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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.07.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010703022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901070302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901070302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-03
- Monat1901-07
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Anzeigen-Preis die «gespaltene Petitzeile LV Reclamen unter dem RedactionSstrich («gespalten) 75 H, vor den Familtrnnach« richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 2S H (excl. Porto). Vrtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbrsördrrung ^»80—, mit Postbesörderung ^tl 70.—. Ännahmeschluß für Änzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Lazeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 334. Mittwoch den 3. Juli 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. * Brüssel, 2. Juli. Wie der „Petit Bleu" meldet, ist Andrir » De Wet polizeilich aufgrfordert worden, bei Strafe der Ausweisung seine boerrnfreundliche Propaganda in Belgien einzu stellen. De Wet habe der Polizeibehörde darauf erklärt, daß er sich nach Paris begebe. 1.0. Brüssel, 2. Juli. Man behauptet hier an gewissen Stellen, Frau Botha bereite eine Veröffentlichung darüber vor, Laß sie von vr. Leyd's zur Verschweigung des ihr gewordenen Auf- trageS gezwungen worden sei, indem man ihr die Entziehung aller Subsistenzmittel angedroht habe. (Das ist wohl completer Un sinn. D. Red.) * London, 2. Juli. Unterhaus. Gibson Bowles fragt an, ob bei der Regelung der endgiltigen Friedensbedingungen mit den Boeren die Regierung beabsichtige, die den Einfall Ja meson's begleitenden Umstände in Erwägung zu ziehen und eine Commission einzusetzen, die über den Einfall eine eingehende Untersuchung an- zustrllen habe. Balfour erwidert, die Regierung wolle .die An gelegenheit nicht wieder auf- Tapet bringen. (Wiederholt.) Die Wirren in China. Der auS Württemberg stammende, derzeit in Frank furt a. M. nach lOjahrigem Aufenthalt in China stationirte Missionar Flad von der Basler Mission schreibt im ,Stutt garter Ev. Sonntagsblatt" über Chinas Tcmüthigung: „Entweiht ist auch der Himmelstempel. Kaum je berührte ihn der Fuß eines Fremden; sofort bei ihrem Eintritt be setzten ihn die Engländer. Die chinesischen Hüter wurden verjagt, schwarzbraune Sikhs bezogen ihre Posten an den Thoren, und nun konnte man bis zur luftigen Terrasse hinausfahren, welche zum dreifachen, himmelblauen Dom, dem Abbild he- dreifacheu Himmels, führt. Das große Ge bäude, welches den Ahnentafeln der Mandschudvnastie geweiht ist, wurde gleichfalls eröffnet. ES enthält an der Nordseite eine Riesentafel, dem kaiserlichen Himmel geweiht, und acht Schreine — vier auf jeder Seite — für die acht Kaiser, welche während der 256 Jahre seit der Thronbesteigung durch Shun Tschih regiert haben. Diese Schreine wurden alle ausgebrochen und die acht Tafeln der Ahnen von englischen Osficieren weggenommen zur Ueberführung nach dem britischen Museum in London — gleichsam zur Strafe für die Behandlung, welche die Chinesen den Fremden zu Tbeil werden ließen: sie haben dort alte Trauerweiden abgesägt, Grabsteine pulverisirt, Gräber ge öffnet, Leichen verbrannt. Was hier mit diesen Ahnentafeln geschah, das ist vielleicht der betäubendste Schlag, welcher gegen das System der Ahnenverehrung je geführt worden ist." * Tientsin, 2. Juli. („Reuter's Bureau".) Es wird von einem Gefecht gemeldet, welches bei Scheu Yang an der Grenze von Tschili und der Mandschurei zwischen Mohamedanern und Eingeborenen stattgefnnden hat. Die ersteren wurden geschlagen; ein mohamedanischer Priester wurde gelödtet. * London» 3. Juli. (Telegramm.) Die „Times" berichten auS Sim la unter dem 2. Juli: Nach Mittheilungeu von der Grenze des Fürstcnthums Sikkim ist ein von dem Kaiser und der Kaiferin-Wittwe von China unter- zeichnetes Edict in Tibet durch öffentlichen Anschlag bekannt gemacht worden, in dem mitgetheilt wird, daß die europäi.jchen Mächte in Nordchina siegreich gewesen sind, und ferner anbefohlen wird, das Leben der Missionare und der zum Christen- thum bekehrten Chinesen zu respcctiren. * Uokohama, 2. Juli. (Reuter's Bureau.) Berichten aus Söul zufolge hat Korea plötzlich von Japan verlangt, daß es seine Postämter in Korea schließe und feine Beamten zurück berufe. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Juli. Der schnelle Entschluß, mit dem die sächsische Staats bahnverwaltung die verkchrspolitische Maßnahme Preußens sich zu eigen gemacht und für den Umfang des Königreichs Sachsen ebenfalls die 4-rtägigc GiltigkcitSdauer der Rückfahrkarten sowohl für den inneren wie für den äußeren Verkehr angeordnet hat, darf allgemeiner Zustimmung im Königreiche sicher sein. Jede Zögerung in dieser Be ziehung hätte dem Sachsen umklammernden übermächtigen Preußen gegenüber nur nachtbeilig auf die eigenen Interessen wirken müssen; sie würde den Verkehr von Preußen nach den landschaftlich schönen und gern und viel besuchten Theilen Sachsens sofort beeinflußt und diesen Verkehr abgelenkt haben. Dem ist durch die rasche Entschließung der sächsischen Verwaltung vorgebeugt worden. Welche Wirkung die Maß nahme nach der finanziellen Seite hin ausübcn wird, muß ab gewartet werden. Im Uebrigen wird man gut thun, sich nach dieser „Ueberraschung" auf weitere gefaßt zu machen; es gewinnt den Anschein, als ob man in Preußen verkebrspolitisch plan mäßig und energisch vorwärts gehen wolle. Daß die preußische Personentarifreform für alle nichtpreußischen Regierungen thatsächlich eine Ueberraschung war, geht schon daraus hervor, daß der „ReichSanzeiger" am Sonnabend in der Einleitung zu seiner Meldung über die Reform ausdrücklich feststellte, daß unter den deutschen Regierungen ein Einverständniß über die einheitliche Regelung der Personen- und Gcpäckrarife nicht erzielt worden ist. Und es geht ferner auS folgendem Telegramm der „Köln. Ztg." hervor, dessen Inhalt nur einem Tbeile der Leser unseres heutigen Morgenblattes mit- getbeilt werden konnte: München, 2. Juli. Sämmtliche süddeutschen Eisen- bahnverwaltungen scheinen durch die sofortige Einführung der 45tägigen Giltigkeit für die preußischen Rückfahrkarten voll kommen überrascht worden zu sein. Es verlautet, die erste Nachricht darüber sei sogar den Regierungen nicht früher als am 28. Juni zugegangen. Alsbald folgten lebhafte Verathungen, deren Ergebnis ist, daß Bayern, zunächst für den Verkehr mit der preußisch-hessischen Eisenbahn-Gemeinschaft, ebenfalls die 45 tägige Giltigkeit und zwar mit Rücksicht auf Len Ferienverkehr sofort einzusühren beschloß. Weiterhin wurde von Bayern eine Kon ferenz der bayrischen, württembergischen und badischen Eisenbahnverwaltungen angeregt, die morgen hier zusammen tritt. Als sicher kann gelten, daß diese Conferenz die 45tägige Giltigkeit auch für den süddeutschen und den innern Ver- s kehr, also für alle Rückfahrkarten, beschließen wird. Da, so weit hier bekannt geworden, Sachsen das Gleiche beschlossen hat und die Reichslande zweifellos Nachfolgen werden, so wäre also mit einem Schlage hinsichtlich der Giltigkeitsdauer der Rückfahr karten eine ganz Deutschland umfassende Einheitlichkeit erzielt. Nur wird Bayern mit Rücksicht aus Volkssitten die beson dere Vergünstigung für da- Octoberfest und andere landwirthschaft- liche Versammlungen nicht fallen lassen. Man glaubt, daß der Lurch die 45 tägige Giltigkeit verursachte finanzielle Ausfall nur gering sein werde. Was Baden betrifft, so hat es die heute in München statt findende Conferenz nicht abgewartet, sondern ist schleunigst selbstständig vorgcgangen, wie das folgende, gleichfalls nur in einem Tbeile der Auflage unserer heutigen Morgenausgabe mitgethcilte Telegramm beweist: Karlsruhe, 2. Juli. Der „Süddeutschen Reichs-Corre- spondenz" zufolge hat die badische Eisenbahnverwaltung verfügt, Laß vom 4. Juli ab für den Verkehr mit Stationen der preußischen Staatsbahnen die Giltigkeitsdauer der Rückfahrkarten 45 Tage beträgt. Demnach werden vom 4. Juli ab nicht nur die von Stationen der preußischen Staatsbahnen nach Baden gelösten Rückfahrkarten, sondern auch die von badischen Staats bahnstationen nach Orten des preußischen Staatsbahnnetzes lautenden Rückfahrkarten eine 45tägige Giltigkeit haben. Da nun zweifellos einerseits die süddeutschen Verwaltungen untereinander die 45tägige Giltigkeitsbauer der Rückfahr karten festsetzen und andererseits auch Sachsen und die ReichS- lanve mit den drei süddeutschen Staalsbahnen gleiche Ver einbarungen treffen werden, so wird in der That in aller Kürze hinsichtlich der GiltigkeitSdauer der Rückfahrkarten eine ganz Deutschland umfassende Einheitlichkeit erzielt sein. Herr v. Thielen wird dafür von Tausenden und Aber tausende» wegen seines glücklichen „Handstreiches" gepriesen werden; bei den Regierungen der überraschten Staaten aber hat er sich durch diesen Handstreich sicherlich keine Freunde geschaffen und deshalb gewinnt die Annahme, daß er „amtsmüde" sei, an Wahrscheinlichkeit. Der Metzer BischosSstuhl ist noch immer nicht wieder be setzt. Die Regierung hatte bekanntlich einen Sprößling der elsässischen Familie Zorn von Bulach in Aussicht ge nommen, die sich mit den unabänderlichen geschichtlichen That- sachen des Krieges 1870/71 auszusöhnen wußte. Unter welchen Vorwänden der Vatican sich dieser Candidatur widersetzt, ist uns unbekannt. Unstreitig aber ist der katholische Klerus im Reichslande unausgesetzt thätig, um die Wahl eines deutsch gesinnten Bischofs zu verhindern. Der Bischofssitz in Metz war von je der Hort des Franzosenthums; von dieser geistlichen Stelle aus ist der Haß und der Widerstand gegen die Germanisation des Reichslandes leider mit nur zu gutem Erfolge genährt wor den; in dem katholischen Klerus, namentlich Lothringens, er blicken wir fast das getreue Spiegelbild der katholischen Geist lichkeit in den preußischen Provinzen mit überwiegend polnischer Bevölkerung. Welch' ein gewichtiger politischer Factor der Bischof von Metz sein kann und bisher auch war, beweist die in Paris erschienene Biographie des Mxtz«r Bischofs Dupont des Loges. Dies Buch ist jetzt wohl in den Händen eines jeden einzelnen katholischen lothringischen Geistlichen, und jeder muß in dem Buche eine Ermuthigung zur Auflehnung gegen alles Deutschthum finden; denn die von der deutschen Regierung ge zeigte Schwäche gegenüber dem Bischof Dupont des Loges forderte geradezu dessen Uebermuth und vernichtenden Hohn heraus. Nicht ohne tiefe Beschämung wird jeder deutsch fühlende Mann diese Biographie aus der Hand legen; die dort niedergeschriebenen Thatsachen find leider nur allzu wahr und bilden die dunkelsten Blätter aus der Manteuffel'schen Verwaltungsgeschichte der Reichslande. In dem Wahne und der Verblendung, durch per sönliche Liebenswürdigkeit den französischen Klerus für sich ge winnen zu können, hat Generalfeldmarschall v. Manteuffel als Statthalter der Reichslande das Deutschthum und die deutsche Schule dem französischen Klerus preisgegeben und verrathen. Der Bischof von Metz, der Franzose, brauchte nur zu winken, und der deutsche Statthalter gehorchte unbedingt. „8i Votre (irauckeur ckit oui, c'est oui", schreibt ihm der Feldmarschall in einem ver traulichen Briefe, in dem er sich demllthig entschuldigt, daß das bischen Erreichte an Zurückdrängung der deutschgesinnten Schul männer vielleicht noch nicht völlig den Wünschen des Bischofs entspreche aber der Statthalter würde sich beeilen, jene dem Klerus nicht genehmen Männer zu beseitigen! — Herr v. Man teuffel geht in die Falle, als Coadjutor für den Bischof Dupont des Loges einen gleich deutschfeindlichen Mann dem Kaiser zur, Bestätigung vorzuschlagen, und als er den Wunsch ausdriickt, der Einweihung des Coadjutors beiwohnen zu können, erfährt er eine kühle, höhnische Ablehnung. Für all' seine deutsch feindlichen Thaten erhält Bischof Dupont des Loges auf Für sprache des Feldmarschalls v. Manteuffel den Kroncnorden zweiter Claffe der Bischof weistihnzurück! Ganz Frankreich triumphirt darüber; von allen Orten gehen ihm Be- glllckwünschungstelegramme zu dieser Heldenthat zu; Gambetta telegraphirte ihm: ,Merci, au uom ckc la Nation ki alltzaise touts cnti^re!" Die Aera Manteuffel hat dem Deutschthum unheil vollere Wunden geschlagen, als der französische Chauvinismus selbst. Aus der französischen Biographie des Metzer Bischofs Dupont des Loges mag aber die Regierung von Neuem erkennen, wohin sie mit einer schwachmüthigen Haltung gelangt; sie läuft stets dabei Gefahr — und diese bittere Erfahrung mußte auch die preußische Regierung wiederholt machen —, jenen undeutsch fühlenden hohen geistlichen Würdenträgern nationalen Interessen preis^ugeben und doch ihre eigene Staatsautorität bei den Erz bischöfen und Beschöfen durch diese Nachgiebigkeit einzubüßeu. Die vom Generalfeldmarschall v. Manteuffel gemachten Fehler gegenüber dem damaligen Metzer Bischof dürfen keine Wieder holung finden! Auch in Frankreich bat „Iw Krack aklcmanck" capita« listische Interessen berührt und Aufsehen erregt. Das „Echo de Paris" hat sich an einen Pariser Finanzsachverständigen, Maximilian Baier, gewandt, um zu erfahren, wie die franzö sischen Capitalisten gegenüber deutschen Werthen an gesichts bekannter Vorkommnisse sich zu verhalten haben. Die Antwort Baier's ist aber anders ausgefallen, als das genannte Pariser Blatt es erwartete. Nach der Ueberzeugung Baier's nämlich hat sich das französische Capital bisher nur den Staats und Stadtanleihen Deutschlands, sowie dem Hypothekencrwerb in Deutschland zugewandt. Diese Werthe aber sind, wie Baier richtig hervorhebt, durch die jüngsten beklagenswerthen Ereignisse nicht nur nicht beeinträchtigt worden, sondern sie haben sogar von ihnen profitirt. Das „Echo de Paris" ist freilich entgegengesetzter Meinung; und der letzteren schließt sich auch der „Figaro" an. Der „Figaro" warnt das französische Capital vor dem Erwerb deutscher Werthe durch die nachstehende chauvinistische Ermahnung: „Die französischen Capitalisten vermehren so (näm lich wenn sie deutsche Werthe erwerben) die Macht unserer öst lichen Nachbarn, und das ist nicht ihres Amtes. Sie thun der- i gleichen besser bei unseren Freunden, unseren Verbündeten." — I Die Mehrzahl der französischen Capitalisten wird zwar nichts > dagegen einzuwenden haben, daß der „Figaro" in solcher Weise Ferrrlietsir. Rechtsanwalt Lohmann. sj Roman von Rudolf Jura. Nachdruck UerboUn. „Ruhig, ruhig, theure Freundin! Bilogen habe ich Sie eigentlich nicht. Der Zettel war thatsächlich werthlos für Sie. Er hatte nicht den Werth, den wir erst in ihm vermutheten; er war nicht geeignet, die Frau Doctor in der von Ihnen gewünschten Weise zu verdächtigen oder bloßzustellen. Wohl aber hat er, waL ich ursprünglich nicht wußte, einen sehr hohen pecuniären Werth für die Frau Doctor Römer. Durch meinen Leichtsinn ist der Klientin meines Rechtsanwalts das wichtige Papier ver loren gegangen. Mein Rechtsanwalt weiß das und hat mich natürlich beauftragt, es zurückzubringen. Ich stehe nickt nur im Dienste Ihrer Freundschaft, sondern auch meiner Berufspflicht. Es ist also sehr natürlich, daß ich den für Sie werthlosen» für uns werthvollen Zettel von Ihnen zurückerbat» und cs war sehr anständig von mir, daß ich Ihnen dafür di« Rückzahlung der fünfzig Mark anbot. Ich würde Ihnen di« fünfzig Mark auch jetzt noch gern geben; aber si< gehören nicht mir, sondern waren mir von meinem Rechts anwalt anvertraut, um den Zettel zurückzuaewinnrn. Er hätte dafür auch hundert Mark Und vielleicht noch mehr auSgcgebrn. Aber da der Zettel nun einmal verbrannt ist, hat es ja keinen Zweck, weiter auf di« Geschichte zurückzukommen. ES ist eben ein Unglück, das nicht wieder gut zu machen ist." „Wollen Sie mir denn nicht wenigstens erklären, worin der hohe pekuniäre Werth dieses Papiers bestehen soll, auf dem doch nur «in paar unverständliche Worte geschrieben stehen? Wollen Sie mir das nicht sagen?" Born hielt den mißtrauischen Blick seiner freundlichen Speise- wirthin ruhig au- und antwortet«: „Nein, da» will ich nicht sagen." „Und warum nicht?" „Weil ich'» selber nicht weiß. Ich bin nicht in alle Geschäfte und Gcheimniss« der Frau Doctor Römer eingeweiht. Ich kann Ihnen nur sagen, daß mir Herr Lohmann heut« Morgen erklärt hak, er wolle e» sich gern «in paar Hundert Mark kosten lassen, wenn er Ihnen den Zettel abkaufen könnte. Ich habe ihm natür lich sestre Absicht, Sie de»halb zu besuchen, ausgrredet. Gi« haben den Zottel ja verbrannt. Es ist schade. An den darauf befind lichen Nöthen schien ihm ungemein viel gelegen zu sein." In Fräulein Kurzmüller's S«ele kämpfte das begreifliche Mißtrauen über diese Reden Born's mit ihrer Habgier und ver mochte die Habgier nicht ganz zu iibcrwinden. Nach kurzem Zögern stieß sie schließlich etwas unbedachtsam die Wort« hervor: „Vielleicht ist dem Herrn Rechtsanwalt auch mit einer Ab schrift gedient?" Born unterdrückte ein heimliches Triumphgeschrei und fragte ganz harmlos: „Ja, können Sie denn aus der Asche abschreiben? Sie haben das Papier in lesbarem Zustand« im Ofen wiedergefunden?" „Nein, nein!" versetzte das Fräulein eifrig. „Aber wenn wir Beide unser Gedächtniß etwas anstrrngen, muß es uns doch ge lingen, den Wortlaut wieder zu Stande zu dringen. Sie haben es doch mit mir zusammen gelesen. Wie hieß es doch? ' „Ich besinne mich aus nichts mehr", webrte Born ab. „Aber wenn es Ihnen gelingt, in aller Ruhe den Inbalt des Briefchens aus Ihrem Gedächtniß abzuschreiben, und wenn Sie dann im Stande sind, di« Richtigkeit des Wortlautes zu verbürgen, so zweifle ich nicht, daß der Rechtsanwalt auch hierfür einen an ständigen Pveis zu zahlen bereit sein -würde. Ueberlegen Si« sich also den Brief recht gewissenhaft, und wenn Sie ein« genaue Abschrift des leider verbrannten Briefes hergestellt haben, so finden Sie mir dieselbe umgehend zu. Ich werde es mir dann angelegen sein lassen, sie dem Rechtsanwalt zum Kauf anzubieten und in Ihrem Jnteress« einen möglichst hohen Preis dafür zu erzielen. Jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muß an mein« Arbeit in die Kanzlei zurückkehren." Dem Rechtsanwalt fiel Nachmittags das vergnügt« Schmun zeln sein«» Kanzleivorstehers auf. „Nun, hatten Sie heut« mehr Erfolge, wie gestern?" fragte er ihn. „Wird si« uns den Zettel verkaufen?" „So weit bin ich einstweilen noch nicht mit ihr gekommen. Aber sie ist nahe daran, uns einen greifbaren Bcwei» in die Hände zu liefern, daß sie den Zettel thatsächlich besitzt." „Da wäre ich neugierig!" „Nehmen Si« e» mir nicht Lb«l, Herr Rechtsanwalt, wenn ich Ihre Neugier noch ein paar Stunden unbefriedigt lasse. Ich bin sicher, in «inigen Stunden den Beweis in den Händen zu haben, und nach meinem gestern bewiesenen Ungeschick möchte ich nun gern da» Vergnügen haben, Ihnen auch einmal eine angenehme Ueberraschung zu bereiten." Der Rechtsanwalt droht« ihm lächelnd mit dem Finger. „Die gewisse Frechheit de» DetectivS haben Si« sich schon angeeignet", sagte er. „Hoffen wir, daß Sie sich in Ihrer Zu versicht nicht täuschen." Fräulein Kurzmüll«r hatte nach Emil Born'S Weggang lange gezweifelt, wa» sie von seinen Reden und dem Werth« de» Zett«!» nun eigentlich halten sollte. Da der erste Eindruck, den wir von einer Sache bekommen, der nachhaltigste zu sein pflegt, so konnte si« sich von dem Gedanken nicht ganz tosmachen, daß das Papier doch ein Documcnt sein könne, das durch seinen compromittiren- den Inhalt der Frau Doctor vielleicht gefährlich war. In diesem Falle wäre es unklug von ihr gewesen, ein« so starke Waffe aus den Händen zu geben. Eine Abschrift davon zu verkaufen, schien ihr minder gefähr lich. Sie hatte dabei einen sicheren kleinen Verdienst, und wenn gleich sie die Möglichkeit nicht wcgzuleugnen wagte, daß der Rechtsanwalt daraufhin auch das Original unversehrt in ihren Händen vermuthen würde, so war diese seine Vermuthung dann eher günstig, als schädlich für sie. Ohne ein unumwundenes Ge- ständniß von ihr empfangen zu haben, wußte ihr Gegner doch dann, daß sie im Besitze des kostbaren Zettels war, und schon durch dies Bewußtsein tonnte sie ihn und die etwa im Frauen verein gegen sie arbeitende Frau Doctor im Schach halten, ohne genöthigk zu sein, sich durch ein offenes Eingcständniß des un rechtmäßigen Besitzes eine Blöße zu geben. Hatte der Zettel aber wirklich nur pecuniären Werth, so war sie nach Herausgabe der Abschrift immer noch in der Lage, für das Original jeden be liebigen Preis zu fordern. Eilig öffnete sie mit einem plötzlichen Entschluß den Schreib schrank, nahm den wichtigen Zettel aus dem alten Gesangbuch, zwischen dessen Seiten sie ihn verborgen hatte, schrieb ihn sorg sam ab und legt« ihn sammt dem Buche wieder an seinen Ort. Noch vor Schluß der Geschäftszeit empfing Emil Born einen Brief in die Kanzlei zugestellt, der nur die folgenden kurzen Zeilen enthielt: „Ich entsinne mich genau und kann nöthigenfalls beschwören, daß der mir von Herrn Born übergebene Brief folgenden Wort laut gehabt hat: „Jetzt wache auf! Vergiß all daS Niedrige, was Du soeben gethan hast, und sei wieder, wie früher, die feine, vornehme Frau Doctor Maria Römer." Für die Richtigkeit. Hermin« Kurzmüller." Glücklich überreicht« Herr Born diesen Brief dem Rechts anwalt, und dieser nickt« beifällig mit dem Kcpf. „Daß sie den Brief nicht verbrannt hat, ist nun zweifellos. Sie haben Ihre Sache gut gemacht. Denn, wcnn wir gleich daS Original nicht in den Händen haben, so kann un» doch auch dies« Abschrift möglicherweise dienlicher sein, als Sie vielleicht selbst ge hofft haben. — Bringen Sie der Absenderin de» Briefe» dann fünfzig Mark und sagen Sie ihr, daß ich die Vernichtung de» Original» lebhaft bedauerte. Ich würde dafür daS Zehn- oder Zwanzigfach« gezahlt haben." VH. Nach Absendung der Abschrift hatte Fräulein Kurzmüller ihr« Geschäftsbücher vorgenommen und war nun schreibend und rech nend eifrig bemüht, etwas Ordnung in ihre maßlos verwahr loste Buchführung zu bringen. Ueber den Brief dachte sie jetzt nicht weiter nach. Sie wußte ihn gut aufgehoben. Sie hatte auch gethan, was in ihren Kräften stand, um seinen Werth in jeder Weise für sich auszu beuten. Es war möglich und sogar wahrscheinlich, daß der sonderbare Zettel ivicht nur zu einer angenehmen Einnahme quelle für sie werden würde, sondern ihr auch Schutz gegen die Feindseligkeiten der Frau Doctor Römer zu bieten im Stande war. Mit Sicherheit freilich konnte sie auf dies« schützende Wirkung des Briefes nicht rechnen. Zum Mindesten war es durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Frau Doctor Römer bereits eine streng« Untersuchung der Speiseanstalts-Finanzen beim Frauen verein durchgesetzt haben würde, ehe sie selbst noch im Stande ge wesen sein würde, zu ihrer Vertheidigung irgend welchen Ge brauch von dem Briefe zu machen. Sie durfte also auf die Macht des Briefes wohl hoffen, aber durchaus nicht rechnen, und jetzt galt es vor Allem, sich gegen eine augenblickliche Ueberraschung mit aller Schlauheit zu schützen. So suchte sie denn an der Hand der von einigen ihrer Liefe ranten geführten Beibücher und unter Benutzung ihrer eigenen spärlichen Aufzeichnungen die seit langer Zeit fehlenden Ein tragungen in ihrem Hauptbuch« nac^uholen und so den Anschein einer von jeher geordneten Buchführung zu erwecken. Natürlich führte sie nicht frischweg im Hauptbuch« die nöthigen Nach tragungen nach ihrem Belieben aus, sondern sie stellte di« ver schiedenen Posten zurrst auf einem großen Bogen Papier zu sammen und versuchte so, ein geordnetes und günstiges Bild ihrer Finanzwirthschaft zu erzeugen. Trotz aller Mühe brachte sie eS jedoch mit diesen Versuchen zu keinem befriedigenden Ergebniß. Zwar war sie so ziemlich im Stande, für die thatsächlichrn Aus.^aben die ungefähr der Wirk lichkeit entsprechenden Zahlen nachträglich aufzufinden; aber der vorhandene Bestand ihrer Casse reichte dann bei Weitem nicht an den buchmäßig sich ergebenden Betrog heran. Die Casse selbst um di« fehlende Summe nachzufüllen, daS war ihr natürlich unmöglich. Also blieb ihr, um glatte Rechnung zu erzielen, nur der Ausweg, bei ihrer künstlichen und nachlässigen Buchführung geradezu bewußte Fälschungen vorzunehmen. Sie war sich vollkommen klar darüber, daß diese Art der Fälschung kerne harmlose Schwindelei mehr genannt werden konnte, sondern einfach Betrug, also ein Verbrechen war. Aber di« Gewissens biss« über ihre Unehrlichkeit machten ihr weniger Beschwerden, ak»
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