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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010622022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901062202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901062202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-06
- Tag1901-06-22
- Monat1901-06
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Amtsblatt des Äöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nakizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeige« «Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaction»strich (»gespalten) 75 L,, vor den Familiennach» richten (S gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). , Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit de« Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—, Jinnahmeschluß für Jityeizea: Abend-AuSgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle« je eia« halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrocheM geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Pol» i» Leipzig. Sonnabend den 22. Juni 1901. 95. Jahrgang. 22. April kehrte sie wieder nach Bloemfontein zurück. Sie wollte I dann auch Kroonstadt besuchen, aber es wurde ihr die Erlaubnitz l dazu verweigert, und sie kehrte darauf nach England zurück. I Ihr Bericht ist in Form von Briefen abgesagt. Wir entnehmen denselben, nach der „Frkf. Ztg.", folgende Abschnitte: „Das Lager der Vertriebenen hier (in Bloemfontein) ist zwei gute englische Meilen von der Stadt entfernt und liegt auf dem südlichen Abhange eines Hügels mitten auf dem kahlen braunen Veldt, wo es nirgends eine Spur von einem Baume und keinen Schatten irgend welcher Art giebt. Es war ungefähr die vierte Stunde eines glühend heißen Nachmittages, als ich das Lager betrat. Ich kann nicht sagen, was ich empfand, und ich will es darum auch nicht versuchen. Ich fand zuerst eine Frau, deren Schwester ich in Capstadt getroffen hatte. Es ist so schwer, in dieser Stadt von Zelten, in der es keine Straßen namen und keine Nummern giebt, Jemand zu finden. Es sind beinahe 2000 Personen in diesem einen Lager, darunter befinden sich einige wenige Männer und über 900 Kinder. (Diese Zahlen haben sich inzwischen beinahe verdoppelt.) Man denke sich die Hitze außerhalb der Zelte und die erstickende Luft in denselben! Wir saßen im Zelt der Frau B. auf ihren zusammengerollten khakifarbigen Decken. Die Sonne schien heiß durch das Zeltdach hindurch, und die Fliegen saßen dick und schwarz auf Allem. Es gab keinen Tisch und keinen Stuhl und keinen Platz für einen solchen. Ja diesem winzigen Zelte lebt Frau B. mit ihren fünf Kindern (von denen drei schon ganz groß sind) und ein kleines Kaffern- Dienstmädchen. Viele Zelte sind noch von mehr Personen be wohnt. In nassen Nächten strömt das Wasser an der Lein wand herunter, fließt zur Zeltthür herein und macht die Decken naß, auf denen sie auf der bloßen Erde schlafen . . . Frau P. ist sehr tapfer und ruhig. Sie hat sechs Kinder im Alter von zwei bis zu fünfzehn Jahren, und sieweißnicht, wo sich auch nur eines derselben befindet. Siewurdedenselbendirectentrissen. JhrMann befindet sich in Bloemfontein in irgend welcher Gefangenschaft und darf sie nicht sehen. Sie erwartet ihre Niederkunft in ungefähr drei Wochen. Und doch muß sie auf der bloßen Erde liegen, bis sie steif und wund ist, und seit über zwei Monaten hat sie, mit Ausnahme einer zusammengerollten Decke, nichts, worauf sie sitzen kann. Ihre sämmtliche Kinderwäsche, die sie zu Hause bereit hatte, ist ihr verloren gegangen. Das ist nur ein ganz gewönlicher Fall unter vielen Hunderten. . . . Ich nenne dieses Lager-System eine Grausamkeit im Großen. Es kann nie aus der Erinnerung der Leute getilgt werden. Am härtesten drückt es auf die Kinder. Sie welken dahin in der schrecklichen Hitze und bei der unzureichenden ungeeigneten Nah rung. Tausende befinden sich unter Lebensbedingungen, die zu ertragen sie nicht die Stärke haben. Ihnen droht der sichere Untergang. Dann giebt es Fälle, in denen ganze Familien getrennt und zerstreut sind — sie wissen nicht, wohin. Heute (13. März) habe ich den ganzen Tag im Lager von .Kimberley zugebracht. Es ist seinem Umfange nach das kleinste Lager, das ich gesehen habe. Die Zelte sind zu dicht bei einander, und das Ganze ist von einem 8 Fuß hohen Stachel drahtzaune, der für undurchdringlich gehalten wird und 500 Lstrl. gekostet hat, umgeben. Wachtposten sind am Eingänge uud patroulliren drinnen umher. Keine Kranken pflegerin; ein leeres, unmöblirtes Barackenzelt könnte als Lazareth dienen; überfüllte Zelte; Masern und Keuch husten graffiren; das Lager schmutzig und übelriechend; ein I Militärarzt, der natürlich wenig von den Leiden der Kinder ver- I siebt; Brennholz beinahe gar nicht vorhanden. Die Gattin eines I Commandanten ist hier mit sechs Kindern. Ein General kam mit seiner Colonne zu ihrer Wohnung und trieb sie fort. Ihr jüngstes Kind war erst 17 Tage alt, als die Truppen kamen, und sie war sehr schwach. Sie konnte ihr Kind selbst nicht nähren, und, wie alle ihre Kinder, zog sie es mit Eselsmilch auf. Sie erklärte dies dem General, und dieser ordnete an, daß der Esel immer mit ihr gehen solle, wohin sie auch gebracht würde, selbst a ich nach Vryburg und Kimberley. Allmählich kam sie in Kim berley an, und der Esel kam auch dort hin. Aber einmal ver schwand der Esel. Man konnte oder wollte ihn nicht hergeben. Das Kind kränkelte und welkte dahin. Freunde aus Kimberley versuchten Alles: Kuhmilch, condensirte Milch, aber es half nichts. Endlich kam der neue Aufseher des Lagers; man wendete sich an ihn und zeigte ihm das sterbende Kind. Der Esel wurde sofort herbeigebracht, aber es war zu spät. Das Kind war so schwach geworden, daß es sich nicht mehr erholen konnte . . . Nach einer oder zwei Stunden starb ein anderes Kind. Ein furchtbares Uebel ist gerade jetzt der Thau. Er ist so schwer und kommt durch das einfache Zeltdach hindurch und be netzt Alles. Als ich eine Nacht im Lager bei Norvals Pont verbrachte, empfand ich dies selbst. Obgleich ich in einem Äarackenzelte mit doppeltem Leinwanddache lag, wurde meine Kleidung durch und durch feucht, und diese Leute müssen Tag für Tag ihre feuchte Kleidung anziehen. Den ganzen Morgen hindurch liegen stets Decken und andere Gegen stände in den Gängen vor den Zelten, um in der Sonne zu trocknen. Der Arzt sagte mir heute, er miß billige es durchaus, daß man kleine Kinder in Z eltenwohnenlasse, undererwarteeinehohe Sterblichkeit vor Juni. Heute (15. März) besorgte ich der Mutter schwarze Kleidung (ihre eigene war verbrannt) und trug sie ihr hin. Noch ein Kind war in der Nacht gestorben, und ich sah, wie die drei kleinen Leichen für die abwesenden Väter, damit diese sie ein mal sehen könnten, photographirt wurden. Zwei ganz kleine weiße Särge standen am Eingänge des Lagers bereit, und em dritter wurde erwartet. Ich war froh, daß ich die Särge sah, denn in Springfontein hat eine junge Frau in einem Sack beerdigt werden müssen, und das hat die Gefühle der Leute schwer gekränkt. 15. April. Ich wurde heute im Zelte von zwei Frauen (Schwestern), deren Kinder dahinwelken, sehr von Mitleid ge rührt. Wir haben endlich einen neuen Civilarzt, der holländisch spricht, so daß ich hoffe, wir werden es etwas weiterbringen. Sieben Kinder starben hier während der wenigen Tage, da ich in Capstadt war, und seit meiner Rückkehr sind noch zwei gestorben. Frau N. N. ist in das Hospital in der Stadt gebracht worden. Sie ist sehr krank in Folge eines Trittes vor ven Leib, den sie von einem betrunkenen Soldaten erhalten hat. Es ist etwas Innerliches. Der Soldat ist, glaube ich, bestraft worden, aber das macht sie nicht gesund. Den ganzen Nachmittag hielt mich ein Regen guß im Zelte der Frau L. fest. Die Hälfte des Erdbodens im Zelte war eine Wasserpfütze, die der Kaffer vergebens aus zuschöpfen suchte. In zwei Eimern wurde das von der Zelt thür herniedertriefende Wasser aufgefangen. Ueberall um uns und über uns tropfte Wasser herab, so daß Pfützen entstanden auf dem Bettzeug und den Decken, auf denen wir zusammen gedrängt saßen: zwei Kaffern, fünf Kinder, Frau L. und ich in der dampfigen Atmosphäre, bis ich unwohl zu werden be gann — wie es mit mir stets in den Zelten der Fall ist. (Schluß folgt.) * London, 22. Juni. (Telegramm.) Der frühere Minister und Vicekönig von Indien Marquis ofRipon hat ein Schreiben ver öffentlicht, in dem er gegen daSSystem derF lüchtlingslagerEinspruch Der Krieg in Südafrika. Botha capitulirtkN * London, 21. Juni. Das Abendblatt „Sun" verbreitet die bisher jeglicher Bestätigung von anderer Seite entbehrende Mel- düng, daß General Botha und seine Unterführer beschlossen hätten, sich zu ergeben, und daß man in Downing Street glaube, daß die Uebergabe bereit» erfolgt sei. * Brüssel, 22. Juni. (Telegramm.) Das „Petit Bleu" hat bei LeydS Erkundigungen eingezogen über die gestern Abend vom „Sun" veröffentlichte Nachricht, daß Botha und seine Unterführer be schlossen hätten, sich zu ergeben. Leyd» fand die Meldung lächerlich. Der Correspondent deS „Petit Bleu" in London erkundigte sich über dieselbe Meldung im englischen Auswärtigen Amt, wo ihm erklärt wurde, daß dort keine Nachricht von Botha ein- getroffen sei. Denselben Bescheid erhielt er auf dem KriegSamt. (Sonach war also wieder einmal der sehnliche Wunsch der Vater des Gedankens. D. Red.) De Wet und BcycrS. * London, 22. Juni. (Telegramm.) Nach einer Meldung der „Daily Mail" auS Johannesburg vom 21. Juni ist feslgestellt, daß DeWet sich westlich von Kroonstad befindet. Alle Boerenführer, heißt eS in der Meldung weiter, haben nur vcr- hältnißmäßig geringe Streitkräfte bei sich. — Aus Pretoria wird den Blättern vom 21. Juni gemeldet: Die Commandanten Beyers und Uys vereinigten dem Vernehmen nach ihre Streit kräfte nördlich von Pretoria. Kleine Boerenabtheilungen um kreisen ständig die britischen Vorposten, verberge» sich am Tage, verlassen unter dem Schutze der Dunkelheit ihre Verstecke und suchen dann kleine Mengen Vieh wegzunehmeu. Südafrika englisch'. * London, 22. Juni. (Telegramm.) Der Bericht der Land- besiedelungs-Commission für Südafrika spricht die feste Ueberzeugung auS, daß ein wohlüberlegter Plan zur Besiedelung Südafrikas durch Männer englischer Abkunft von der größten Bedeutung für das künftige Gedeihen Südafrikas sei, und daß, falls nicht die größten An- jtrenguugrn gemacht werden, eine durchaus britische Bevölkerung nach Südafrika zu bringen, die stark genug ist, die Wiederholung von Unordnungen zu verhindern, das ganze Opfer an Gut und Blut grundlos vergeudet sei. Es sei kein Zweifel darüber, daß eine gut geleitete Politik die neuen Colonien zu einem durch aus englischen Staate machen könne, zur Stärkung und nicht zur Schwächung für das Reich. Aus den Lagern der gefangene» Boerenfraue». Die „Daily News" veröffentlicht längere Auszüge aus einem Bericht an das hiesige Hilfscomite für südafrika nische Frauen und Kinder, worin Fräulein Emily Hobhouse, die im Auftrage dieses Comites Südafrika be reist hat, ebenso eingehende wie ergreifende Schilderungen der Leiden der südafrikanischen „Reconcentratos" in den hauptsächlich für Frauen und Kinder errichteten Gefangenen-Lagern giebt. Frl. Hobhouse hat diese Lager bereist, um Gaben zu Vertheilen und überhaupt zur Linderung der Noth beizutragen. Sie begann ihre Thätigkeit am 26. Januar d. I. im Lager bei Bloemfontein, sie besuchte dann die Lager von Normales Pont, Aliwal North, Springfontein, Kimberley und Mafeking, und am FsiriHeton. k) „Ihr Narr". Novelle von Johannes Pro«! ß. > Nachdruck verboten. (Schluß.) „Ich möchte am heutigen Tage gern auch in diesem Fall Gnade vor Recht ergehen kaffen! Nur weiß ich nicht, wie weit Eure Worte Glauben verdienen, Frau Magister Crusius! Was Ihr thatet, spricht zu sehr gegen Euch! Eure Blasphemie weift mir aber den Weg, mir Klarheit zu verschaffen. „Er soll Dein Narr sein!" war damals Eure Meinung. Das galt Eurem Mann, der es Euch vergeben möge! Ich sage heute: Ja, — „er soll Dein „Narr" sein!" — und meine den Justitiarius für den Fall, daß es wahr ist, was Ihr da eben ihm nachgesagt habt! Ich werde veranstalten, daß er Euch hier allein begegnet. Du, Bertha, und ich, wir werden den Vorgang beobachten. Ihn, den heuchlerischen Verführer, sollt Ihr zum Narren halten! Das ist Rechtens! Ihn sollt Ihr glauben machen, daß Ihr ihn erhören wollt, wenn er Euch die Freiheit erwirkt — " ' „Gnädigster Herr Herzog, erlaßt mir das!" rief hände ringend Frau Margrethe. „Ich mag Niemand mehr zum Narren halten. Ihm, dem Schurken, Liebe heucheln, — ich kann es nicht!" „Es bleibt bei meinem Beschlüsse!" beschiel) der Herzog. „O, gnädigster Herr, — die Ehre meines Mannes —!" „Die eben soll wieder hergestellt werden! Habt den Ver führer zum Narren! Wir werden Alles beobachten und dann richten! Und Du, lieber Schatz", — er wandte sich lächelnd an seine Frau, — „Du selbst sollst dann das Urtheil fällen!" Da öffnete die Kammerfrau die Thür und gab der Herzogin ein Hrichen, daß der kleine Lutz bereit sei, seinen Herrn Vater gnädigst in Audienz zu empfangen. Während Frau Bertha den Arm in den des Herzogs schob, um ihn zu dem Kleinen zu führen, lächelte sie «rmuthigend der wieder ganz hoffnungslos gewordenen Margrethe zu. Draußen aber sagte sie zu dem Gatten: „Das wird ein« harte Probe, — aber di« brave Frau wird sie bestehen! Doch nun höre auch meinen Plan: wenn nachher Karstropp der Frau de» Buchdruckers begegnet, soll unser Prinz in der Nähe sain. Wenn er. sich unbeobachtet wähnend, das Kind sieht, wird sein Gesicht klar abspiegeln, was er im Innersten für Deinen Erben empfindet, Ist es Haß, dann —" — „Ja, Bertha", erklärt: der Herzog bestimmt, „dann hat er aufgehört, mein Diener und Berather zu sein!" Inzwischen hatte Karstropp das Schloß betreten. Was er bisher dort oben noch nie gesucht, das war jetzt sein heißester Wunsch: er wollte sich um dir Huld der Herzogin Bertha be mühen. Er ahnte nicht, daß die Buchdruckersfrau bereits bei ihr war und ihre hohe Protection genoß; er wußte nicht, daß auch Crusius schon in einem der Vorzimmer des Herzogs der ihm bewilligten Audienz harrte. Karstropp befand sich in einer verzweifelten Lag«. Während Stadt und Schloß von der Freude wivderyallten, die der Geburt des Prinzen galt, wuchs in ihm von Stunde zu Stunde der grimme Haß, den er gegen den Eindringling hegte. Sein« Jntriguen mit dem Oheim des Herzogs, di« ihm bisher eine so einträgliche Einnahmequelle abgaben, hatten ihr Ende erreicht. Nachdem er demselben vor vier Wochen triumphirend di« Geburt der vierten Tochter mitgethrilt und diese letztere sich jetzt in einen Buben verwandelt hatte, würde der Graf ihm kein Wort mehr glauben! Wohl hatte er sich in dem Schreiben, das jetzt ein reitender Bote bereits davontrug, die größte Mühe gegeben, sich zu rechtfertigen; doch das konnte ihn nicht vor dem Verlust des Vertrauens des Grafen Ulrich bewahren. Jetzt galt es, Alles auf zubieten, daß er wenigstens hier festen Boden unter den Füßen behielt! Schon heute früh, als er di« Verbrennung der Crusius'schen Bibel dem Herzog meldete, hatte er sich bemüht, das Vertrauen desselben, das er gestern Abend verscherzt, wieder zurückzuerobern. Jetzt wollte er das Vertrauen der Herzogin, das er nie besessen, gewinnen, — eine schwere Aufgabe! Er wollte in aller Form dem Hcrzogspaar seine Glückwünsche darbringen, wofür er gestern den rechten Moment versäumt hatte. Unterwegs erging sich sein Geist in stummen Schmähreden. „O, dieser schwächliche Mann!" raisonnirte er vor sich hin „während ich ihm und seinem Lande die Schmach der „Narren Bibel" erspare, erträgt er es ungestraft, daß seine Frau ihn vier Wochen lang mit dem Kinde zum Narren gehalten hat! Und jetzt bin ich der Geprellt«! Aber meine Zeit wird schon wieder kommen! Dann soll mir dir Herzogin büßen für den Poss«n, den sie mir gespielt hat! Sie und die hochmüthige Buchdruckersfrau sollen noch an mich denken!" Mit solchen Gedanken trat er vor den Herzog, mit glatten Mienen eine feierliche Ergriffenheit heuchelnd. Herzog Ludwig hatte dem an Klugheit und Gesetzeskunde ihm weit überlegenen Berather zu lange Vertrauen geschenkt, um es ihm ohne untrügliche Beweise jetzt auf einmal entziehen zu können. Die von dem gewandten Diplomaten in bescheidenem Ton vorgeiragcne Bitte, ihm seinen Eifer zu verzeihen, von dem er sich gestern Abend habe zu Aeußerungen hinrrißen lassen, die er rief bereue, nahm den Herzog wieder für ihn ein. Die Wärme, mit der er ihm dann zu dem Thronfolger gratulirte, trug den Stempel der Aufrichtigkeit. Als Karstropp nun um Erlaubniß bat, der Frau Herzogin seinen Glückwunsch darbringen zu dürfen, war dies dem Herzog doppelt willkommen. War der Justitiar fälschlich angeklagt, konnte er demselben weiter vertrauen, so blieb es unerläßlich, daß der zum Frauendienst wenig geeignete Mann sich schon heute um die Gunst der Herzogin bemühte. Sein Vorhaben aber, ihn auf die Probe zu stellen, war durch Karstropp's Bitte jedenfalls erleichtert. Der Herzog ließ den Justitiar in ein Audienzzimmer treten und erklärte, er werde selbst sehen, ob sein Besuch der Herzogin angenehm sei. Als Karstropp nach kurzem Warten durch einen Kammer diener zur Herzogin befohlen wurde und, von diesem geleitet, bei der Landeshcrrin eintrat, fand er zu seinem Erstaunen di« hohe Frau, — diese war es doch? Er konnte ihr Angesicht nur von der Seite undeutlich sehen, — neben einer Korbwiege sitzen. Der Herzog war nicht zugegen. In der Wiege regte es sich, und der kleine Insasse ließ ein paar fröhliche Krährufc ertönen. Da nahm das Gesicht des einer Ansprache Harrenden den Ausdruck finstersten Hasses an, vor welchem der Herzog, der hinter einem Vorhang stehend ihn scharf beobachtet«, im Innersten erschrak. Er wollte dem Justitiar heftig entgegenschreiten, doch Frau Bertha hielt ihn zurück. Karstropp hatte sich inzwischen zu einer Anrede gesammelt; seine Gesichtszüge zeigten wieder ein verbindliches Lächeln. „Gestatten gnädigste Frau Herzogin, daß ich Euer Durch laucht meine herzlichsten Glückwünsche darbringe." Da wandte sich Frau Margrethe ihm zu. „Die Frau Her zogin wurde soeben abgerufen", sagte sie gleichgiltigen Tones, „sie wird Euch sogleich empfangen." Gegenüber dieser Ueberraschung verlor der Meister Der Ver stellung alle Fassung. „Ihr hier, Frau Margrethe?" Es war zu viel, was auf ihn einstürmte. Di; verhaßte Buchdruckrrsfrau, deren Liebreiz ihn auch jetzt wieder mit seinem Zauber packte, im Besitz des Vertrauens der Herzogin, — statt im Gefängniß, an den Ketten der Schmach, hier im Gemache der Fürstin, den verhaßten Erbprinzen hütend, — der Boden brannte ihm unter ven Füßen, seine Sinne ver wirrten sich, ein glühender Haß flammte in ihm auf gegen di« Frau da vor ihm im Gewände der Herzogin! Vergeblich rang er nach Worten, aber was in ihm vorging, lreßen seine Züge deutlich lesen. erhebt und erklärt, e» erfülle ihn mit Scham, daß solche Ding« unter britischer Verwaltung möglich seien. ES handele sich dabei nicht um eine politische Frage, sondern um da» Ansehen de» Lande». Ripon fügt hinzu, man könne keine Person dafür verantwortlich machen, aber für dieses System sei kein BerdammungSurtheil zu scharf. — Auch der liberale Parteiführer Campbell Bannerman hat eine« Brief veröffentlicht, in dem eS heißt, ein Volk zu vertilge» oder durch Gewalt zu unterdrück«», könne niemals di« Politik «ine» Lande- sein. Die Wirren in China. Neue Mordthate»? AuS Peking, 21. Juni, berichtet „Reuter'S Bureau": Seit einiger Zeit liefen Gerüchte um, daß in Sian Kalparr vier belgische Missionare ermordet worden seien. Diesen Gerüchten schenkte man keinen Glaube«, da die chinesischen Beamten, die mit jenem Bezirke in Verbindung stehen, die Richtigkeit der Meldung bestritten. Schließlich lauteten die Nachrichten so bestimmt, daß der belgische Gesandte heute eine« Bolen absandte, um das Thatsächliche zu erfahre». Die Mission ist stark befestigt und die Priester und eingeborenen Christen dielten sie während deS letzten Aufstandes inne, obne daß sie belästigt worden wären. Man erzählt sich, daß Soldaten auS der Armee Tungfusiang'S, die in jener Gegend marodirten, im Laufe des April die Mission überfallen hätten, während die Thore offen gestanden hätten; sie hätten die Insassen niedergemacht und ihres EigenthumS beraubt. Die Entfernung und die Verhältnisse des Landes hätten eine Entsatzexpedition unausführbar erscheinen lassen. Urthcile «der die Verbündeten. * Der jetzt in Washington veröffentlichte Bericht de» Generals Chaffee über den Feldzug in China enthält besondere Berichte amerikanischer Osficiere über die ver bündeten Truppen. Major Craighill berichtet über die Russen, hebt ihre vorzügliche Disciplin hervor und fügt hinzu, ihre Verpflegung ser einfacher Art. Oberstleutnaut Dickman sagt in seinem Bericht über die Deutschen, die Osficiere seien hochgebildet, unter den Mannschaften herrsche eine gute Disciplin. Derselbe berichtet auch über die Engländer, hebt ihre peinliche Sorgfalt in der Mobilisirung und Beförderung des ExpeditionScorpS hervor und sagt, die Disciplin der Truppen sei ausgezeichnet. Major Mio, der über die Japaner berichtet, rühmt ihren großen Patriotismus und setzt hinzu, wenn Japan seine Aus rüstung und Bewaffnung auf der gleichen Stufe mit der unserer Soldaten erhalten könne, so lverde eS für den Feind der furchtbarste Gegner und für den Freund der beste Bundesgenosse sein. Oberstabsarzt Banister bespricht in lobender Weise die deutschen und japanischen SaailätS- einrichtungen. * Peking, 21. Juni. („Reuter'» Bureau.") Ter Kaiser hat de» früheren Vicepräsideuten Les Tsung li Damen» Natung, einen Mandschu, zum chinesischen Gesandten in Japan ernannt. Na- tung, der nach allgemeiner Annahme ein Boxersührer war, ent ging mit knapper Noth der Aufnahme in die von den Gesandte» ! aufgestellte Liste der zu Enthauptenden. Man zweifelt, ob Japan diese Ernennung annehme. Da trat ein sieghaftes Lächeln auf das stille Antlitz der ihn mit ruhiger Gelassenheit anblickenden Frau. Eine rasende Wuth packte den Mann. „Weib!" knirschte er zwischen den Zähnen. Gerade jetzt wurde hinter ihm die Thür« geöffnet. „Des Hauvtmann der Schloßwache!" meldete der Kammerdiener. Der Herzog, begleitet von seiner Gemahlin, kam hervor. Der Justitiar wollte sich ihm nähern. Ein strenger Wink hieß ihn, stehen zu bleiben. Der Hauptmann trat klirrenden Schrittes ein. „Einem reitenden Boten wurde dieser Bries abgrnommrn. Er ist für Sein« Gnaden den Grafen Ulrich bestimmt." Der Herzog nahm das Schreiben und blickte auf die Adresse. Karstropp und der Hauptmann wechselten feindselige Blicke. „Eure Handschrift, Karstropp?!" sagte der Herzog eisig und maß den Angeredetin mit «inem niederschmetternden Blick. Dann befahl er dem Hauptmann: „Der Druckherr Crusius ist vorzu führen." Tiefes Schweigen herrscht« im Raum, bis der Vorgaforderte, von zwei Wachen geleitet, enrtrat. „Löst seine Kett««", befahl der Herzog, „und, Hauptmann, verhaftet mir diesen da. Ihn legt in Eisen!" Er deutet« auf den Justitiar. Ein Wuthschrei durchschnitt die Luft: „Herzog — —-!" „Wir sprechen uns später!" Mit kalter Ruhe kehrte der Fürst sich von dem Berräther ab. Dann wandte er sich mit wohlwollender Freundlichkeit dem Drucker zu, dem zu Füßen sein Weib kniete, ihm die Hände mit Küssen bedeckend. „Und Ihr, — Ihr bereut, was Ihr fehltet?" „Aus tiefster Seele, Herr Herzog! Aber mein arme» Weib!—" „Könnt Ihr denn ihr vergeben?" Gerhard CrusiuS hatte seine Gattin aufgerichtet. Er hielt sie an den Schultern und sah ihr liebevoll in» Auge. „Ich habe ihr vergeben. Sie wußte nicht, was sie that!" „Und dürfen wir ihr verg«b«n?" fragte der Herzog dann seine Frau mit mildem Lächeln. „Ich bitte für sie, — übt Gnade!" erwidert« bittend di» He'zogin. „Dcch: „Er soll Dein Herr seyn"!" rief mit d«m Kinger drohend, der Landesfürst der aufs Knie grsunkenen, dankbar zu ihm aukb'ickenden Margrethe zu. „Si.' aber lrlält die Herrschaft über mein Herz!" erklärte mit leuchtendem Blick, voll Dank sich dem Gebieter zuwendend, Ger hard Crusius, der Drucker der „Narren-Bibel".
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