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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000908019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900090801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900090801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-09
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion vnd Expedition: JohanniSgafie 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn norm. v. Klemm'- Eörti». Universitütsstraße 3 (Paulinum), Lont« Lösche, Katharinens». 1s. »art. und König-Platz 7. Bezugs'PrelS t» der E auptexpedition oder den lm Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Au-, gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direkte tünche Kreuzbandsendung in- Ausland: monatlich ^l 7.50. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Nnzeigeu-Prsti- die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. Neclamen unter dem Rrdactionsstrich (»ge spalten) 50/4, vor den Familtennachrichteu (6 gespalten) 40^. 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Der Austausch der Freundschaftsversicherungen sei ein deutlicher Hinweis darauf, daß Deutschland gut daran thue, seine Kräfte für mögliche Con- flicte auf europäischem Boden zusammenzuhalten. Wer die Winkelzüge der Diplomatie verfolgt, wird gewiß nicht nur das lesen dürfen, was auf den Zeilen, sondern auch das, was zwischen ihnen steht. Aber es ist niemals gut und auch nicht ganz vernünftig, wenn man über der Combinationskunst das, was tatsächlich in einer Kundgebung steht, Übersicht. Wenn in dem Handschreiben des russischen Kaisers, das gleich zeitig mit der Ordensauszeichnung überreicht wurde, der Aus druck des Bedauerns darüber, daß der Kaiser die Pariser Welt ausstellung nicht besuchen könne, einen breiten Raum einnimmt, so ist der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unterbleiben des Besuchs und der Ordensauszeichnung ohne Weiteres klar ersichtlich. Daraus ergiebt sich, daß die Freundschaftsbethcuerung nicht den Zweck hat, eine dritte Macht zu bedrohen, sondern den Franzosen über die ihnen durch das Ausbleiben des Kaiserbesuchs bereitete Enttäuschung hinwegzuhelfen. Niemand wird daran zweifeln können, daß diese Ent täuschung eine ziemlich herbe ist. Wenn die Franzosen recht er hebliche Kosten aufgewcndet haben, um fürstlichen Gästen eine ihrer hohen Stellung entsprechende Unterkunft bei einem Besuche der Weltausstellung zu bereiten, so haben sie dabei wahrlich nicht in erster Reihe an den Schah von Persien gedacht, sondern auf eine Wiederholung des Besuches von 1896 gerechnet. Schon lange vor Beginn der Ausstellung wurde in der französischen Presse I die Frage: „Kommt er oder kommt er nicht?" auf das Ein- I gehendste erörtert. Als das Sommerprogramm des russischen I Kaiserhofes in ungefähren Umriffen bekannt wurde, begrüßte I man in Paris mit unverhohlener Freude eine scheinbare Lücke I in dem Programm, indem man annahm, daß diese Lücke bestimmt I durch einen Besuch in Paris ansgefüllt werden würde. Mit dem I 1. September hat nun das letzte Drittel der Ausstellungszeit I begonnen, und es mußte deshalb spätestens zu dieser Zeit eine I bestimmte Entscheidung des russischen Kaisers erwartet werden. I Die Entscheidung ist negativ ausgefallen, und da war es doch I wirklich das einfache Gebot der Freundlichkeit, die bittere Pille I etwas zu versüßen. Hätte der Kaiser nur erklärt: „Ich komme I nicht", so hätte das französische Volk darin mit Recht ein- starkes I Erkalten der Freundschaftsbeziehungen gesehen. Indem er aber I mit der einen Hand nahm und mit der anderen gab, hat er sehr I geschickt den Status quo des Verhältnisses der beiden Staaten I zu einander aufrecht erhalten. Es wird sogar Franzosen geben, die finden, chaß selbst die Hand, die gegeben hat, zugleich auch genommen hat. Der russische Kaiser hat in seinem Schreiben allerdings die engen Beziehungen zwischen den beiden Staaten hervorgehoben, aber er hat zugleich auch betont, daß dieses Einvernehmen seinen Einfluß auf die Aufrechterhaltung des allgemeinen Friedens ausüben solle; zu dem „allgemeinen Frieden" aber gehört zweifellos auch der Friede zwischen Deutschland und Frankreich. In diesem Sinne aber erscheint das BUndniß manchem fran zösischen Politiker viel eher als ein Hemmmß, denn als eine Stärkung der französischen Macht. Diesen Politikern kommt es nicht darauf an, daß Rußland durch seine Macht die franzö sischen Ansprüche in China oder in anderen überseeischen Ge bieten unterstützt, sogdern daß Rußland an einem Revanchekriege gegen Deutschland thätigen Antheil nimmt. Gerade diese Hoffnung aber wird durch den Wortlaut der kaiserlichen Kund gebung herabgemindert. - - Noch ein Anderes aber ist geeignet, die Freude der Franzosen über die russische Freundschaftskundgebung herabzumindern. Der royalistische „Soleil" spricht sich nüchtern dahin aus, daß die Zollerhöhung, die Rußland auf französischen Faßwein neuer dings gelegt habe, praktisch bedeutungsvoller und schmerzlicher sei, als die Ordensauszeichnung erfreulich sei. Die Franzosen find zwar selbst enragirte Schuhzöllner, aber sie lieben cs nicht, wenn ihrem Export große Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden, um so weniger, als der französische Außenhandel seit Jahr und Tag nur sehr geringe Fortschritte macht und als die Ausfuhr von Wein seit einigen Jahren wieder von gesteigerter Wichtigkeit ist, weil die durch die Reblaus verursachte Einschrän kung der französischen Production in Folge der Energie und Umsicht der französischen Weinbauer ül-^wunden worden ist. Kann nun Frankreich die Kundgebung des russischen Kaisers nicht als einen besonders auffälligen und für eine veränderte Stellungnahme der russischen Politik symptomatischen Act an sehen, so braucht man in Deutschland dies auch nicht zu thun. Daß zwischen Rußland und Frankreich enge Beziehungen ob walten, weiß man seit den Tagen von Kronstadt, also seit neun Jahren; daß diese Beziehungen im Laufe der Zeit eine aggressive Tendenz gegen Deutschland angenommen hätten, ist aus der jüngsten Kundgebung des russischen Kaisers ebensowenig zu fol gern, wie aus früheren Freundschaftsbezeugungen. Die Wirren in China. -p. Allmählich klärt sich die Lage, wie sie durch den russischen Vorschlag, Peking zu räumen, geschaffen ist. Die -rutsche Antwort ist, Wie nicht ander» zu erwarten war, strikt ablehnend ausgefallen. Wir erfahren darüber, leider erst auf dem Um weg über London und Washington da- Folgende: * Washington, 6. September. (Reuter'» Bureau.) Vou Jackson, dem amerikanischen Geschäftsträger in Berlin, ist «ine Miltheilung »ingetroffeu, die di« Haltung Deutschland» be züglich de» russischen Vorschläge» klar auSrinandersetzt. Diese besagt, daß Deutschland alle Reibungen zwischen den Mächten zu vermeiden wünsche, daß r- ober der Ansicht sei, die gegenwärtigen Verhältnisse in Peking seien derartige, daß sie die Beibehaltung der deutschen Streitmacht dort nothwendig machten. Diese Mittheiluog über die Anschauung Deutschlands erfolgte in solcher Form, daß st« al« bündig dahingehend ausgefaht werden kann, Deutschlands Absicht ist, seine Truppen nicht zurück, zu ziehen. Es ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Haltung Deutschlands in den anderen europäischen Hauptstädten starken und sympathischen Beifall findet. * London, 7. September. (Telegramm.) „Daily Mail" berichten aus Washington unter dem 6. d. M.: Das Staats departement ist noch nicht geneigt, die auf die amerikanische und die russische Note eingegangenen Antworten zu veröffent lichen, doch ist Grund vorhanden, zu glauben, Latz alle Antworten eingetroffen und derart sind, daß sie Vertrauen zu dem Erfolg des amerikanischen Vorschlages einslösten. Im Uebrigen giebt man zu verstehen, daß Rußland sich bereit erklärt, der allgemeinen Meinung nachzugeben, und einwilligt, daß die Mächte Peking weiter besetzt halten. — Der deutsche Geschäftsträgerin Washington, Frhr. Speck v. Sternburg, der heute dem Staatsdepartement einen Besuch abstattete, vertrat dort die Ansicht, daß sich die Mächte dahin einigen sollten, in Peking zu bleiben, damit die Verhandlungen mit China gesührt werden, während die Mächte diesen Vortheil noch be sitzen. — Die Antwort Deutschlands ist vor einigen Tagen durch den amerikanischen Geschüstsiräger in Berlin nach Washington übermittelt worden. Diese läßt keinen Zweifel über die Stellungnahme Deutschlands; der Kaiser wünscht die Fortdauer der Besetzung Pekings und spricht sich in diesem Sinne aus. Die Antworten der übrigen Mächte beweisen, daß die Gefahr einer Uneinigkeit unter den Mächten, wenigstens für den Augenblick, beseitigt ist. England hat, wie „Daily Graphic" zu wissen glaubt, noch nicht ge antwortet. Salisbury kehre Anfang nächster Woche nach London zurück, um mit seinen College» zu berathen. FriedenSvcrhandlungcn einzuleiten, werden die Mächte eifrigst von Li-Hung-Tschang getrieben und er versäumt nicht, nach bewährtem Muster Eifersucht und Zwietracht unter ihnen zu säen. So be richtet der „Standard" aus Shanghai: Der General gouverneur Changchintung übersandte dem hiesigen englischen Consul eine Depesche, in der er auf die Ver luste hinweist, die die Fortdauer des Krieges dem englischen Handel zufügen würde und hinzufügt, im japanischen Kriege von 1894 habe England zugegeben, daß Rußland die Macht und das Ansehen an sich gerissen habe. Dieselbe Sache würde einlreten, wenn England die Herbeiführung des Ein vernehmens aufschieben würde und die anderen Mächte zu einer Theilung Chinas schreiten würden. England, Japan und Amerika seien immer von dem Wunsche beseelt gewesen, ihren Handel weiter zu entwickeln und China gegen über sich freundlich zu zeigen. Der Vicekönig bittet diese Mächte, Bevollmächtigte für die Friedensverhand lungen mit Li-Hung-Tschang zu ernennen. Die Londoner Blätter geben ihrer Entrüstung über die Ernennung Hunglu's und Hsutung's als Friedenscom- missare Ausdruck. „Standard" bezeichnet die Ernennung als eine nicht zu duldende Beleidigung für die verbündeten Mächte. Die Friedenscommission sei in dieser Zusammen setzung nicht annehmbar. Wie vorsichtig die Friedensliebe der Chinesen zu beur- tbeilen ist, zeigt die Meldung auS Aokohama vom gestrigen Tage, nach welcher das dortige Auswärtige Amt eine Depesche aus Schaschi unter dem 4. d. M. erhalten hat, welche besagt, daß große Abtheilungen Schwarzflaggen unter dem Befehle des Generals Liu nordwärts durch die Provinzen HUnan und Hupe ziehen. Das Ziel ist der jetzige Sitz des kaiserlichen Hofes und Peking. Gleichzeitig gährt es in den südlichen Provinzen des Reiches Weiter. So berichten die „Times" aus Hongkong unter dem 6. d. M.: Hier sind Gerüchte über ernste Unruhen in Lunt sch an verbreitet, wo der Präfect von Wutschou mit 100 Sol- I daten von einer Bande Briganten belagert sein soll I und Hilsstruppen verlangt habe. Peking. General Frey telegraphirt untcrm 7. September via «Taku nach Paris: „Das erste Bataillon des 17. Marine- I infanterie-RegimentS ist mit einer Batterie in Peking I eingctroffen. In Peking und Umgebung berrscht fortdauernd I Ruhe. Der Gesundheitszustand der Truppen ist aus- I gezeichnet." Die Londoner Blätter veröffentlichen eine Depesche aus I Hongkong vom 6. d. Mts., nach der der Staatssekretär Li- I Hung-Tschang's mitgetheilt hat, Li-Hung-Tschang babe auS «Peking die Nachricht erhalten, daß die Verbündeten den iChinesen 'allmählich gestatten, die Verwaltung iPekings wieder zu übernehmen und Prinz Tsching ! über die kaiserliche Stadt gesetzt worden ist. — Diese Nach- I richt ist jedenfalls mit Vorsicht auszunehmen und bedarf noch I sehr der Bestätigung. I Weitere Meldungen: * Shanghai, 7. September. (Telegramm.) Die deutschen «Truppen sind mit der Musik des Reiput-RegimentS nach Lewfl I iu die Easerne geleitet worden. I * Berlin, 7. September. Laut telegraphischer Meldung ist > S. M. S. „Schwalbe", Commandant Eorvetten-Capitän Boerner, am 7. September v. Amoy in See gegangen. S. M. S. „Luchs", Commandant Corvetten-Capitän Dähnhardt, ist am 7. September in Hongkong angekommen und beabsichtigt, am 9. September nach Canton in See zu gehen. S. M. S. „Biurta", Commandant Tapitän zur See da Fonseca-Wollheim, ist am 6. September in Santa Lucia angekommen und geht am 8. September wieder in See. (Wiedeholt und ergänzt.) * Calomtza, 7. September. (Telegramm.) General- feldmarschall Graf Waldrrsee ist heute früh hier eingetroffen und verweilt« mehrere Stunden an Land, worauf dir „Sachsen" di« Reis« sortsetzte. (Wiederholt.) BcrpflcgungSschwicrigkeiten. So leicht sich die dem russischen Räumungsvorschlage bei gegebene politische Molivirung widerlegen läßt, so reiflich müssen die militärischen Schwierigkeiten erwogen werden, die sich, freilich nicht unüberwindbar, einem längeren Verweilen der verbündeten Streitkräfte in China entgegen stellen. Da die Friedenöverhandlungen sich muthmaßlich in die Länge ziehen werden, muß allentbalben der Eventualität inS Auge gesehen werden, die internationalen Contingente auch den Winter über in China zu belassen. Es ist klar, daß in diesem Falle die Frage der Verpflegung der Truppen in der Provinz Petschili — mögen sie nun bei Tientsin versammelt oder weiter ins Innere des Landes vertheilt werden — eine hervorragende, geradezu ausschlaggebende Bedeutung gewinnt. Gras Waldersee wird zu Ende September, nach dem Eintreffen der noch auf der Seereise begriffenen deutschen, französischen und italienischen Verstärkungen, in der Provinz Petschili über rund 80 000 Mann verfügen — eine Truppen masse, welche etwa der Stärke von drei modernen Armee corps entspricht. Die Gegend zwischen Taku und Tientsin ist wobl eine der cultivirtesten und reichsten in ganz Cbina; dock ist die Bevölkerung so dicht, daß selbst auf den Land straßen abseits von den Ortschaften ein ununterbrochener, ^ast städtischer Wagen- und Lastenverkebr herrscht. Diese hohe Bevölkcrungszabl vermag die Provinz Petschili trotz ihrer reichen Bodenerträgnisse nicht allein zu ernähren; es müssen viele Naturprodukte theils aus der Provinz Schantung, theils aus Japan bezogen werden. Außerdem ist das Land chon seit Anfang Juli mit fremden Truppen belegt, also wobl schon zum Theile ausgesogen. Von einer Erhaltung der alliirten Armee aus den an Ort und Stelle auffindbaren Vorräthen kann daher keine Rede sein. Die Truppen sind vielmehr hinsichtlich ihrer Verpflegung und Erkaltung voll ständig auf ibre eigenen Mittel — auf den Nachschub — angewiesen. Unter normalen Witterungß- und Transport verhältnissen begegnet die Versorgung dieser Truppenzahl mit Verpflegs-, Munitions- und SanitälSmitteln, sowie der Rück transport der Kranken kaum wesentlichen Schwierigkeiten. Die Truppen erhalten ibre Nachschübe aus der Heimath, und zahlreiche Transportschiffe mit Kriegsmaterial aller Art sind auf dem Wege nach den chinesischen Gewässern. Im Falle des Zusrierens deS Golfes von Petschili aber, das im Laufe des WinterS — wenigstens vorübergehend — zu gewärtigen ist, wird die Communication mit dem offenen Meere unterbunden, und es muß daher bei Zeiten Vorsorge getroffen werden, daß auch in diesem Falle die operative Thätig- keit der Truppen keine Störung erleide. Daraus ergiebt sich die Notbwendigkeit, noch vor Eintritt deS Winters die Gegend von Taku und Tientsin zu einem großen umfassenden Ver pflegs- und Ausrüstumzsdepot für die ganze internationale Truppenmacht umzugestalten und diese improvisirte Opera- tionsbasis durch Anlage fortificatorischer Verstärkungen gegen feindliche Angriffe zu sichern. Ein wesentlich günstiges Moment bildet in dieser Be ziehung die sonst gewiß in keiner Beziehung vortheilhafte Zusammensetzung des in Rede stehenden HeereskörperS aus acht verschiedenen Contingenten. So empfindlich sich diese Vielgestaltigkeit für die einheitliche Führung und Verwendung der Truppen fühlbar macht, hinsichtlich der Ergänzung, An sammlung und Erkaltung der Vorräthe an Kriegsmaterial, bildet sie, wie die „N. Fr. Pr." richtig auöführt, ein wesent lich förderndes Moment. Sie ermöglicht die weitestgehende Decenlralisation des ganzen Nachscbuboerkebres, sie vertheilt die Reservoirs, aus welcher die Erbaltungsmittel geschöpft werden, auf drei Welttbcile, sie ermöglicht eine rationelle Einleitung und sorgfältige Durchführung dieses sonst kaum ausführbaren Werkes. WaS immer bisher für Reibungen und Schwierigkeiten durch diese bunte Zusammensetzung der Operations-Armee entstanden fein mögen, in dieser Beziehung ist sie von un schätzbarer Wichtigkeit, und hier liegt auch der Schlüssel zur Lösung dieses in seiner Art beispiellosen Problems der Uederwinterung in China. Die vorgeschrittene Jahreszeit erheischt jetzt schon Vorkehrungen für die Ueberwinterung; daß man sich in den maßgebenden Kreisen bereits eingehend mit der Erwägung aller einschlägigen Verhältnisse beschäf tigt, beweist eine Depesche des amerikanischen Generals Chaffee, welche die Notl-wendigkeit betont, die Truppen mit Zelten zu versehen. Doch tritt die Frage der Unterkunft weit weniger in den Vordergrund, als jene der Ver- I pflegung. Bereits im Monat November ist der Eisgang > im Golfe von Petschili, somit die oben erörterte Krisis in der Verpflegung zu gewärtigen. Es ist daher die unverzüg liche Einleitung der oben angedeutcten Maßregeln geboten, wenn anders die stete Schlagfertigkeit der internationalen Truppen gewährleistet werden soll. Der Krieg in Südafrika. Tie Einverleibung -er Boercnstaaten ist offenbar nur geschehen, um damit den ungestümen Drängern daheim daS nabe bevorstehende Ende des Krieges vorzugaukeln und dem Oberstcommandirenden selbst einen Schein von Recht bei der neuerdings von ihm angewandten drakonischen Strenge zu geben. Besonders bei der Einver leibung Transvaals tritt der letztere Gedankengang scharf hervor: sie ist erfolgt nach den Kämpfen bei Belfast und Machadodorp und von diesen glaubt man sich berechtigt anzunehmen, daß sie die letzten waren, in denen geschlossene boerische Heerhaufen der englischen Streitmacht entgegen getreten sind. Diese Heerbaufen, so wird argumentirt, sind jetzt zerstreut, damit ist der letzte Widerstand Trans vaals al- Staates gebrochen, und die englische Arme« hat eS nur noch mit einzelnen Banden zu thun, die — nach eng lischer Auffassung — den Franctireur» früherer Kriege gleickzustellen sind. Ganz abgesehen davon, daß eS ein Jrrthum war, die Kämpfe bei Belfast als die letzten eines geschloffenen BoerenbeereS anzusehen, wird, wie die „Köln. Ztg." zutreffend auSsührt, eine derartige Auffassung großen Bedenken begegnen. Denn e- sind doch noch stattliche Com- mando«, die im Westen Tran-vaal- und im Nordosten de« Oranjefreistaates geschlossen kämpfen. Die Belagerer von Ladybrand werden auf 2000 bis 3000 Mann geschätzt, und die Heerbaufen zwischen Pretoria und Mafeking müssen mindestens eben so stark sein. Aber es ist überhaupt unmöglich, die boerischen Kämpfer mit FranctircurS zu vergleichen. Franktireurs kann es nur da geben, wo eS eine regelrechte stehende Armee giebt; sie sind näm lich Kämpfer, die als solche nicht staatlich anerkannt sind und sich selbst bewaffnet haben. Die Boeren aber sind sämmtlich staatlich anerkannt, sie sind „commandirt" und von Staats wegen bewaffnet. Der Umstand, daß sie keine Uniform tragen, kann ihren Charakter regelrechter Vaterlands- vertheidiger nicht in Frage stellen, zumal da der Mangel einer Uniform nicht bezwecken soll, den Kämpfer zu maskiren. Und ebensowenig kann man die mit großem Geschick gehand habte Guerillataktik zu einem Merkmal für franctireurmäßiges Kämpfen der Boeren machen. Alles dieses sind Besonder heiten der boerischen Kampfesweise, die den Engländern von vornherein bekannt waren und mit denen sie von Anfang an als bestehenden Thatsachen rechnen mußten. Es ist nicht die Schuld der Boeren, wenn sich daraus für die Engländer je länger je mehr sehr unangenehme Folgen ergeben. DaS einzige Mittel hiergegen, das vom Standpuncte deS Kriegs- und Völkerrechtes nicht angefochten werden kann, ist, die kämpfenden Schaaren zu vernichten oder gefangen zu nehmen, uud das kann nur wirk sam angewandt werden, wenn eine gründliche Besetzung des Landes stattgefunden hat, die eine strenge Aufsicht bis in die entlegensten Winkel ermöglicht. Hätten die Engländer sich zu dieser Methode entschlossen, so wäre ihnen der Vorwurf er spart geblieben, ehrliche Vaterlandsvertheidizer durch einen Federstrich zu Aufrührern zu stempeln und einen nachträglichen Rechcstitel gesucht zu haben für drakonische, mit der Civilisation schwer vereinbare Maßregeln, wie Ausweisung von Frauen und Kinder, deren Ernährer im Felde stehen, Beschlagnahme von Pferden, Ochsen, Maulthieren und Wagen, Verhaftung aller kampffähigen Einwohner, die den Neutralitätseid verweigern, ohne des Kampfes überführt zu sein, als „Verbrecher", Behandlung und Bestrafung von Patrouillen, die Soldaten abgeschoffen habe», als „Mörder", Einäscherung aller Farmen in einem Umkreise von 16 km, in deren Nähe die Eisenbahn zerstört oder ein Schuß abgegeben wurde, und Bestrafung desjenigen mit Verlust des EigenthumS, Gefängniß oder Tod, der einen Boerenkämpfer beherbergt. Alle diese Maßregeln ind an sich nicht leicht zu vereinigen mit den Grundsätzen reS Kriegs- und Völkerrechts, aber sie werden zu einer chweren Anklage, wenn man sie stützt auf eine fingirte Ein verleibung. Es ist gewiß nicht leicht, in einem Kriege alle Rücksichten der Humanität und der Civilisation walten zu lassen, aber hier würde eine Verletzung des öffentlichen Gewissens vorliegen, die angesichts der Thatsache, daß soeben die Unterzeichnung des Protokolls der Haager Friedens-Con- erenz zum Abschluß gekommen ist, für den Glauben an Eng» lands Aufrichtigkeit wenig vortheilhaft sein könnte. Deutsches Reich. * Berlin, 7. September. (Katholische Erbauungs literatur.) Wie die guten Gesinnungen, die in Bonn auf der CentrumSversammlung gepflegt werden, durch weitere Entwickelung zu Ausgeburten des Aberglaubens und gemein sten Hasses werden, davon liest man ein Beispiel in der „Badischen Landeszeitung": „Auf dem Katholikentage zu Bonn sind schon recht merkwürdige Geistesblüthen ans Licht gefördert worden, so u. A. die groteske Behauptung, der Königsmord in Monza habe die Augen der ganzen Welt auf die unerträgliche Lage des Papstthum S gewendet. Zunächst bat doch wohl die Aufmerksamkeit der Welt dem italie nischen Königshaus und dem nationalen Einheitsstaat gegolten und die Episoden, bei denen der Batican wieder einmal von seinem unbestrittenen Vorrechte so ergiebigen Gebrauch)gemacht bat, sich so gut wie möglich zu blamiren, sind doch nur Beiwerk. ES ist auch nichts Neues, daß ultramontane Blätter ihrem Hasse gegen Protestantismus und Aufklärung wieder einmal die Zügel schießen lassen, um schließlich den Kvnizsmörder auf seine Rechnung zu setzen. Immerhin hätten wir nicht erwartet, in einem katholischen Sonntagsblatt*), welches nicht der Politik, sondern der Erbauung der katho lischen Frömmigkeit dienen soll, folgende Auslassung zu finden: „Mit scheinheiligsten Reden haben die Revolutionäre und Frei maurer, die englischen und deutschen Pastoren u. s. w. declamirt, Italien, das Land der Unordnung und der Briganten, müsse dem Pavst und dem katholischen Glauben entrissen werden, damit es zur Blüthe komme und „Bildung" lerne. Und nun sind seit 30 Jahren die italienischen Freimaurer «Herr im Lande und haben Alles umgewälzt, und Vas Resultat ist, daß Italien heute hundert- und tausendfach verschlechtert, verarmt und verkommen ist in allen Beziehungen gegen damals. Und zugleich ist eS nun daS Brutnest der Königsmörder für ganz Europa geworden. Das ist nicht Zufall; das mußte so kommen. Das ist die Frucht des satanischen Samens, der damals unter dem Segen deS blind-sanatischrn protestantischen Pastoren- thums ausgrstreut wurde. Und daS ist GotteS Antwort gewesen aus die himmelschreienden Greoelthaten an seiner Kirche in Italien . . ." Ist eS nicht eine sehr erwägenSwcrtbe Frage für Staats männer, ob die 50 000 Leser, welche daS „Katholische SonntagSblatt" wohl zählen mag, durch derlei Reden in ihrem Patriotismus sebr gefördert werden? Oder bleibt eS dabei, daß das „Centrum die festeste Stütze im Kampf gegen den Umsturz ist" ? * Berlin, 7. September. (Socraldemokratische „Ketzerei".) Auf dem Parteitag der deutsch-österreichischen Socialdemokratie in Graz hat der deutsche Reichstagsabgeordnete v. Vollmar über die socialdemokratische Agitation bei der Land bevölkerung gesprochen und zum Schluß gesagt: „DieBauern *) „Katholisches SonntagSblatt". Stuttgart, Urbonstraße 94. I 50 000 Leier. Redacteur Kümmel, Ebrenkammerherr des Papstes, »Cbef der sämmtlichen «ltramontan«» B»str,bung»a in Württembrrg.
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