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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000502029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900050202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900050202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-05
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag- um S Uhr. Filialen: Alfred Hahn norm. O. Klemm'» Lorttm. Universitätsstraße 3 (Paulinus Lo»i» Lösche, Alchmchmchr. 1«, Van. und KönigSplntz 7. Redaction und Expedition: JohanniSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezrrg-'Pret- > d« Hanptexprdition oder de» i« Stadl» pttirk m»d de» Vororten errichteten AuS- «»brstellen ab geholt: vierteljährlich ^»4.50, Sei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau» 5L0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel>ährlich ^il 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung tu» Ausland: monatlich ^l> 7.Ü0. Abend-Ausgabe. WgerIagMatt Anzeiger. Amtskkätt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Amtes der Stadt Leipzig. Arrzeigen'PretS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RrdactionSstrich (4ge- spalten) bOaj, vor den Familiennachrichte» (6 gespalten) 40/C- Gröbere Schriften laut unserem Prets- vrrzeichnib. Tabellarischer und Zifsernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbrförderung ^l 70.—. ."Annahmeschlnß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Srpeditia» zu richten. Dnrck und Verlag von L. Polz t» Leipzig 221. Mittwoch den 2. Mai 1900. 9t. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Mai. Die Budget commission deS Reichstags hat gestern die Flottensachc formell nicht nur nicht gefördert, sondern auch die Unterbrechung ihrer Berathung durch eine den Gegenstand betreffende Sitzung des Plenums nöthig machen zu muffen geglaubt. Nicht eigentlich die Commission, die beute weiter darüber streiten wollte, ob sie den in unserem Berichte kurz erwähnten Unterantrag Müller-Fulda ohne Weiteres berathen dürfe, oder ihn sich erst vom Plenum überweisen lassen müsse. Während der gestrigen Plenarsitzung wurden aber die Parteien schlüssig, die Frage im strengen Sinne zu entscheiden; daS Centrum brachte seinen Antrag ein, der als erster Gegenstand auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt wurde. Der Antrag, der die Form eines Gesetzentwurfs von 8 Artikeln hat, soll in das Flottengesetz als tz 6a eingefügt werden. Er erhöht den Emissionsstempel sür inländische Actien von 1 Proc. auf 1',.. Proc. und auf ausländische Aktien von l'/s Proc. auf 2 Proc. Der Einissionssteinpel auf ausländische Renten- und Schuldverfchreib ungen wird von 6 pro Mille auf 8 pro Mille erhöht. Sodann wird »en der Stempelpflicht unterworfen die Einijsion von Kuxen und Kux- scheinen, und zwar soll der Stempel betragen, soweit die Gewerk» schasten in 1000 oder mehr Kuxen getheilt sind, 30 soweit die Gewerkschaften in weniger als 1000 Kuxe getheilt sind, 300 von jeder einzelnen Urkunde. Vor Lein Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgegebene Antheile sind der vorbezeichneten Abgabe nicht unter worfen. Bei den Kauf» und Anschaffungsgeschäften soll die Stempelsteuer auf Aktien und ans ausländische Papiere jeder Art von jetzt */,<> pro Tausend auf vom Tausend erhöht werden. Bei Acbitragegejchästen über solche Werthpapiere beträgt die Ermäßigung vom Tausend sür jedes der beiden einander gegenüberstehende» Geschäfte. Bei den Lotterieloosen öffentlicher Lotterien, sowie Ausweisen über Spieleinlagen bei öffentlich veranstalteten Ausspielungen von Geld oder anderen Gewinnen wird auf inländische Loose die Stempel- steuer von 10 auf 20 Proc. deS planmäßigen Preises, bei ausländischen Loosen auf 25 Proc. erhöht, (lieber Freizügigkeit der Loose ist in dem Antrag nichts ent halten.) Neu eingeführt soll werden eine Stempelsteuer auf Schiffsfrachturkunden. Die Steuer beträgt sür die im In- lande ausgestellten Urkunden V, vom Hundert der Seefracht, mindestens jedoch 10 von jedem Raummeter, bezw., wenn die Berechnung der Fracht nach Gewicht erfolgt, sür je 1000 Icx- der Ladung. Bei deu im Aus lande ausgestellten Schriftstücken, sofern sie iinJn- laude ausgehändigt werden, beträgt der Stempel 10 .eil; wenn die Schriftstücke auf ganze Schiffsladungen lauten 20 .eil, wenn sie über Theilladungen oder Stückgüter lauten, mindestens jedoch 10 Pfennige von jedem Raummeter, bezw., wenn die Berechnung der Fracht nach Gewicht erfolgt, von je 1000 KZ der Ladung. Handelt es sich bei den Schiffsfrachturkunden um Häfen der Nord- oder Ostsee, so wird nur die Hälfte der vorgcschriebenrn Sätze erhoben. Endlich wird eine Stempelsteuer eingesührt auf Fahrkarten im Seeverkehr von inländischen und aus- ländischen Häfen. Dieselbe beträgt, wenn die Fahrkarten nur zur Zurücklegung der Fahrt in der zweiten oder dritten Cajüte berechtigen, 5 Mark von jeder einzelnen Fahrkarte, 10 Mark in den anderen Fällen. Im Verkehr nach aus ländischen Häsen der Nord- oder Ostsee wird nur ein Fünftel der vorgeschriebenen Sätze erhoben. Der neue EmifsionSstempel und Lotteriestempel soll mit dem 1. Juli, die anderen Bestimmungen zugleich mit der Publikation deS Flotteugefetzes in Kraft treten. Die Einnahmen bis zum 1. April 1901 find zur Verstärkung deS Betriebsfonds bestimmt. Wie man sieht, ist dieser Steuergesetzentwurf mit Sach kunde und Umsicht auSgearbeitet. DaS bat seinen Grund in der Thatsache, daß Herr Müller-Fulda „in enger Fühlung" mit dem NeickSschatzamte dessen „Material" benutzt hat, d. b. einen im Neichsschatzamt auSgearbeitetcn Gesetz entwurf. Der Antragsteller bat an diesem Entwurf einige Aenderungen vorgenommcn, sonst wäre es ja keine CentrumS- arbeit, aber Frhr. v. Th iel m an n konnte erklären, die Anträge entsprächen auch jetzt noch vollkommen der „Richtung" des Reichs- schatzamtS. Damit wäre der erste Theil der „Deckung" der Sache nach erledigt. Der zweite betrifft nach dem vorläufigen Com- inisfionSbeschluß eine Abgabe auf inländische Schaum weine und die Erhöhung der Zollsätze auf Liköre, Champagner, Cigarren und Cigaretten. Gesetz entwürfe über Heranziehung des in- und ausländischen Schaumweins, sowie des Saccharins hat der Sckatzsekretär schon früher »ür deu Herbst zugesazt, der Abg. Basser- mann bat indessen schon zur heutigen Ncichstagssitzung einen Antrag ans Erhöhung deS Champagner- und deS Likörzolls eingebracht. Es bleibt also nur der dritte Tbcil deS vom Centrum vorgeschlagenen tz 6 übrig: die Er gänzungssteuer. Diese aber kann nunmehr als auS- gescbieoen angesehen werden. Herr v. Tbielmaun bemerkte gestern, daß nach dem Standpunkte des Reichs kanzlers, der Wohl aus eine Mehrheit im BundeS- rathe rechnen könne, ein Eingriff in das direkte Steuerwesen der Einzelstaaten nicht zugelassen werden würde. Auf diese Erklärung, so darf man den Ausspruch wohl nennen, ließ sich Herr Gröber dahin vernehmen, „er sei jetzt zu der Ansicht gekommen, daß durch die neuen Steuern, über welche zwischen Fer Rcgieruirg und der Mehrheit in der Hauptsache Ikekseremstimmnng besteht, daS "Bedürfnitz aus dem Flottengesetze vollständig gedeckt werden kann und es deshalb einer Ergänzungsstcuer nicht mehr bedarf". Damit ist der letzte Stein deS Anstoßes für daS — reducirte — Flottengesetz aus dem Wege geräumt und Herr Richter bemerkt schon melancholisch, Gröber „habe die letzte erhebliche Meinungsverschiedenheit zwischen dem Centrum und der Ne gierung beseitigt und es bestehe hiernach in der Deckungsfrage kein Hindernis; mehr für die Annahme reS Gesetzes". Angesichts dieses Ergebnisses kann man darüber hinwegsehen, daß die Commission, die ein Flottengesetz zu berathen hatte und Steuern diöcntiren wollte, sich sehr lange und, was das Centrum anlangt, mit gut gespielter Leidenschaftlichkeit über der Frage, der — Leutenoth aufhielt. Ernst mag es von den Klerikalen dem Abg. Szmula gewesen sein. Er sprach wie ein eifriger Slave, der er ist, und wie ein an der Er regung von Zwietracht zwischen Evangelischen und Katho liken interessirtcr llltramvntaner, der er auch ist. Die Con- servativen besprachen die Frage zwar in einer anderen Ton art als die CentrumSleute, sie zeigten sich aber gegenüber der slavischen Fluth uock immer sorglos genug, um den Abgeordneten vr. Hasse zu einer sehr angebrachten eindringlichen Warnung, aus Deutschland ein poly- platteS Land werden zu lassen, zu bewegen. Die Re gierung betheiligte sich, was man ihr nicht verargen kann, an der Debatte über die Leutenoth nichts und überließ es einem Abgeordneten, Herrn Szmula, der vom land- wirthschaftlichcu Standpunkte über die Ausweisung von 300 Tschechen aus dem LandeShuter Kreise lamentirt hatte, dahin zu unterrichten, daß die AuSgcwiesenen — Cigarrcnarbeiter sind. Zur Frage über den land- wirtbschaftlichen Zollschutz hatte hiugegen der Staatssekretär vor Eintritt in die Tagesordnung NanienS des BundeS- ralhcs die schon mitgetheilte Erklärung abgegeben. Heute wird der Reichstag, wenn er beschlußfähig ist oder seine Be schlußfähigkeit nicht angezweifelt wird, die lex-Sckatzamt- Müller (Fulda) wohl kurzer Hand an die Commission ver weisen und morgen vielleicht das Flvttengesetz für die zweite Lesung im Plenum endlich gereist sein. Tie „Nordd. Allg. Htg." hat bekanntlich an ihre Meldung, daß die zwischen dem Frbru. v. Hertling als Beauftragtem des deutschen Reichskanzlers und dem Baticau geführten Verhandlungen über die Errichtuug einer theologischen Facultät an der Straßburger Universität zu einem Ergebnisse nicht geführt haben, die Bemerkung geknüpft: „Da eine diplomatische Vertretung des Reiches beim Vatikan bekanntlich nicht besteht, so fehlt cS nach der Abreise des Frhrn. v. Hertling einstweilen an einer zu Verhandlungen deutscherseits legitimirten Persönlichkeit." Diese Bemerkung hat um so mehr überrasche» müssen, je mehr cs bekannt ist, daß der preußische Gesandte beim Vatican, v. Roten ban, durch Geschäfte nicht so überlastet ist, um nicht seinerseits die von Herrn v. Hertling begonnenen Unterhandlungen weiter führen zu können. Es kann daher nickt befremden, daß die Vennuthnng laut geworden ist, jene Bemerkung des „freiwillig-gouvernemeutalen" Blattes solle auf die Errichtung einer Vertretung deS Reiches beim Vatikan und einer päpstlichen "Nuntiatur in Berlin vvrbereiten. Mit Bezugnahme auf diese Vermuthung wird heute der „Magdeb. Ztg." auS Berlin geschrieben: „Wir lassen dahingestellt, was au diesen und anderen Ver- muthungeii Richtiges ist. Soweit die Meldung eine wohl kaum beab- sicht'zle Spitze gegen Len Gesandte:' r>. R.tenha« enthält, -nird di: Richtigstellung gewiß nicht ausbleibrn. Für die Errichtung einer Gesandtschast oder gar einer Botschaft beim päpstlichen Stuhle aber dürsten die Sympathien gerade durch die Erfahrungen der letzten Jahre kaum verstärkt sein. Die Errichtung einer katholischen theologischen Facultät bei der Straßburger Universität kann in der Art, wie sie geplant ist, zu kirchlichen Bedenken keinen Anlaß geben. Wenn trotzdem die wegen dieser Angelegenheit geführten Verhandlungen trotz mehr als einjähriger Bemühungen noch nicht zum Abschlüsse gebracht werden konnten, so müssen die Schwierigkeiten eben auf anderem Gebiete zu suchen sein, und da kommen wir immer wieder darauf zurück, daß vielleicht nicht beim Papste selbst, aber doch bei Leu entscheidenden Persönlichkeiten in seiner Umgebung der Einfluß Frankreichs, das allein ein Interesse au der Vereite lung des Plans, eine theologische Facultät in Straßburg zu errichten, hat, doch mehr gilt, als die Rücksicht auf das deutsche Reich, obwohl ihm der päpstliche Stuhl für die Festigung seines Ansehens und seiner Stellung unter den Mächten nur zu Dank verpflichtet ist. Die „Germania" ver sichert auch heute wieder, sie habe Grund zu der Annahme, daß die Verhandlungen doch zu einem günstigen Abschluß kommen würden. Zu einer solchen Ausfassung war man auch in hiesigen politischen Kreisen geneigt, als Graf Ballestrem auf seiner Rückreise von Rom hier in Berlin erschien, um dem Grafen Bülow Bericht über seinen Empfang beim Papste zu erstatten. Inzwischen muß aber der Wiud wieder einmal umgeschlagen sein; denn die Veröffentlichung in der „N. A. Ztg." kann kaum als eine Bestätigung der optimistischen Auffassung angesehen werden, welche in der oben erwähnten Mitthrtlung des ultramontanen Blatte» zum Ausdruck kommt." Der Annabme, daß cS französischer Einfluß gewesen sei, der die Bemühungen des deutschen Unterhändler» un wirksam gemacht habe, begegnen wir auch in den „Münchener N. N.", die zu der Bemerkung der „Nordd. Allgem. Ztg." ihrerseits bemerken: „Das ojficielle Blatt muß sich nothwendiger Weise eine gewisse Zurückhaltung auferlegen und darf dem Ausdrucke de» Bedauerns nicht den des Unmuths über Verhältnisse hinzufügen, die gleichwohl öffentliches Geheimnis; sind. Die päpstliche Politik verfolgt unter dem Einfluß der Staatssekretärs Cardinal Rampolla eine Richtung, die einer mehrhuudertjährigen Ueberlieferuug ent spricht und unter der Deutschland seit dem Au-gange de» Mittel alters zu leiden gehabt hat. Sie läßt sich kurz in die Worte zu- sammensassen: weitestgehende Rücksicht gegen Frankreich, Rücksichtslosigkeit gegen Deutschland. Aus naheliegenden Gründen sieht man es in Frankreich nicht gern, daß dem reich», ländischen Klerus, der den festesten Rückhalt des Franzosenthums in Elsaß-Lothringen bildet, seine geistliche und theologische Bildung von einer deutschen Facultät zusließe, und Kardinal Rampolla legt, seinen französischen Freunden zu Liebe, den betreffenden Bestrebungen alle erdenklichen Schwierigkeiten in den Weg. Hätte der franzö sische Gesandte ähnliche Wünsche seiner Heimath beim Vatikan zu vertreten, sie würden längst ihre Erledigung gefunden haben." DaS ist auch unsere Ueberzeugung. Um so weniger aber könne» wir uns zu der Ansicht bekehren, daß es der Würde deS Reiches entspräche, wenn eS eine ständige Vertretung beim päpstlichen Stuhle errichtete, die doch nur dieselben Erfahrungen machen würde, die Frhr. v. Hertling soeben wieder gemacht hat. Bor einigen Tagn^wurde berichtet, daß der urnerilsrnschr Kriegssekretär Noot in einer öffentlichen Rede geäußert hatte, .die Union werde wohl in naher Zukunft für die Mouroe- Toctrin kämpfen oder sie aufgeben müssen. Diese Aeußerung ist dann in Londoner Telegrammen dahin erläutert worden, daß sie sich gegen deutscheNbsichten, in Brasilien oder anderwärts u> Südamerika Colonialbesitz zu erwerben, gerichtet habe. Wie sich anS den jetzt vorliegenden Londoner Blättern ergiebt, ist diese von uns gleich bezweifelte Erläuterung daS geistige Eigeuthum eines Correspondenten deS „New L)ork Herald", welcher erzählt, die amerikanische Regierung beobachte die Colonisation Deutschland» in mittel- und südamerikanischen Ländern, besonders in Brasilien, sehr genau; man befürchte, daß Deutschland, wenn eS sich stark genug zur See fühle, Streitigkeiten zwischen den Eingeborenen und deutschen Unter- thanen anregen und Truppen zum Schutz seiner Unterthanen senden würde ; die Regierung sei entschlossen, solche Versuche im Keime zu ersticken. Eine noch speciellere Deutung giebt die „New Jork Times" den „Drohungen" Root'S, indem sie erklärt, dessen Rede sei auf den Versuch Deutschland», Dänisch- Westindien gegen einen Theil Schleswig-Holsteins einzutauschen, gemünzt gewesen (!!). Diese TranSaction werde abgeschlossen, falls Amerika nicht vor dem 1. Juni selbst die Inseln kaufe. Der amtliche Bericht deS dänischen Unterhändlers Christian Holmfeld liefere angeblich die Beweise FeitiHrton» 8j Die Herdringen's. Novelle von Heddav. Schmid. NaLdruck vkrdotr». Die eine der Stimmen erschien ihr merkwürdig bekannt; un willkürlich blieb sie einen Moment lang stehen, dann aber, als schäme sie sich, Lauscherin zu spielen, setzte sie rasch ihren Weg fort. Nun tauchten unter den schneebelasteten Bäumen des Gärtchen» zwei lAestalten aus der Dämmerung empor, sich von der weißen Umgebung scharf abhebend. Sie schritten nebenein ander auf dem nur zwei Personen Raum gebenden, vom Schnee freigeschaufelten Gartenwege daher, und Marie Charlotte — sie glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen — erkannte Ivar Tordal und Lola Berting, di«, wie c» den Anschein hatte, in eifrigem Geplauder miteinander begriffen waren. „So intim? die Kokette", durchzuckte es Marie Charlotten. Hochmüthig, den Kopf flüchtig neigend, erwiderte sie den Gruß der Beiden, die jetzt dicht an den Staketenzaun herangekommen waren; sie strebte empört vorwärts, besser, das Stelldichein ignoriren. Aber ging das? Konnte sie um Jsa's willen darüber hinwegsehen? Das war also der Mann, dem ihre jung« Schwester sich zu eigen geben wollte. Er «ntblödete sich nicht, in der Dämmerung im abge legenen Hofgärtchen, nach einer engen Nebenstraße belegen, wohin Mari« Charlote nur, eine Schneiderin suchend, zufällig gerathen, mit einem jungen Mädchen Zusammenkünfte zu haben. Zornig wallte es in Marie Charlotten auf, dann ober gewann ihre Ueberlegung die Oberhand. „Vielleicht ist die Sache ganz und gar harmlos", sagte sie sich; „er wohnt ja mit dieser Lola in ein und demselben Hause, vielleicht haben si« einander nur zufällig getroffen, im Vorirbergehen." llnd Mari« Charlotte erinnerte sich, im Gartenzaun ein Pförtchen bemerkt zu haben. Augenschein lich hatte Ivar dasselbe benutzen wollen, um auf di« Straße zu gelangen, und war bei der Gelegenheit Lola im Garten begegnet. Allgemach dacht« Mari« Charlotte ruhiger und trat in wieder gleichmäßiger Stimmung bei Weltlins ein. Käte kauerte, ein Buch dicht vor ihr Stumpfnäschen haltend, in der Sophaecke im Wohnzimmer und knabberte Bonbons. Edi versorgte sie ausgiebig mit diesem Artikel. Mama Welikin hantirte in der Küche, sie wußte, daß Marie Charlotte kommen Würde, und buk dem Gast zu Ehren Waffeln. Käte war sehr schlechter Laune. Welch' ein Einfall von diesem alten Onkel Gotthold, den sie stets ungenießbar gefunden, gerade jetzt das Zeitliche zu segnen. Nach einem halben Jahr sollten sie und Edi heirathen, und dann gab es dor Familisntrauer halber wieder eine stille Hochzeit. Käte pflegte mit ihren Gedanken und Ansichten ni: hinter dem Berge zu halten; sie hatte auch, was diese Angelegenheit anbetraf, keine Mördergrube aus ihrem Herzen gemacht und war deswegen mit Marie Charlotten heftig aneinandergerathen. Schließlich war es Edi gelungen, Schwester und Braut zu ver söhnen; allein Käte konnte es der „unausstehlichen Moral predigerin" nicht vergeben, daß sie von ihr gemaßregelt worden, und daß sogar Edi auf der Seite der Schwester gestanden. Sie hatte gründlich mit ihm geschmollt und er hatte nachher reuig Abbitte leisten müssen. Käte kam ihrer Schwägerin zwar verbindlich lächelnd ent gegen, beschloß jedoch im Stillen, sie auf jede Weis« zu ärgern, ihr in Allem zu widersprechen. „Despotische Naturen ärgert man dadurch am meisten", calculirte sie. Das Gsspräch schleppte sich zuerst einförmig und recht ein silbig dahin; man sprach vom Wetter, verfolgt« im Geiste die beiden Reisenden, Edi und seinen väterlichen Freund, welche am Abend de» vorhergehenden Tages nach R. aufgebrochen waren, dann fragte Marie Charlotte plötzlich ganz unvermittelt: „Sag', Käte, wie ist eigentlich Dein« Fr«undin Lola Berting?" Käte wurde sofort lebhaft und erging sich in Lobeserhebungen, pries Lola überschwänglich, und als Marie Charlotte bemerkte, Käte werde durch ihre Freundschaftsgefühle zu Uebertreibungen verleitet, denn ein so vollkommenes Wesen, als welches sie Lola eben geschildert, gäbe es schwerlich unter der Sonne, erwidert« si« ge reizt: „Alle, die Loka kennen, finden sie süß und entzückend, Ivar Tordal z. B. ist ganz weg in sie." „So? Kennt er sie denn mehr als oberflächlich?" warf Marie Charlotte hin. „Gewiß. Sie treffen sich immer hier bei uns. Lola darf uns jetzt häufiger besuchen; denn der alte Drachen, ihre Pflege mutter, erlaubt, daß sie an meiner Aussteuer nähen hilft." Käte sprach mit Vorliebe von „ihrer Aussteuer", zu welcher die Ver wandte ihrer Mutter einige spärliche Mitt«! gespendet. „Und weißt Du, ich protegier die Sache zwischen Lola und Tordal", fuhr sie fort. „Das solltest Du lieber bleiben lassen", sagte Marie Charlotte sehr scharf. Käte, durch diese Zurechtweisung geärgert, übertrieb nun erst recht. „Gönnst Du dem armen Mädchen etwa nicht sein Glück?" fragte sie spitz. „Ich bin überzeugt, daß Tordal sich ihr bei der ersten passenden Gelegenheit erklären wird, und dies« Gelegenheit werde ich ihm verschaffen." „Schäme Dich, Käte", rief Marie Charlotte, „Du legst damit wahrlich wenig Ehre ein, daß Du den Bemühungen Deiner koketten Freundin, sich einen Mann zu fangen, Vorschub leistest." „Sei so gut, wäge Deine Worte und beleidige Lola nicht. Kann sie denn etwas dafür, daß Tordal rasend in sie verliebt ist?" „Das glaub: ich nie." „Woher bist Du denn vom Gegentheil überzeugt? Hast Du die Beiden so miteinander verkehren gesehen, wie ich? Ich hätte übrigens diese Mißgunst bei Dir nicht vorausgesetzt. Oder solltest Du Dir in Bezug auf Isa bestimmte Hoffnungen gemacht haben? Er war ja wohl «ine Zeit lang sehr um Isa herum, aber weißt Du, die Männer, die sind meist wankelmüthig, und dann . . . ." „Schweig", schnitt Marie Charlotte mit zornig lodernden Augen Käten daS Wort ab. „Bringe Isa mit dieser Affaire, die mir überdies ganz und gar gleichgiltig ist, nicht in Verbindung. Das bitte ich mir «in- für allemal aus." Käten schwebte eine heftige Entgegnung auf den Lippen, allein in demselben Moment trat die Majorin mit dem Kaffee brett «in und unterbrach durch ihr Erscheinen das unerquickliche Gespräch. In Marie Charlotten gährte es. Käte in ihrer sanguinischen Weise hatte, während sie Dinge, welche nicht existirten, übertrieben als Thatsachen darstellt«, immer mehr und mehr dem Gedanken, daß aus Lola und Idar ein Paar werden könne, Raum gegeben. „Jedenfalls habe ich Marie Charlotte gründlich erzürnt", sprach sie befriedigt zu sich selbst; „sie braucht sich wahrlich nicht einzubilden, daß alle Männer in Isa vernarrt seien. Isa ist ja ganz nett, ich habe sie sogar recht gern, am liebsten von Edi's Schwestern, aber wenn ich Ivar Tordal wäre und hätte die Wahl, so zöge ich Lola vor. Ob «r's thut, weiß ich ja nicht, ich redete ja nur so ins Blaue hinein, aus Widerspruchsgeist, aber unmöglich ist es am Ende nicht, daß er Lola heirathet." Marie Charlotte Ivar sehr schnell mit ihrem Kaffee fertig und erhob sich, um Abschied zu nehmen. „Es dunkelt schon stark »nd tch habe noch mancherlei Besorgungen", sagte sie zu» Masorin, welche sie zu längerem Bleiben überreden wollte. Käten fiel es nicht ein, ihre Hilf« b«i den Besorgungen an zubieten. „Diesem Urbild aller Vollkommenheit macht man doch nichts recht", erwiderte sie ihrer Mutter, welche ihr, nachdem Marie Charlotte gegangen, einen leisen Borwurf machte. „Du hättest Dich Deiner Schwägerin zur Verfügung stellen sollen, Herzenskind." „Marie Charlotte dingt in allen Läden, und das ist mir ein Gräuel", sagte Käte ivegwerfend, schmiegte sich dann nach noch etlichen, für Marie Charlotte nicht gerade schmeichelhaften Redensarten in di« Sofaecke und nahm ihre vorhin unterbrochene Romanlectüre wieder auf. Marie Charlott: eilte unterdessen durch die fast menschen leeren winterlichen Straßen dem Hause des Stadtpredigers zu. Dort pflegten die Herdringen'schen Töchter abzusteigen, wenn sie nach P. kamen. Es war fast ganz dunkel, hier und da nur verbreitete eine Laterne blaffen Lichtschein, >und im Kreise eines solchen war's, daß Marie Charlotte sich plötzlich demjenigen Menschen, mit dem ihre Gedanken sich eben ausschließlich beschäftigt, gegen übersah. Ivar Tordal zwang die rasch Dahinschreitende durch seinen respektvollen Gruß, aufzublicken. Sie blieb stehen. Es lag in ihrer Natur, daß sie all« un klaren Situationen haßte. Unter den obwaltenden Verhältnissen kam ihr eine Aussprache mit Ivar sehr erwünscht. In dem Blick, mit dem si« ihn betrachtete, tag etwas wie Haß. „Meiner süßen, unschuldigen Isa Herz stehlen — und neben bei — nebenbei —" Es kochte in ihr; sie fand keine Worte in ihren Gedanken, um ihre Empörung auszudrücken. „Durch Edi «rfuhr ich von dem schweren Verlust, von welchem Ihre Familie, sprciell Ihr Haus, betroffen, Fräulein von Her dringen", begann Ivar, allein Marie Charlotte schnitt ihm die Weiterrede, die Fortsetzung seiner Condolakion, ad. „Begleiten Sie mich ein Sluck, ich habe mit Ihnen zu reden", sagte sie so kurz und «hart, daß Ivar sie befremdet anschaute. Sie schwenkte in der »ntgegengosctzten Richtung ihre» bis herigen Weges ab, und Ivar hielt sich, ahnungslos, waS sie be zweckte, was sie von ihm begehrte, an ihrer Seite. Ein paar Minuten lang gingen sie schweigend nebeneinander her, da blieb Mari« Charlotte plöhlich stehen und sagte unver mittelt: „Ich verbiete Ihnen, sich noch ferner um mein« Schwester
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