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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000728018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900072801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-28
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Aber die Germanen krieger kämpften für ein fremdes Volk, während unsere Mann schaften wissen, daß sie nur für Deutschlands Ehre und Deutsch lands Wohl streiten, und daß wir englischen oder russischen oder sonstigen fremden Interessen nicht di« Knochen eine« pommerschen Grenadiers, eines deutschen Seesoldaten oder Ma trosen opfern werden. Und die deutschen Soldaten, die im 18. Jahrhundert nach Amerika verschifft wurden, waren verkauft und gepreßt. Die Mannschaften unseres ostasiatischen Corps aber gehen in voller Freiwilligkeit an ihre Aufgabe. Der Ver such eines bayerischen Centrumsblattes, die Sache so darzustellen, als ob die Meldung der Leute hier oder dort auf einen Druck zurückzuführen sei, ist kläglich gescheitert; überall hat die Zahl der sich freiwillig Meldenden den Bedarf bei Weitem über schritten, und wir wissen, daß bei einem Berliner Truppentheile beim Aufruf die ganze Compagnie öinmüthig vortrat. In politischer Hinsicht beweist diese Freude und Bereitwilligkeit, für des Reiches Ehre zu kämpfen, daß die vielberufene „Reichs verdrossenheit" so wenig in die eigentlichen Massen des Volkes gedrungen ist, wie der Sturm, der die Oberfläche des Meeres peitscht, seine Tiefen zu beunruhigen vermag. Der ungeheuren Mehrzahl der Deutschen ist trotz aller Schwankungen der Politik, trotz Partikularismus und Socialdemokratie, die Existenz deS Reiches der unerschütterliche rocder äs brcmco inmitten des veränderlichen öffentlichen Lebens. , Man sagt nicht zu viel, wenn man behauptet, daß die Aus reise des ostasiatischen CorpS «inen Wendepunkt in der deutschen Geschichte bezeichne. Bisher war dir Frage, ob Deutschland in den weiten Kreis der Weltpolitik ünzutreten habe, für große Theile des Volkes sicherlich noch contraver«. Jetzt hat die Ge schichte diese Frage jäh entschieden. Sie hat erst durch die Er eignisse in Samoa und Südafrika unserem Volke eine ernst« Warnung ertheilt, und hat durch die Ereignisse in Peking die Sache schnell, doch nicht unerwartet spruchreif gemacht. Denn das leuchtet selbst dem beschränktesten politischen Verstände ein, daß die Vorgänge in China von Deutschland weder gewünscht, noch herbeigeführt wurden, daß sie die beklagenswerthen, aber zuweilen unvermeidlichen Begleiterscheinungen der weltweiten Beziehungen eines großen Reiches sind, daß die Schmach, die uns angethan wurde, Sühne erheischt, und daß Sicherheit gegen die Wiederholung derartiger Vorgänge geschaffen werden muß. Dadurch aber ist auch der großen Masse des Volkes, die die Frage der Weltpolitik bisher vielleicht theoretisch und kühl betrachtete, mit einem Male die entscheidende Thatsach« grell vor Augen ge rückt worden, daß wir gar nicht mehr vor der Wahl stehen, ob wir Weltpolitik treiben wollen oder nicht, daß diese Frage viel mehr von der Geschichte längst in bejahendem Sinne beantwortet worden ist. Und die Einmllthigkit, mit der das Volk dir Maß nahmen der Negierung in der chinesischen Angelegenheit billigt, die Begeisterung, mit der es die Ausreise des ostasiatischen Corps begleitet, beweisen, daß diese Entscheidung das deutsche Volk nicht unvorbereitet getroffen hat. Theures deutsches Blut wird nun fließen, und ein Werk zu verlassen, an daS einmal da» Blut unserer Söhne und Brüder gesetzt wurde, ist nicht deutsche Art. Noch in einer anderen Beziehung aber hat die Ausreise deS ostasiatischen Corps eine große nationale Bedeutung. Bei aller Verschiedenheit der Motive und der äußeren Umstände möchten wir sie in einer Hinsicht mit einem großen Ereignisse unserer Vergangenheit vergleichen: den Kreuzzügen. Die deutschen Kreuzritter erreichten ihren eigentlichen Zweck, die Befreiung des heiligen Grabes, nicht, aber sie brachten eine unendliche Fülle von Anregungen mit nach Hause, die den Gesichtskreis des deutschen Volkes ungeahnt erweiterten. Anders als die Kreuz fahrer werden, davon sind wir überzeugt, unsere ostasiatischen Mannschaften ihren Zweck erreichen, aber ebenso wie sie werden sie eine Fülle von Anregungen Heimbringen und der Masse des Volkes Länder und Völker, die ihr bisher nur aus der Lectüre bekannt waren und für sie k«in unmittelbares Interesse hatten, nahe führen und vertraut machen. Wenn in hoffentlich naher Zeit der Mann von der ostasiatischen Division im oberbayerischen Gebirgsdorfe von seinen Fahrten und Schicksalen im fernen Osten erzählt, dann wird seinem Dorfgenossen dieses China und sein Volk ein lebendiges Etwas, und das Leben selbst lehrt die schlichten, wackeren Männer begreifen, was sie aus der politischen Theorie vielleicht nie verstanden hätten: mit wie viel Tausend innigen Fäden Deutschland und sein Volk bis in seinen, letzten Winkel hinein bereits mit dem fernen Auslande, mit der Welt, verknüpft sind. Wenn der Engländer bisher darin einen Vortheil hatte, daß selbst der ungebildetste Mann mit den Völkern und Ereignissen fern über See vertraut ist und sich überall gewisser maßen zu Hause fühlt, so sorgt wiederum die Geschichte selbst dafür, daß der Deutsche, wenn auch unter ernsten Opfern, diese Vertrautheit lernt. So ist die Ausreise des ostasiatischen Corps nicht nur ein glänzendes patriotisches und militärisches Schauspiel, sondern auch ein politischer Vorgang von hoher Bedeutung. Es ist die Blüthe unserer jungen Mannschaft, die hinausgeht, und sie ver tritt ein junges, ein neues Deutschland. Gott sei mit ihr! Die Wirren in China. AuS London wird unS geschrieben: Der KriegSratb, welcher über einen endgiltigen Operationsplan der Ver einigten in Tientsin entscheiden sollte, bat zu keinem Schlußresultate geführt, und Admiral Seymour ist auf Torpedobootzerstörer Whiting nach Wusung abgegangen, obne daß man sich endgiltig verständigt batte. Daß die Anwesenheit des englischen Admirals an der Iantsemündung augenblicklich wichtiger und nothwendiger al« hier, wo er leicht vertreten werden kann, ist augenfällig, trotzdem hat d r journalistische Klatsch sich auch dieses Vorganges wieder sofort bemächtigt, und läßt Seymour Tientsin und Taku verlass, , lediglich au- Zorn und Enttäuschung darüber, daß er bist- z in keinem Falle seinen Willen durchzusetzen vermochte, u».o zwar besonder» dem russischen Admiral gegenüber, dessen Senior er zudem war. Daß gewisse Meinungsverschieden heiten hier und da zu Tage getreten, soll nicht geleugnet werden, eine die tbatsäcklicken Vorgänge wesentlich übertreibende Darstellung der Thatsachcn aber ist eS, wenn jetzt von englischen Correspondenten bebanptet wird, Seymonr habe für sich di« Leitung und Verwaltung in Taku, Tientsin nnd Peking verlangt, und al« das am Widerstande Alexeijeff'S gescheitert, versucht, im Verein mit seinem amerikanijchen College» eine kleine, aber regelrechte Intrigue gegen den Nüssen in Scene zu setzen. Als auch diese an der rinfachen Thatsache gescheitert, daß die Kosaken den ganzen überhaupt z. Z- in Frage kommenden Bahnkörper besetzt hielten, habe sich der englische Admiral ringeschifft, um am Aantse nach „Englands wirklichen Interessen" zu sehen. In Wahrheit lauten die Nachrichten aus Mittel china keineswegs erfreulich und eS ist nur natürlich, daß England, das am Aangtse seine eigentlich« Einflußsphäre sucht, dort doppelt aufpaßt. Li-Hung-Tschang gilt ihnen mehr denn je als verdächtig und im allerbesten Falle als der Manu, welcher nur auf die Gelegenheit wartet, um seine alten Jntriguen, diesmal mit Rußland, wieder zu beginnen. Selbst der rnglische General Consul Warren scheint sein noch vor Kurzem so unerschütterliches Vertrauen zu seinem bis herigen Freunde, dem Vicekönig von Nangking verloren zu haben und seit dieser die Aangtse-Forts in allerletzter Zeit in VertheidigungSzustand gesetzt, Truppen zusammengezogen, und bi« in dir nächste Nähe Shanghais vorgeschoben und sich gleichzeitig unfähig, wenn nicht unwillig erwir«, Christen verfolgungen und Metzeleien selbst an der Küste und in der Nähe seiner Hauptstadt zu verhindern, ist doch das letzte Vertrauen zu diesem „treuesten Freunde Englands" ge schwunden. Der „Standard", welcher zur Z«it wieder in markirterer Weise die Auffassungen deS Auswärtigen Amtes wiederspiegelt, erklärt heute ausdrücklich, man zweifle sehr ernstlich daran, daß die chinesischen Beamten über haupt irgend eine Botschaft aus Peking erhalten hätten. ES herrsche der Eindruck vor, daß es für Li, Scheng, und deren College» (wie den Vicekönig von Schantnng) nur darauf ankomme, die Großmächte durch irgend eine List, wie sie ihnen gerade einfalle, ruhig zu erhalten, bis ein neuer Plan gereist sei. Es sei auch möglich, daß sie sich mit der Hoffnung trüge», die lange Verschleppung werde die Schwere der Folgen in etwas vermindern, wenn schließ lich die reale Wahrheit über das, waS sich in Peking er eignet, an das Licht komme. Aber der „Standard" selbst bringt gleichzeitig von seinen eigenen Correspondenten in Chifu eine Meldung unter dem 23. Juli deS Inhalt-, eine Meldung sei aus Peking, datirt den 10. Juli, eingegangen, die besage, die Fremden in der britischen Gesandtschaft be dürften dringend deS Entsatzes — WaS mindestens beweisen würde, daß sie am 10. noch lebten. Aber auch hier wird keine Quelle angegeben. D Verkin, 27. Juli. (Telegramm.) Die „Norddeutsche All- gemeine Zeitung" veröffentlicht einen von dem Chef des Kreuzer geschwaders Viceadmiral Bendemann übermittelten längeren Auszug aus dem Kriegstagebuche des Capitäus von Usedom von der Expedition des Admirals Seymour. Am Schluffe de- Tagebuchs heißt es: „Die Deutschen ließen keine Waffen, Verwundete oder Vermißte zurück. Alle Gefallenen wurden mit militärischen Ehren begraben." * Berlin, 27. Juli. „Wolff's Telegr. Bureau" meldet au« Tientsin vom 24. d. Mts.: Heute traf «in Bote au- Peking «in, der am 15. d. M. dort abgegangen war, und meldete einem hiesigen Zollbeamten, die Soldaten Les Prinzen Tsching hätten gegen die Truppen des General- Tung gekämpft und seien geschlagen worden. Die Fremden vertheidigten sich in der nördlichen Kathe drale in der Nähe der verbotenen Stadt. * Parts, 27. Juli. In dem heutigen Ministerrath besprach der Minister des Aeußeren Delcasss die chinesischen Angelegen heiten nnd theilte mit, er habe den französischen Cousuln in China völlig freie Hand gelassen bezüglich der Maßnahmen, die sich zum Schutze der französischen Staatsangehörigen al- nothwrndig erweisen könnten. Admiral Courrejolles sei ermächtigt, nach Maß gabe des Eintreffens neuer französischer Kriegsschiffe in Taku dies« nach Bedarf in die verschiedenen Häfen Chinas zu entsenden. Ferner theilte Delcasss mit, der Platz sür die Kohlenstation in Maskat sei ausgewählt. Es werde ein Kohlen-Tronsportjchiff mit Kohlen dorthin abgehen. * London, 27. Juli. „Daily Mail" veröffentlicht einen Brief deS britischen Gesandten in Peking Sir Macdonald vom 6. d. M., in dem es heißt: „Wir erhalten von den Behörden keinen Beistand. Drei Gesandtschaften stehen noch, darunter die britische. Wir halten auch einen Theil der Wälle der Stadt. Die Ebivesen beschießen uns von der Stadt aus mit einem drrizölligen Geschütze. Auch einige kleine Geschütze bedrängen uns. Wir können jeden Tag völlig vernichtet werden. An Munition und Nahrungsmitteln herrscht Mangel. Auch würden wir deshalb schon umgekommen sein, wenn die Chinesen nicht Feigling« wären und wenn sie einen bestimmten Angriffsplan hätten. Wenn wir nicht bedrängt werden, können wir noch 14 Tage aushalten, sonst höchstens noch vier Tage. Tas Entsatzcorps wird nur einen geringen Widerstand zu erwarten haben." — Sir Macdonald schließt seinen Brief, indem er dem Entsatzcorp« den Rath giebt, entweder durch das östliche Thor oder auf dem Fußwege anzurücken. Die Berluste der Fremden in Peking betrugen bis zum 6. d. M. 40 Todte und 80 Verwundete. * Tientsin, 22. Juli. Unter dem 4. d. M. schreibt der eng lische Gesandte, daß die Gesandtschaften unaufhörlich beschossen würden und 44 Todte und doppelt so viel Verwundete hätten. Dir amerikanische, englische, deutsche, russische und französisch« Gesandtschaft würden noch gehalten. Ein Entsatz sei dringend nothwendig, da die Provisionen nur noch sür 14 Tage reichen und die chinesische Regierung nichts zum Schutze unternehme. — Gestern traf der Pferdeknecht des ermordeten deutschen Gesandten in Peking Freiherrn v. Kettrlrr ein und behauptet, am 9. d. M. hätten die Gesandtschaften noch Stand gehalten. * Hongkong, 26. Juli. („Reuter'S Bureau".) Ein Opium- Farmer erhielt ein Telegramm, daS besagt, daß Li-Hung- Tschang nicht in der Lage sei, nach Peking weiter zu gehen. Er kehrte nach Can ton zurück Mau erwartet, daß er aus der Rückreise Hongkong besuchen werde. (Wiederholt.) * Hongkong, 27. Juli. („Reuter'S Bureau".) Ein Privatbrief aus Canton berichtet, daß die al« der „Dreifaltigkeits bund" bekannte Geheimgesellschast einen Angriff aus den Stadt« theil Schamienplane und das Gefühl der Unruhe in Canto» zunehm«. Deutsches Reich- 8IiL. Leipzig, 27. Juli. Die Bestimmung in tz 4 Absatz 3 deS NormalstatutS für die Zwangsinnungen, wonach „Ge- werbtreibende, welche neben einem Handwerke noch andere Gewerbe betreiben, Mitglieder der entsprechend-» Innung nur dann sind, wenn sie daS betreffende Hand werk hauptsächlich betreiben", wird nach der Mittheilung des preußischen Ministers sür Handel und Gewerbe zuweilen dahin verstanden, daß Personen, welche neben dem Hand werk, für welches eine Zwangsinnung errichtet ist, noch ein anderes nicht zum Handwerk gehörendes Gewerbe, z. B. das Handelsgewerbe, betreiben, dem Innungs zwänge dann nicht unterliegen, wenn sie das Handwerk nur nebenbei oder in geringem Umfange auöüben. Diese Auffassung steht im Widerspruch mit dem tz 100 5. Absatz 1 der Gewerbeordnung, wonach der Zwangsinnung mit Ausnahme derjenigen, welche bas Gewerbe fabrikmäßig betreiben, alle Personen anzugehörrn haben, welche dqS Ge werbe, wofür die Innung errichtet ist, als stehendes Gewerbe selbstständig betreiben und zwar ohne Rücksicht daraus, atz die Ausübung dieses Gewerbes in größerem oder geringerem Umfange stattfindet. Die erwähnte Bestimmung kann daher bei einer sinngemäßen Auslegung nur so aufgefaßt werden, daß unter mehreren von einem Gewerbtreibendcn betriebenen Handwerken das von demselben hauptsächlich betriebene bestimmend dafür ist, welcher Zwangsinnung er anzugehören bat. Unter den „anderen Gewerben" im Sinne de« tz 4 Absatz 3 sind mithin nur andere handwerksmäßig be triebene Gewerbszweige zu verstehen. -r- Bcrttn, 27. Juli. (Textilarbeiter-Congreß und Buchdrucker-Verband.) Die Gegnerschaft des Buchdrucker-Verbandes zur Socialdemokratie zeigt sich auch in der Beurtheilung, die das Verbandsorgan dem internationalen Textilarbeiter-Congreß zu Theil werden läßt. Vollständig die Partei der Engländer nehmend, schreibt es: „Ziehen wir das Facit der fünftägigen Verhandlungen, so können wir zwischen dem kurz zuvor in Paris abgehaltenen internationalen Berg- arbeitercongresse und dem der Textilarbeiter in Berlin mancherlei Ähnlichkeiten constatiren, vor allen Dingen zeigten sich dort wie hier Albions Söhne als die Männer des praktischen Handelns, die Deutschen hier aber mehr noch als in Paris als aus geprägte Illusionäre. Das Kreisen in den Wolken schöner Redens arten bringt dem Ziele kaum im Schneckentempo näher, und daß die Engländer — die unübertroffenen Mustergewerkschaft ler — nur aus eigener Kraft sich gute Verhältnisse geschaffen, zieht gleich einem rothen Faden durch die ganzen Verhandlungen, ist allgemein anerkannt. Die Scheidung der Geister war daher eine große, und wenn durch das Ueberwiegen der deutschen Stimmen die Engländer bei d«n Abstimmungen auch meist unterlagen, so will das nur die oftmalige Wieder kehr dieser Resolutionen besagen." — Im Anschluß hieran stellt das Verbandsorgan die Behauptung auf, daß nach zwei Jahren die Arbeiterschutzgesetzgebung in Deutschland kaum besser sein werde. Diese Behauptung kann vor den That- I Rache. Novelleite von Emil PefchkaU. Sl«»dn>ck Unter den Reisenden, die den Hamburger Schnellzug im Lehrter Bahnhof verließen, befand sich ein sehr elegant gekleideter, etwas über dreißig Jahre alter Mann, mit wohlgepflegtem, blondem Schnurrbart, bleicher Gesichtsfarbe und merkwürdig düsterem, flackerndem Blick. Er hatte in der Haltung und im ganzen Wesen etwas von einem norddeutschen Officier in Civil, die in der Ankunftshalle lauernden Hoteldiener aber schätzten ihn sofort als «inen „reichen Amerikaner" ein, und dement sprechend waren auch ihre Bemühungen um ihn und sein» Hand tasche. Er hatte jedoch nur eine abweisende Gebilde für sie, wobei der Zug von Menschenverachtung in seinem hübschen Ge sichte plötzlich unheimlich stark hervortrat, und dqnn ging er raschen Schrittes, mit einer Sicherheit, als ob ihm hj«r nichts fremd wäre, die Trepp« hinab nach d«m AuSgang. Dort ließ «r sich von dem Schutzmann «in« Droschkennummer g«b«n, nannt« dem Kutscher einen Gasthof ersten Ranges und fuhr davon. In seinem Hotel angekommen, bat er um «in Zimmrr und um daS Berliner Adreßbuch. Die Frage, ob er größeres Ge päck habe, verneinte er, und ebenso dir Frage, ob er zu speisen wünsche. Alles da» schien ihn verdrießlich zu machen und ebenso die Bitte des Kellners, den Meldezettel auszufüllen. Tein« Oberlippe zuckte wilder stärker, aber obne »in Wort der Entgeg nung schrieb er den Namen „Fritz Mosch au» Montreal" in das Formular, worauf der Kellner plötzlich wie «rlrichtrrt aufseufztrr „Danke, Herr Leutnant". Dieses Wort wirkt« auf den Fremden wie ein elektrischer Funke. Er wandte sich blitzschnell um und musterte den Kellner vom Kopf bis zu den Füßen. „Sie kennen mich?" fragte er nicht gerade freundlich. „SS sind ja nun wohl sechs oder sieben Jahre her", erwiderte der Kellner zögernd, „aber der Herr Leutnant haben ... der Herr Leutnant haben sich nicht sehr verändert . . . und dann . . . dann war ich damals im CafS Bauer bedienstet ... als der Herr Leutnant die kleine Scene hatten . . Der Fremde wurde noch bleicher, seine Augen flammten auf. „Welche Scene?" fragte er. Dem Kellner schren die Sache ungemüthlich zu werden. Aber er mußte doch antworten. „D«r Herr Leutnant faßten einen Civilisten an der Schulter und sagten nichts als: „Äug' um Auge — Zahn um Zahn!" Aber wie der Herr Leutnant das sagten . . , Der Herr Leut nant gingen ja dann gleich fort und sahen und hörten nichts mehr . . . aber es gab doch eine große Aufregung im Caf6. Der Herr in Civil ging dann auch gleich ... da wurde natürlich nur noch mehr geredet ... von einer Dame ... und öinem Duell . . ." In diesem Augenblick wurde an die Thür geklopft — der Piccolo brachte daS Adreßbuch. Der Kellner nahm es ihm ab und deutete ihm durch Sinen Wink an, schleunigst zu verschwinden. AIS er es dann aber auf den Tisch legte und den Herrn Leutnant fragte, ob er vielleicht irgendwie dienen könnte, wurde er derartig abgeblitzt, daß er vorzog, sich mit einer außergewöhnlich tiefen Verneigung rasch zu verabschieden. „Mit dem ist nicht gut Kirschen essen", sagte er dann draußen zu dem noch an der Thür stehenden Klönen. „Aber für unS ist er nicht gefährlich, obwohl er kein Gepäck hat. Er heißt wirklich Mosch." Der Leutnant hatte inzwischen »inen der beiden Bände des Berliner Adreßbuchs aufgrschlagen, dann aber ließ er es, ohne zu lesen, auf dem Tisch liegen, und erst nachdem er rin paar Mal mit sich kämpfend durchs Zimmer geschritten war, fing er an, nach dem Namen „Bruckhofs" zu suchen. Er fand ihn dreimal verzeichnet, und während er diese Zeilen durchflog, wich der Ausdruck des Kampfes in seinen Zügen dem Ausdruck der Neugierde, der Spannung. „Es giebt keinen Rentier Bruckhofs mehr in Berlin", sagte er nachdenklich. „Oder sollte aus dem Rentier rin Assessor ge worden sein? . . . Unsinn, da müßte er ja inzwischen äus studirt haben . . . Oder ein Colporteur? Undenkbar , , . Oder —?" „So wird's sein", fuhr er nach einer Weile fort. „Sechs tausend Mark Rente waren damals ja für Schön-Ella ein Ver mögen. Insbesondere wenn man bedenkt, daß der Herr Leut nant Mosch gar nichts hatt«. Aber die Entwickelung, die ich voraussah, ist eben smgrtreten, und Herr Bruckhofs hat sich genöthigt gefühlt, Herrn Mosch zuvorzukommen. Er hat sich auf» Geldverdienen geworfen und ist Bauunternehmer geworden, um Schön-Ella's gesteigerte Anforderungen zu befriedigen. Na, wir wollen doch sehen, ob Bruckhofs auch jetzt noch mit Mosch roncurriren kann ... der Berliner Bauspeculant mit Mosch aus Montreal, dem Millionär. . ." Er sprang auf und machte mit größter Eile, aber sehr sorg fältig, Toilette. So sorgfältig, als ob er seiner Million allein doch nicht vertraute. Wenige Minuten später stieg er dann unten in eine Droschke, die ihn nach Tauentzienstraße Nr. 12 führe» sollte. Tauentzienstraße Nr. 27 wohnte der Bauunter nehmer Bruckhofs. Eine kurze Unterredung mit dem Pförtner deS Hause» Tauentzienstraße Nr. 27 genügt«, um dem Leutnant die Ueber- zeugung beizubringen, daß der Bauunternehmer Bruckhofs nicht der war, den er suchte. Da der Assessor Bruckhofs ganz außer Betracht kam, so mußte der ehemalige Rentier — wenn er nicht etwa Berlin verlassen hatte — jetzt als Colporteur sein Leben fvisten. Der Gedanke an diese Möglichkeit jagte dem Leutnant das Blut derartig nach dem Kopf, daß er wie ein Betrunkener taumelte, als er seine Droschke wieder aufsuchte. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht. Sieben Jahre lang hatte er nur immer den Glückspilz vor sich gesehen, den Menschen mit sechstausend Mark Rente, der ihm das Mädchen seiner Liebe abspenstig machte. Sieben Jahre lang hat er Alles, was gut in ihm war, gewaltsam zurückgedrängt, und kein Mittel gescheut, um Geld zu erwerben. Sieben Jahre lang hatte er ein wüstes Abenteurerleben geführt, ein Leben, das ihn oft genug mit finsterstem Lebensekel erfüllte; aber er hatt« ausgeharrt in dem leidenschaftlichen Wunsche, dem Verräther eine» Tages so zu thun, wie er ihm gethan hatte. Als reicher Mann wollte er in die Höimath zurückkehren, mit Gold wollte er Ella über schütten, er wollte sie wegkaufen, wie sie ihm wrggekauft worden war. Und nun war er da, um Rache zu nehmen, und das Schicksal schien für ihn gearbeitet zu haben. Bruckhofs war ver armt. Aber vielleicht hatte Ella, die damals ja nur sein Geld heirathete, ihn längst verlassen. Und wenn sie doch noch bei ihm ioar. . . Mit solchen Verhältnissen hatte er bisher nicht gerechnet, und eine dunkle Stimme sagte ihm jetzt: „Bleib' lieber fern!" Wenn Ella noch da war, wie würde er sie finden? Di« häß lichsten Bilder drängten sich 'in seine aufgeregte Phantasie . . . der Trieb nach Rache verschwand . . . nur d«r Ekel war wieder da . . . die Menschenverachtung, die ihn sieben Jahr« lang von Allem ferngehalten hatte, was nicht ssiner Rache galt. Wozu noch in dieses Elend hineintappen — den Schmutz mit ansrhen? Alle diese Erwägungen stachelten aber doch auch seine Neugierde, und die fieberische Spannung, die in ihm war, drängte nach irgend einer Lösung. Er mußt« zum Mindest«» wissen, ob der Colporteur Bruckhofs wirklich brr Mann war, der ihm seine Geliebte geraubt hatte.
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