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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.05.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010528016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901052801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901052801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-28
- Monat1901-05
- Jahr1901
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Anzeigen-Preis " die SgrspalteAe Peftlzril»' Reclamen unter dem Redacrivnlstrich (-gespalten) 75 vor den Familienaach- richten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrförderung 70.—. Ännahmeschluß fiir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition ,, zu richten. Die Expedition ist Wochentags mrunterbrocheu geöstnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipziß. 28k. Dienstag den 28. Mai 190 k 95. Jahrgang. Der Schulbesuch in den städtischen Schulen 1891—1901. ick. Leipzig, 25. Mai. Seit Aufnahme der Vororte hatte sich mit diesem Jahre ein Jahrzehnt vollendet. Für die Ent wickelung unserer Großstadt ist damit ein immerhin bemerkenS- werther Zeitabschnitt vollendet. In einem Jahrzehnt kenn zeichnen sich die Bahnen, welche der Aufschwung genommen, und eS lassen sich Schlüsse ziehen für die Zukunft. ES ist deshalb sehr angebracht, wenn wir in den einzelnen Ver- waltungögebieten Rückblicke auf die vergangenen zehn Jahre werfen, denn sie haben nicht nur allgemeines Interesse, sondern sie gewähren auch die Möglichkeit, mit künftigen Verhältnissen zu rechnen. Für heute wenden wir uns dem Schulbesuch zu, wie er sich im letzten Jahrzehnt entwickelt hat, und wir lassen allenthalben die Ziffern folgen für die Jahre 189l, 1896 und 1901, die den Vorthcil haben, daß sie zugleich mit VolkszäblungSperioden zusammenfallen, also die Vermehrung der Bevölkerung mit in Betracht ziehen lassen. Wir beginnen mit den höheren Schulen. In diesen war die Zahl der Schüler folgende: 1891 ThomaSgymnasium . . 5231 Nicolaigymnasiumm. . 478,1467 Realgymnasium ... 466f I. Realschule. . . . 6591 II. Realschule.... 368s 1221 III. Realschule. . . . 194/ IV. Realschule.... — Höhere Schule f.Mädchen 448 Lehrrrinnrn-Semiiiac . — 1896 6291 461 j 1547 457) 639» 712^1986 635) 504 1361 801 504 496 695 983 630 203, 1801 2511 624 100 Zusammen: 3136 4037 5036 Die Schülerzahl der höheren städtischen Lehranstalten hat, wie aus vorstehender Uebersicht zu ersehen ist, in beiden Jahrfünften in gleicher Weise zugenommen, nämlich von 1891/95 um 901, von 1896/1901 nm 904 Schüler, wozu noch 100 Seminaristinnen treten. (Das Lehrerinnenseminar wurde Ostern 1899 eröffnet und ist seit Ostern 1901 in allen Elassea besetzt.) Demerkenswerth ist übrigens, daß die Ver mehrung der Schüler der höheren Lehranstalten bei Weitem die Bevöikerungszunahme (natürlich procentual berechnet) übersteigt. So betrug im vergangenen Jahrzehnt die Zunahme der Schülerzahl bei den Gymnasien 27,2 Proc., beiden Real schulen 105,4 Proc., bei beiden Gattungen zusammen aber 60,4 Proc., während die Bevöikerungszunahme sich nur auf 27,5 Proc. bezifferte. Absolut Schüler zugenommen: Gymnasien i . Realschulen . . . . betrachtet, hat die Zahl der 1891/1896 1896/1901 -f-80 -s- 254 -t- 765 ft- 525 Im zweiten Jahrfünft hat man sich, wie aus den Zahlen bervorgeht, wieder mehr der Gymnasialbildung zugewendet. Sollte daS allenthalben im Reiche der Fall sein, so haben die Universitäten in absehbarer Zeit auf einen starken Zu ¬ wachs zu rechnen. Nicht uninteressant dürfte hierbei ein Vergleich mit Dresden sein. Dort hatten am 1. Juni 1900 die huma nistischen Gymnasien (staatliche und städtische) 1888, die Realgymnasien 1195 Schüler, das sind zusammen 3083. Dagegen betrug in Leipzig im vorigen Jahre die Zahl der Gymnasialschüler (einschließlich Königlichen Gymnasium) nur inSgesammt 2320, blieb also um 760 hinter Dresden zurück. ES dürfte daS wohl auf die ganz verschiedene Zusammen setzung der Bevölkerung beider Städte zurückzuführen sein, denn die in Dresden vorhandenen zahlreichen hohen Beamten und Militärs dürften ihre Söhne vorzugsweise in Gymnasien schicken. Dagegen hatte Leipzig (einschließlich der Privatrealschulen) rund 2750 Realschüler, Dresden dagegen nur 1856. In der Gesammtziffer für die höheren Lehranstalten kommen Leipzig und Dresden also wieder zusammen. (Leipzig 5070, Dresden 4940). Die hiesige Höhere Schule für Mädchen hat in den letzten Jahren einen unverkennbaren Aufschwung genommen. ES dürfte das zum Theil mit der Errichtung des Lehrer innenseminars Zusammenhängen, das sich ja im Lehr gänge dem der Höheren Schule für Mädchen anschließt, wo durch manche Eltern bewogen werden dürften, ihre Töchter der letztgenannten Anstalt zuzuführen. Wir wenden uns nun den Volksschulen zu und be trachten zunächst die Höheren Bürgerschulen. Bei diesen betrug die Zahl der Schüler: 1891 1896 1901 Zusammen: 1097 1386 2484 1558 1927 3485 1771 2264 4035 »na ben Mäd chen Zus.: »na ben Mäd- ch-N Zus.: »na- Mäd- Zus.: den chen l.böh.Büraersch.772 842 1614 628 607 1235 481 661 1142 II. - 325 545 870 336 533 869 401 530 931 III. - — — 295 535 830 458 6:38 1096 IV. . B — —- — 299 252 551 431 435 866 Die Zunahme beziffert sich hier im vergangenen Jahrzehnt auf 1551 Schüler (--- 62,4 Proc.), wovon jedoch auf das erste Jahrfünft 1001, auf daS zweite Jahrfünft nur 550 Schüler entfallen. Der bedeutend stärkere Zuwachs im ersten Jahrfünft dürste Wohl auf die Eröffnung der beiden neuen Anstalten im Süden und Norden der Stadt (III. und IV. höhere Bürger schule zurückzuführen sein. Die Bürgerschulen hatten im letzten Jahrzehnt folgende Besuchsziffern zu verzeichnen: Zusammen >7293 7025 14318,7341 6963 14304 8591 8299 16890 Bürger- 1891 1896 ISN »na- Mäd- »na- Mäd- »na- Mäd- IHule « den chcn Zus. den chen Zus. den ch«n Zus. II. 499 459 958 524 433 957 599 506 1105 III. 614 605 1219 592 500 992 546 474 1020 IV. 703 703 1406 618 570 1188 576 541 1117 V. 565 555 1120 457 513 970 445 588 1033 VI. § 826 794 1620 853 726 1579 781 728 1509 VII. 592 549 1141 643 598 1241 619 598 1217 Ver. Freisckule 472 575 1047 592 575 1167 OOS 505 1060 VIII. (L.-R.) 605 595 1200 528 633 1161 477 532 1009 IX. 442 379 821 627 517 1144 747 665 1412 X. (L.-V.) 379 303 682 620 515 1135 782 719 1501 Xl. (2.-G.) 591 515 1106 446 434 880 615 675 1290 XII. (L.-L.) 659 682 1341 542 536 1078 688 702 1390 XIII. (L.-PI.). 446 311 657 399 413 812 659 581 1240 XIV. (L.-C.) — — — — — — 502 485 987 Die Bürgerschulen hatten also von 1891 bis 1896 einen Stillstand in der Schülerzahl; von da ab bis 1901 ist aber die Zunahme eine nicht unbedeutende gewesen, denn sie betrug 2786 Schüler, gleich 18 Proc. der Ziffern von 1891 bez. 1896. Der BevöllerungSzunahme im letzten Jahrzehnt ent spricht allerdings diese Zunahme des letzten Jahrzehnts durch aus nicht. Ausfällig ist übrigens die Veränderung, welche die Zahl der Bürgcrschüler in Alt- und Neu-Leipzig erfahren hat. Dieselbe betrug: 1891 1896 1901 Alt-Leipzig 8511 8094 8061 Neu-Leipzig 5807 6210 8829 Zusammen: 14318 14304 16890 Während die Zahl der Bürgerschüler ein beständiges Sinken zeigt, haben umgekehrt die angeschlossenen Vororte, nament lich im letzten Jahrfünft, ein beträchlichcs Anwachsen auszu weisen, und gegenwärtig werden die Bürgerschulen der Vor orte von mebr Schülern besucht als die Alt-Leipzigs. Zu den Bürgerschulen wird auch noch die Hilfsschule für Schwachbefäbigte (bei der III. Bürgerschule) bez. deren Abteilungen bei der 24. Bezirksschule (L.-Plagwitz) und 29. Bezirksschule (L.-GohIiS) gerechnet. Der Besuch betrug 1891 63 Knaben und 34 Mädchen, zusammen 97 Schüler, 1896 169 Knaben und 91 Mädchen, zusammen 260 Schüler, sowie 1901 214 Knaben und 96 Mädchen, zusammen 310 Schüler. Wir kommen nun zu den Bezirksschulen. Der Besuch war folgender: IW1 IMS ISN Bijirks- -chulc »nabln Mädch. Z«s. »nab«n Mädch Zus. »naben Mädch. Zus. 1. 648 622 1270 741 700 U441 646 730 1376 2. 415 541 956 324 605 929 331 554 885 3. 498 601 1099 657 787 1444 655 708 1363 4. 766 806 1575 685 692 1377 679 742 1421 5. 725 607 1332 733 479 1212 578 555 1133 6. Z 906 921 1827 967 976 1943 902 932 1834 7. 742 804 1546 770 766 1536 752 832 1584 8.^ 776 790 1566 735 785 1520 674 778 .1452 9. 446 473 919 314 335 649 294 301 595 10. 602 6!4 1216 361 362 723 — —— — 11. 824 952 1776 880 927 1807 901 924 1825 12. 492 549 1041 56.5 673 1238 653 752 1405 13. — — — 745 818 1563 984 1127 2111 14. — — —- 950 1110 2060 771 886 1657 15. 582 639 1221 940 985 1925 935 1078 2013 16. 1250 1232 2482 966 1083 2049 881 874 1755 17. 515 545 1060 771 787 1558 611 667 1274 18. § 759 763 1522 796 887 1683 741 742 1483 19. 702 729 1431 810 874 1684 624 661 1285 20. 971 1099 2070 551 600 1151 431 553 984 21. — — — 705 807 1512 681 779 1460 22. 740 731 1471 756 806 1562 916 1017 1933 23. 829 827 1656 882 906 1788 1109 1088 2197 24. 590 586 1176 820 810 1630 663 711 1374 25. 689 759 1448 892 951 1843 891 931 1822 1108 26. 248 246 494 428 431 859 512 596 27. 834 900 1734 1045 1126 2171 939 1033 1972 28. — — — — — — 745 769 1514 29. — — — — — — 478 489 967 30. — —- — — — — 804 895 1699 Schule zu Lößnig 61 50 111 32 37 69 39 35 74 Zuf.: I66I0 17389 33999 I982I 21105 40926 20820 22739 43559 Die Zunahme der Schüler ist in den beiden Jabrfünften eine sehr ungleichmäßige gewesen. Sie betrug im Jahrfünft 1891/1896 6927 Schüler ---- 20,4 Proc., im Jahrfünft 1896/1901 aber nur 2633 Schüler — 6,4 Proc. Das steht mit der Zunahme der Bevölkerung in scheinbarem Wider spruch, denn diese war umgekehrt von 1896,1901 stärker, als im vorhergegangenen Jahrfünft. Aber da die Kinder erst mit Vollendung des 6. Lebensjahres schulpflichtig werden, so kommt bei einem Vergleich der Schulkinderziffer mit der Bevölkerungsziffer nicht daS gleiche, sondern für die Le- völkerungszunahme das vorangegangene Jahrfünft in Be tracht. lind da zeigt sich allerdings, daß das Anwachsen der Bevölkerung im Jahrfünft 1885/1890 22,7 Proc., im Ferrrlletsn. Auch im Sturm! Novellette von Sigurd. Nach dem Schwedischen von E. Vilmar. Nachdruck verboten. Es waren zwei schöne, junge Menschenkinder, denen die Lenz sonne des Ledens wolkenlos gelacht. Es gab nur noch eine Sorge für sie in der Welt, die Frage, ob sie einander für immer ange hören würden. Doch seit jenem unvergeßlichen Ballabende, als sie, noch warm vom Cotillon, in. ihren Pelzmantel gehüllt, im Vestibüle gestan den, und er, stolz und strahlend, übermüthige Lebenslust in den dunklen Augen, die Boa um ihren schönen Hals gelegt mit den Worten: „Noch einmal gute Nacht, Frärtzun Amöiie!" als er sie zum Wagen geleitet und sich dann lange und tief über ihre Hand geneigt, -seit jenem Abend war dieses Erdendasein für Beide eine ununterbrochene Kett« von Glück und Freude gewesen. Und warum auch nicht? 'Sie, so jung, kaum neunzehn, so schön und lebensfrisch, der verwöhnte Liebling des Elternhauses, wo man zwar nicht gerade reich war, doch Dank dem Bürgermeistergrhalt ihres Vaters ein angenehmes sorgloses Dasein führte. Friede, Sonnenschein und gegenseitige Liebe und Anhänglichkeit verliehen dem häuslichen Kreise den Stempel wohligen Behagens. Und er, «in kluger, stattlicher Mann, in der Blüjhe des Lebens, ein tüchtiger Kaufmann und Kompagnon seines Vaters. Alles in Allem «in Mann, den jede Mutter mit Stolz ihren Sohn nennen könnt« und an dessen Brust Hunderte von jungen Mädchen gern das Köpfchen geschmiegt und geflüstert hätten: „Mein Herzallerliebster!" Der eigentlich« Heirathsantrag erfolgte erst ein« Woche später, in Bürgermeisters „guter Stube", woselbst Gustav von dem Vater seiner Liebsten dahin bedeutet wurde, daß Amelie ein un bemitteltes Mädchen sei und von Haus« nichts zu erwarten habe, und natürlich erwiderte, daß er sich dessen ungeachtet in ihrem Besitz als der reichste Mann der Welt fühlen würde. Die Sache wickelte sich also vollkommen glatt ab. Doch mit der Hochzeit mußt« man bis. nach Ameliens zwanzigstem Ge burtstag warten. Früher wollte die Frau Bürgermeisterin ihr- einzige Tochter nicht auS dem elterlichen Hause lassen; auch konnte dir Ausstattung nicht «her fertig werden, und ebenso das neue Haus, daS Herr Hallberg seo. seinem Sohn« bauen lieh. Doch wahrend dieser Monde lebten die jungen Leut« im Geiste bereits in der Zukunft, in ihrem schönen, neuen Heim. Natürlich würde Gustav dann wie bisher auf dem Comptoir thätig sein, doch nicht unausgesetzt und übertrieben wie rin Sclave dri Mammons. Man mußte sein junges Leben doch genießen. Und was kam «S im Grunde darauf an, ob di« ersten „Hundert tausend" ein paar Monate früher oder später die Casse füllten? Und sie — o sie würde der Sonnenstrahl deS Hauses sein und dafür Sorge tragen, daß ihr Nestchen stets schön und behag lich war, wenn ihr Täuber von Zeit zu Zeit heimgeflogen kam, um unter ihren Liebkosungen die Aergernisse des Comptoirlebens, feine Unannehmlichkeiten mit Lieferanten und Kunden zu ver gessen. Sie würde auch stets Acht darauf geben, daß sein« Lieb lingsweinsorte auf dem Tisch« stand, daß sein« Pantoffeln bereit stattden und di« Einladungen für seine verschiedenen Freunde nicht miteinander collidirten. Auch Vorspielen würde sie ihm. Sie konnte vier Walzer und zwei Polkas und eine ganze Sonate. O, sie würde riesig viel zu thun haben, seine armx, kleine Frau! Biel mehr war von einer fein erzogenen jungen Dame doch auch nicht zu verlangen. Wie amüsirten sie sich oft über die lächerlichen Emancipations-Jdeen verschiedener ihrer weiblichen Betannten, über die Unabhängigkeitsbestrebungen der modernen Frauen und die immer wieder betonte Nothwendigkeit eines Be rufes für die Unvermählte. Wie belustigten sie sich oft über Cousine Ellen, die seit dem Tove ihrer Eltern im Hause des Bürgermeisters lebte. Wie unwciblich schluckte sie ihr Frühstück hinunter, die letzte Butterschnitte stehend während des Anlegens ihres Mantels verzehrend, um doch nur ja nicht zu spät in ihren „Cursus für Buchführung" zu kommen, der ihr die Mittel zum Broderwerb gewähren und sie der Nothwendigkeit entheben sollte, ihrem Oheim stetig zur Last zu fallen. Oftmals, lvenn Ellen in Amöliens abgedankten Stieseln und ihrem drei Moden alten Mantel durch di« Strandgasse stürmte, geschah es wohl, daß sie den kleinen Kopf mit dem kurzgeschorenen braunen Gelock, der Wippnase und dem häßlichen grauen Barett hütchen noch einmal zurückwandte und sie lebhaften braunen Augen ein bestimmtes Fenster des Wohnzimmers suchten. Ja, dort standen sie wieder wie gewöhnlich, Gustav, den Arm um Ameliens Taille gelegt, und schauten ihr lachend nach. Einmal sah sie sogar deutlich, wie Amölie mit dem Finger nach ihr wies. Da glitt ein kleiner verschossener Handschuh schnell über die braunen Augen, di« Füße beschleunigten ihren Schritt und aufmerksamer denn je lauschte Ellen dem Vortrage des alten Buchhalters. O, wenn sie doch nur nicht mehr lange das Gnadenbrot) zu essen brauchte! Aber war es denn im Grunde so arg, daß sie über Cousin« Ellen lachten? Sie war wirklich spaßig'mit ihren Schulmädel manieren, obwohl sie bereits zweiundzwanzig Jahre zählte, mit dem kurzgeschorenen dunklen Haar und ihrer absonderlichen Toilette. Arm« Ellen! Ihr Bater war Gerichtssekretär mit einem Ge halt von zweitausend Kronen gewesen und sowohl die „Jungen" als Ellen hatten immer gesunde Magen gehabt, so daß der Gar- deroben-Etat stets sehr schmal bemessen gewesen. Langsam wandte Hallberg den Blick von der Straße ab und mit einem Ausdruck inniger 'Liebe und Bewunderung auf di« schöne Gestalt an seiner Leite, das feingeformte griechische Ant litz mit den sanften Blauaugen und dem prächtigen lichtblonden Haar. „Ihr beiden Cousinen gleicht Euch doch nicht im Mindesten, Amßlie!" „Das will ich hoffen!" klang es fröhlich und übermüthig von den Lippen der glücklichen Amölie zurück. Dann kam der Siurrn. Drei Monate vor der Hochzeit ward die Firma Hallberg L Sohn durch das Fallissement eines englischen Handelshauses der art in Mitleidenschaft gezogen, daß auch sie sich zur Einstellung ihrer Zahlungen gezwungen sah. Welch herber Schlag für Gustav! B«i wem sollt« er wohl nun Trost suchen, wenn nicht bei seiner Braut? Und sie verließ ihn auch nicht in diesen Stunden schwerer Sorge. Er war nun arm. Gut, so würden sie dk Armuth mitein ander theilen. Sie wollte Alles muthig tragen, selbst das Achselzucken ihrer Freunde und die vielleicht noch schwerer zu in ertragenden mitleidigen Bemerkungen 'der Bekannten. Sie war trotz Allem überzeugt, daß ihr Gustav ein anständiger, ehren hafter Mensch war. Das galt ihr mehr als Alles. Und sollte sie auch lange, sehr lange warten müssen, bis es'ihm möglich sein würde, aus den Ruinen seines früheren Vermögens ein Nestchen für sie Beide zu erbauen, so wollte sie doch geduldig dieses Tages harren. Innige Umarmung. Großes häusliches Tableau. Einen Monat später sandte sie ihm seinen Ring zurück. Es geschah, so schrieb sie, mit zerrissenem Herzen und unter strö menden Thränen, aber ihre Eltern hatten sie gebeten und be schworen, ihnen die Sorge um ihre Zukunft durch ihre Hart näckigkeit nicht zu erschweren. 'Sie wisse nur allzu gut, daß es ohne ihn keine Zukunft, kein Glück, keinen Frieden auf Erden fiir sie gäbe; allein ihr bliebe keine Wahl. Im ersten Moment vermochte Hallberg es nicht zu fassen. War es denn möglich? War es nicht mehr, als ein Mensch zu ertragen vermochte? Nichts, nichts war ihm geblieben, seit der Sturm über ihn hereingebrochen. Alles zugleich hatte er ihm geraubt: Geld, Zukunst, Glück — seine Braut. Rast- und ruhelos irrte er bis zur sinkenden Nacht in stillen entlegenen Vorstädten umher, angstvoll ein Begegnen mit Freun den und Betannten meidend, was ihm seitens der letzteren aller dings sehr erleichtert wurde. Eines Abends saß er auf einer «infamen Bank im Stadt park, als der Klang seines Namens ihn aus seinem düsteren Sinnen emporschreckte. „Wie — ach, Ellen — parckon, Fräulein Holst —" „Pfui, Gustav, sein Sie doch nicht so garstig! Es hat mir so schrecklich leid gethan um Sie und Amelie — ich habe so bitterlich geweint deswegen." „Und hat Amölie hat sie wohl auch «in paar Thränen um mich vergossen?" „Viele — sehr viele, Gustav. Aber so schwer «S ihr fiel, was sollte sie machen, di« Arme? Onkel und Tante haben ihr kein« Ruhe gelassen, bis sie ihnen den Willen that." Und wieder rollten Thränen über Ellen's Wangen, die sie hastig trocknete. „Nun adieu, Gustav. Halten Sie sich tapfer! Nun werden wir uns wohl sobald nicht Wiedersehen, da ich auswärts eine Stelle als Buchhalterin angenommen habe. Aber ich werde immer gern an Sie zurückdenken und bin auch durchaus nicht böse darüber, daß Sie uns Amölie mich immer ausgelacht haben —. Meine besten Wünsche für Ihre Zukunft, Gustav!" Und aufs-Neue entstürzten Thränen ihren Augen. „Sagen Sie, Ellen, was hätten Sie wohl gethan, falls Sie Amö-liens Stell« gewesen wären?" „Ich?" „Ja — Sie." „Ach Gott, ich glaube, ich wäre eher gestorben, als daß ich mich hätte zwingen lassen. Aber Sic dürfen AmSlie dieserhalb nicht grollen. Sie ist noch so jung und so weichen Gemüthes. Ich bin beinahe dreiundzwanzig: und sehen Sie, alte Leute " „Sie sind eine liebe, kleine Advocat'in, Ellen. Haben Sie Dank für Ihre freundlichen Worte. Leben Sie wohl." „Adieu, Gustav. Wie schrecklich schade, daß es so gekommen ist!" Darüber herrschte nur eine Stimme: „es war ein anständiger Accord" gewesen. Das heißt: es war vollkommen klar, daß Hall benz kein Vorwurf traf und daß er nur von dem anscheinend gut- situirten Geschäftsfreund«, für welchen er in hohem Betrage Bürgschaft g«leistet, mit ins Verderben gerisftn worden. Nun war er einen Accord eingegangen, durch weiten di« Gläubiger nahezu vollauf befriedigt worden, ihm selbst jedoch nichts als sein ehrlicher Name geblieben war. Nun hieß es wieder von vorn beginnen. In einem Vorstadt hause stand der früher so elegante Gustav Hallbcrg nun selbst hinter dem Ladentische. Nach ein paar Jahren harter Arbeit war er so weit gelangt, üaß er — sehr bescheiden und anonym — wegen eines Buchhalters inseriren konnte. Die „garstige Emancipation" hatte während letzten Jahre so coloffale Fortschritte gemacht, daß dreioiertel der einlaufenden Offerten von Mädchen stammten: Mädchen mit und ohne „Ponies", mit Flechten und kurzoeschorenem Haar, elegante junge Damen und schlichte, fast dürftig gekleidete Mädchen, die sich mit dem denkbar bescheidensten Gehalt begnügen wollten. Allein Gustav Hallberg schob Sen ganzen Stapel Briefe nebst Photographien und Zeugnissen bei Seit«, um sich beim Schein der Comptoirlampe in ein.Paar treuherzige braune Augen zu vertiefen, sie ihn so lieb und verständig anschauten. Lange blieb er mit Dem Bilde in der Hand regungslos sitzen. Wie oft hatten dieselben Augen ihn im Haus« des Bürgermrisreis freundlich angelacht; wie traurig und voll sanften Vorwurfs hatten sie geblickt, wenn er und Amelie sich über Cousin« Ellen luftig gemacht hatten! Wie warm und treu hatte diese kleine Hand an jenem Abend im Park die seine gedrückt! Für all' die beigefügten schönen Zeugnisse hatte er keinen Blick. Ihm genügte die Photographie, und im Banne derselben reiste er am nächsten Sonntag in das Nachbarstädtchen, woselbst Ellen 'Holst in Merkurs Diensten thät-ig war. Noch heutigen Tages hat die Firma Gustav Hallberg sich keinen Buchhalter angeschafft, obwohl das Geschäft langsam, aber stetig, vorwärts geht. Einer derartigen Kraft bedarf es nicht mehr, feit Frau Ellen Hallberg dort als Stütze und Lom- pagnon ihres Gatten waltet. Mitunter kommt die noch immer sehr hübsche Cousine Amölie an dem Hallberg'schen Geschäft vorüber, doch pfbegt dann ge wöhnlich irgend etwas sehr Interessantes auf dem jenseitigen Trottoir ihren Blick zu fesseln. Bei solcher Gelegenheit geschieht es wohl, daß Gustav freu digen Herzens, wir dereinst im Hause des Bürgermeisters, aus ruft: „Ihr beiden Cousinen gleicht Euch doch nicht im Mindesten!" Und Ellen, die sehr wohl begreift, in welchem Sinne eS ge meint ist, erwidert freundlich: „Gewiß. Amölie sieht allerliebst aus." Da die Verhältnisse es noch nicht gestatten, mehr als «in Dienstmädchen zu halten, das durch den kleinen Junior der Firma Hallberß vollauf in Anspruch genommen ist, sieht es in den Wohnräumen im Oberstock mitunter nicht sehr einladend auS, wenn Gustav und Ellen nach Schluß des Geschäftes nach oben kommen. Doch schnell miß Frau Ellen's geschickte Hand dem Zimmer einen behaglichen Anstrich zu verleihen. Und wenn die Lampe angezündet ist, das ^uer im Kamin fröhlich knistert und der Theekessel auf dem Trsche summt und brodelt, dann schmiegt sse wohl den kleinen Kopf an des Gatten Brust und flüstert: „Ach, mein Gustav, weich' anderes Leben hast Du Dir früher erträumt! Dein armes Weib findet leider kein« Zeit, um Alles im Hanse so nett und traulich zu gestalten, wie sie eS g«rn möchte und von Rechtswegen müßte. Dann aber legt sich ein fester Arm um ihre Taille und innig tönt es ihr zurück: „Dafür hab« ich ein Weib, so fest, so stark und treu und jeder Prüfung gewachsen; ein Weib, auf da» ich felsenfest bauen kann — auch im Sturm!"
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