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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000906014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900090601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900090601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Geschieht dies, so ist Abwehr nicht nur im Interesse der Wahrheit, sondern auch im Interesse der katholischen Kirche geboten, da ihr durch unbegründete Verherrlichung die Einsicht in die Fehler erschwert wird, die sie in Zukunft vermeiden muß. Zu solcher Abwehr fordern einige Sätze auf, die in der ersten Sitzung der diesjährigen Katholikcnversammlung aufgestellt wurden. So sagte der Präsident der Versammlung, Graf Praschina, in seiner Eröffnungsrede: „Die revo lutionären Ideen, die um 1800 die Welt bewegten, haben sich auch im 19. Jahrhundert wiederholt. Dieser Umsturz bewegung entzegcnzutreten, ist der Kampf deS Christenthums, speciell der katholischen Kirche, welche ihn seit ihrer Gründung bis heute zu bestehen hat. Darum heißt sie die streitende Kirche." Aber nur nach innen hin ist der KlerikaliSmus streitbar, nach außen hin bedeutet das Papstlhum den Frieden. Wenigstens behauptet dies dieKatho- likeuversammluiig, denn sie erklärt im letzten Absätze der Resolution zu Gunsten der wetlichen Macht deS PapstthumS: „Sie (d. h. die Generalversammlung) erkennt in der Stellung und der Aufgabe des Papsttbums einen besonders wichtigen Factor zur Sicherung deS Friedens unter den christlichen Völkern. . . ." Wer den Umsturz bekämpft, wird in erster Reibe die Achtung der Untergebenen vor den Vorgesetzten zu stärken haben, denn ohne Autorität und Unterordnung ist ein Staats wesen nicht denkbar. Darüber aber haben das Papstthum und die Hobe Geistlichkeit manchmal ihre ganz besonderen Ansichten gehabt vom Mittelalter bis auf den heutigen Tag. Wenn diePäpste die deutschen Fürsten zur Auflehnung und zum Kampfe gegen ihren rechtmäßigen Oberherren, den Kaiser, anstachelten, so beförderten sie nicht nur den Umsturz, sondern sie riefen ihn hervor. Man wird doch nicht etwa eine Revolution nur die Umwälzung nennen wollen, die von den unteren Volks schichten auögeht. Und wenn wiederholt im eben abge- lausenen Jahrhundert die höchsten katholischen Würdenträger unter dem vollen Bcifalle ihrer Oberhirten die Staats autorität offen verhöhnten, so ging man den Elementen des Umsturzes mit gutem Beispiele voran. Auch hat das Papst- thum die Revolution keineswegs immer gemißbilligt. Alö in deni gewaltigsten Revolutionsjahre, das die Weltgeschichte bisher kennt, im Jahre 1848, die Nevolulionsstürme von der Weichsel bis zum Tiber über die Lande dahinbrausten, er klärte Papst Pius IX. in einer Proklamation vom 30. März 1848: „Die Ereignisse, welche in den letzten zwei Monaten mit so reißender Schnelligkeit sich folgten, sind kein Menschenwerk. Wehe dem, der in diesem Winde, welcher Eedern und Eichen splittert, nicht die Stimme des Herrn vernimmt!" Eine Ablehnung und Bekämpfung deS damals die Welt bewegenden revolutionären Gedankens liegt in dieser Auslassung jedenfalls nicht. Als freilich die revolutio näre Bewegung auch vor dem Papstthum nicht Halt machte, da hörten die päpstlichen Sympathien mit der Revolution auf, da begann das Papstthum wieder den Kampf gegen den Umsturz zu führen und wahrlich nicht nur mit geist lichen Waffen. Als die Stadt Perugia im Jahre 1859 sich für das nationale italienische Königthum und gegen den Fortbestand der weltlichen Macht des PapstthumS erklärte, da hausten die Truppen des Kirchenstaats unter Führung LeS Obersten Schmidt in der unglücklrchen Stadt wie die Wilden. Der Papst aber mißbilligte nicht nur nicht das Blutbad und die viehischen Ausschreitungen, sondern er ließ an dir Sol daten Denkmünzen vertheilen. Damit kommen wir zugleich zu dem schönen Satze, daß das Papstthum den Frieden unter den christlichen Völkern sichere. In jener Zeit der Einheitsbewegung in Italien rief der in seinen Inte»essen bedrohte Papst feierlich die katholischen Mächte zum Kriege auf. Am stärksten aber trat die kriegerische Neigung des PapstthumS in jener Zeit hervor, in der seine Alleinherrschaft über die Christenheit den Todesstoß erhielt: in und unmittelbar vor der Zeit der Re formation. An den Machtkämpfen um Italien im 16. Jahr hundert nahm das Papstthum activen Antheil. So be- theiligte sich Papst Julius II. im Jahre 1508 an der Liga zu Cambray gegen Venedig und 1511 an der sogenannten heiligen Liga gegen Frankreich. Im zweiten Kriege zwischen Karl V. und Franz I. betheiligte sich der Papst an dem Bündnisse gegen den Kaiser. Wenn die Religionskämpfe, die von jener Zeit bis in die Mitte deS 17. Jahrhunderts hinein wütbete», einen so fürchterlichen und den Wohlstand ganzer Länder aus Jahrhunderte hinaus vernichtenden Charakter annahm, so hat die Agitation deS PapstthumS keinen geringen Antheil daran gehabt. Wütheriche, wie Alba und Tilly, waren dem Papiltbum besonders wohlgefällige Männer. Dem Satze, daß das Papstthum für den Frieden eintrete, kann man also höchstens mit der Einschränkung znstimmen, daß eö dies dann ihut, wenn seine eigenen Interessen nicht in Frage kommen; werden aber seine Interessen berührt, so ist ihm jedes Mittel zu ihrer Wahrung recht, auch der Krieg. In diesem Sinn« aber ist wohl so ziemlich jeder Staat al- Hort des Friedens anzusehen. Die Staaten geben ja doch nicht, wie die niederbayerischen Dauern, auS bloßer Rauflust aufeinander lo«, sondern um ihrer tbatsächlichen oder wenigstens ibrer vermeintlichen Interessen willen. Zur Wahrung deS Frieden- also braucht die weltliche Macht deS Papsttbum« sicherlich nicht hergestelll zu werden, um so weniger, als jeder Versuch dieser Wiederherstellung gleich, bedeutend mit der Entfesselung eines blutigen Krieges sein müßte; denn an die Möglichkeit einer friedlichen Recon- struirung des Kirchenstaate« glaubt dir Bonner Katholiken versammlung wohl selbst nicht. Die kanadischen Parlamentswahlen. Aus Montreal, 20. August, schreibt man der „Weltcorrespondenz": Die Legislatur-Periode des jetzigen kanadischen Parlamentes neigt sich ihrem Ende zu. Da sie gesetzlich eine fünfjährige ist, so müßten die Neuwahlen spätestens im Frühjahr 1901 vorgenommen werden; doch ist es sehr wahrscheinlich, daß sie schon im Oktober dieses Jahres stattfinden werden, und mit der Regierung befreundete Journale geben bereits den 16. Ok tober als den wichtigen Tag an. Die liberale Regierung gelangte nach einer langen Pause (seit dem 16. Oktober 1878) endlich im Jahre 1896 wieder zu Amt und Würden; aber gerade diese letzten 5 Jahre waren in politischer und kommerzieller Beziehung die wichtig sten für Canada. Innerhalb dieser Periode erstarkte der durch das 60jährige Regierungs-Jubiläum der Königin Victoria im Jahre 1897 künstlich gepflegte Imperialismus, und seinem schädlichen Einflüsse konnte sich auch der bei den Londoner Festlichkeiten anwesende, wohl etwas ehrgeizige Premier Laurier (er bekam bei der Gelegenheit natürlich Titel und Orden) nicht entziehen. Die Kündigung der Handelsverträge mit Deutschland und Belgien, die Schaffung des Pre- ferential-Tarifes zwischen Canada und England folgten, und die im letzten Jahre beschlossene Entsendung eines Kontingentes kanadischer Soldaten nach Südafrika stand nur in logischem Zusammenhänge mit dieser verfehlten Politik, die im Allgemeinen wenig Enthusiasmus findet und aller Wahrschein lichkeit nach heute schon vom Schöpfer selbst verurtheilt wird. Wir verhehlen uns nicht, daß in diesen zwei Punkten Laurier's Politik eine schlechte war; aber nun gleich daraus schließen zu wollen, wie es die Opposition thut, daß die Neu wahlen zu Gunsten der letzteren ausfallen werden, erscheint uns denn doch weit über das Ziel hinaus geschossen. Im Allgemeinen war die jetzige Regierung eine ganz gute zu nennen; die Ver hältnisse haben sich durch gute Ernten gebessert, die Einnahmen erhöht, kurz die Lage ist seit 1896 jedenfalls nicht schlechter ge worden. Freilich sind auch die Ausgaben beträchtlich gestiegen, aber sie waren zum großen Theile für nothwendige öffentliche Bauten u. s. w. erforderlich und am allerwenigsten sollte die Opposition ein großes Geschrei über „Boodelei" erheben; ab gesehen davon, daß die persönliche Ehrlichkeit des Premiers auch von seinen Gegnern anerkannt wird, sollte man doch bei der Opposition wissen, daß hier nicht etwa gefragt wird: Welche Partei ist die allein ehrliche? sondern: Welche Partei geht beim Einstecken öffentlicher Gelder mit dem meisten „Zartgefühl" vor? Ländlich, sittlich! Den Liberalen kommt sehr zu statten, daß die Gegner keinen tüchtigen Führer haben, denn der fast 80 Jahre alte Sir Charles Tupper kann als ein energischer, einflußreicher Führer nicht mehr gelten, und auch die anderen führenden konservativen reichen über den Durchschnitt nicht hinaus; die leitende starke Hand des früheren Premiers Sir John Macdonald fehlt heute. In den kommenden Wahlreden werden Laurier und seine Kollegen am Ministertische reinen Wein über die zwei erwähn ten Fragen einschenken müssen. Die „Soldatenfrage" kann jetzt schon als abgethan betrachtet werden: nach den Erfahrungen, welche unsere Freiwilligen in Afrika und jetzt wieder in Eng land als Reconvalescenten gemacht haben, ist eine noch malige Betheiligung von Canadiern an einem englischen Kriege so gut wie ausgeschlossen; höchstens würde sich eventuell ein Häuflein Abenteurer und alte gediente Soldaten zusammentrommeln lassen. Aber die Dor zugstariffrage ist weit ernster und wichtiger, und unsere Ge schäftswelt will darin erst ganz klar sehen, bevor sie ihre Stim men abgiebt. Durch den jetzigen Zollrabatt von 33)4 Proc. ver liert Canada an England jährlich etwa zwei Millionen Dollars, ohne von letzterem irgend eine andere Gegenleistung zu erhalten, als die wohlfeile Auszeichnung einer „loyalen patrio tischen Kolonie". England denkt nicht daran, Canada bei seinen Käufen zu bevorzugen; es kauft eben da, wo es am billigsten bedient wird — die Hoffnungen, die man auf die Aus lassungen des geschmeidigen Herrn Chamberlain setzte, scheinen nicht verwirklicht zu werden; wir hören wenigstens immer noch nichts von der Vorzugsclausel, die Canada und anderen Colo nien gewährt werden sollte, und so wird sich denn Laurier ge- nöthigt sehen, seinen Wählern über die Aussichten in dieser Be ziehung Aufklärung zu geben, im ungünstigen Falle selbst eine Aufhebung des Vorzugstarifs als Möglichkeit hinstellen, da er wohl einsieht, daß man hier das Sprichwort: Llanus lavat mLnum auch in die Praxis überseht haben will. Die Campagne wird sehr interessant und erregt werden, aber wir glauben an einen neuen Sieg Laurier's und seiner Regie rung. Und das wäre ganz gut, denn, offen gestanden, fühlt sich ein Deutscher und Protestant unter einem vorwiegend franzö sischen und katholischen Regime weit liberaler behandelt, als unter dem bigotten Sectenwesen der Herren Briten, die in ihrer Mehrheit annehmen, daß nächst dem lieben Herrgott sie die eigentlichen Herren der Welt seien und auf alles Andere mit dummstolzer Verachtung herabzublicken gewohnt sind. Die Wirren in China. -p. Es ist erfreulicher Weise mit d«m russischen RäumungSvorschlag so gekommen, wie wir vorau-gesagt hatten — er ist rascher gemacht, als er auSgeführt wird. Nirgends, auch auf amerikanischer Seite, zeigt sich viel Neigung, ibn so zu accep- tiren, wie er lautet, und vor Allem ist Gewicht darauf zu legen, daß die Vertreter der Mächte in Cbina selbst, also Leute mit kompetentem Urtbeil, sehr entschieden vor der Annahme de- sonderbaren Vorschläge- warnen. So wird uns — wir müssen diese Nachricht wiedergeben — au» London unterm 5. September telegraphirt: „Reuter'- Bureau" berichtet au- Shanghai unter dem 4. d. MtS.: Die Wendung, die die chinesische Frage in Europa genommen hat, hat hier unter allen Natio nalitäten Bestürzung bervorgerufen. Die deutsche Colonie telegraphirt« heut« an di« deutsche Regierung, die Zurück ¬ ziehung der fremden Truppen auS Peking würde verhiingnitz- voll für die Interessen der Ausländer werden. Weiter erfahren die „Times" auS Shanghai: Die Ausschüsse der hiesigen englischen, deutsche» und amerikanischen Vereinigungen beschlossen in einer Versammlung, gegen die Räumung Pekings und gegen die Wiederherstellung eines Regimentes Einspruch zu erheben, daS für die längsten Blutthaten direkt verantwortlich zu machen sei. — „Daily News" schreiben aus Shanghai: Der hiesige französische und amerika nische Consul, sowie der amerikanische Special- commissar Nockbill schließen sich entschieden der Opposition gegen »te Räumung Pekings in dem jetzigen Zeitpunkte an. Die römi'che „Tribuna" behauptet nach einem uns zu gegangenen Telegramm auf Grund von Informationen auS guter Quelle, daß sich bis jetzt nur die Bereinigten Staaten über den russischen Vorschlag bezüglich der Räumung Pekings geäußert hätten, im klebrigen werde der Ideenaustausch zwischen den in Cbina interessierten Mächten fortgesetzt. Alle Cabinette beurtbeilen der „Tribuna" zufolge den russischen Vorschlag von verschiedenen Gesichtspunkten aus. Bezüglich des vorläufigen Rückzuges der Gesandten wären keine Schwierigkeiten vorhanden, doch würden gegen den Rückzug der Truppen nicht unerhebliche Einwände erhoben. Die „Tribuna" fügt hinzu: Alle Mächte forderten ihre Ver treter in Peking telegraphisch auf, ihre Ansichten über den etwaigen Rückzug der Truppen mitzutheilen und fragten gleichzeitig bei ihnen an, wie sich die Sachlage dort infolge deS russischen Vorschlages in militärischer Beziehung gestalten würde. Die „Tribuna" bestätigt, daß eS die Aufgabe Italiens sei, daran mitzuwirken, daß daS Einvernehmen der Mächte erhalten bleibe. Haltung Japans. Die „Times" berichten aus Tokio: Bezüglich der Räu mung Pekings sei die japanische Regierung eine entschlossene Anhängerin des Concerts der Mächte; sie werde sich dem von der Mehrheit der Mächte gebilligten Curse anschließen. Nach einer der „Polit. Corr." aus Paris zugehenden Mel dung ist japanischen Mittheilungen zu entnehmen, daß der russische Vorschlag, betreffend die Regelung der chinesischen An gelegenheit auch für die maßgebenden Kreise in Tokio eine Ueberraschung gebildet hat. Dieser Eindruck hätte aber, wie man betont, selbstverständlich nicht eintreten können, wenn die Anregungen des Petersburger Cabinets thatsächlich, wie man nachzuweisen sucht, nur den Charakter einer naturgemäßen Kon sequenz des von den Mächten ursprünglich aufgestellten Pro gramms trügen. Man könne allerdings zugeben, daß der Ge danke, die Truppen der Verbündeten aus Peking zurückzuziehen, um dadurch die Rückkehr des Kaisers und der Regierung nach der Hauptstadt zu ermöglichen und damit endlich auch die diplo matische Auseinandersetzung zwischen der chinesischen Staats gewalt und den Mächten in Fluß zu bringen, etwas Einleuchten des hat. Andererseits werde man aber wohl in Petersburg kaum bestreiten wollen, daß das Hervortreten irgend eines der be- theiligten Staaten mit einem solchen Plane gegenwärtig, wo unleugbar von allen Seiten der Weiterführung der Action in China in etwas größerem Maßstabe entgegengesehen wurde, und nachdem diese Perspective durch einen sehr markanten, der aus drücklichen Nennung nicht bedürfenden Vorgang in scharfes Licht gerückt worden ist, nicht erwartet werden konnte. Die japanische Diplomatie scheint übrigens nicht anzunehmen, daß der russische Vorschlag einen Keil zwischen die Mächte treiben werde, sondern glaubt vielmehr, daß der zwischen den Cabineten eingeleitete Meinungsaustausch zu einem Compro- m i ß über ein gleichartiges Verhalten und weiteres Zusammen gehen in der Regelung der chinesischen Frage führen werde. Japan dürfte, den bisherigen Anzeichen nach, nicht geneigt sein, nach der einen oder anderen der bestehenden Richtungen einen drängenden Eifer zu entwickeln. Die Gegenforderungen der übrige» Mächte gegenüber den russisch-nordamertkanischeil Vorschlägen in der Ehtuasragc. Aus London, 2. September, telegraphirt man der „Intern. Corresp.": Von unterrichteter Seite wird versichert, daß zwischen den Regierungen des Dreibundes, Englands und Japans bereits folgende Puncte im Princip vereinbart wurden: 1) Die Zurückziehung der internationalen Truppen von Peking, sobald der Kaiser, nicht die Kaiserin-Wittwe, formell erklärt hat, daß er sofort nach Peking zurückkehrt und dort eine verantwortlich« Regierung einsetzen werde. 2) Ein Friedensschluß ist nur möglich auf der Grundlage, daß China eine volle Entschädigung für alle begangenen Unthalen zahlt. 3) Bis zur völligen Bezahlung dieser Summen ist eine internationale Commission zur Ueberwachung der chine sischen Staatsfinanzen einzusetzen. 4) Zum Schutze dieser Finanzcontrole sind in mehreren Städten Chinas internationale Garnisonen zu belassen, deren Unterhaltungskosten China zu tragen hat. So weit die Londoner Correspondenz. Wir schließen die Frage an: Was wird aus dem fünften Programmpuncte der Mächte, der Genugthuung für den elenden Bruch des Völker rechts und was aus der Strafe für die Ermordung des deutschen Gesandten? Russische Interpretation. * Da- „Journal de St. Prtrr-bourg" schreibt über da- Circular der Regierung: Rußland kann nur wünschen, daß die inneren Unruhen, die durch die aufständische Bewegung der Boxer bervorgerufen worden sind, schleunigst beigelegt werden. Dcsbalb ist Rußland geneigt, Alle-, was die Wiederherstellung der geordneten Beziehungen zu Cbina erleichtern kann, günstig aufzunebmen. Zu diesem Zwecke Hilt die russische Regierung die Wiederherstellung der chinesischen Regierung-organe, mit denen die Mächte in Verhandlungen treten könnten, für nothwendig. Eine militärisch« Action im großen Stile über Peking hinaus erscheint al- ein Grund zu neuen Verwickelungen, nicht als ein Mittel zur Beruhigung, und zwar mit Rücksicht auf die gewaltige Ausdehnung der GebietStbeile, in denen die Mächte allein die Ruhe nicht wiederherstellen können. Vielmehr könnte nur die Thätigkeil der rechtmäßigen Regierungsorgane in Cbina auf die Dauer ein heilsames Ergedniß herbeifübren. Die Zurückberufung der Vertreter der Mächte nach Tientsin würde in Cbina als ein Beweis dafür aufgefaßt werden, daß die Mächte dem Geiste, von welchem ihr ursprüngliche- Pro gramm erfüllt war, treu geblieben sind. Eine bedeutende Arbeit bleibt für sie noch zu tbun, nm eine Lösung der aus den gegenwärtigen Umständen sich ergebenden Fragen herbei- zufübren, aber die Gedanken der Mäßigung müssen die Ober haus behalten über jeden anderen Beweggrund, der dazu verpflichten könnte, der militärischen Action einen größeren Impuls zu geben, im Jnieresse einer glücklichen Lösung der zahlreichen schwebenden Fragen. Die Mittheilung deS „RegierungSboten" hebt nochmals hervor, daß Ruß land keinerlei egoistische Zwecke in China verfolgt; wie groß auch die sehr berechtigte Erregung ist, die die Ereignisse in China in allen civilisirten Staaten bervor gerufen haben, so bat die russische Regierung doch geglaubt, die dieser Materie nock überlegenen I ^ressen nicht aus rem Auge verlieren zu sollen, und indem jie diese durch die Ereignisse in China entstandenen Fragen mit der noth- wenvigen Kaltblütigkeit und Ruhe prüft, bleibt sie unver änderlich dein Principe treu, das Vie Grundlage ihrer Politik bildet, nämlich die Aufrechterhaltung des Friedens zwischen den Mächten der ganzen Welt, und zwar auS denselben Gründen der Solidarität, die alle Mächte zu allgemeinem Wohle vereinigt. Die „PeterSb. Wjedom." drucken die Mittheilnng der russischen Regierung über die Räumung von Peking ab nebst der Circulartepesche an den russischen Botschafter vom 12. (25.) August und knüpfen daran folgende Bemerkungen: Jeder Russe wird diese Mittheilung mit tiefster Befriedigung und größter Freude zur Kcnntniß nehmen. Sie zeichnet sich durch ungewöhnliche Klarheit und Festigkeit der ausgestellten Principien aus, und bringt dadurch in die von Len ver steckten Feinden Rußlands mit Eifer in Verwirrung gebrachte chinesische Frage dasjenige Licht, das für eine jede ordentliche und redliche Sache nött-ig ist. Die russischen Truppen und die russische Gesandschast werden aus Peking abberufen, weil die Hauptaufgabe, die Befreiung der Gesandt schaften, erfüllt ist. Ferner weist die Regierung darauf hin, daß Rußland seine Truppen aus der Mandschurei zurückziehen werde, sobald nur dort eine feste Ordnung hergestelll und alle nölbigen Maßregeln zum Schutz der Eijenbahn er griffen sein werden, wenn dem nicht etwa die Handlungsweise der anderen Mächte als Hinderniß dienen sollte. Die frühere Kundgebung unserer Negierung, daß Rußland in China keine eigennützigen Ziele verfolge — und also eine Auftheilung Chinas nicht in seinem Interesse liegt — ist aufs Neue bestätigt worden. Unsern Kräften und Vermögen gemäß haben wir uns gleich seil Beginn der „Ereignisse in China" bemüht, zu beweisen, daß ein schleunigster Friedensschluß mit China — wozu es nöibig ist, die Truppen auS Peking zurückzuberufen — am meisten den russischen Interessen entspricht. Wir hielten sogar nicht einmal den Feldzug nach Peking für nöthig, wenn sich die chinesische Regierung verpflichtet hätte, selbst eine Gesandtschaft nach Tientsin zu senden. Glücklicher Weise haben sich die Besorgnisse über die Schwierigkeiten eines FeldzugS nach Peking nicht bewahrheitet, und er ist Gott fei Dank ganz glücklich verlaufen. Darüber muß man sich natürlich freuen, aber daS ist kein Grund, um in Peking zu bleiben. Die Aufgabe Rußlands besteht darin, der chinesischen Regierung je schneller, je besser die Möglichkeit zu geben, Herr der Lage in China zu werben, den Aufstand nieder zu werfen (!?) und die gestörte Ordnung wieder herzustellen. Das Verweilen der verbündeten Truppen in Peking fördert diesenZweck nicht nur nicht, sondern ist ihm im Gcgentheil hinderlich. Vollkommen solidarisch mit den anderen Mächten in China wirkend, hat Rußland, wie die RegierungSmittheilung besagt, im Voraus die Ziele bestimmt, die die Regierungen der Mächte zu verfolgen hatten. Augenscheinlich konnte es auch anders gar nickt sein, weil die Interessen der Mächte nur bis zu einer gewissen Grenze solidarisch sind» was besonders von Ruß land (!) gilt, das mit China eine Grenzlinie von einigen Tausend Werst hat*), und außerdem in einem be sonderen Vertrag mit demselben steht bezüglich der Erbauung einer Eisenbahn auf chinesischem Gebiet. Die anderen Mächte haben nichts AehnlickeS aufzuweifen. Die verbündeten Truppen zogen nickt nach Peking, um die Hauptstadt deS Himmlischen Reiches zu er oberns!?), sondern nur, um ihre Gesandtschaften vor der Wuth der ckinesischen Rebellen zu retten. Ist daS erreicht, so erweist sich das Verweilen der Truppen in Peking al- ganz überflüssig. Ob den russischen Truppen die der übrigen Verbündeten folgen werden, ist Sache der betreffenden Re gierungen. Es läßt sich nickt verkennen, daß jetzt einer der ernstesten Momente in der chinesischen Frage ein tritt und deshalb ist eine besondere Klarheit und Festigkeit in der äußeren Politik — wenn auch immer erwünscht — so doch jetzt ganz besonders nothwendig. Eine Trübung »er «nglisch-japanischeu SreuntzschafN Privatmeldungen au» Tokio bestätigen, daß die freundschaft liche Stimmung für England in den leitenden Kreisen Japan wesentlich abgekühlt ist. Ganz besonders hat es beleidigt, daß die englische Negierung sofort die Entsendung von 100 britischen Marinesoldaten nach Amoy anordnete, während dortselbst 300 Japaner für den Schuh der Fremden durchaus genügten. Auf englischer Seit, aber erklärte man, die angebliche Zerstörung deS japanischen Tempels in Amoy sei nur al» Vorwand b«nutzt *) Nack Strelbilsky beträgt sie 88SL Werst — 9871,8 lrw. Rach derselben Quelle beträgt »i« deutsch-rusfisch« Krenzlini« 1108 verst -°- 1183,7 kw, die zwischen Oesterreich»Ungar« und Rußland INS Werst - ILLS.7 lew.
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