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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.06.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000629026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900062902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900062902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-06
- Tag1900-06-29
- Monat1900-06
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Ein solcher Beamter scheint der Gouverneur Iuanschikai in Schantung zu sein, der sehr freundliche Beziehungen zu den fremden Beamten unterhält und den Missionsanstallen nach bestem Vermögen beisteht. Freilich berichtet dieselbe Quelle, daß von zahlreichen Courieren, die der Gouverneur kürzlich nach Peking gesandt hat, keiner zurückgckehrt sei. Das deutet darauf hin, daß man mit seiner Stellung nicht zufrieden ist. Wenn sonach die Lage in Shantung sich etwas erträglich herauöstellt, so ist nur zu bedauern, daß an anderen Plätzen die Panik der Chinesen überhand nimmt. So verlassen diese schaarenweise Shanghai und kehren nach ihren Geburtsorten zurück. So kommt es, daß wäkrend viele in Sckangbei Zuflucht suchen, andere hingegen nach Canton und Ningpo sich begeben. Admiral Seymour befindet sich selbst in Tientsin, dessen Fremdenviertcl nicht sehr stark gelitten haben soll. Die Eisen bahn ist bis 8 englische Meilen nördlich von Tientsin wieder fahrbar. In Peking scheint die Boxerbcwegung über die Kraft der Regierung hinauszuwachsen, wenigstens meldet der „Daily Expreß", daß eine kaiserlich chinesische Kunvgcbunz veröffentlicht worden sei, wonach der kaiserliche Palast in Peking am 16. Juni in Brand gesteckt und von auf rührerischen chinesischen Truppen angegriffen worden ist. kapitänlcuttiant Kühne. 6. II. Nach dem Berichte des Viec-Avmirals Bendemann hat in dem so hart von den Chinesen bedrängten Tientsin Capitänleutnant Kübne als Acltester des deutschen Detachements befehligt. Capitänleutnant Kühne ist be kanntlich erster Officier des „Iltis". Robert Kühne ist am 11. April 1885 in die Marine eingetrcteu und am 18. Mai 1888 zum Leutnant ernannt; er hat, wie üblich, zunächst die Marineschule besucht, hat sodann Dienst auf der damaligen Kreuzerfregatte „Leipzig", dem Flaggschiff des damaligen Kreuzcrgeschwaders, gelban und ist am 16. Juli 1891 zum Oberleutnant zur See befördert worden. Als solchen finden wir ihn auf dem Panzerschiffe „Friedrich der Große", dem Stammschiff der Reserve-Division der Nordsee, dann kommt cr auf den damaligen Kreuzer II. Classe „Prinzeß Wilhelm", Wachtschiff in Wilhelmshaven, weiter zur zweiten Torpcdoabtheilung, wird darauf Commandant des Torpedobootes „8 5a", weiter erster Osficier auf dem Torpedodivisionsboot „v 5". Als ältester Leutnant zur See ist er auf dem Panzerschiff IV. Classe „Siegfried". Am 12. April 1898 avancirt er zum Capitänleutnant uud wird erster Officier auf dem Vermessungsschiff „Albatroß" (Ver messungen in der Nordsee), wird sodann Lehrer an der Dcck- officierschule nnd geht darauf als erster Osficier auf der „Iltis" nach Oslasien hinaus, um hier, wie bemerkt, auch zu Lande für Deutschlands Ehre zu fechten und im helden haften Kampfe das hart bedrängte Tientsin zu vertheidigen. Auskünfte im englischen Untcrhanse. * London, 28. Juni. (Unterhaus.) Parlanientsunterjekcetär Brodrick erklärt, die eingelausenen Nachrichten ließen keinen Zweifel darüber, daß Seymour mit seiner Truppe befreit worden nnd nach Tientsin zurückgckehrt sei. Ein Telegramm aus Tientsin vom 24. Juni enthalte Nachrichten vom Ober- besehlshaber. Hiernach hätte er sich eines kleinen Arienals nördlich von Tientsin beinächtigt, sei dann von zahlreichen Truppen beschossen worden und habe eine Mitteilung abgcjandt, in welcher er dringend um Hilfstruppen bat. Von seiner Truppe seien 40 Mann getödtct, 70 verwundet worden. Tiese Nachrichten seien von einem Gejandtschaftediener überbracht worden, der durchaus ver trauenswürdig sei. Das Freintcnviertel von Tientsin sei vom 18. bis 23. Juni beschossen worden, doch sei der angerichtete Schaden verhältniß- müßlg unbedeutend, nur die französische Ansiedelung habe stark gelitten und das britische Eons,,lat sei fas» gänzlich zerstört. Von den britischen Truppen seien 4 Mann getödtct, 6 Lfficicre und 44 Mann ver wundet worden. Nachdem Vrodrick das bereits bekannte Telegramm des russischen ViceadmiralS verlesen hatte, erklärte er, daß d:e Streitkräfte der Mächte bei Taku und in Tientsin be- trächtlich vermehrt worden seien, daß cr aber nicht wisse, welche Wege die Besehlshaber der Truppen cinzujchlagen gedenken. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Juni. Um die hetzerische Ausbeute öer chiucsischcu Wirren er giebiger zu gestalten, nasführt ter „Vorwärts" die „Genossen", indem cr Krokotilsthränen über den Schluß des Reichstages vergießt. „In England, in Frank reich", schreibt das sccialdcmokratische Centralorgau wörtlich, „tagen die Parlamente und müssen die Regierungen der Volksvertretung Mittheilung über den Stand der Dinge machen. In Deutschland ist der Reichstag geschlossen. Das deutscheVolk erfährt nichts über den Stand dcrDiuge und wird mit verbundenen Augen im Irrgarten der Weltpolitik geführt, an dessen Naud Abgründe starren. Es ist wahrlich Zeit, daß unser Volk sich der ihm dräuenden Gefahren be wußt werde und von der Regierung Aufschlüsse und Rechen schaft verlangt." — Die Tagung dcS englischen Parlaments und der französischen Kammer dürfte ehrlicher Weise nur dann dem Schluffe unseres Reichstages gcgeuübergestcllt werden, wenn jene zwei ausländischen Volksvertretungen der chinesischen Wirren wegen ciubcrufeu wären, der Reichstag aber eben dicier Wirren halber geschlossen worden wäre. Keines von bcidem ist der Fall: der Reichstag ist nach überlanger Session am 12. Juni, also zu einer Zeit geschlossen, als die kritische Wendung in China noch nicht eiugctretcu war; die fran zösische Kammer und bas englische Parlament aber würden auch tagen, wenn jetzt in China Alles aufs Beste geordnet wäre. Erfährt jedoch das deutsche Volk wirklich „nichts" über den Stand der Dinge? Erfährt es auch nur weniger als das englische Parlament und die fran zösische Kammer? Nur Böswillige können Derartiges behaupten und in Abrede stellen, daß das Auswärtige Amt in Berlin schleunigst Alles veröffentlicht, was ihm von Reichsbeamten an Nachrichten-Material zugeht. Ist dieses spärlicher, als das deutsche Volk wünscht, so liegt dies an der Unterbrechung des telegraphischen Verkehrs in China, für die Graf Bülow ebenso wenig wie der Fürst zu Hohenlohe verantwortlich gemacht werden kann. Wohl aber muß dem verantwortlichen Leiter unserer auswärtigen Politik dafür gedankt werden, daß er, unseres Wissens früher als alle seine College», die Einrichtung eines Schiffs- Nachrichtendienstes zwischen Taku und Tschifu anordnete. Mehr in dieser Richtung hätte auch der versammelte Reichs tag nicht thun können und Anfragen deö Reichstages wären auf den Umfang des nur unter schwierigsten Umständen zu beschaffenden Nachrichten-Materials ganz ohne Einfluß ge blieben. Irgendwelche Auskunft über schwebende diplomatische Verbandlungen aber wäre vom Buudesrathötische aus selbst verständlich ebenso abgclehnt worden, wie sie von der englischen Regierung vor einigen Tagen im Parlament abgelehnt worden ist. Stellt sich der „Vorwärts" an, als ob cr all' das nicht wisse, so ist es lediglich die Naivetät seiner Leser, die ihm erlaubt, selbst den Naiven zu spielen. Die Möglichkeit, daß der ihnen besonders verhaßte Ministerialdirector I)r. Küchler UiitcrstnatSsckretär im prcustischcn CnltuSministcrium werden könnte, haben die preußischen Ul t ram on ta ucn im Handumdrehen beseitigt. Nun gehen sie einen Schritt weiter. „Bei der bevorstehenden Ernennung", meint die „Köln. Volksztg.", „sei Gelegenheit geboten, einen Act der Parität in großem Stile zu setzen, indem dieses Amt endlich einmal einem Katholiken über tragen wirb." Begründung: „Es entspricht durchaus der Billigkeit, daß neben dem Cultusministcr, der bisher stets Protestant war und sicher auch in Zukunst Protestant sein wird, ein katholischer Uuterstaatsjekrctär steht, welcher die katholischen Interessen nach der staat lichen Seite wahrt." Unbefangener als cS in diesen wenigen Sätzen geschieht, sind extreme ultramontane Forderungen noch niemals an gebracht worden, wie auch die ultramontane Auffassung des Verhältnisses des Staates zur Kirche kaum jemals ungenirter zur Geltung gebracht worden ist. Man sollte meinen, daß alle Beamten im preußischen CultuSministerium, das eine staatliche Behörde ist, die staatlichen Interessen, und zwar auch nach der kirchlichen Seite, zu wahren hätten; aber nein! umgekehrt: dem König von Preußen liegt cs vb, einen Unterstaatssekretär anzustellcn, der die Kirche gegenüber dem Staate vertritt. Man war bisher auch der Ansicht, der UnterstaatSsckretär stände nicht nur der Form nach, sondern auch in Hinsicht auf die that- sächliche Entscheidung unter dem Minister. Da er aber der vom Staate berufene Sachwalter der Kirche zu sein hat, so ist eS allerdings nur eine Consequenz seiner Auffassung von diesem Amte, wenn das klerikale Blatt ihn „neben" den Minister gestellt sehen will als einen Functionär, der, wo ihm „katholische Interessen" in Frage zu kommen scheinen — wann dies der Fall, hat der Unterstaatssekretär natürlich im Ein vernehmen mit dem Centrum zu bestimmen —, gemäß seiner Eigenschaft als vom Staate bezahlter päpstlicher Delegat für sich entscheidet. Daß man für dieses Amt keinen Protestanten gebrauchen kann, versteht sich ebenfalls von selbst. Früher konnte man der Forderung nach Be setzung einer Stelle mit einem Katholiken gewöhnlich ent« aegenhalten, daß das Centrum unter Katholiken nur Leute verstehe, die ibm, der politischen Partei, gänzlich ergeben seien, während andere Katholiken als „Auch"- oder „Taufscheinkatholiken" in der klerikalen Werthschätzung noch unter den Protestanten ständen. Dies bat sich geändert. Tie Ultramontanen denken zwar über nichtultramontane Kirchengenossen nocb genau wie früher, aber wenn die preußische Regierung ihnen zu Liebe einen Katholiken anstcllt, hütet sie sich, einen Mann auszu ersehen, der nicht erprobter Centrnmsmann ist. Zum Nach folger des Herr» v. Bartsch in das Cultusministerium dürste nun überhaupt kein Katholik ernannt werden. Tie „Köln. Volksztg." sieht das voraus und ist auch gleich mit einer Eventualforderung bei der Hand: „Soll aber neben (inan sieht, die Coordinirung beruht nicht etwa auf einem Schreibversehen. Red. d. „Leipz. Tagebl.") dem protestantischen Minister ein protestantischer Unterstaatssekretär bei- bchattcn werden, dann gebe man dem Cultusminister zwei Unter staatssekretäre an die Seite: einen für die evangelischen Angelegen heiten und einen für die katholischen l" Der hier gewünschte Zustand würde den Klerikalen aller dings noch willkommener sein, als die Existenz eines Unter staatssekretärs, der Ultramcntaner ist. Denn dann würde die katbolische Abthcilung im Cultusministerium, von der u. A. Bismarck so Erbauliches zu erzählen wußte, nicht nur that» sächlich wiederhergestcllt,sondern eS würde auch formell anerkannt sein, daß der Staat der Kirche gegenüber, die ihre inneren Angelegenheiten allein ordnet, auch auf dem kirchenpolitischen Gebiete und — da Nom den Unterricht, den VolkSschul» wie den Höheren Unterricht, als eine kirchliche Angelegenheit für sich reclamirt — vor Allem auf dem Schulgebiete nichts mehr zu sagen hat. Den „Bruch mit der Imparität", den die „Kölnische Volksztg." in der nur einfachen Besetzung deS Amtes deS Unterstaatssekretärs erblickt, wird der Staat ja wohl auch nicht so rasch vollziehen. Aber man sieht, was der KlcrikaliSmus sagen zu dürfen glaubt. Freilich brauchen wir Sachsen, um das zu erkennen, gerade in diesem Augen blicke nicht erst nach Preußen zu sehen. lieber die Sprachenfrage in Oesterreich lassen sich fort gesetzt aus den Lagern der verschiedenen Parteien Stimmen bören. Bemerkenswerth sind die Ausführungen deS deutschen Abgeordneten vr. Pfersche und des zweiten Vicepräsidenten dcS Abgeordnetenhauses, des Tschechen Or. Zaczek, insofern sie besonders stark die Unvereinbarkeit deS deutschen und des tschechi schen Standpunktes betonen. Pfersche erklärte, ohne die deutsche Vcrmittelungssprache und die nationale Abgrenzung in Böhmen sei eine friedliche Mitwirkung der Deutschen am Staatsleben nickt möglich. Die Erfüllung dieser deutschen Grundforderungen sei bisher durch die ungesetzliche Gewaltsamkeit derTschechen ver hindert worden. Oesterreichs Zukunft hänge davon ab, ob die Regierung vor den Tschechen wieder zurückweichen werde oder nicht. Im ersteren Falle würde sich daS ganze Verhältniß deS deutschen Volkes zum österreichischen Staatswesen ändern. Zaczek erklärte, die Tschechen würden nie auf ihrem Boden eine Vorherrschaft der deutschen Sprache dulden. Sie könnten eS nicht ertragen, wenn man von ihnen verlangen würde, daß der tschechische Beamte eine tschechische Quittung nicht unterschreiben dürfe oder daß der tschechische AmtS- diener in deutscher Sprache um Urlaub nachsuchen müßte. Möchten die maßgebenden Kreise daS Parlament ein berufen oder nicht, auflösen oder nicht, wenn sie es durch Intriguen versuchen sollten, den Widerstand deS tschechischen Volkes abzuschwächen, so würden sie sehen, daß eS keinen einzigen tschechischen Bezirk giebt, der bereit wäre, den Abgeordneten in den Rücken zu fallen und so die Sache des tschechischen Volkes in den Hintergrund zu drängen. Bei so wenig Entgegenkommen in der Sprachenfrage ist ein deutsch tschechischer Friedensschluß undenkbar. Die Diktatur hat in Spanien ihre Schuldigkeit gethan. Mit ihrer Hilfe hat die Negierung über die Uneinigkeit der Gewerbtreibenden den Sieg davongetragen. Wenn eS sich dabei nur um die Steuerverweigerung handelte, so könnte man mit diesem Ausgang am Ende zufrieden sein, da erstere unter keinen Umständen zu vertheidigen war. Fettillstsir. Diana. Roman von Marian Comyn. Nachdruck »erdeten. Antonius Beauchamp blickte zu ihm hinüber und lächelte, er mochte wohl ahnen, was in der Seele seines Vetters vorging, obwohl Erich niemals den Namen Pauline's vor ihm er wähnt hatte. „Auch ich habe den Sonntag gern", sagte Diana, „es ist ein Tag des Friedens und der Ruhe, und besonders für Diejenigen, welche die Woche hindurch der Arbeit obgelegen haben. Ich er innere mich noch, wie ich mich damals, als ich Mariechen Drummond unterrichtete, nach dem Sonntag zu sehnen pflegte, weil er mir einen ganzen Tag der Freiheit brachte!" Nancy rückte ungeduldig auf ihrem Stuhle hin und her. Konnte denn Diana die Vergangenheit nicht ruhen lassen? Mußte sie denn jener Tage, welche Nancy fast vergessen hatte, Erwähnung thun? Es war doch sehr gedankenlos von ihr, ihrer früheren Armuth in Gegenwart Antonius Beauchamp's zu ge denken! Dieser, welcher seine Arbeit, ein wirkliches kleines Kunstwerk, vollendet hatte, händigte dasselbe jetzt Diana ein, welcher Vor gang von Nancy mit eifersüchtigem Auge beobachtet wurde, da sie sich stets beeinträchtigt und vernachlässigt fühlte, wenn einem Anderen außer ihr irgend welche Aufmerksamkeit erwiesen wurde. Gerade in diesem Augenblick tönte der Klang der Glocke von dem Crowhurst zunächst gelegenen kleinen Dorfe zu ihnen herüber. „Ich möchte nach Sparbrook in den Nachmittags-Gottes dienst gehen", sagte Diana, welche wegen ihres noch immer nicht beseitigt gewesenen Kopfschmerzes am heutigen Vormittag nicht in der Kirche gewesen war, was sie, seit sie in Erowhurst war, stets gethan hatte. „Wenn ich mich beeile, so kann ich noch zur rechten Zeit dort sein", sagte sie, sich schnell erhebend. Als sie wenige Minuten später, zum Ausgehen fertig, herab kam, fand sie Antonius am Fuße der Treppe, der sie augenschein lich erwartete, um sie zu begleiten. Er trug einen schwarzen Gehrock und Cylinderhut und hatte ein kleines Gesangbuch in der Hand. „Wer das war wirklich nicht nothwendig", sagte sie, ein wenig verwirrt bei dem Gedanken, daß er es für <ranz selbst verständlich zu halten schien, ihr seine Begleitung anzubieten. „Ich kann ganz gut allein gehen!" „Das werde ich aber nicht zugeben", sagte Antonius mit einer Miene, welche keine weiteren Einwendungen zuzulasscn schien. Es unterlag keinem Zweifel, daß Antonius ein sehr an genehmer Gesellschafter war. Er hatte auf seinen Reisen mannig fache Kenntnisse gesammelt und viel Interessantes erlebt und hatte die Gabe, in amüsanter Weise zu erzählen. „Ich kenne einen kürzeren Weg nach der Kirche von Spar brook, viel kürzer als der auf der Landstraße", sagte er, als sie aus dem Cro-whurster Park auf die staubige Landstraße hinaus traten. „Wollen Sie sich meiner Führung anvertrauen?" „Wie kommt cs, daß Sie hier so gut Bescheid wissen?" fragte Diana verwundert, doch im nächsten Augenblick fügte sie hinzu: „Ach, ich vergesse immer, daß Sie hier gelobt haben. Ich bin eigentlich die Fremde hier!" „O, ich bin nicht allzu lange hier gewesen! Die Erinnerung an jene Zeit ist eine sehr trübe für mich!" entgegnete er mit leiser Stimme, indem cr eine kleine Gitterthiir öffnete, hinter welcher sich ein schmaler Weg, der zwischen üppigen Kornfeldern dahin führte, zeigte. „Es ist mein Princip, peinliche Dinge, wenn irgend möglich, zu vermeiden, und diesem Princip folgend, bin ich so selten wie irgend möglich in Crowhurst gewesen." „Aber cs ist nicht immer gesagt, daß man durch das Vermeiden eines Ortes auch die traurigen Erinnerungen ab schüttelt, die mit demselben verknüpft sind", sagte Diana. „'Das mag in den meisten Fällen zutreffen; bei mir ist es nicht so", entgegnete er mit einem leisen Achselzucken. „Ich glaube, ich bin von der Natur dazu bestimmt, glücklich zu sein, und es würde von meiner Seite eine große Undankbarkeit sein, wenn ich mich dagegen auflehnen wollte. Nein, wir leben ja nur ein mal, und ich bin der Ansicht, daß man dieses Leben nach besten Kräften genießen soll. Seien Sie doch gerecht, wir streben Alle nach Glück, nur schlagen wir verschiedene Wege dazu ein. Der Spieler, der Missionär, der Menschenfreund, der Weltmann, sie streben Alle nach demselben Ziele! Habe ich nicht Recht?" „O nein!" erwiderte Diana warm. „Die Einen opfern sich seibst, um ihrer Pflicht zu genügen, während die Anderen nur von dem Wunsch geleitet werden, ihre Selbstsucht zu befriedigen!" Antonius lächelte. „Und Jeder thut Das, was ihm am meisten Vergnügen macht — das müssen Sie mir schon zu geben!" Diana schüttelte den Kopf. „Sie drehen sich im Kreise herum, Sie werden mich nicht überzeugen; ich bleib: bei meiner Ansicht. Es würde ja keinen Edelmmh, keine Aufopferung in der Welt geben, wenn Jeder nur danach strübte, seine eigenen Wünsche zu befriedigen! Nein, nein, dem ist nicht so!" „Ich bescheide mich in Demuth. Gegen Frauen ist über haupt nicht anzukämpfcn!" lachte Antonius, während er mit seinem Spazierstock einige der prächtigen, goldenen Aehren köpfte, welche Handlung ihm einen mißbilligenden Blick Diana's ein brachte. „UebrigenS", fuhr er nachdenklich fort, indem er das junge Mädchen einige Secunden lang voll anblickte, „bin ich gar nicht sicher, ob ich Sie zu meinen Ansichten bekehren möchte, denn wie Sie einmal sind, sind Sie so vollkommen, so be zaubernd, daß cs eine Sünde wäre, auch nur das Geringste an solcher Vollkommenheit verändert zu wünschen!" Eine dunkle Rothe überzog Diana's Antlitz bei diesen Worten, und mit einer stolzen Geberdc warf sie den Kopf ein wenig in den Nacken. Ihr Letter hatte sich schon mehrfach erlaubt, ihr derartige Schmeicheleien zu sagen. Schweigend, die Brauen ein wenig zusammengezogen, schlug sie einen etwas schnelleren Schritt ein. Bald hatten sie die kleine Kirche erreicht, und wie es schien, gerade zur rechten Zeit, denn das Läuten der Glocke wurde schwächer, und einige Schulkinder drängten sich hastig durch die Eingangsthür, um noch rechtzeitig auf ihre Plätze zu gelangen. Wie kühl und erquickend es in der kleinen Kirche war, im Gegensätze zu dem blendenden Lichte und der Hitze draußen! Einzelne Sonnenstrahlen fielen durch die bunten Glasscheiben und eine feierliche Stille herrschte unter den andächtig Ver sammelten. Antonius wollte Diana, welche die kleine Kirche in Sparbrooi zum ersten Male besuchte — man wohnte für gewöhnlich dem Vormittags-Gottesdien'ste in der Crowhurster Kirche bei — zu einem Seitenplatze führen; doch ein alter Mann in einem langen schwarzen Rocke, offenbar der Kirchendiener, wendete sich mit höflicher Miene zu dem jungen Mädchen und führte Diana und ihren Begleiter zu einem der Kanzel gerade gegenüber liegenden Platz. Der Gottesdienst ging in ernster, einfacher, andächtiger Weise vor sich. Als der Prediger das Schlußgebet sprach und die kleine Gemeinde sich erhob, stutzte Diana plötzlich und zuckte erschrocken zusammen. Ihr Blick war auf eine weiße Marmor tafel gefallen, welche ihrem Platze gerade gegenüber angebracht, war; die schwarze Jnschkift auf dtksclbtn yvh sfth fkhrihf dön tttm Hellen Hintergründe ab: Zum Andenken an Adelaide. Gattin Antonius Beauchamp's. Gestorben am 14. September 18—, 23 Jahre alt." Unwillkürlich blickte Diana Antonius an, doch hastig senkte sie ihre Augen zu Boden, denn sein Blick ruht« mit einem so eigenen Ausdruck auf ihrem Antlitz, daß «ine leise Röthe in ihre Wangen stieg. Hier war also die arme junge Frau zur Ruhe bestattet wor den! Drciunbzwanzig Jahre! So früh schon sterben zu müssen — nur drei Jahre älter als Diana selbst! Die Predigt war zu Ende, die Orgel spielte noch irgend einen Choral, und die Versammelten, neugierig auf die beiden Fremden blickend, verließen das Gotteshaus. Schweigend schritten Diana und ihr Gefährte den schmalen moosbewachsenen Fußsteig hinab, durch bas kleine hölzerne Gitterthor hindurch, bann wendeten sie sich rechts und ver folgten einen langen, mit hohen Hecken bewachsenen Gang, der hier in bas freie Feld hinausfiihrte. „Sie waren bestürzt über die Inschrift in der Kirche?" sagte Antonius, endlich das Schweigen brechend uitd Diana an blickend. „Ja", erwiderte Diana, „ich wußte nicht, daß Ihre Gattin hier in Sparbrook beerdigt sei. Ich mache mir Vorwürfe, daß durch meine Schuld peinliche Erinnerungen in Ihnen wachge rufen worden sinb, bin ich doch die Veranlassung dazu, daß Sie hierher gekommen sinb." „Sie haben durchaus keine Ursache, sich Vorwürfe zu machen", sagte er freundlich. „Es sind mehr als sieben Jahre verflossen, seitdem die arme Adelaide todt ist, und die Zeit hat die Wunde geheilt, die ich durch ihren Verlust erlitten habe, obgleich sie die Erinnerung an die Todte nicht hat verwischen können." „Die Leute sagen, baß man niemals seine erste Liebe heirathet", fuhr Antonius nach einiger Zeit fort, „doch meine Erfahrungen stehen damit in directcm Widerspruche, denn wir liebten uns schon, als wir noch Kinder waren. Ich darf wohl annehmen, daß Ihnen die Geschichte unserer Ehe bekannt ist — es giebt in Crowhurst schwatzhafte Leute genug —" Sie antwortete ihm durch ein Kopfschütteln. „Ich habe den Namen Ihrer Gattin außer ein einziges Mal von Mr. Drury niemals erwähnen hören, unb dieser sagte mir nur, daß L>ie eine Miß Heathcote von Priors Holm ge- hei-»khet lMeN:- Diana schien es, als ob hei diesen Worten ein Ausdruck der
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