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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010823024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-23
- Monat1901-08
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Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reclameu unter demRrdacttouSstrich («gespalten) 75 ^>, vor deu Familienoach» richten (6 gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung ^ll 60—, mit Postbesörderung ^l 70.—» Ännahmeschtuß Hir Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestelle» je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition za richten. Die Expedition ist Wochentag ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Druck uud Verlag von L. Polz tu Leipzig 429. Freitag den 23. August 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Man schreibt uns aus London unter dem 22. August: „Während das britische Thronfolgerpaar, der Herzog und dir Herzogin von Cornwall und Aork, sich in Capstadt huldigen lassen und bei dieser Gelegenheit die Häuptlinge verschiedener großer Kaffernstämme empfangen, um von diesen Ergebenheits adressen und Geschenke in Empfang zu nehmen, steigt besonders an den östlichen Grenzen des Kriegsschauplatzes eine drohende Wolke auf, die an Ausdehnung rapide zunimmt und vielleicht die ganze Zukunft Südafrikas in weitgehender Weise beein flussen wird. Dies ist die immer weiter um sich greifende kriegerische Bewegung unter verschiedenen der mäch tigsten und -gefährlichsten eingeborenen Stämme, und zwar ganz besonders unter den Swazis, die bekanntlich schon wiederholt auf Anstiften britischer Behörden und englischer Officiere an der Grenze des Transvaals in kriegerischer Eigenschaft aufgetreten sind und bei der Plünderung von Bocrenfarmen, dem Wegtreiben von Vieh und Pferden und sogar bei der gewaltsamen Entfernung von Frauen von deren Heimstätten Verwendung gefunden haben. Neuerdings haben bewaffnete Swazis wieder eine gefährliche Rolle gespielt, als die Boeren die Stadt Bremersdorp angriffen und einnahmen und die englische Garnison zu schleuniger Flucht zwangen, wo bei bewaffnete Eingeborene verschiedentlich in größeren Schaaren auftauchten, als die Boeren in der Verfolgung der Engländer begriffen waren, so daß die Burghers sich gleichzeitig gegen die kriegerischen Schwarzen wenden mußten. Daß es nicht bei dieser Gelegenheit bereits zu einem größeren Kampfe zwischen Boeren und Swazis gekommen ist, kann wohl nur auf vas energische Auftreten der ersteren und auf die damalige Nieder lage der Engländer zurllckgeführt werden, und wenn auch dieses Mal die Schwarzen vor einem regulären Betreten des, Kriegspsodes noch zurllckschreckten, so kann doch jeden Tag der Moment eintreten, wo weder die Büchsen der Boeren, noch das officielle Abwinken der Engländer Einfluß und Macht genug haben werden, um einen großen Raffenkrieg zwischen Schwarzen und Weißen fernerhin zu ver meiden. Die Swazis sind geschworene Todfeinde der Boeren und warten natürlich mit Schmerzen und mit Ungeduld auf eine paffende Gelegenheit, um auf eigen« Faust einen blutigen Krieg gegen die verhaßten „Dutchmen" in'Scene zu setzen und mit aller ihnen verfügbaren Grausamkeit durchzuführen. Dabei wissen die Engländer ganz genau und können niemals das wichtige Factum außer Acht lassen, daß trotz der Feindschaft zwischen Boeren und Swazis die Letzteren gar nicht daran denken, etwa als Bundesgenossen oder Handlanger der Briten gegen die Boeren zu Felde zu ziehen und sie mit sammt ihren Frauen und Kindern, wo sie deren nur habhaft werden können, abzuschlachten und ihre Farmen niederzubrennen und zu verwüsten. Die kriegerischen schwarzen Teufel denken auch schließlich nur an ibren eigenen Vortheil und an ihre eigenen blutigen Pläne und sie werden sich, wenn cs sein muß, gerade so wie schon früher mit ebenso großer Wuth und Kriegslust gegen die Engländer wenden, falls es diesen im gegebenen Falle vielleicht zu spät einfallen sollte, den raubenden und mordenden Einge borenen mit Waffengewalt entgegenzutreten. Dann wird Eng land ganz und gar nicht mehr im Stande sein, den einmal ins Rollen gebrachten Stein aufzuhalten und die drohende „schwarzcGefahr"fllr einen Theil seiner südafrikanischen Besitzungen abzuwenden, wie dies früher schon verschiedentlich mit Hilfe der Boeren geschehen ist. In verschiedenen privaten Meldungen vom Kriegsschauplätze sowie in einem Theile der liberalen englischen Presse ist wiederholt auf dieses drohende Verhängniß hingewiesen und rechtzeitige energische Abwehr angerathen worden, bisher aberlciderganzver gebens. Die britischen Behörden und Truppen beschäftigen Taustnde von bewaffneten und unbewaffneten Eingeborenen in ihren Diensten, und zwar längst nicht immer nur in der Eigen schaft als harmlose Viehtreiber und Kulis, und der Entschluß des Boerengenerals Kruitzinger, alle gefangenen Schwarzen, die den Engländern Kriegsdienste leisten, zu erschießen, ist unter sol chen drohenden Umständen nicht nur vollständig gerechtfertigt, sondern sogar im Interesse der gesummten weißen Bevölkerung Südafrikas, sei sie boerisch oder britisch, unbedingt als nach- * London, 22. August. Wie amtlich gemeldet wird, sind am 16. August 952 gefangene Boeren von Capstadt nach Bermuda abgeganger^ * Pretoria, 22. August. Ein in der Capcolonie geborener Mann Namens Upton ist gestern als Spion erschossen worden. Upton und drei andere zu einem Boerencommando Gehörige hatten sich ergeben, versuchten dann aber, die eng lischen Linien zu passiren. Die drei Kameraden Upton's wurden als Kriegsgefangene zurückbehalten. (Reuter's Bureau.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. August. Wenn auch die Führer des Bundes der Landwirthe im Zweifel darüber gewesen sein mögen, daß sie in dem tobenden ZoUbürgcrkricgc der Zustimmung zu den extremen bündlerischen Forderungen sicher seien, so haben sie doch zweifellos gemeint, im conservativcn Lager wenigstens keinen Gegnern der bekannten Beschlüsse des Ausschusses des deutschen Land- wirthschaftsraths begegnen zu müssen. Offene konser vative Gegner dieser Beschlüsse treten auch noch nicht auf; einer Auslassung der „ K r e u z z e i t u n g " können aber die Bündle: entnehmen, daß man sich im conservativcn Lager die Stellung nahme zu jenen Beschlüssen noch vorbehält. Dä» führende kon servative Blatt beschäftigt sich nämlich mit der Kritik, die von freisinniger Seite an ven Beschlüssen des Ausschusses dc» deut schen Lattdwirthschaftsraths geübt worden ist. Obwohl daS con- servätive Hauptorgan diese Forderungen „keinesfalls exorbitant" nennt, legt cs sich doch keineswegs auf die Forderungen fest. Vielmehr schreibt die „Kreuzztg." gegenüber der „Freis. Ztg.", die von einer Fcstnagelung der conservativcn Parteien auf die Beschlüsse des Ausschusses gesprochen hatte: „Wir möchten der „Freis. Ztg." doch rathen, den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten und sich nicht allzu früh in S Pe ru l a t i o n e n einzulaffen, die sich späterhin als leichtfertig erweisen könnten." Das ist auch eine Kritik der Beschlüsse des Landwirthschafts- raths-Ausschuffes, und zwar eine bemerkenswerthe, die den Bünd- lern recht unangenehm in ven Obren klingen wird. Was das Cent rum betrifft, so warnt sein Hauptorgan, die „Köln. Volksztg.", seiner bisherigen maßvollen und wohlüberlegten Hal tung in wirthschaftlichen Dingen entsprechend, auch neuerdings wieder davor, der Agitation gegen Zollerhöhungen ohne Noth neue Nahrung zuzuführen, bezeichnet die Beschlüsse der Ausschüsse sowohl des Bundes der Landwirthe, als auch des Landwirth- schaftsraths als derartige unnöthige Nahrung und hält fest an der Ansicht, daß man der Landwirthschaft mit der Erweckung un erfüllbarer Hoffnungen durch aussichtslose Forderungen keinen Dienst erweist und daß derartige Forderungen die Verständigung unter den Zollfreunden gefährden. Da aber aussichtslose For derungen nicht nur vom Bunde der Landwirthe und dem Aus schüsse des deutschen Landwirthschaftsraths, sondern gerade gegenwärtig besonders nachdrücklich auch innerhalb der Cen trumspartei selbst erhoben werden, so hat die „Köln. Volksztg." allen Grund, den Extremen im eigenen Lager entgegenzutreten. In derselben Nummer, in welcher das rheinische Centrumsorgan den deutschen Landwirthschaftsrath und den Bund der Land wirthe kritisirt, wird die am 19. August zu Regensburg von den Vertretern der christlichen Bauernvereiue Bayerns beschlossene Resolution zum Zolltarifentwurf wiedergegcben, die an der Forderung eines 6-^ - Zolles für die vier Hauptgetreidearten festhält. An die Cen- trumsfraction des Reichstages soll das Ersuchen gerichtet werden, für diese Forderung „mit aller Entschiedenheit" einzutreten. Das Organ der bayerischen Centrumspartei feiert das Vorgehen der bayerischen Bauernvereine als einen Triumph des klerikalen Abgeordneten vr. Heimin folgenden bezeichnenden Sätzen: „Dem christlichen Bauernverein und seinem Vorkämpfer in der Zollfrage, dem Abg. vr. Heim, gereicht eS zur besonderen Ehre, daß seine längst vertretenen . . . Forderungen . . . zum Siege kamen und sich der Anerkennung der berufe:.sten Fackoren ländlicher Interessenvertretung erfreuen. Das Beispiel des deutschen Landwirthschaftsraths zeigt, daß die Forderung I)r. Heim's eine gerechte ist und mit aller Entschiedenheit ver treten werden muß. Hoffentlich wird die Regierung sich dem Eindruck nicht verschließen, den ein Beschluß von so weittragender Bedeutung auszuüben berechtigt ist." Da nicht anzunehmen ist, daß das officielle bayerischeCentrums- organ so entschieden für die Forderung der Bauernvereine eintreten würde, wenn es nicht wüßte, dabei zum mindesten die Mehrheit der bayerischen ReiättagSabgeordneten hinter sich zu haben, verdient der ganze Vorgang insonderheit die Beachtung des führenden rheinischen Centrumsorgans. Die „Köln. Volksztg." vermied cs bisher geflissentlich, den extremen Agrariern in Bayern entgegenzutreten; jetzt aber wird sie mit dieser Praxis wohl brechen müssen, wenn sie nicht dazu beitragen will, daß die „aus schlaggebende" Rolle der Centrumspartei in der Zollfrage durch die disscntirenden Centrumsbayern in das Gegentheil verlebet wird. Neben dem heißen Kampf um die Setreidezölle nimmt die ländliche Arbeiterfrage die sorgende Aufmerksamkeit der deutschen Agrarpolitik in erster Linie in Anspruch. Die „Leute- notb" bildet ein ständiges Capitel in den Berbandluugen des preußischen Abgeordnetenhauses und deu meisten parlamen tarischen Körperschaften der übrigen deutschen Bundesstaaten. Man glaubt vielfach, die ländliche Arbeiterfrage ourch gesetz geberische Regelung des Rechtsverhältnisses Mischen ländlichen Arbeitern und Arbeitgebern, vor Allem durch die Bestrafung des Vertragsbruches lösen zu tonnen. Der deutsche Landwirthschaftsrath hat sich eine Reihe von Jahren hindurch mit diesem Problem beschäftigt und ein Eingreifen der R e i ch s - gesetzgebung in Vorschlag gebracht. Da indeß eine Reichs tagsmehrheit für eine Gesetzgebung, die sich im Wesentlichen doch gegen die ländlichen Arbeiter kehren würde, schwerlich zu gewinnen wäre, 'führten einzelne Bundesstaaten, wie Herzogthum Anhalt, Reuß j. L. und Braunschweig, den Contractbruchspara- graphcn. durch particulare Gesetze ein. Wie wenig jedoch diese dem erwarteten Erfolg entsprechen und wie nolbwendig eine Anbahnung der Klärung über die rechtlichen Verhältnisse der Landarbeiter im Interesse der Landwirthschaft selbst ist, ver sucht eine eingehende Studie über diese Frage von Or. A. Nuß- baum in dem Schmoller'schen Jahrbuch (bei Duncker L Humblot, Leipzig) darzulegen. Für die ländlichen Dienstboten, die nach der Berufszählung vom Jähre 1895 1 719 179 Knechte und Dienstmägde betrugen, also fast ebenso viel, wie die Zahl aller Tagelöhner mit und ohne Land (1828 550), verlangt Ver fasser Befreiung aus den Fesseln des Gesinderechts und Gleich stellung mit den eigentlichen Landarbeitern, welche in civilrecht- licher Beziehung den Borschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Dienstvertrag unterliegen; aber den civilrechtlichen Fragen kommt nur eine untergcordneteBedcutung zu.ImBorder- grunde des Interesses steht mit Recht die Lage der Landarbeiter auf straf- und polizeirechtlichem 'Gebiete, besonders die Bestrafung des Contractbruches. Hierbei ist nun zu erwägen, daß im Ge biete der Industrie und des Handels die Strafbarkeit des Con tractbruches nicht anerkannt ist und eine gesetzliche Anwendung der Strafe auf die Landarbeiter jedenfalls das Abströmen der Letzteren in die Städte vermehren und dadurch die Leutenoth nur noch steigern würde. Namhafte Socialpolitiker und National ökonomen, wie zum Beispiel Professor Freiherrvon dcrGoltz, warnen daher vor der Bestrafung des Vertragsbruches: „Geholfen wird dadurch, wie die Erfahrung gelehrt hat, sehr wenig. Aus einer Haftstrafe macht sich der Arbeiter nichts und eine Geldstrafe kann er nickt leisten. Mit beiden ist auch dem Landwirthe nicht gedient. Er muß den Arbeiter zu einer ganz bestimmten Zeit haben; bekommt er ihn nicht zu dieser Zeit, so ist der entstandene Schaden nicht wieder gut zu machen." Gerechtfertigt dagegen ist die Bestrafung der Verleitung zum Vertragsbruch, wie sie vom preußischen Abgeordnetenhause verlangt wurde. Die meisten gesetzlichen Bestimmungen in der Materie der ländlichen Arbeiterfrage kehren sich gegen den Ar beitnehmer und wenden sich in nur geringem Maße an den Arbeitgeber. Hierin liegt ein schreiender Gegensatz Mischen den gewerblichen und den ländlichen Arbeitervcrhältniffen. Wenn wir auch gern zugeben, daß auf dem Lande die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer viel engere, fast familiäre sind und dadurch vielfach der gesetzlichen Vorschriften bei echt patriarchalischer Gesinnung des Arbeitgebers nicht bedürfen, ge stehen doch wir auch folgenden Worten des Verfassers vollgiliige Berechtigung zu: „Es hat sich in unserer deutschen Socialpolitik ein auffälliges und der Landwirthschaft schädliches Mißverhältniß heraus gebildet. Während den Fabrikanten in der Arbeiterschutzgesetz gebung eine wahre Dornenhecke von Gesctzesparagraphen ent gegenstarrt, ist für die ländlichen Arbeiter in dieser Hinsicht fast noch gar nichts geschehen. Unzweifelhaft hat dieser Gegensatz viel dazu beigetragen, die Arbeiter von dem platten Lande in die Jndustriecentren zu drängen, und daher liegt seine Beseitigung zugleich im wohlverstandenen Interesse der Landwirthe selbst. Zudem werden sich dieselben im Hinblick auf die bevorstehende Erhöhung der Kornzölle der Ehrenpflicht nicht ent ziehen können, auch ihre Arbeiter von den errungenen wirth schaftlichen Vortheilen mit genießen zu lassen." Ohne Beziehung auf den Zolltarif und die erhöhten Getreide zolle hat sich schon viel früher der badische Minister Buchen berger über die ländliche Arbeiterfrage classisch und einfach geäußert: „Der Schwerpunct der ländlichen Arbeiterfrage liegt in der Herbeiführung solcher Beziehungen zwischen den Arbeit gebern und ren Arbeitern, welche den Verbleib in dem landwirth- schaftlichen Gewerbe den Letzteren erwünscht erscheinen lassen." Fenvlletsn» 2«j - Am Geld. Roman von F. Ilex.» NaSdnick vertetkn. Paul sucht« hinter der Scene einigermaßen — soweit «S über haupt möglich war — Ordnung zu schaffen, indem er vor Allem weiter« Zufuhren des Stoffes, „der eilig trunken macht", ver hindert«. Nachdem er unter Hinzuziehung des Oekon-om«n die Rechnung berichtigt und den ehrlichen Burschen entsprechend belohnt hatte, galt eS 'das schwerere Werk, den durch die plötzlich« Ruh« nach dem heftigen Tanzen völlig stumpf und thvilnahmslos gewordenen Schwager vor -weiteren Ausschreitungen zu bewahren und nach Haust zu bringen. Dies war keine leicht« Aufgabe, da das ganze Corps der Leutnants diesem vernünftigen Vorschläge in mehr oder weniger 'dringender Weise widerstrebte. Erst nach längerem, beschwichtigendem Zureden, unter Zuhilfenahme einiger passender Scherz«, gelang es Paul, seinen Schwager auf di« Bein« zu bringen und dem tobenioen Haufen zu entreißen. Draußen in dem Ablegeraum lvartet« ihrer jedoch eine neue -Ueberraschung! Der hohe, seiden« Hut, erst jüngst aus England mitgebracht, der Stolz Oso's, hing pfanncnkuchenattig, platt zu- sammengedrUckt, wie schwermüthig an dem Gestelle! Nicht ohne Unwillen bemerkte Paul diesen Zeugen eines schon in bedenkliche Bahnen gelenkten Muthwillens, der sich nicht bewußt ist, Sachbeschädigungen vorzunehmen, di« für den Be troffenen unter Umständen recht empfindlich sein können. Wie sein Schwager morgen — heute war er dazu nicht mehr im Stande! — die Sache auffaffen werd«, war ihm noch nicht klar, jedenfalls konnte der knabenhafte Witz ihm nicht verborgen bleiben, da ein Ersatz, wie Paul einen Augenblick gedacht, in dem kleinen Orte nicht zu beschaffen, und jedenfalls als unter geschobene Fälschung sofort erkannt worden wäre. Seine nächste Sorbe war, den Schwager, ungesehen von Gisela, ins Haus und in die Gaststube zu schmuggeln. Abgesehen von dem an und für sich der Schonung bedürftigen Zustande seiner Frau, wußte er auch nicht, wie sie über eine solche Scene denken würde, da er selbst, an und für sich kein Freund derartiger Ausschreitungen, stch überhaupt noch kaum und am wenigsten in der kurzen Zeit seiner Ehe in einem solchen Zustande der Auf gelöstheit befunden hatte. Zwar hatte er schon vom Regiments bureau aus, so bald er übersehen konnte, daß sein« Rückkehr Sch verröaexi würde, eine Ordonnanz an Gisela geschickt mit der Bitte, nicht mit dem Abendbrod auf ihn zu warten, allerdings in der Voraussetzung, daß bis dahin sein Schkvager längst den Nachhauseweg gefunden haben würde. Paul's Befürchtungen waren nur zu gerechtfertigt, da Gisela, über das Ausbleiben Odo's beunruhigt, auf jedes Gehen der Hausthüre geachtet hatte, und nun, durch den nicht ganz ge- räuschlosm Eintritt herbeigelockt, gerade recht kam, um Zeugin von „des Recken Heimkehr" zu werden. Da hing der Edle, der vorher so viel Anstand hatte, stieren Blickes mit lallender Zunge und eingesunkenen Knien, schwer in dem Arme des Schwagers! Auf der zerknitterten Wäsche, auf Rock und Halsbinde die unverkennbaren Spuren verschütteten Weines, und auf dem Haupte, statt des glänzenden, untadel- haften Cylinders, mit dem er ausgezogen, ganz nach hinten geschoben, ein brüchiges, struppiges Ungethüm, das man offenbar unter Anwendung rohester Gewalt wieder in seine ursprüngliche Form gebracht zu haben schien. „Das ist empörend!" war Alles, was Gisela, begleitet von einem feindseligen Blicke auf ihren Mann, hcrvorbringen konnte, um sofort wieder mit dem beliebten heftigen „Thüre zu" im nächsten Zimmer zu verschwinden. Paul, der sich für seine Person keiner Schuld bewußt war, bemühte sich vorerst, unter Beihilfe des Burschen, den Halb bewußtlosen zu Bette zu bringen, sorgte noch, als erfahrener Mann, für frisches Wasser und frische Luft, und begab sich dann, durch das vorherige Benehmen Gisela's doch einigermaßen beun ruhigt, hinüber zu seiner Frau. Den Empfang, der ihm hier wurde, hatte er trotzdem nicht er wartet! Er, und nur er allein, sei an dem ganzen unwürdigen Auf tritte schuld, und wenn es auch nicht auf sinn Anstiften geschehen sei, was immerhin möglich, so zeigr es doch, wie wenig Ansehen er, trotz seiner Stellung als Regimentsadjutant, bei seinen Kameraden genieße, daß man es wagen könne, seinen Schwager in einen solchen Zustand zu versetzen. Vergebens suchte Paul dir Erregte über die Lage des Falles aufzuklären, daß Odo während seiner — Paul's — Abwesenheit die gesammte Tischgesellschaft freigehaltrn habe, und daß der Zustand der meisten jüngeren Officiere — gerade in Folge von des Schwagers unangebrachter, ja an diesem Orte und bei dieser Gelegenheit geradezu taktloser Spendirseligkeit — ein ganz gleicher oder ähnlicher sei. „So" — unterbrach ihn die offenbar stark Gereizt« —, „also taktlos war es, daß mein Bruder die Herren mit Champagner freihielt! Was waren aber dann die Herren, die diese Taktlosig keit durch ihr Dablriben und ihr Mitthun guthießen?" „Ich finde das auch nicht richtig und würde mich als Fremde: unter den gleichen Umständen sehr bald empfohlen haben." „Und heute hast Du Dich auch empfohlen" — fuhr sie mehr heftig als logisch fort — „und hast Deinen Schwager, meinen Bruder, der Gesellschaft dort schutzlos überlassen, die sich erst an seinem Weine gütlich geiban und ihm bann, zum Danke, den Hut eingetrieben hat!" Diese Hellseherei hatte geradezu etwas Unheimliches, denn weder Paul, noch sein Schwager hatten des Hutes und der Ver anlassung zu dem bedauernswürdigen Zustande desselben bis jetzt nur mit einer Silbe Erwähnung gethan! „Für dieses Benehmen" — so raste der Redestrom u-ngefesselt weiter — „fehlt mir jeder Ausdruck, und wenn Du nur einen Funken von Energie in Dir hast, darfst Du Dir eine solche Be leidigung Deines Verwandten, Deiner Familie nicht gefallen lassen!" „Aber, liebes Kind! . . . ." „Ich bin kein Kin'v, und wünsche nicht in dieser überlegenen Weise von oben herunter angeredet zu werden!" „Also „liebe Gisela" — wenn Dir das besser klingt" —, be gann Paul wieder, der seinen aufsteigenden Unmuth noch einmal nirdergekämpft hatte — „ich finde ein solches Benehmen auch im höchsten Grade unpassen'o und werde Gelegenheit nehmen, dies bei der entsprechenden Stelle zur Sprache zu bringen; aber als persönliche Beleidigung für Deinen Bruder oder gar für mich darfst Du das auch nicht auffassen. Es ist dies ein leider öfters wiederkehrender Unfug, in der Weinlaun« begangen, ohne daß sich der Thäter der Folgen bewußt ist. Noch diesen Sommer ist ganz dasselbe einem früheren Kameraden des Regiments passirt, für den es ganz besonders empfindlich war, da er in beschränkten Verhältnissen lebt und ein« starke Familie zu ernähren hat. Schon damals wurden die jüngeren Herren auf das Unpassende, ja Standeswidrige eines solchen Gebührens aufmerksam gemacht, und daß das jetzt erneut und in verschärftem Maße geschehen wird, darauf kannst Du Dich verlassen! Ich kann mich doch nicht mit dem Uebelthäter, der übrigens morgen kaum selbst eine Ahnung von seiner Missethat haben wird, wegen des Hutes schießen?" „Nun, der Hut war ein echter „Christy" und kostete, wie mir Odo gestern noch erzählte, in London dreißig Schillinge!" „Wenn auch! Jedenfalls wollen wir uns di« Stimmung dadurch nicht verderben lassen! Komm, sei wieder gut und sei froh, daß ich nicht auch etwas im Sturm« bin!" Gisela, die ihren Gatten flüchtig von der Seite angesehen hatte, gab leise schmollend die Hand, und der Friede war scheinbar wieder hergestellt. Leiser nur für kürzeste Zeit, denn als am anderen Morgen Schwager Odo mit allen Anzeichen des aschgrauen Elendes zu einem sehr verspäteten Frühstück erschien, brachen die alten Wunden, namentlich beim Anblicke der hoffnungslos zerstörten Kopfbedeckung, von Neuem auf, und Paul konnte sich nur unter dem Vorwande, dringende dienstliche Geschäfte erledigen zu müssen, dem geschwisterlichen Klageduett entziehen. Der kleine Vorfall hatte für Paul das Gute, daß sich Odo — wohl aus Kummer über den unersetzlichen Verlust — entschloß, seinen Aufenthalt um einige Tage abzukürzen, und daß Gisela ihre Vorbereitungen entsprechend beeilt«, um gemeinsam mit dem Bruder abreisen zu können. So kam es, daß Paul noch ungefähr ein« Woche bis zum Ausrücken ins Manöver als Strohwittwer zurückblieb, während die Haushaltung durch Beurlaubung der Köchin und Mitnehmen der Jungfer in die Sommerfrische völlig aufgelöst worden war. Zwanzigstes Capitel. In der für die Bedürfnisse eines Einzelnen immerhin weit läufigen Wohnung, in welcher Paul — da er am Mittagstische im Casino theilnahm — sozusagen nur eine Schlafstelle hatte, kam er sich vor, als wandle er im Traume. Ihm war eigen- rhümlich zu Muthe; er fühlte sich fremd in 'den eigenen Räumen. Oft ertappte er sich dabei auf dem Gedanken, daß er ohne Weiteres allen diesen Luxus missen, daß er ihm ohne Betdauern den Rücken kehren könnte auf Nimmerwiedersehen. Ohn« Be dauern?! Nein! Wenn er ehrlich war mit einem Gefühle de« Behagens, des Befreitseins von schwerem Drucke! Wi« oft malt« er sich aus, wie es sein würde, wenn es noch wäre wie sonst! Wi« konnte er sich nach dem stillen Frieden seiner bescheidenen Stube, nach dem unbefangenen, ungezwungenen Verkehre mit den Kame raden zurücksehnen! Alle diese übertrieben modernen Gegenstände, sie heimelte» ihn nicht an. Das waren nicht die Möbel, di« mit dem Gebrauche zu selbstständigen beseelten Wesen mit uns zu verwachsen Pflege»; die Wir mit unserem Geiste durchdringen und die ihrerseits dal Empfangene tausendfältig zurückgeben al» Wohnung jener kleine» Hausgeister, die in der Dämmerung schelmisch lauschend aus de» Ecken und Kanten des Schrankes, des Pultes hervorlugen; di« Antheil nehmen an Allem, was die Bewohner des Hauses betrifft; die sich hervorwagen in jeder guten Stund«, wenn der Mutter Mund den Kindern Märchen erzählt, wenn stch Herz zum Herz«,
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