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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-189908054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-18990805
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-18990805
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-08
- Tag1899-08-05
- Monat1899-08
- Jahr1899
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1899
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— 122 plump und gewöhnlich, dl« Schwiegermutter lebe auf dem selben Gut, und man ließe eS ihn auf jeden Schritt und Tritt fühlen, daß der Reichthum nicht auf seiner Seite war. Sie hatte geglaubt, mit ihrer Jugendliebe fertig zu sein, ja, ost fühlte sie fast einen Hoß gegen den Treulosen, eine tiefe Verachtung, und ihr leidenschaftliches Herz empörte sich unwillig, als sie merkte, daß Waldemar ihr dennoch unendlich theuer war. Jetzt, wo er verheirathrt war, mußte sie dieser Neigung Herr werden, ihr ganzes Streben ging danach. Nur nicht ihn Wiedersehen, nur nicht seine weiche, einschmeichelnde Stimme hören, die träumerischen, blauen Augen erblicken! Wie kam rS nur, daß er sie anzog? Sie hatte ihm gegen über oft da- Gefühl, als müßte sie ihn stützen, ihm von ihrer Festigkeit und Willenskraft einen Theil abgeben. DaS Mitleid kam dazu, jene gefährliche Regung im Herzen des WeibrS, die ihr klares llrtheil trübt und beeinflußt. WaS mußte er leiden, mit seinem feinfühligen, vorneh men Wesen, dem alle- Gewöhnliche und Plumpe fern lag. Er mußte sich erniedrigt vorkommen in der neuen Umgebung, im tägliche» Verkehr mit den Menschen, die so verschieden von ihm dachte», sprachen und handelten. ES war gut, daß Gert rud so angestrengt arbeiten mußte, daß sie alle ihre Geistes kräfte anspaunte, um ihren Pflichten zu genügen. Sie hatte wenig freie Zett und wollte sich in Zukunft streng bewachen, sich nie wieder einen solchen Augenblick der Schwäche ge statten, wie an jenem Sonntagabend, als Heimchen sie zu ihrem Verdruß belauscht hatte. 4. Egon. Zu Ostern kam Egon nach D. — Egon, mit seinri Un ruhe, seinen Ansprüchen, seinem Eigenwillen und seiner Herrsch sucht. Er war ei» bildschöner, sechzehnjähriger Junge, der sich schon ganz erwachse» fühlte und keiner Zucht und Er ziehung mehr zu gehorchen wünschte. Er brachte sein Zweirad, sein Angel- und Jagdgeräth, seinen Hund und mehrere große Kisten mit den verschieden artigsten Sammlungen mit und konnte «S zuerst gar nicht begreifen, als sein Bruder ihm erklärte, das wären Liebhabe reien, die nur für einen reichen jungen Mann paßten. »Ich kann mich nicht von Ralph trennen!" rief er ärger lich auS. »ES ist der beste Hühnerhund, den ich gesehen, ich brauche ihn, wenn ich zur Jagd gehe!" »Aber Egon!" lachte Axel, »wo willst Du hier zur Jagd? Du scheinst zu glauban, daß wir noch in Holm stein find!" Der Jüngere sah ihn verblüfft an. »Nun, dann behalte ich ihn jedenfalls bis zu den Sommerserien. Kurt von Mal witz hat mich zu sich aufgrsordert, dort ist eine famose Hüh- nerjagd!" Uebrr daS Gesicht Axels zog ein Schatten deS Unwillens, und er sagte streng: »DaS wird von Deinem Zrugnlß ab hänge». Du scheinst in diesem Semester recht faul gewesen zu sein!' »WaS geht «» Dich an?" schrie Egon grob. »Du bildest Dir wohl ein, daß ich noch ein kleiner Bube bin, den Du bestrafen kannst? Du hast mir gar nichts zu sagen, nicht soviel!" Er schnippte höhnisch mit dem Finger. Axel ergriff seine Hand, und fie frsthaltend, sagte er kurz und streng: »Ich denke doch, Egon. Die Mutter ist tief gebeugt von all dem Schweren, da» fie getroffen hat, da hab« ich, als älterer Bruder, ein Wörtchen mitzureden. Ich hoffe, Du wirst eS einsehen, wie ernst da» Leben ist und daß wir dazu da sind, um unsere Pflicht zu thun!" »Schade, daß Du nicht Prediger geworden bist!" höhnte Egon. »Vergiß nicht, bitte, daß ich sechzehn Jahre zähle und eingejegnet bin!" Eine dunkle Zorneswelle stieg langsam in Axels Gesicht empor, er beherrschte sich aber und sagte dann ganz ruhig: »Du wirst Ralph fortgeben muffen und Dein Rad nicht benutzen, soweit ich zu bestimmen habe, cs hindert Dich am Lernen. Deine Sammlungen wollen wir einstweilen auf den Boden bringen, unser Zimmer ist viel zu klein, um sie auf zustellen !" »Hast Du denn Chasseur nicht hier?" fragte Egon miß trauisch. »Du machst Dir keine Voistellung von der Lage, in der wir uns befinden, Egon!" sagte der ältere Bruder einst. »Ich schenkte Waldemar von Haßfeld Los schöne Thier, da ich mir nicht den Luxus eines Hundes erlauben konnte. Wir berechnen jeden Bissen im Hause. Wir Alle müssen jetzt ums Brot arbeiten und uns immer sagen, daS wir arme Men schen sind!" »Ja, ich finde allerdings, Du siehst schäbig genug aus!" versetzte Egon wegwerfend, den einfachen Anzug des älteren Bruders musternd. Wohlgefällig blickte er dann auf seinen eigenen, eleganten Rock. »Man kann trotzdem ein ganzer Mann sein!" erwiderte Axel ruhig und freundlich. »Ich trug auch lieber meine hübsche Uniform. Als ich den Dienst verließ, konnte ich mir nur diese billigen Kleider anschaffen, und im Kontor sind sie gut genug!" Egon brach in ein schallendes Gelächter aus. »Nein, Axel, Du mußt zu komisch auf dem hohen Kontorstuhl aus sehen! Wirklich zu komisch. Hahaha!" »Nun, es war allerdings viel angenehmer, auf dem Rücken meines edlen Rappen zu sitzen!" versetzte der ältere Bruder sehr gelassen. »Die Nothwendigkeit lehrt den Menschen Alles, daS wirst Du auch noch merken, lieber Junge!" Diese Unterredung fand auf dem Wege vom Bahnhos zu ihrer Wohnung statt. Egon war entrüstet, daß er zu Fuß gehen sollte, er schimpfte über die enge Straße, daS häßliche HauS und die drei hohen Treppen. Frau von Brenken hatte ihren zweiten Sohn von jeher verwöhnt, sein schönes Aeußere, seine glänzende Begabung schmeichelten ihrer mütterlichen Eitelkeit. Er hatte viel Geld verbraucht, selbst für einen reichen jungen Menschen, und es fiel ihm schwer, sich jetzt als völlig mittellos anzusehen. AlS daS neue Semester anfing, sprach Axel sehr ernst mit ihm; er sagte ihm, daß er sein Bestes von ihm erwarte, und daß es sein Wunsch sei, ihn das Gymnasium durchmachen zu sehen. »Ich will Alles daran setzen, Dir ein Studium zu er möglichen!" schloß er liebevoll, die Hand auf seine Schulter legend. Egon lachte ihm inS Gesicht. »Ich und studiren!" rief er, „nein, das ist zu drollig, das finde ich einzig in seiner Art!" »Willst Du lieber in ein Kontor?" fragte sein Bruder trocken, ihn verwundert ansehend. »Fällt mir nicht im Traum ein!" erwiderte Egon weg werfend. »Das fehlte mir nur noch!" „Nun, wie denkst Du Dir denn Deine Zukunft?" »Seemann will ich werden!" sagte der junge Mensch trotzig. »Seit ich hier die Schiffe sah, habe ich dazu Lust bekommen!" „Ist daS Dein Ernst, Egon?" »Gewiß!' versicherte er. „Sieh mich nicht so verwun dert an. Ich spaße nicht!" — 123 — Axel schwieg sinnend. »Du fitzest noch in Ober-Tertta, obgleich Du sechzehn Jahre bist. Wenn Du nach Sekunda versetzt wirst, könntest Du eine Seemannsschule besuchen. Ich hörte neulick, daß hier eine sehr gute ist, die Aufnahme findet im Herbst statt!" - Dabei blieb eS, und da der ältere Bruder wenig zu Hause war, wußte er nicht, waS Egon trieb. Das Zweirad war nicht verkauft worden, die Mutter hatte es dem ver- wöbnten Liebling zu benutzen erlaubt. Der Hund war eben falls zu Heimchens Verzweiflung im Hause geblieben und mußte gefüttert werden. Sie wußte ost kaum, wie fie mit dem knappen Wirtschaftsgelde auskommen sollte und ging hinüber, sich bei ihrer alten Freundin Rath zu holen. »Tante Dora!" rief sie an einem Montagmorgrn, in daS Stübchen der Klavierlehrerin eilend, »hast Du fünf Minuten Zeit?" „Eine Viertelstunde, liebes Kind. Es ist erst halb acht, und ich muß um acht Uhr in der Schule sein!" Heimchen schloß die Thür, auf ihrem schmalen Gesicht lag ein Ausdruck banger Sorge. „Wir haben keine Kohlen, Tante!" sagte sie ängstlich, „ich habe von diesem Monat nichts übrig behalten. Egon ist jetzt da, und Ralph muß gefüttert werden, ich komme immer mit dem Gelde zu kurz!" Die Thränen standen ihr in den Augen. „Willy ist mit seinem Wein zu Ende, und in der Apotheke müssen noch die letzten Medikamente bezahlt werden. Ilse und Ei na brauchen neue Stiefel, und Egon behauptet, er müsse einen Schulanzug haben!" „Und Du selbst Heimchen?" > „Ich brauche nichts, Tante Dora, ich bin ja immer zu Hause, und mein schwarzes Kleid ist wie neu!" Die kleine, zierliche Gestalt war in diesem Winter ge wachsen, das schwarze Kleid ließ die schmalen Füßchen sehen. Die alte Dame betrachtete sie kopfschüttelnd. „Sie denkt doch nie an sich!" das war der Gedanke, der sie beschäftigte. »Ich ließ schon die letzte» Tage wenig Heizen!" fuhr das junge Müdchen fort, „beute klagte Willy, das rS sehr kalt sei, und die Mutter sah mich mit so traurigen Augen an, ich muß auf jeden Fall Grethe gleich nach Kohlen schicken. Bitte, liebe Tante Dora, nimm dieses Armband urd verkaufe es, aber sage es den Andern nicht!" Sie reichte ihr eine ziemlich schwere, goldene Kette. „Aber, liebes Kind, eS ist ein Andenken von Deinem Vater!" rief die alte Dame bedauernd. In Heimchens Augen glänzte e» feucht. „Ich weiß eS!" sagte sie schnell, „es fällt mir nicht leicht, mich davon zu trennen, aber es muß sein, Willy soll nicht frieren!" „Könntest Du nicht Axel bitten, Dir daS Geld zu geben ?" „Nein, nein, daS geht nicht!" rief Heimchen eifrig. „Ich weiß, daß er sich einige Mark erspart hat, die braucht er selbst nothwendig, ich kann sie ihm nicht abfordern!" „Unterdessen nimm hier diese zehn Mark, liebe» Kind, damit Du daS Nöthige einkaufen kannst. Ich bringe Dir den Erlös Deines so freudig geopferten Schmuckes!" Sie küßte das selbstlose Heimchen innig. „Leider ist Eure Wohnung viel feuchter als die meine!" sagte sie, sich eilig ankleidend, „der Wind pfeift tüchtig durch die schlecht schließenden Fenster!" „Die Mutter Nagt häufig über rheumatische Schmerzen in den Füßen, ich fürchte mich davor, hier noch einen zweiten Winter zu verbringen. Wenn wir nur die Miethe bezahlen könnten, es ist noch wenig dafür zurückgelegt!" Sie umarmte ihre alte Freundin und ging hinüber. Frau von Brenken saß am Fenster und stickte eifrig in einem Rahmen. Sie arbeitete für ei« Tapifseriegrschäft mch verdiente so einige Mark wöchentlich. „Zieht eS nicht am Fenster, liebe Mutter!" fragt« Heimchen besorgt. „ES ist hier sehr kalt!" antwortete der kranke Bruder klagend statt ihrer, „fühle einmal, Heimchen!" Er legte seine kleine Hand an ihre Wange, und al» sie ihn auf den Schoß nahm, schmiegte er de« zarte» Körper fest an fie. „Wird Greteh bald cnhrttm?" ES log eine flehende Bitte in diesen Worten. Die Mutter hob den Kops beiden Kinder an, ihr« dunkeln Augen waren von Lbränen verstbM^t. Wie froh war Heimchen, daß sie ihr Armband „Gleich Wlllychen!" erwiderte Ke. ihn zänlickWbkosend, „warte nur noch etwa», e» wird bald hübsch warm Verven! „Sind keine Kohle« da?" fragt« die Matter Snyfttich. „ES werden gleich neue gebracht werden, ich gab Grete Geld dazu!" Niemand al- Tante Dora erfuhr je den Le»kauf d«L Armbandes. — Axel entbehrte ebenso srrudiz für die Sei-en. er hatte sich da» Rauchen abgewöhnt und versagt« sich jeden LuxuS, der ihm al» DkebstaS an seiner Familie erschienen wäre. Seit Ostern arbeitete er im Kontor der Finna A. E. Westerholz und erwarb sich schnell da» Vertrauen und die Anerkennung seine» freundliche» Gönner», der die tüchtige Arbeitskraft und Gewifsmhafthgkeit de» neuen Angestellte» ge bührend schätzte. Sein Gehalt war bester, al» auf seiner erst« Stelle, mit frohem Hetzen sagte er eine» Tage» zur Mutter: „Hier sind fünfzig Mark für die Miethe und zwanzig für Dich uud Willychen, ihr habt gewiß mancherlei nvthtz." „Mein lieber, guter Axel," entgegnete Kam von Break«, „Du arbeitest so angestrengt für un» und entzkhst Dir Alles!" Sie llebkoste die Hand, die ihr die Scheine bot. „Wo ist Egon?" fragte er, um dem Dank zu «tzch«. „Ist er noch in der Schule?" „Nein, er ging angeln," ries Ilse au» dem Nebenzimmer, „er sagte, die Zeichenstunde sei langwetüg, die müsse «an schwärym." „Ich fürchte, er thut e» ost, licke Mutter," sagte Axel bekümmert. „Sein griechischer Lehrer beklagte sich über sckee Faulheit, ich sprach ihn gestern." Frau von Breken seufzte tief. „W«n er nur tu der neuen Schule vorwärt» kommt, eS ist schad«, daß er leine Lust zum Studiren hat." Einigemal hatte Egon sein« Bruder um Geld gebet«. „Wozu brauchst Du eS?" hatte jener gefragt. „Wozu?" erwiderte Egon erstaunt. „Zn hundert ver schiedenen Dingen. Ich habe Cigaretten nöthtg, muß mir Handschuhe und Srawatttv, kauf«, und ich kam» doch nicht trocken dabet sitze», wenn die ander» Jung« Bier trinken, ich bin kein Philister wie Du." Als er nicht» erhielt und Axel ihm Borsteflung« machte, rief er grob: „Behalte Deine langweilige Moral für Dich, ich komme ohne sie auS." Er verkaufte Ralph, zu Heimchen» Mer Freude, uud verjubelte daS Geld in wenig Tag«. Die Sammlung« folgten dem Hühnerhunde; er selbst kam spät nach Hause und machte sich au» Lhrän« und Bitt« seiner Mutter nichts. Mehr Eindruck machte Axel» Strenge auf ihn, der ihm ins Gewissen redete, al» er ihn in ziemlich angeheitertem Zu stande auf der Straße traf. Der ältere Brüder gebrauchte diese» Mal da» ganze Uebergewicht seiner Jahre und Stellung
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