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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.09.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000920021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900092002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900092002
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- LDP: Zeitungen
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- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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74L0 München führt. Seine Verbindungen mit Süddeutschland find für die NcichSregirruug auch gegenwärtig von so hohem Werthe, daß sie des Fürsten Rücktritt als ein wahres Unheil ansehen würde. Ter Reichskanzler wird, auch wenn er in süddeutschen Bädern weilt, eine wichtige politische Sendung aus» zuüben haben. Jin Grobe» und Ganzen aber möchte er nicht all zuviel von der Last der Verantwortung sür die ostasiatischen Händel übernehme», deren unruhiger, widerspruchsvoller Charakter seinen klaren, gesammelten Sin» obslößt. Er wird unsere China-Politik wohl noch vor dem Reichstage vertreten, der, wenn eS »ach seinen Wünschen ginge, schon längst rin-b e ruf en wäre und in dessen vorläufige Uebergehung er nur unter dem Drucke zwingender finaiiz. technischer Gründe willigte. Bermuihlich wird der Ncich-tag erst Mitte oder Ende November versammelt werden können. Der Fürst wird der Durchdringung der ostasiatischen Credite seine eifrigste Mit- Wirkung leihen, nach dieser» Erfolge aber aller Voraussicht nach in verstärktem Maße das Bedürfnis nach Befreiung von diesen ihn bedrückenden Obliegenheiten empfinden. Wer im Augenblicke die meisten Aussichten hat, nach ihm Reichskanzler zu werden, ergiebt sich schon aus dem heute beherrschenden Einfluß der auswärtigen Politik. Einen bestimmten Namen nennen, hieße diese wohlbe gründeten Aussichten beeinträchtigen." ES fällt in die Augen, daß das Jemand schreibe» konnte, der seine Informationen lediglich aus seinem eigenen Innern holt. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Fürst, der sich auf das Schweigen wie ehemals Moltke versteht, irgend einem unter dem Verdachte der Mitarbeiterschaft an einem politischen Blatte stehenden Politiker mitgetbcilt haben sollte, er fühle sich durch die jüngsten Verschiebungen der Weltlage verwirrt und beunruhigt. Aber wenn auch der „wohlunter richtete" Gewährsmann des Berliner Blattes die Glaub würdigkeit seiner „Informationen" beeinträchtigt durch Be rufung aus „Gefühle" des Fürsten, die dieser sicherlich im innersten Busen bewahre» würde, wenn er sie wirklich hege» sollte, so ist doch die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, daß der Fürst in naher Zukunft der Würden und der Bürden seiner hoben Acmter sich entledigt. So nahe aber, wie der Gewährsmann der „D. W." anuimmt, ist diese Zukunft doch schwerlich. Mit der Durchdringung der ostasiatischen Eredite im Reichstage ist die ostasiatische Frage nicht gelost. Und wenn auch wirklich der „unruhige, wider spruchsvolle Charakter" der ostasiatischen Händel den klaren, gesammelten Sinn des Fürsten abstößt, so trägt er doch sür das, was von deutscher amtlicher Seite bisher im Verlaufe dieser Händel geschehe» ist, vor dem Reiche die Verant wortung. Und dieser Verantwortung entzieht sich ein Mann von der Art des Fürsten Chlodwig zu Hobenlohe nach unserer '-.Überzeugung ebensowenig, wie der Pflicht, zu Ende führen zu helfen, was unter seiner Verantwortung be gonnen und auf den jetzigen Standpunct geführt worden ist. Von dieser Pflicht könnte er sich nur befreit fühlen, wenn z. B. der „ diplomatische Obercomniandeur " in China die Hand zu Abmachungen böte, für die der Reichskanzler die Verantwortung ablehnen müßte. Das ist aber schon bei der Abneigung aller anderen Mächte, dem Grasen Waldersee eine solche Diplomatenrolle zuzuerthcilen, nicht wahr scheinlich. Tritt also nicht der Fall ein, daß der Reichs kanzler zu dem ReichSoberhaupte über die ferneren Ziele und Mittel der Action in Ostasien in unüberbrückbaren Gegensatz gerät-), so glauben wir bei der Vergangenheit und dem Pflichtbewusstsein des greisen Staatsmannes seinen freiwilligen Rücktritt vor Beendigung der chinesischen Wirren nicht besorgen zu sollen. Und gerade die unbestreitbare Tbatsache, das; er an dem Drahte steht, „der von Berlin nach München führt", bestärkt uns in dieser Auffassung. Bei den Erörterungen über die Ursachen des herrschenden Kohlcnmangels ist darauf bingewiesen wordeu, daß die Kohlenbergwerke nicht im Stande gewesen seien, dem ge steigerten Bedarfe zu entsprechen, weil es vielfach an dem notbwendigen Entgegenkommen der Arbeiterschaft gefehlt bade. Es wurde zahlenmäßig dargelegt, daß auf manchen Kohlenzeche» ein bedeutender Ausfall an Förderung eingetrcten ist, weil die Arbeiter willkürlich feierten und auch durch Ordnungsstrafen nicht dazu gebracht werden konnten, dieser Unsitte zu entsagen. Daß die letztere vielfach in einem ausgedehnten Umfange besteht, ist auch aus den Berichten der Bergaufsichts behörden zu ersehen, die mit den Jahresberichten der preußischen NegiernngS- und Gewerberäthe soeben für das Jahr 1899 veröffentlicht worden sind. In fast allen Be zirken dieser Behörden wird einerseits erheblicher Arbeiter mangel coustatirl und andererseits wird betont, daß die Klagen der Arbeitgeber über willkürliches Feiern der Arbeiter, namentlich der jüngere», erheblich zugenommen haben. So wird sür das Äergrevier Oberhausen, welches zum Oberbergamtsbezirke Dortmund gehört, mit- getheilt, daß die Zahl ver willkürlichen Feierschichten der Arbeiterschaft nack Sonn- und Feiertagen nach Lohn- und Abschlagözahltagen über 100 000 betragen hat. Der Bericht sagt: „Abgesehen davon, daß das unvermuthete Ausbleiben der Arbeiter sür den Betrieb Verlegenheit und Schaden zu» Folge hat und daß »telfack dir Sicherheit de» BetriebeS darnnter gelitten bat, hat dasselbe für die Berg leute einen Ausfall von etwa 400 000 gebracht." Der Bericht für da- Oberbergamt sür das Bergrevier Kattowitz im Oberbergwerksbezirke BreSlau bemerkt: „Noch mehr wie im Vorjahre klagten die WerkSverwaltungeu darüber, daß die Arbeiter ohne Veranlassung feierten und die Werke dadurch verhinderten, ihre volle Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Die Neigung zu unregelmäßigem Anfahren trat namentlich unter dem jüngeren Tbeile der Belegschaft hervor und ging theilwcise so weit, daß auf einzelnen Werken an bestimmten Tagen, namentlich nach den Löhnungen und Lobnabschlags- zabtungen, biS üO Proc. der Schlepper auSblieben." Aebnliche Beschwerden und Klage» werden aus fast allen Aussichts bezirken laut. In Folge dessen sind die WerkSverwaltungcn fast allgemein zu einer strengeren Handhabung der gesetzlichen Vorschriften über die Lobnciuhaltungen übergegangen, freilich ohne den Uebelstand abstcllen zu können, da die Geschästö- coiijunctur und der Arbeiterinangel die Betriebe nölhigen, sogar im Falle von Contraclbri.ch mitunter ein Auge zu- zuvrücken. Die Beunruhigung in Portugal wegen der Zukunft der Colonie Mozambique, welche mit V« Millionen Quadrat- Kilometer nächst Angola mit IV« Millionen Quadrat- Kilometer die größte Colonie Portugals ist, hält an; die Zeitungen fordern auf, alle Parteiunterschiede bei Seite zu lassen und in dieser ernsten Stunde alle Aufmerksamkeit der Integrität und der Ehre Portugals zuzuwenden. Das „Diario de NoticiaS" bemerkt: " „Die ehrgeizigen Pläne Chamberlain's sind noch nicht ganz befriedigt, Loureu<;o Marques und Beira verlocken noch die unersättliche Gier seiner Augen, und so lauge er nicht den Umiaug, den er als britischen Besitz von Südafrika in Aussicht genoimnen hat, abgerundet hat, wird er nicht ruhig schlafen können." Sehr zu Statten kommt den Engländern, daß die Actien der drei über weite Gebiete sich ausdehnenden ConcessionS- Gesellschasten der Colonie Mozambique, nämlich der Ooiu- pnllluu cis Llo^amdigue, clo Jassir und lla Aainlwriu, von denen die beiden ersteren majestätische Vollmachten be sitzen, zum großen Thcil in den Händen von Engländern sind, wodurch der englische Einfluß schon jetzt der vorherrschende ist. Waß Lourenzo Marquez betrifft, das nicht in jenen großen Concessionögebieteu liegt, sowie die Delagoabahn, für die Portugal erst vor wenigen Monaten rund 20 Millionen Francs Entschädigung an die englischen und amerikanischen Interessenten zahlte, so ist eS England ein Leichtes, durch entsprechende Handhabung LcS Zollsystems und der Hasen einrichtungen in Turban, sowie durch entsprechende Tarife auf den in Betracht kommenden Bahnlinien die portugiesischen Interessen aufs Empfindlichste zu schädigen und so Portugal zur freiwilligen Aufgabe zu nöthigen. England wird für seine weiten Hinterlandgebiete in Afrika directcu, nicht vom Wohlwollen einer anderen Macht abhängigen Zugang zum Meere haben wollen und dazu fehlt „den ältesten Ver bündeten Portugals" die Colonie Mozambique. Dentschr's Reich. * Berlin, 19. September. (Ein internationales Anarchistengesetz.) Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die „Post" die folgende, ihr „von sehr geschätzter juristischer Seite" zugegangene Zuschrift: „Dem Treiben der Anarchisten gegenüber ist die Ueberzeugung allgemein geworden, daß eine gemeinsame Abwehr, ein gemeinsames Handeln aller Cultur- staatcn geboten ist, ein internationales Anarckistengesetz, welches alle Cultnrstaaten gleichmäßig bindet und ein gemein sames, übereinstimmendes, ineinandergrcifendcs Handeln der Polizeiorgane aller Staaten. Das Gesetz muß die Grundlage geben. Das Gesetz darf nur die anarchistischen Vergehungen treffen. Es muß Strafen verhängen, welche die vernrtheilten Anarchisten unschädlich machen, die Andern abschreckeu. Solche Strafen sind einzig und allein die Todesstrafe und lebenslängliche Deportation. Die Behauptung, daß die Schwere der Strafe nicht abschrecke, weil die Anarchisten Fanatiker seien, ist nicht zutreffend. Der eine oder der andere von ihnen mag in seinem Wahne auS tief innerster Ueberzeugung handeln, die große Mehrzahl sind eingefleischte Verbrecher, feile, um Lohn gedungene Meuchel mörder oder Verführte. Die Gesellschaft hat daS Recht, die Anarchisten zu vernichten, jedenfalls von der Gesell schaft auszuschließcn und Diejenigen, denen das Wohl der Gesellschaft anverkrant ist, die Leiter und Führer der Staaten und die Gesetzgeber haben die heilige Pflicht, die Anarchisten unschädlich zu macken. Als allgemeine Strafe ist die Deportation nicht zu empfehlen, aber beschränkt auf die anarckistischen Vergehungen ist sie ausführbar, zweckmäßig und wirksam, ja die einzige zweckmäßige und wirksame Frei heitsstrafe. Nur lebenslängliche Freiheitsstrafe gewährt sicheren Schutz gegen die anarckistischen Verbrecher, Freiheit strafen auf Zeit schade» mehr als sie nützen, denn wir inüssen erwägen, daß wir cL hier mit dem Auswurfe der Gesellschaft zu thun haben, bei welchem nur selten an Besserung zu denken ist. Die Deportation kann für die Lebensdauer verhängt werde», die andere» Freiheits» strafen, von einzelnen AuSnahmrfällrn abgesehen, nicht. Die Deportation ist bunianer, kann huiuaner gehandhabt werden, als audere Freiheitsstrafe», insbesondere lang dauernde und geschärfte Freiheitsstrafen, wirkt weniger deprimirend und verbitternd aus daS Oemütb des Sträf lings und bietet mehr Aussicht aus Besserung. Den uuchrist- lichen Gedanken an Rache oder Vergeltung durch die Strafe dürfe» wir selbst den Anarchisten gegenüber nickt auskoiume» lasse». Andererseits kann, darf und muß der Deportation in schweren Fällen eine solche Verschärfung gegeben werden, daß sie durch ihre Härte abschreckend wirkt. Mit Rücksicht auf seinen internationalen Charakter muß das Gesetz sich Schranken auferlegcn, darf sich nicht in kasuistische Einzel heiten und Spitzfindigkeiten verlieren, muß in seiner soliden Kraft wuchtig, wie mit Keulenschlägen auf die Gegner jeder staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung niederfallen. Sollten Cultnrstaaten noch nickt zustimmen wollen, so würde diesen der Beitritt offen zu halten sein. Hier mag ein Entwurf des Gesetzes in seinen Haupt zügen folgen: 1) Die Deportation ist lebenslängliche Verbannung und Ein» zwäugung auf eine entlegene Insel oder in einen entlegenen, fest umschlossenen Bezirk. Sie kann mit Zwangsarbeit verbunden werden. 2) Wer in der Absicht, den gewaltsamen Umsturz jeder staat lichen Ordnung herbeizusühren, zu befördern oder vorzubereiten vor sätzlich einen Menschen tobtet, wird mit dem Tode bestraft. Ten Mitthäter, sowie den Anstifter trifft dieselbe Strafe. Der Gehilfe und der Versuch werden mit Deportation bestraft. 8) Wer in der Absicht, den gewaltsamen Unisturz jeder Staats ordnung herbeizusühren, zu befördern oder vorzubereiten, einen An griff gegen Personen oder Sachen unternimmt, welcher daS Leben oder die Gesundheit eines Menschen gefährdet, wird, wenn der An griff den Tod eines Menschen verursacht, mit dem Tode, andernfalls mit Deportation bestraft. Den Mitthäter, sowie den An stifter trifft die gleiche Strafe. Der Gehilfe und der Versuch werden mit Deportation bestraft." * Berlin, 19. September. (Arbeiterbewegung.) Die Glaser Berlins und der Umgegend waren am Mittwoch Abend zahlreich versammelt, nm zu ihrer Lohnbewegung Stellung zu nehmen. Ihre Forderungen lauten: Abschaffung der Accordarbeit, 56 Stundenlohn bei 9stündiger Arbeits zeit, sowie desgleichen 50 sür schwächere Arbeiter. Die Lohnzahlung hat des Sonnabends um 5 Uhr stattzufinden, und die Arbeitszeit au diesem Tage beträgt bei Wegfall des Vespcrs 8>/r Stunden; an den Tagen vor den hohen Festen um 4 Uhr, ohne Abzug von Lohn. Zu Beginn der Versammlung theilte der Vorsitzende den Anwesenden ein Schreiben der Innung an den Gesellenausschuß mit. Danach hat eine Innungs versammlung, die am 18. September statlfand, die Forderungen der Arbeitnehmer einstimmig abgelehnt, cs jedoch den Gesessen anheimgestellt, durch ihre Lohncommission mit dem erweiterten JnnungSvorstand auf Grundlage der von der Innung an geborenen neuen Arbeitsbedingungen zu verhandeln. Nack lebhafter Besprechung wurde beschlossen, am Donnerstag früh nochmals Len Arbeitgebern die Forderungen vorzulegen, und wo nicht bewilligt wird, die Arbeit einzustellen. — Der AuSstand der Militäreffcctenarbeiter Berlins und der Vororte beschäftigte heute daS EinigungSamt des Gewerbegerichts zum zweiten Male. Der Vertreter der Ausständigen betonte als erster Sprecher, daß die Arbeiter noch auf ihrem alten Standpunct ständen und von ihren Forderungen nichts ablassen könnten. Der Sprecher der Arbeitgeber gab sür seine Austraggeber eine ähnliche Erklärung ab, worauf Stadtverordneter Pretzel im Namen der Fabrikanten einen neuen VermittclungSvor- schlag auf folgender Grundlage machte: „Die Wlsständigen verzichten auf Abschaffung der Heimarbeit und der Ein führung des NcunstundentagcS, während die Arbeitgeber unter der Voraussetzung, daß auch die Arbeitgeber der Militär- csfcctenbrauche Deutschlands zu einer Lohn- und Tarif- anfbesseruug ihre Zustimmung geben, einen höheren Tarif als den bisber eingcfübrlen anerkennen." Der Gerichtshof nnter Lein Vorsitz des GewerberichterS v. Schulz zog sich zur Berathuug über diesen Vorschlag zurück und verkündete »ach längerer Verhandlung mit den Parteien, daß eine Einigung auf der vorgcschlagene» Grundlage ausgeschlossen sei. Zur Beweisaufnahme und zur Fällung eines Schiedsspruches wurde ein neuer Termin auf Donnerstag, 27. d., au- beraumt. In diesem Termin soll über die Angaben der Parteien, besonders in Bezug auf die Höhe der Löhne in Berlin, München, in Roeödorf bei Bonn a. Rh. rc. Beweis erhoben werden. — Die Ankunft dcS Kaisers in Nominten zur dies jährigen Herbstpiirsche erfolgt am 22. d. M. Abends 9 Uhr. Der Kaiser wird sich im Anschluß an die an diesem Tage Nachmittag- 2 Ubr in Tilsit erfolgende Enthüllung dcS Königin Luise-Denkmals dortbin begeben. Ob die Kaiserin ihren Gemahl auf dieser Fahrt begleiten wird, steht noch dahin. Die Absperrungen in der näheren und weiteren Um gebung des kaiserlichen Jagdschlosses werden auch diesmal wieder von der Gendarmerie vorgenommen werden. 9m Uebrigen ist die Sperre der Forstwege während der Anwesen heit des Kaisers in Rominten in diesem Jahre wesentlich verschärft worden, indem daS Gehen, Fahren, Reiten und Viehtreiben in dieser Zeit nur mit einem besonderen Er- laubnißschein und nur auf bestimmten Wegen gestattet ist. Der Aufenthalt de- Kaiser- in Rominten dürfte etwa fünf Tage währen. (Post.) — Der Ausschuß des BundeSrathS für Handel und Verkehr hielt heute eine Sitzung. — Der Reichskanzler Fürst zu Hobenlohe besuchte am Dienstag die Photographische Ausstellung im Künstler. Hause, um von dem gegenwärtigen Stande der Photographie zwecks der bevorstehenden Umgestaltung deS Urheber rechts Kenntniß zu nehmen. — Der Preßdecernent im Auswärtigen Amte Geh. Lega- tionSrath vr. Ham mann ist am Mittwoch von seinem Urlaube zurückgekebrt und hat seine AmISgesckäfte wieder übernommen. Hoffentlich macht sich das bald bemerkbar. — Die Angabe, daß der Gesandte Frbr. v. Waecker« Gotter seinen Posten in Belgrad aufgeben werde, be stätigt sich Berliner Blättern zufolge nicht. — Am 18. d. M. verschied während eines Erholungs urlaubes zu Marienberg bei Boppard am Rbein im 81. Lebensjahre der Vorsteher der deutschen Botschaftskanzlei in London, Geheime Hofrath Schmettau. Die „N. A. Z." widmet ihm folgenden Nackruf: Der Verstorbene begann seine Laufbahn im Jahre 1841 im Cabinet des Königs Ernst August von Hannover. Nach einigen Jahren deS Dienstes in der Kanzlei des hannoverschen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten wurde er 1862 der hannoverschen Gesandtschaft in London zugetheilt und im Jahre 1867 in den Kanzleidienst der diesseitigen Botschaft dortselbst übernommen. In Anerkennung seiner ausgezeichneten Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit wurde Schmettau bereits im daraus folgenden Jahre unter Beilegung deS Charakters als Hofrath zum Vorstände der Botschaftskanzlei befördert. Im Jahre 1874 wurde ihm der Charakter als Geheimer Hofrath und im Jahre l889 der königl. Kroneuorden zweiter Elaste verliehen. Zur Feier seines 50 jährigen DienstjubiläuinS erhielt Schmettau durch Allerhöchste Ordre vom 11. Januar 1891 den Rotlien Adlerorden zweiter Classe mit Eichenlaub und der Zahl „50". — Der kaiserl. Dienst verliert in dem Dahingeschiedenen einen hervorragend bewährten Beamten, der, unterstützt durch ein un gewöhnliches Gedächtnis, in seiner nahezu 60 jährigen amtlichen Laufbahn die ihm anvertrauten Obliegenheiten stets mit musterhafter Pflichttreue und unermüdlichem Diensteifer erfüllt hat. — Das Reichsamt deS Innern ist der „Post" zufolge eifrig thätig, der jüngsten Novelle zur Gewerbe ordnung behufs Einführung in die Praxis die Wege zu ebnen. An solchen Bestimmungen, deren Einführung binnen Kurzem, und zwar zum 1. October d. I., bevorstebt, wie dem allgemeinen Ladenschlüsse um 9 Uhr Abends, ist nichts mehr zu ändern, hier muß einfach abgewartet werden, wie sie in der Praxis werden gehandhabt werden. Dagegen ist für andere Bestimmungen dieser Vorlage, wie z. B. die Frage der Beschaffung von Sitzgelegenheit für die Verkäufe rinnen in den Ladengeschäften, dem Bundesrath die Bcsngniß, AnsführungSbestimmungen zu erlassen, verlieben worden. Die Grundlage für diese AuöführuugSbestimmungeu soll demnächst festgestellt werden. — Wie der „Allgem. Ztg." auS Wien gemeldet wird, verbot auch das dortige Landcszericht das Buch „Meine Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II." von Elisabeth, geschiedene Gräfin Wedel, wegen Verbrechens der Majestäts beleidigung und Beleidigung von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses. Es wurde die Beschlagnahme und Vernichtung des BucheS angeordnet. — Der Berliner Goethe-Bund läßt erklären: Die in der letzten Zeit sich häufenden Beanstandungen und Verbote von Stücken durch dieTheatercensur haben in weiten Kreisen lebhafte Beunruhigung erregt. Der Goethe- Bund hat Schritte getban, um in Besitz deö diesen Vorgängen zu Grunde liegenden Materials zu gelangen. Er behält sich vor, auf Grund dieses Materials mit Schritten vor die Öffentlichkeit zu treten, dazu bestimmt, die bedrohte Freiheit literarischer Production mit allen ihm zur Verfügung stehen den Mitteln zu schützen. — Hier anzckommen sind der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatsminister Engelhardt aus Gera, der Geh. Staatsrath v. Borries aus Altenburg, der hiesige badische Gesandte, Wirkliche Geheime Rath Or. v. Jage mann vom Urlaub, der die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen hat, der rumänische Justiz minister a. D. Disescu aus Bukarest. (D Hamburg, 19. September. Ter „Hamburgische Cor- respondenr meldet: Vom Verbände der Eisenindustrie Ham burgs geht uns folgende Mittbcilung zu: In der heutigen Besprechung der Gruppe „Schiffswerften" dcS Verbandes Eisenindustrie mit der Commission streikender Arbeiter erklärten die Arbeitgeber, daß es ihnen nicht möglich sei, Lohnerhöhungen oder sonstige Verbesserungen der Arbeits bedingungen zu bewilligen; dagegen erklärten sie sich bereit, die ausständigen Arbeiter zu den alten Bedingungen wieder einzustellen. Falls die Arbeiter in den morgigen Versamm lungen beschließen, die Arbeit wieder aufzunehmen. so sollen die Wiedereinstellungen direct bei den Werften Sonnabend, lohnen weiß die Kunst besser, als alle Könige der Erden! Wohl ist es schön und erhebend für den Künstler, wenn sein Werk Beifall findet bei den Edlen seiner Zeit, wohl ist der Sturm der Begeisterung, den ein ganzes Volk seinem erkannten Genius entgegen bringt, ein stolzes Glück für ihn, — denn er ist eben ein Mensch und kein Gott, — aber immerhin ist es nur ein schwacher Widerhall jenes Schaffensrausches, der den Begnade ten entzückt, wenn er, ein Schöpfer, an seinem Werke bildet." Der Rechtsanwalt schaute ein wenig spöttisch und gelang weilt drein. Da traf sein Blick Annny, die mit vorgencigtem Haupte und glühenden Wangen in lauschender, selbstvergessener Stellung verharrte. Grimm fuhr dem Alten durch die Seele. Das war ja freilich ein Locklied für sein phantastisches Töchter chen, wie sie es Gott Lob nie zuvor zu hören bekam. Das Spiel konnte doch gefährlich werden. Hart und kalt war sein Ton, als er entgegnete: „Ihre Welt ist mir so fremd, wie Ihre Anschau ungen, Herr Heyl, und da wir glücklicher Weise keinen Grund haben, uns mit denselben auseinander zu setzen, so lassen wir's am besten auf sich beruhen." Anny fuhr wie von einem Schlag gerührt zusammen. — Auch Fred war die Schärfe in des Rechtsanwaltes Antwort nicht entgangen. Er konnte gar nicht begreifen, womit er ihn verletzt haben könnte. Der Rechtsanwalt hob die Tafel auf und fragte Fred, ob er im Herrenzimmer eine Cigarre mit ihm rauchen möchte. Fred nahm das Anerbieten dankend, ein wenig befangen an. Die Qual in Anny's Mienen entging ihm nicht, und rasch entschlossen war er bereit, die peinvolle Situation ab- zukiirzen. „Ich möcht' halt bitten, Herr Rechtsanwalt, daß Sie mir in eigener Angelegenheit freundliches Gehör schenken", bat er fest. „Bitte", sagte Folgers kurz und schritt Fred voran in sein Zimmer. Dort nöthigte er Fred, Platz zu nehmen, und fragte förmlich: „Womit also kann ich Ihnen dienen?" „Ich glaub', Herr Rechtsanwalt, es wird Ihrem Blick nicht entgangen sein, was mich als Bittenden in Ihr Haus führt. — Ich lernte Ihre Tochter kennen und lieben, und — verdienen Ihu' ich's ja freilich nicht, aber — sie hat mich auch lieb und so wollt' ich Anny's Vater recht von Herzen bitten, daß er unserem Glücke nicht entgegen sein möchte." Fred fuhr sich erregt durch das blonde Kraushaar, die Rede hatte ihm schwere Mühe gekostet. Scheinbar ruhig fragte Folgers: „Seit wann besteht Ihre Verständigung mit meiner Tochter?" „Seit den letzten Tagen, die Anny im Försterhause weilte." „So und wußte mein Bruder darum?" „Wir verbargen eS ihm nicht." „Und welche Gründe hatten Sic, mir gegenüber Versteck zu spielen?" „Das thaten wir doch nicht, Herr Rechtsanwalt! Bitte, fassen Sie meine begreifliche Scheu, von einem mir völlig fremden Manne seinen bestenBesitz einzufordern, nicht als Kränkung auf! Sie sollten erst Gelegenheit haben, mich kennen und prüfen zu lernen, ehe ich wagen wollte, so Großes von Ihnen zu erbitten. Nun aber, in Ihrem Hause, an Ihrem Tische empfand ich es doch als ein Unrecht, daß wir gegen Sie, der Sie das erste An recht auf unser Vertrauen haben, länger schweigen." „Ihre Ueberlegung kommt etwas verspätet, mein Herr, und kann meine Ansicht über Ihre Handlungsweise nicht verbessern. Wissen Sie auch, was Sie gethan haben?" fuhr er mit erhobe nem Tone fort. „Sie haben monatelang ein heimliches Verhält- niß hinter meinem Rücken mit meiner Tochter unterhalten, Sie haben —" „Um Gottes willen, nein, so ist es nicht. Wir sahen und hörten ja nichts von einander. Ob Stunden, Tage oder Monate vergingen seit dem Augenblick, daß unsere Herzen sich fanden, das ist doch ohne Bedeutung. An Betrug dachten wir nicht. Wir meinten es gut zu machen. Meine neue Arbeit wollt' ich erst vollenden, damit ich nicht so ganz mit leeren Händen vor den Vater meiner Braut hintreten mußte! Bitte, glauben's mir doch, wir hatten kein Arg dabei!" Fred's ganze Seele lag in dem innigen Flehen seiner Worte. In dem Rechtsanwalt kämpfte ein kaum mehr zu beherrschender Zorn. „Kein Arg!" sagte er beißend, „kein Arg! Wenn Sie sich an ein reiches Mädchen heranschleichen, ihre Unerfahrenheit aus nützen, sich heimlich die reiche Erbin zu sichern suchen, als gol denen Hintergrund für Ihre gepriesene Kunst, die Ihnen ja, nach Ihrer eigenen Aussage, die von Ihnen, wie man sieht, durchaus nicht so gering geschätzten irdischen Güter schuldig blieb." „Bis jetzt — ja! Darum aber bin ich kein Glücksritter. Wer mich kennt, weiß das. Sie aber kennen mich ja gar nicht! Ich hab' mich Ihnen zur Prüfung gestellt, Beschimpfungen aber werde ich nimmer dulden." Heiß und stolz begegnete sein Blick den Augen des Rechts anwaltes. „Mir scheint, Sie pochen ein wenig zu sehr auf die Majo- rennität meiner Tochter", sagte Folger- hämisch; „sie kann leider mit einer Minorennität der Vernunft Hand in Hand gehen. Ich werde meine Maßregeln zu treffen wissen. Aus den Proceß- acten Ihres Bruders ist mir Ihr abenteuerliches Leben hinläng lich vertraut. Ihr Verhältniß zu Dem, waS andere Menschen „Kunst" nennen, ist wahrscheinlich ein ebenso unlauteres und er schlichenes, wie das zu meiner Tochter. Der Beweis dafür ist ja die Anfeindung Ihrer eigenen Kollegen, die Sie nicht als ebenbürtig anerkennen." Es lag ein völlig bewußter aufreizender Ton in jedem Worte des Rechtsanwalts. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sich wohl gefragt: Was bezweckt eigentlich dieser Mann? — Fred empfand die grausamen Worte wie Peitschenschläge. Blitzschnell jagten die Gedanken ihm durch den Sinn, daß dieser Mann es ja war, der ihn, vielleicht mit ähnlichen Worten, vor dem Richter stuhl irdischer Gerechtigkeit seines guten Rechts beraubt hatte. Nun zerschlug er ihm sein Glück und wollte seine Künstlerehre ihm besudeln! Er kannte keine Mäßigung mehr. Wild klang es von seinen Lippen: „Diesen Ton verbiete ich! Sie können meiner Liebe Schwierigkeiten in den Weg legen, ich werde warten und arbeiten, bis ich meine Braut mir holen und ihr Geld verwerfen kann. Meinen Namen aber taste mir Keiner an! Den hab' ich rein gehalten und werde ihn rein führen im Dienste meiner heiligen Kunst, und die Welt soll einst lauschen seinem Klang. Was mein Beruf von mir fordert, das weiß ich, und jedes frevelnde Betasten werd' ich rächen; mir ist mein Beruf nicht die feile Dirne, die ich um Gewinn in jedes Elenden Dienst stelle, wie Sie es gethan. Wenn Einer von uns Beiden ein Recht der Verachtung hat gegen den Anderen, so bin ich es!" Ein Wut'hschrei von Folgers' Lippen. Halberstickt vor Zorn stieß er hervor: „Ein Gauner, ein Mitgiftjäger, der sich vor der eigenen Nacktheit hinter eine Weiberschürze steckt! Das ist meine Antwort für Dich!" Mit pfeifendem Klang sauste seine Hand auf Fred's Wange. Taumelnd sprang der Getroffene vor, seine Hände griffen nach des Gegners Gurgel, der mit einem geschickten Seiten sprunge dem Angriff entwich. Zugleich aber tönte ein beben der Schrei durch's Gemach. Anny stand zwischen den Männern und warf sich nun, des Geliebten Arme umklammernd, an dessen Brust. — Fast brutal stieß Fred das Mädchen von sich. Keu chend kam es aus seiner Brust: „Hast's nicht gehört, was i bin? — Laß mich geh'n, ich will nicht zum Mörder werden, das ist Alles, was ich für Dich noch thun kann!" „Fred, lieber Fred!" bat Anny zitternd, „nimm mich mit Dir, verlaß mich nicht! Du siehst eS ja, daß ich keine Heimath habe und keinen Vater mehr." „Hinaus!" rief der Rechtsanwalt dazwischen, aber sonder barer Weise war kein echter Zorn mehr in seiner Stimm«. Es schien fast, als ob er mit innerer Befriedigung der sich vor ihm entwickelnden Scene zuschaue. „Du hast aber Dein Geld, Du Arme, und wenn Du's nähmst und würfest es in den Strom, uns hilft das Alles nichts mehr." Wie in dumpfer Verzweiflung fielen die Worte von des Jünglings Lippen. „Fredi!" „Leb' wohl", kam es hastig, halb erstickt von Fred's Lippen, sein weher Blick umfaßte noch einmal die geliebte Gestalt, dann stürzte er davon, als müsse er den sehnsüchtig ihm entgegen gestreckten Armen entfliehen. Anny starrte eine Weile regungslos nach der Thür, die sich hinter dem Geliebten geschlossen hatte. Eine Bewegung des Vaters ließ sie zusammenfahren. Auf ihrer Stirn, lag plötz lich ein eiserner Entschluß ausgeprägt, stahlhart begegneten ihre Augen des Vaters Blick und mit klarer, kalter Stimme sagte sie: „Ich werde dies Zimmer nicht verlassen, bis Du mir Auf klärung über Dein Handeln gegeben hast." „Die sollst Du haben", sagte Folgers, ohne von der selt samen Art der Forderung Notiz zu nehmen. „Du hast mir durch verschiedene unkindliche Handlungen bewiesen, daß Schonung Deinen Launen gegenüber mehr als Thorheit wäre. Du wußtest genau, daß ich in eine Verbindung mit solch' einem hergelaufenen Lumpen nie willigen würde. Ich Haffe die ganze Zunft und vor Allem diese „modernen Künstler". Sie sind die Zerstörer aller moralischen Institutionen, in ihrer Unfähigkeit und Grundsatzlosigkeit, in ihrem Dünkel sind sie der Krebsschaden der ohnehin kranken Zeit, und ein für alle Mal habe ich die Mög lichkeit einer Verbindung meines Namens mit Jenen unmöglich machen wollen. Der Schlag ins Gesicht dieses Einen gilt im Grunde der ganzen Kaste, und einst wirst auch Du es mir danken, daß ich Dich mit Gewalt vor Deinem Unglück bewahrt habe." Anny's Augen blickten fest und unbeirrt, sie sagte ruhig: „Ich bin nicht fähig, Deinen Gründen Glauben zu schenken. So handelt kein Mensch, der nicht irrsinnig, oder verzweifelt ist. Ich vermache das Letztere. Willst Du mir für Deine That Aufklärung geben, so werde ich mein Handeln danach richten können; andernfalls mußt Du erlauben, daß ich mein Menschen recht über Deine mißbrauchte Vatergewalt stelle und meinen Weg gehe, wie mein Herz es fordert." „Sehr schön, sehr kindlich!" höhnte FolgerS, „nur daß ich Dir diesen Weg denn doch gründlich versperrt habe. Versuche es doch! Hänge Dich an ihn, erbettle Dir sein Mitleid — Deines Vaters Tochter nimmt dieser jetzt nimmermehr zum Weibe!" (Fortsetzung folgt.)
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