Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010801020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901080102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901080102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-01
- Monat1901-08
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis -di der Hauptexpedttiou oder de« k» Stadt» dejirk «ud de« Bororten errichtete» Aas» gabestelle» «»geholt: Vierteljährlich 4.S0, bei zweimalige, täglicher Zustellung in» Haut ^l ä-SO. Durch die Post bezöge« für Deutschland u. Oesterreich: vierteljühri. ^l S. Man abouutrt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Düuemarl, Schwede» und Norwegen, Rußland, de» Doaaustaaten, der Europäische« Türket, Egypten. Für alle übrigen Staaten Ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Di« Moraen-LuSgabe erscheint um V.7 Uhr^ di« Abeuv-Au-gabe Wochentag» um b Uhr, Lrdartiou und LrveLMo«: Johaunt-gaffe 8. Filiale«: Alfred «ahn wrm. O. Klemm'» Gorki». UntverMtöstratze S (Paultuum), Louis Lischt, Katharinenstr. -art. und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Migrr Tageblatt Anzeiger. Ämtsölatt des Llönigttchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Vatizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. M. Donnerstag den l. August 1901. Anzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Neelam«» «»ter dem Redaction»strich <4 gespalten) 7S vor den Famtltennach- richte» (6 gespalten) öS Tabellarischer und Ztffernfatz entsprechend höher. — Gebühr« für Nachweisunge« und Offertrnaunohuw LS (excl. Porto). Lrtra-Beilagen (gefalzt), »«, mit der Morgen-Ausgabe, oha« Postbeförderung ^4 «0.—, mit Postbesörderiulg 70.—» Änuahmeschluß sLr Anzeige«: Sbend-Lu-gab«: Borwittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeige» find stet» a« di» Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz t» Leipzig. SS. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Tie Disciplin tu der englisch-südafrikanischen Armee. AuS Pretoria, 4. Juli, schreibt man uns: Von den oberen Heerführern bis zum gemeinen Soldaten herab begegnet man Ansichten über militärische Disciplin, Pflichttreue u. s. w., welche für deutsche Begriffe geradezu kraß sind. So z. B. ging vor längerer Zeit General Pole-Carew nach Europa. Er hat sich inzwischen verheirathet, hat den üblichen Ehrensäbel, Orden u. s. w. in Empfang genommen und läßt den Krieg — Krieg und Dewet einen guten Mann sein. Ein englischer Oberst äußerte sich hierüber Ihrem Bericht erstatter gegenüber wie folgt: „Es ist recht bedauerlich, daß Pole-Carew nicht mehr in Südafrika bleiben wollte, er ist einer der besten Führer und eS wurde Alles versucht, ihn zu halten, aber waS war zu thun, der Mann hat ein jährliches Einkommen von 1O O0O Pfund." Es erschien dem Oberst ganz einleuchtend, daß der Besitzer eines so „kostbaren" Lebens es nicht mehr aufs Spiel setzen wollte. Auf seine Enk- schließungen scheinen die Wünsche oder Befehle seiner Bor gesetzten nicht den mindesten Einfluß gehabt zu haben; übrigens scheint er seinen Abschied keineswegs genommen zu haben, wo durch seine Abreise noch unerklärlicher wird. Von dem ebenfalls von der Bildfläche verschwundenen Baden-Powell muß festbestellt werden, daß er ein be deutendes Talent zum Schauspieler besitzt und daß der Beifall der Menge ihm Bediirfmß ist. ES ist ohne Zweifel schon früher bekannt geworden, daß er, als er in Johannesburg beim Eintritt in einen Concertsaal von wüthendem Beifall begrüßt wurde, ohne Weiteres auf die Bühne kletterte und ein komischer Lied mit markirter Harfenbegleitung (auf seinem Spazierstock) zum Besten gab. Folgende hier cursirende Anekdote mag be weisen, wie über ihn hier geurtheilt wird: Zur Zeit, als Baden- Powell noch hier war, kam eine Uitlanderin zum Comptoir des hiesigen MilttärgouverneurS, General Maxwell, und suchte um persönliches Gehör nach; als ihr dies in Folge ihrer Aus dauer endlich gewährt wurde, bat sie General Maxwell um Erlaubniß, ihren vor Kurzem geborenen Sohn nach ihm zu nennen. Maxwell erwiderte: „Ach bitte, thun Sie dies lieber nicht, aber wenden Sie sich nur an General Baden-Powell, er hat sein Comptoir nur ein paar Thüren weiter, der wird eS sich zur ganz besonderen Ehre anrechnen!" Sind schon die höheren Officiere etwas „merkwürdig", so ist es kein Wunder, daß bei den Subaltern-Officieren Verhält- nisse bestehen, welche für einen Nicht-Engländer rein unbegreif liche sind. Immer wieder hört man, daß Lord Kitchener per sönlich dieses oder jenes Hotel visitirte und den dort herum bummelnden Officieren die Wahl ließ, entweder sofort zu ihren Regimentern zurllckzukehren oder nach England zurück gesandt zu werden! Es wäre interessant, zu wissen, ob solche Officiere sich in den Städten ohne Borwissen ihrer Regi mentskommandeure herumtreiben, oder ob die Letzteren solchen Mangel an Ordnung dulden. Es wird sogar versichert, daß die Hotels verpflichtet sind, der Polizei täglich eine Liste der anwesenden Officiere einzureichen; die Officiere, welche ihren Aufenthalt über zwei Tage ausdehnen, werden dann höflich ersucht, zu ihrer Truppe zurückzukehren oder einen triftigen Grund für ihr ferneres Verweilen anzugebrn. Es ist bezeich nend, daß die den Officieren gestellte Alternative stets nur die Zurücksendung nach England ist; andere Strafen für Dienst- versäumniß im Kriege scheint man für sie nicht zu kennen. Der einzige Officier, der — von seinen schlechten Eigen schaften sei hier abgesehen — etwas auch nach deutschen Be griffen „Soldatenmäßiges" hat, ist Lord Kitchener. DaS Gepränge, welche» Lord Roberts so sehr liebte, ist ihm verhaßt; während Roberts hier fast immer umgeben von einer glänzenden Suite erschien, sieht man Kitchener stets nur begleitet von einer Ordonnanz ausreiten. — Die Proclamation der Thronbesteigung König Eduard'S VII. hätte bei Roberts sicher die Veranlassung einer großen Feier, Parade u. s. w. abgegeben; Kitchener machte die ganze Sache in 5 Minuten av. Eine weitere Eigenschaft von Lord Kitchener ist, daß er bei seinen Officieren auf einfachen, vorschriftsmäßigen Anzug hält; alle Modethorheiten sind ihm in der Seele zuwider, und manche bittere Bemerkung wird den Officieren zu Theil, welche in dieser Hinsicht sein Mißfallen erregen. Eine besondere Ab neigung hat er gegen MonocleS; vor einigen Monaten hielt er einen Officier auf der Straße an und fragte ihn, ob er das Monocle zum Sehen benöthige. „Gewiß, Mylord", antwortete dieser, woraus Kitchener erwiderte: „Officiere mit schlechten Augen kann ich in der Armee nicht gebrauchen. Melden Sie sich noch heute bei meinem StabSofficier zur Entgegennahme Ihres Reisepasses nach England!" Zum Schluß noch ein Wort über daS äußere Betragen der berühmten „Freiwilligen". Es macht aus jeden Deutschen immer wieder einen absonderlichen Eindruck, wenn er sieht, wie eS niemals einem dieser Helden einfällt, einen ihm auf der Straße begegnenden Officier zu grüßen; danach kann man die Disciplin dieser Leute bemessen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. August. Dem gestern in Berlin nach schwerer Krankheit ver- storbenen preußischen Staatsminister vr. Bosse widmen die Blätter aller Parteien (die Socialdemokratie zählt in solchen Fällen nicht mit) ehrenvolle Nachrufe, bei denen eS freilich auch an Kritik nicht fehlt und naturgemäß auch nickt fehlen kann, da vr. Bosse auch noch als CultuSminister über seine konservative und kirchlich strenggläubige Gesinnung in Worten und Tbaten keine Zweifel aufkommen ließ. Um so schwerer wird eS ihn daher getroffen haben, gerade seinen politischen Freunden die verfrühte Beendigung seiner Minister laufbahn zuschreiben zu müssen, denn eS unterliegt keinem Zweifel, daß er über die Beamtenmaßregelungen wegen der Canalopposition gestürzt ist. vr. Bosse war an der Sache insofern betheiligt, al» er die Entlassung des konservativen Landtagsabgeordneten vr. Jrmer au» seiner Stellung als Hilfsarbeiter im CultuSministerium verfügte. Ein getreues Bild seiner Person und seiner Thätigkeit er- giebt sich erst au» einer Nebeneinanderstellnng der ver schiedenen Parteibeurthrilungen des Tobten. Wir lassen hier eine Reihe von charakteristischen Nachrichten folgen. Die „Nat.-Ztg." schreibt: vr. Bosse war konservativ und kirchlich strenggläubig, aber kein eigentlicher Reaktionär. In seiner wechstlvollen Thätigkeit hatte er sich al« sehr begabter und geschickter Beamter erwiesen. Den Aufgaben des ungeheuer ausgedehnten Ressort», das ihm zum Schluß seiner Laufbahn zufiel, war er indessen nicht voll gewachsen, doch hat er sich im Einzelnen auch in dieser Stellung manche anerkennenSwerthen Verdienste erworben. Die Lehrer und Geistlichen «langten unter seiner Amtsführung eine beträchtliche Ausbesserung ihrer Etel- lung, di« Mittel für da» höhere Unterrichtswesen wurden Vermehrt, die Gründung einer neuen technischen Hochschule in Danzig in Angriff genommen. Di« Schwankungen und uner freulichen Zugeständnisse gegenüber dem Klerikalismus und dem Polenthum sollen heute nicht noch einmal der Kritik unterzogen werden. Daß es ihm trotz aller entgegeustehenden Hindernisse ge- lang, dir Neuregelung der Lehrerbesoldung unter Umgehung eine allgemeinen Schulgesetze» nach klerikal-reaktionären Wünschen durch zusetzen, muß ihm Angesicht» der bestehenden Verhältnisse al- hohe- Verdienst angerechnet werden. Auch der Arbeit, die er vor ter Be rufung auf den Ministerposten füb da- ReichSversicherung-wesen und in anderen Zweigen geleistet hat, ist anerkennend zu gedenken. Die „Kreuzztg." trägt ihm seine Theilnahme an den Maßreglungen nicht nach, sondern schreibt: Nun ist der ehemalige Staat-minister und treue Arbeiter, der bei Lebzeiten so häufig mit beredtem Munde für da öffentlich« Wohl, für dir Staatsinteressen eingetreten, ein stiller Monn geworden. An der Bahre Les theuren Manne- Haben wir nur Worte dankbarer Erinnerung für sein stet- au- bestem, edelstem Herzen gekommene- Wirken und Streben. Vor Allem wird er für uns fortleben als ein Mann wahrhaft christlicher Gesinnung, wie im Privatleben so auch während der Führung seine» Amtes. Und da- wird um so mehr der Fall sein, al- v. vr. Bosse stet- rin besonder» treuer Freund, ja Mit- arbeitrr unsere- Blattes war. Die „Post" erinnert in ihrem Nachweise dagegen an die Mitwirkung Bosse'» bei den Maßregelungen und übt auch sonst Kritik an seiner Thätigkeit. Auch die in dem Gesetzentwurf, betreffend die Dienststellung der Kreisärzte vorgesehene Bestimmung, daß die Kreisärzte den preu ßischen Doctortitel führen müssen, sowie der bekannte später ab geänderte ZüchtigungS-Erlaß, welcher daS Züchtigungsrecht der Lehrer allzusehr einengte, wurden in der Presse vielfach angefochten. Mit dem Rücktritt des Ministers stehen aber alle diese Dinge in keinem Zusammenhang (?), derselbe war vielmehr durch die ganze politische Lage, welche neue Männer mit unverbrauchter Kraft erforderte, gegeben. DaS große Hauptverdienst, welches sich vr. Bosse während seiner Ministerthätigkeit erworben, liegt auf dem Gebiete der materiellen Besserstellung der Lehrer und Geistlichen. Insbesondere die evangelische Kirche, welche unter seinem Ministerium eine ihren Wünschen entsprechende Revision ihres Verhältnisses zum Staate erfahren hat, hat ihn mit Bedauern aus seinem Amte scheiden gesehen. Bon unserem Standpunkt au- mußten wir dagegen öfter die allzugroße Nach giebigkeit, welche Minister Bosse den Machtansprüchen der katholischen Kirche auf dem Gebiete der Schule gegenüber bewies, bekämpfen. Um so freudiger konnten wir ihm In den Fällen Singer und AronS unseren Beifall zollen, in denen der Minister durch sein scharfes Vorgehen bewies, daß er Schule und Universität von den verderblichen Einflüssen der Vertreter staats feindlicher Lehren freizuhalten gewillt war. Die „Tgl. Rdsch." schreibt: Der Posten eines preußischen CultuSminister- ist ein so schwieriger und undankbarer, daß die Beurtheilung einer solchen Thätigkeit kaum von den Gesichtspunkten der Parteiinteressen loSzulösen ist. Herrn vr. Bosse, dem trotz seine- ausgesprochen konservativen Grund zug» es nicht vergönnt war, seiner Amtsführung ein bestimmte- Gepräge zu geben, ist diese Erfahrung gleichfalls nicht erspart ge blieben, doch hat er bei Freund und Feind den Ruhm genossen, daß seiner wohlwollenden und pflichttreuen Amtsführung stets Ver trauen entgegengebracht wurde uud daß er sich persönlich der Hoch- schätzung aller Parteien erfreute. Die „Berl. N. Nachr." urtheileu: Der Verblichene war «in Mann, der in jeder seiner Stellungen mit ernstestem Eifer und großem Wohlwollen sich der Erfüllung seiner Aufgaben unterzog, zugleich auch mit offenem Blick für viele Mängel und Schwierigkeiten unserer Zeit. Die Liebenswürdig- keit seines Wesen» ist auch weiteren Kreisen Berlin», z. B. bei der Karl Frenzel-Feier bekannt geworden, bet der er seiner Werth schätzung de« deutschen Schriftthum» formvollendeten Ausdruck gab. Ebenso bekannt ist, daß er zuerst, noch al- Direktor im RetchSamt, sich öffentlich über die ungenügende Vorbereitung de» juristischen Nachwuchses und die unzureichende Art de- juristischen Studiums äußerte. Sein Andenken bleibt in Ehren. Neber seine Thätigkeit als StaatSsekretär des Reichs justiz amt» erklärt sich die „Voss. Ztg." folgendermaßen: Ein ernster, hingehender Arbeiter ist Bosse gewesen, im „kleinen Dienst" erfahren, in allen Stellungen, die er bekleidet, zurrst iu der hannoverschen Provinzialvrrwaltung, dann al- Vortragender Rath im Ministerium, später al- Direktor und Unterstaatsjrkretär im Reichs amt de- Innern. Stet- war er über jede zur Verhandlung kommende Frage wohl unterrichtet, stet- streng sachlich. Sein« Begabung ver sagte auch dann noch nicht, al- er zu einer Aufgabe berufen wurde, die mit der Vorbildung, di« er erhalten hatte, nicht recht im Einklang stand. Er, der für den Verwaltungsdienst geprüfte Beamte, wurde an die Spitz« de» Reichsjustizamte» gestellt und mit der Aufgabe betraut, für di« weiter« Behandlung des Entwurf- zum Bürgerlichen G«s«tzbuch zu sorgen, da- au- der ersten Commission in einer unannehmbaren Form hervorgegangen war. Tie Verdienste, die er sich hier erworben hat, waren groß; er war unermüdlich, die Sprache des Entwurfs den Anforderungen der täglichen Leben- anzunähern, allzu schroffe Bestimmungen auSzumerzen und die Forderungen juristischer Folgerichtigkeit mit denen de» RechtSgefühl» zu ver söhnen. ES war für da- Bürgerliche Gesetzbuch «in Glück, daß neben den wissenschaftlich gebildeten Juristen auch der erfahrene BerwaltungSbcamte zum Worte kam. Unter den Männern, denen da- große Werk seinen Erfolg zu verdanken hat, ist Bossa«»-»—- zweiten Stelle zu nennen; die erst« Stell« bleibt dem Geheimen Rath Planck Vorbehalten. Aus dem Nachruf der „Köln. Ztg." sind folgende Stellen besonders hervorzuheben: Er hatte ein außerordentlich stark entwickelte» nationale» Empfinden, da» er namentlich in der polnischen Frage be- thätigte. Man muß es dankbar anerkennen, daß er kein Ver- sländniß für die DersöhnungSpläue hatte, mit denen sich Miquel eine Zeit lang den Polen gegenüber trug, vielmehr den Poloni- sirung-bestrebungen gegenüber eine ruhige und feste Hand zeigte. Wiederholt hat Bosse den polnischen Vertretern im Abgeordneten. Hause gegenüber den deutschen Standpunkt stark und entschieden ver treten und sich durch keine Angriffe und Schreiereien in der einmal sür richtig erkannten Politik beirren lassen. Wenn der Lehrerstond in Posen eine der zuverlässigsten Stützen des Deutschthum» geworden und geblieben ist, so soll daS Verdienst, da» Bosse sich hieran er- worbe» hat, unvergessen bleiben. . . vr. Bosse ist manchen scharfen Parlriangriffen auSgesetzt gewesen, aber er hinterläßt keinen Feind; ,, Am Geld. Roman von F. Ilex. NaSdnick verboten. Doch so leicht ließ sich der Andere nicht von fernem Vorhaben abbringen. „DaS thut nichts", sagt« ev, „di« paar Schritt« mehr ver schlagen nicht»; außerdem ist ja nur Vormittags Dienst, so daß der Weg höchstens zweimal täglich zu mach«n ist. Da» Haus gefällt Mir." Steinbergk stand wi« auf Kohl«». „U«brig«nS ist auch kern« Burschenstube dabei", platzte er plötz lich unbedachtsam heraus. Sodhen, der sich schon nach Ixr Eingangsthür gewandt, drehte sich nach ihm um und sah ihm voll ins Gesicht. „Also Du hast Dir die Wohnung schon angesehen, und daher Dein auffälliges Abreden! Höre mal, alt«r Sohn, di« Sache scheint mir doch etwas brenzlich! Sieh mir einer den Duckmäuser an! Doch ich will Dir nicht ins Gehege kommen und Verzicht« daher aus freien Stücken auf die Wohnung mit oder ohne Burschenstube, doch mußt Du es mir nicht verübeln, wenn ich mir manchmal daS Haus von außen ansehe. Diskretion — Ehrensache!" So unangenehm für Paul diese letztere Aussicht auch war, freilich auS ganz anderen Gründen, wie Sodhen vermuthete, so macht« er doch gute Miene zum bösen Spiel und ließ den leicht lebigen Freund bei seiner Ansicht, kam e» ihm doch vor allen Dingen darauf an, den vorwitzigen Besucher vom Betreten de» Hause» abzuhalten. Er ließ daher die Welle gutmüthiger Neckerei und scherzhaften Ausfragen» mit der Miene eines kleinen Don Juan» über sich ergehen, nur darauf bedacht, den Schwatz haften aus der gefährlichen Nähe drS Hauses, wi« der Straß« fortzubringen. Nachdem ihm die» geglückt, war es nicht schwer, die Vorzüge der Scharnhorsistraße in die richtige Beleuchtung zu setzen, so daß er in Kurzem den vom Hundertsten ins Tausendste kommenden Freund vermocht hatte, eine Wohnung gerade der Turnanstalt gegenüber zu miethen. Nach diesem schwierigen Geschäft rief Sodhen ein« Droscht« an, wollt« jedoch, als Steinbergk, den es nach Hause trieb, sich zu verabschieden g«dachte, nichts davon wissen, und nöthigte d«n Freund geradezu mit Gewalt in den Wag«n. „Ich lasse Dich jetzt nicht los", sagte «r zu dem Wider strebend«», „Dein« Eltern wohnen doch wahrscheinlich im Westen und werden Dich nicht so rasch erwarten. Im Uebrigen thust Du mir durch Dein Mitkommen einen ganz besonderen Gefall««, den ich Dir hoch anrechnen werde." Ohne sich hierüber jedoch Ke» Näheren «uszulassen, hatte er neben Steinbergk Platz genommen, nachdem er dem Kutscher ein« Adresse mehr im Centrum der Stadt angegeben hatte. Nach verhältnißmäßig kurzer Fahrt hielt der Wagen vor einem Haus« der Oramenburgerstraß«, in dessen Parterreräumen sich ein Tuchladen befand. Sodhen, der rasch herauSg«sprung«n war, forderte Steinbergk auf, mitzukomm«», „da er hier etwas zu thun habe, wa» ihn möglicher Weise länger in Anspruch nehmen könne." Letzterer folgte arglos dem Freunde und befand sich unmittelbar darauf im Innern des Laden», wv sie ein vereinzelter Commis, nach schnellem, forschendem Blick, mit tiefer Verbeugung begrüßte. Auf di« kurz« Anfrage Sodhen'»: „ob Herr Seligmann zu Haus«", wurden beide junge Herren in ein Hint«rzimmer gewiesen, wo sie ein älterer, graubärtiger Mann in halb unterwürfiger, halb zudringlich - vertraulicher Weise empfing. An dem in der Mitt« de» Zimmers befindlichen Doppelpult, dessen eine Seite Herr S«lignvann senior — denn er war es, der soeben die beiden Offiziere begrüßt« — inne gehabt hatte, befand sich noch «ine zweit« Persönlichkeit, di« so ziemlich den Gegensatz zu dem ält«ren, beweglichen Herrn bildete. Während Seligmann son. mit den klugen, etwa» verschmitzt überall herumstreifenden Aeuglein in dem faltigen Antlitz, in seinem äußeren Menschen etwa- vernachlässigt, den früheren Hausirer nicht zu verleugnen vermochte, war Seligmann jun. groß, breitschultrig, mit regelmäßigen, hübsch zu nennenden Zügen. Anzug, Bart und Haarschnitt deuteten auf die aller letzte Mode in so übertriebener Weise, daß man eine fleisch gewordene Abbildung au» den „Fliegenden Blättern" oder dem „Journal amüsant" vor sich zu haben glaubte. „Mein Sohn Richard", stellte Seligmann oeu. mit einer Handbewegung nach dem jungen Dandy seinen Sohn vor. Während Sodhen nur ein sehr kühle» Kopfnicken ungefähr nach der Richtung hin hatte, wo sich Seligmann jun. befand, grüßte Steinbergk, in der Gewohnheit guter Formen, wenn auch fremd, so doch höflich, ärgerte sich aber im Stillen un mittelbar darauf über sich selbst, als er den blastrten Gegen gruß bemerkte, mit dem Seligmann jun. die Kunden seine» Baker» beehrte. „Nun, Herr Baron", ergriff der Aeltere da» Wort, „womit kann ich dienen" und — mit einem raschen Blick auf Stein berg! —, „waS ist den Herren gefällig?" Sodhen stellte flüchtig „Herr Leutnant v. Steinbergk" vor und sagte dann in gemüthlichem Ton, indem er dem sich tief vor Steinbergk verneigenden Händler vertraulich auf die Schulter klopft«: „Geld möchte ich, mein verehrter Seligmann. Ich bin hier acht Tage auf Urlaub, komme zum I. Oktober wieder hierher auf Central-Turnanstalt und möchte mir von Ihnen einigen Mammon gegen die üblichen ProceNte holen. Machen Sie eS gnädig, Verehrtester, und denken Sie daran, daß ich Ihnen daS letzte Mal das Geld schon nach vier Wochen zurück gezahlt habe." „Gewiß, Herr Baron, gewiß! Ich weiß ja, daß der Herr Baron ein pünktlicher Zahler sind und werde Alles so billig wie möglichst berechnen. Wie viel brauchen der Herr Baron?" „Na, so an dreihundert Mark. Da ich doch auf dem Wege zu meinem Alten bin, so wird diese Summe bis dahin reichen. Ich brauche aber rund hundert Thaler, und Ihre Zinsen schlagen Sie nur gleich darauf, statt sie abzuziehen, ich kann dann auch besser berechnen, mit wie viel Procenten Sie mich hineinleaen." „Also dreihundert Mark baar, wie gewöhnlich auf sechs Monate? Da werden wir schreiben, weil Sie es sind, Herr Baron, dreihundertfünfzig Mark." „Nein, mein Verehrtester, so viel Rechnen habe ich, Dank meiner Verbindung mit Ihnen, auch gelernt, das wären ja gerade dreiunddreißigeindrntel Procent aufs Jahr! Das ist mir doch zu viel! Mehr als fünfundzwanzig Procent gebe ich nicht. Ich müßte mich ja vor meinem Vater schämen, wenn er erfährt, daß ich nicht mehr Credit genieße." „Papa" — mischte sich plötzlich die geziert näselnde Stimme Richard Seligmann'S dazwischen — „Du weißt doch, daß ich es nicht liebe, wenn Du solche Geschäfte machst; die Herren finden gewiß einen jüdischen Geldverleiher, wo sie da- Geld so billig haben können, wie sie glauben." „Gott, der Gerechte" — rief der Alte — „wirst Du stille sein, und mir nicht verderben das Geschäft mit einem alten Kunden, wie eS ist der Herr Baron! Hören Sie nicht auf ihn, Herr Baron, seit er ist getauft und hat übernommen die Firma, ist er hochmüthig geworden und verachtet seine Eltern — aber noch habe ich was zu sagen im Geschäft!" Die beiden Freunde glaubten ihren Ohren nicht zu trauen, als sic hier in dieser Umgebung, au» diesem Munde, das Wort „jüdisch" mit einer so anS Verächtliche streifenden Betonung aussprechen hörten, die jedem extremsten Gegner Ehre gemacht haben würde. Ein halb unwillig fragender, nach der Thür weisender Blick Steinbergk'» wurde von Sodhen mit einem leichten Kopf schütteln, begleitet von einem humorvollen Lächeln, erwidert. Indem sich Letzterer wieder zu Seligmann seii. wandte, sagte er gemüthlich, ohne von dem schönen Richard weiter Notiz zu nehmen: „Na, ich denke, Herr Seligmann, wir haben schon so manches Geschäft mit einander gemacht und werden uns daher auch über dieses einigen!" „Gewiß, gewiß, Herr Baron" — beeilte sich der so An geredete zu entgegnen — „aber daS Geld ist theuer; Reichs - bank-DiSconto ist heute 6^ notirt, und unter dreihundertund vierzig Mark kann ich nicht abschließen! Der andere Herr Baron übernimmt wohl die Bürgschaft?" Ehe Steinbergk, dem dieser Vorschlag so überraschend wie möglich kam, etwas erwidern konnte, hatte ihn Sodhen am Arme gefaßt und in eine Ecke des Zimmers gezogen, wo er den sich Sträubenden aufs Eindringlichste von der völligen Be deutungslosigkeit dieses reinen Formalactes zu überzeugen suchte. Wollte Steinbergk seinen Freund nicht bloßstellen, so mußte er dem Drängen desselben nachgeben, allerdings nur mit den widerstrebendsten Gefühlen. Denn, wie sollte er, den selbst der Schuh an allen Ecken und Enden drückte, auch noch für diese Summe aufkommen können? Andererseits wußte er, daß Sohden nicht nur einen wohlhabenden, sondern — dem einzigen Sohne gegenüber — auch schwachen Vater besaß, und daß Sohden, bei allem Leichtsinn, doch ein Mensch war, auf dessen Versprechet man sich verlassen konnte. Nachdem der über dreihundertundvierzig Mark lautende Schein von Sodhen als Schuldner, von Steinbergk als Bürge unterzeichnet worden war, und Ersterer den Versuch des alten Seligmann, ausländisches, minderwerthiges Pawergeld zum Nennwerthc mit an Zahlungsstatt zu geben, lachend zurück gewiesen hatte, verließen Bnde das Comptoir, von dem tief dienernden Scligmann son. bis zur Ladenthür begleitet. Als sie glücklich draußen waren und die wartende Droschke wieder bestiegen hatten, versuchte Steinbergk den Freund zur Rede zu stellen, daß er ihn in diese Gesellschaft geführt und schließlich zur Uebernahme der Bürgschaft geradezu gezwungen habe. Doch da kam er bei dem durch den Besitz des baaren Geldes in die denkbar beste Laune versetzten Leichtfuß schön an. „Nur keine Moralpredigten, alter Sohn", war die Antwort auf Paul's Vorstellungen, „die überlasse meinem Vater oder meinem Oberst! Wegen der Bürgschaft kannst Du ganz ruhig sein; mein Alter knurrt zwar erst etwas, dann bezahlt er aber, und wenn ich Dir mein Ehrenwort gebe, daß Du nie und nimmer wegen dieser Unterschrift in Verlegenheit kommen sollst, so wird Dir da» hoffentlich genug sein und Dich be-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite