungerechter Weise in der deutschen und ausländischen Presse heftig angegriffen worden, weil man ihn für die Grausamkeiten und Rücksichtslosigkeiten der Engländer in Südafrika verantwortlich machte. Wer Lord Roberts kennt, wird dies nur bedauern könne». Selbst feine Feinde gebe» zu, daß Lord Roberts ein humandenkeiider, chrenwerther Charakter ist. — Der einzige Borwurf, den man ihm machen könnte, ist der, daß daß er gegen die Ausschreitungen seiner Unterorgane nicht energisch genug vorgegangen ist; aber ihm waren die Hände gebunden, und sein Generalstabsches Kitchener hatte vor seinem Abgang zum Kriegsschauplatz sicher dafür gesorgt, Laß er „freie Hand" hätte. Ein Beispiel giebt folgender Vorfall, der sich in Pretoria zur Zeit der ersten Deutschenverfolgungen abspiclte. Der österreichische Oberleutnant M.... hatte den Befehl bekommen, sich innerhalb weniger Stunden aus dem Bahn hof einzusiuden, um mittels eines der bekannten Kohlenwagen. Transporte nach einem Hafenplatz geschafft zu werden. Er schrieb in seiner Noth persönlich an Lord Roberts, daß er lungen krank fei und die Reise im offenen Kohlenwagen unmög lich machen könne, ohne seine Gesundheit schwer zu ¬ schädigen. Kurz vor Abgang deS mit „Kriegsgefangenen^ vollgepsropfteu ZugeS erschien aus dem Bahnhof eine Ordo- nanz, welche dem Oberleutnant eine Anweisung von Lord Roberts überbrachte, sich bei seinem Leibarzte untersuchen zu lassen. Sollte sein Gesundheitszustand ihn an das Zimmer fesseln, so würde auf bezügliche Mittheilung der Arzt ihn in seiner Wohnung aussuchen. Daraufhin gestattete der bahn- diensthabende englische Osficier dem Oberleutnant, in seine Wohnung zurückzukehren. Kaum war dieser jedoch hier eingetroffen, als er von einem Detektiv eingeholt wurde, der ihm den Befehl des obersten -Polizei-Ches» von Pretoria überbrachte, sich sofort wieder nach dem Lahnhoi zu verfügen. Al- der Oberleutnant sich auf da- Schreiben von Lord Roberts berief, hieß es: „DaS ist ganz egal, Sie verfügen sich sofort nach dem Bahnhof." Er wurde trotz feine- Proteste- und seiner Berufung auf den persönlichen Befehl von Lord Robert- gezwungen, mit dem nächsten nach East London abgehenden Zuge Pretoria zu verlassen. Nette Zustände! * London, 13. Mai. Nach einem Telegramme des „Standard" aus Pretoria vom 10. d. Mts. beläuft sich die noch im Felde stehende Gesammtmacht des Feindes aus 16500 Mann, trotz aller Niederlagen und Verluste in der letzten Zeit. Der Feind schließt sich aufs Neue zu Commaiidos von wesentlicher Stärke zu- samme», namentlich in dem Dreieck, welches der Osten Transvaals bildet, und im Westen. Die Boeren haben auch noch einige Ge- schütze und Muilitioiisvorräthe. Die „Daily Mail" erfährt a»S Pretoria, De Wet habe seine Operationen wieder ausgenommen. Er solle Len Baal wieder überschritten haben und mit über 2000 Mann in Transvaal eingedruugen sein. Politische Tagesschau. * Let»riS. IS- Mai. Der Reichstag hat am Sonnabend seiner Vertagung oi» zum 26. November zugestimmt, ohne in eine Erörterung des Antrages einzutreten. Das war zu erwarten, da die Vertagung einem Wunsche des Seniorenconoents entspricht und dieser, wenn er auch sonst nichts zu sagen hat, jedenfalls am besten sagen kann, was das ganze Haus ersehnt. Es fragt sich nut noch, wann die Vertagung erfolgen kann, und das hangt wesentlich davon ab, ob heut« die Herren Reichsboten in beschlußfähiger Zahl sich ein finden und ob der lebhafte Kampf um die Branntweinsteuer- Vorlage entbrennen kann, der von den Agrariern einerseits und von der Linien andererseits gewünscht wird. Auf alle Fälle wird das Haus, da seine diesmalige Tagung am lö. November 1900 begann, bei seiner Vertagung rund sechs Monate hindurch Sitzungen abgchalten haben. Wie aus der Thronrede, mit de: diese Tagung veröffentlicht wurde, heroorging, war dem Hause ein weitschichtizes Arbeitsmaterial nicht zugedacht. Don den in der Thronrede erwähnten Entwürfen wird es Henn auch, ob wohl es sich nur selten in beschlußfähigem Zustande befand, auf den Herbst nur die Entscheidung iiwer die See mannsordnung vertagen. Die übrigen in der Thronrede erwähnten und dem Reichstage zugestellten Entwürfe sind er ledigt worden, so der R e i ch s h a u s h a lt S e t a t für 1901 mit den verschiedenen Nachträgen, auch für 1900, das Gesetz über 'die privaten Versicherungsunterneh mungen, die Gesetze über Urheber- und Verlags recht, die Novelle zum Weingesetz und das Gesetz über die Unfallfürsorge für Beamte und Personen des Soldaten st andes. Im Laufe der Tagung sind aber an den Reichstag noch verschiedene andere, in der Thronrede nicht erwähnte Gesetze gelangt. Von diesen dürfte der wesentlicheie Theil erst im Herbste zur endgiltkgen Berathung kommen, so der Schaumweinsteuerentwurf, die Branntwein steuer n ob e l l e, das S ll ß st o ffqef« tz , die Novelle zur Strandungsordnung. Erledigt sind das Gesetz über die V e r so rg u ng der Krieqsin validen und Kriegshinterbliebenen, dessen erstjährige Kasten be kanntlich aus dem ReichSinvatidensondS bestritten werden, die Gesetze, betreffend die Ausübung ver f r r i wt l li g e n Ge richt s b a r k e i t und die Leistung der R ech t s p f leg « im Heere, der Zusatz zum AuSlieferungSvrrtrage zwischen Deutschland und Belgien, eine Novelle zirm P o st t a x w e s« n. In den nächsten Tagen sollen noch die Verlängerung des HandelsprovisoriumS mit Eng land, ein Nachtragsetat wegen Errichtung deS AufsichtS- amtes für PrivatversicherunA, der Beitritt zur internationalen Union zum Schutze d«S ge werblichen Ei gent Hurns, Die Novelle über das Flaggenrecht der Kauffahrteischiff«, dsi Ver ordnung über den Zollkrieg mit Haiti und em Noth- geseh wegen der Brennsteuer unter Dach und Fach gebracht werden. Ob der aus der Initiativ Xs Reichstages hervor gegangene Gesetzentwurf über die Gewerbegerichtc und Einigungsämter noch verabschiedet werden wird, sieht dahin. Im Uebrigen hat sich der Reichstag in der ablaufenoen Tagung auf Grund von Anregungen aus dem Hause in besondere Sitzungen über die K o h l e n t h e u e r u n g, die Wohnungsreform, die Freiheit der Religionsübung und über die Theaiercensur unterhalten. Wenn der Reichstag iin Herbst wieder Zusammentritt, wird er demgemäß ein noch reich liches Arbeitsmaterial aus der Zeit vor der Vertagung vorfinden. Vor Allem aber wird ihn dann das neue Zolltarifgesetz beschäftigen, von dem es, den „Verl. Polit. Nachr." zufolge, nun- ss Ein Engel -er Finfterniß. Roman von Gertrude Warden. Autorisirte deutsche Urbersetzung von A. Brauns. Nachdruck »erbot!». Frau Margarethe Revelkworth trug ihre 791/2 Jahre mit seltener Leichtigkeit. Sie war von hohem Wuchs, stauneniwerth gerader Haltung für ihr Alter, mit scharf ausgeprägten Zügen, dichten Brauen über scharfblickenden blaugrauen Augen und vorzüglich guter Gesichtsfarbe; ihr volles, graues Haar war über die Ohren herabgekämmt. Ihr dunkelrothes, schweres Seidenkleid, die weiße Spitzenhaube mit dunkelrothen Schleifen und der weiße Caschmirshawl waren offenbar für diese Ge legenheit angelegt worden; dagegen gehörten das große Diamant kreuz, welches unter den Spitzen an ihrer Robe hervorschimmerte, wie auch die kostbaren Ringe an ihren Fingern und die langen Ohrgehänge von Perlen und Diamanten in den Ohren zur Äll- tagstoilette der Dame. Die beiden jungen Männer wurden von Frau Revelsworth, als sie sich nach einer achtungsvoll tiefen Verbeugung ihr näherten, erst einer scharfen Musterung unterzogen, ehe sie ihnen ihre gelbe, runzlige Hand, deren Griff jedoch noch sehr fest, zur Begrüßung reichte. „Setzt Euch!" gebot sie. „Betty, schieb' mal zwei Stühle heran! Es geschieht dies nicht etwa aus dem Grunde, daß mein Sehvermögen schwach geworden, — denkt das ja nicht, sondern nur, weil die Sonnenstrahlen direkt hereinfollen und blenden, und da läßt sich nichts deutlich erkennen. Ihr seid also Dudley's Jungen — in Deinem Falle", sich an Dudley wendend, „kaum daran zu zweifeln, Du bist jeder Zoll ein Revelsworth — große, kräftige Gestalt, breite Schultern, Helle Farbe, blaue Augen, kurz, Alles. AIS ich noch ledig war, da hätte ich Deinen Vater lieber geheirathet, als den Cousin John, obgleich ich «in gut Theil älter war, als Beide. Und daö 'ist der französische Junge? Hat nicht viel von den Revelsworths! Wie haben sich Dudley und Harold nur in den Sinn kommen lassen, Ausländerinnen zu heirathen?! Du siehst vermuthlich Deiner Mutter ähnlich?" fragte sie Viktor in barschem Tone. „Nein, Madame; ich bedauere, sagen zu müssen, daß ich Meiner Mutter, die sehr hübsch ist, nicht ähnlich sehe." „Jem! Hilft wahrscheinlich mit Schönheitsmitteln nach, wie die Mehrzahl der Französinnen!" „Hat sie nicht nöthig", warf Dudley rasch ein, da er in Viktor's Antlitz Zornesröthe bi- auf die Stirn aufsteigen sah. „Viktor'- Mutter, meine Stiefmutter, die mir aber eine rechte Mutter gewesen ist, ist so außerordenlich hübsch, daß sie keiner Kunst zur Erhöhung ihrer Reize bedarf." „Dich hat sie also auch 'rumgekriegt!" spöttelte die unange nehme, alte Dame. „Und warum ist denn dieses leuchtende Vorbild von einer Frau nicht mit Euch nach England ge kommen?" „Weil sie die Engländer und deren Art und Weise nicht liebt." „Die meinige meinst Du vermuthlich damit!" versetzte Frau Revelsworth mit kurzem Lachen. „Ich bin aber zu alt, meine Manieren französiren zu lassen. Sie haben mir seit fast achtzig Jahren gute Dienste geleistet." „Du bist eine Katze!" schrie urplötzlich der graue Papagei mit schriller Stimme, und rasch duckte Betty ihren Kopf hinter Frau Revelworth's Stuhl, um ihr lachendes Gesicht zu verbergen. „Don Simson hört' ich", fuhr die alte Dame, die Unter brechung nicht beachtend, fort, „daß Ihr Beide Euch in Paris den Lebensunterhalt mit Unterrichtertheilen oder Fiedeln oder Scri- biren oder sonst dergleichen verdient habt. Hat die Feder fuchserei viel abgeworfen?" „Wenigstens ausreichend, um uns unabhängig zu machen", versetzte Dudley. „Papperlap! Keiner ist unabhängig, der nicht eine beträcht liche Einlage der Bank hat!" widersprach seine Tante. „Unab hängigkeit, da» Jahr hindurch auf Nichts basirt, ist einfach falscher Stolz." „Du bist eine Katze!" schrie der Papagei wiederum da zwischen. „Betty, wirf die Decke über den Käfig! Warum habt Ihr Euch in all' diesen Jahren nicht an Eure Verwandten in Eng land gewandt? Und warum sind Euer Vater und Euer Onkel Harold während der letzten zwanzig Jahre nicht um Unter stützung bei mir eingetommen, statt sich in einem fremden Land« todt zu arbeiten und Heidinnen zu heirathen?" Der letztere Hieb war jedoch mehr, als Viktor mit Geduld hinzunehmen vermochte, von seinem Stuhle aufspringend und die ihm von Betty im Rücken ihrer Principalin zugeworfenen flehenden Blicke nicht beachtend, redete er seine Tante in von Erregung vibrirendem Tone, wobei stet», wenn er erregt war, sein französischer Accent noch deutlicher hervortrat, mit ausge suchter Höflichkeit an: „Sie sind ganz falsch unterrichtet, Madame. Don der Gattin meines Onkel« Harold weiß ich nicht«, als daß sie eine Italienerin aus hochadeliger Familie und sehr schön war. Don meiner theuren Mutter aber, Madame, muß ich Ihnen sagen, daß es eine religiösere, echtere Christin in der ganzen Welt nicht geben kann. In den fünf Minuten, seit ich Ihr Haus betreten, ist dies das dritte Mal, daß Sie Anklagen gegen meine Mutter ausgesprochen haben, und Sic werden mir verzeihen, Madame, wenn ich noch mehr anzuhören nicht vermag. Erlauben Sie daher, wenn ich mich Ihnen empfehle." „Gerechter Himmel! Das heißt Heroismus herausstecken!" murmelte Frau Revelsworth. „Und, bitte, willst Du denn auch gehen?" fragte sie Dudley, der sich ebenfalls erhoben hatte. „Mein Bruder hat in jedem Worte, das über seine Lippen gekommen, auch meinen Gedanken Ausdruck geliehen", erklärte Tudlcy gemessen. „Dann seid Ihr ein paar Narren!" rief Frau Revelsworth, indem sie sich hoch setzte und heftig mit den Händen auf die hölzernen Armlehnen des geschnitzten Eichenarmsesiels aufschlug. „Wißt Ihr denn, daß eine Million Pfund Sterling auf dem Spiele steht, und daß ich sic ganz nach meinem Belieben irgend welchen: Revelsworth vermachen kann? Und wenn Ihr Beide dabei beharrt, Euch selbst zu Narren zu machen, dann müßte es doch sonderbar zugehen, wenn sich nicht irgendwo ein Revels worth aufstöbern ließe, dem ich es hinterlassen könnte! Solch' ein Paar eigenwillige junge Naseweise! Betty, da kommt der Briefbote — jede Post kann eine Erwiderung auf meinen Auf ruf bringen — lauf' rasch hinunter und bring' die Briefe herauf! Und Ihr Beide setzt Euch nur wieder — setzt Euch, sag' ich, wie eine alte Frau Euch heißt — Euch in ihrem Hause zu thun bitte«!" Ehe die Brüder auf diese unerwartete Eröffnung etwas zu antworten vermochten, kam die niedliche Betty mit einem Briefe zurück, den sie Frau Revelsworth einhändigte. Diese öffnete ihn und begann sogleich zu lesen, ohne Brille, ihn nur ein bischen von den Augen abhaltend. Das Schreiben schien interessanten Inhalts, denn sie zog di« Stirn etwas kraus, und leises Roth der Erregung färbte ihre Wangen. Mit kurzem Lachen legte sie hernach den Brief aus der Hand und blickte scharf zu den beiden jungen Männern hinüber. Sich selbst etwas thöricht vorkommend, ärgerlich und in ihrer Würde gekränkt, nahmen die Brüder wieder Platz. „Ihr habt Beide das RevelSworth'sche Temperament, seh' ich!" äußerte die Tante nach kurzer Dause etwas freundlicher. „Dickköpfe, wie wir Alle sind, und aufbrausend über ein Wort. Nur wohl, ich liebe Such deswegen nicht weniger, weil Ihr trotz meincs Geldes grob zu mir gewesen seid. Und wa- die Fran zösin anbelangt, so wollen wir von ihr nicht wieder sprechen, so lange Ihr bei mir weilt. Wundert Euch diese Aeußerung?" fragte sie, da ihre Neffen rasch aufblickten. „Und wird es Euch nicht noch mehr wundern, wenn ich Euch sage, daß Ihr hier in diesem langweiligen alten Hause bei einer alten Frau auf min destens ein Jahr Aufenthalt nehmen sollt? Nach Paris werdet Ihr es nicht amüsant finden, läßt sich vermuthen! Ich muß Euch aber näher kennen lernen, und dazu giebt es keinen besseren Weg, als Euch die ganze Zeit über in meinem Hause unter den Augen zu haben." „Also noch ein Revelsworth ist auf dem Schauplätze er schienen!" ließ sie sich vernehmen. „Mein Sachwalter Simpson benachrichtigt mich eben, daß heute Vormittag 10^ Uhr in seinem Bureau eine Dame erschienen sei und sich al« Fräulein Francesca Revelsworth eingeführt habe. Gestern erst sei sie in Geschäften nach London gekommen, hat sie ihm erzählt, und habe den Aufruf, den ich in die Zeitungen habe einrücken lassen, ganz zufällig gelesen. Da sie Harold Revelsworth's einziges Kind sei, so melde sie sich bei Herrn Simpson, und sie hat auch, wie's scheint, ihre Identität zufriedenstellend beweisen können. Und was noch mehr ist — sic kommt heute Abend hierher, und so werde ich", schloß die alte Dame und setzte sich mit der Miene ahnungsvoller Genugthuung in ihrem Sessel zurecht, „Euch alle drei Bewerber um daS RevelSworth'sche Vermögen unter dem selben Dache versammelt sehen." Dieser überraschenden Ankündigung folgte eine Pause. Dann ergriff Dudley das Wort, nicht ohne Beben; denn die rücksichts lose, herrschsüchtige alte Dame war offenbar gewöhnt, ohne Widerrede in allen Sachen ihren Willen durchzusetzen. „Habe ich recht verstanden", begann er, „daß eS Ihr Wunsch, wir — mein Bruder und ich — sollten diese Nacht hier logiren?" „Warum denn nicht?" erwiderte die Tante. „Ihr seid doch keine Mädchen, die ihre Frisirmäntel und Puderquasten ver missen würden! Das Diner ist um 7 Uhr. Folglich habt Ihr noch vollauf Zeit, in da« Dorf zu gehen und in einem der dortigen Läden Euch eine Zahnbürste zu kaufen. Betty, meine Liebe, Du kannst die Decke von Pollys Bauer nun wieder a-nehmen. Die beiden jungen Männer werden bis zum Diner einen Spaziergang machen. Und, Jungen, wohlgemerkt, ich -in nicht „Madame" oder sonst so etwas Fremdländisches, sondern einfach „Tante Margarethe"! Und vor dem Fortgehen müßt Ihr erst noch erfahren, daß dies Betty Mannington ist, meine Gesell schafterin und Sekretärin. Ihr Vater war mein Cousin — Cousin von deS Vaters Seite, denn es wird Euch vermuthlich bekannt sein, daß meine Mutter eine Revelsworth war, die sich mit einem Mannington verheirathete. Betty ist keine Revels-
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