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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001112028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900111202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900111202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Umversitütsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und Künigsplatz 7. Abend-Ausgabe. WpWcr TalMM Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (3 gespalten) 50 H. Tabellarischer nnd Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./L 60.—, niit Postbeförderung .L 70.— . Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags IO Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck uud Verlag von E. Polz in Leipzig. 84. Jahrgang. Die Wirren in China. Li-Hung-Tschang bat, wie die „Times" unterm 9. November aus Peking melden, in seiner Eigenschaft als Viceköuig von Tickiii ein Rund schreiben an die Gesandten verschickt, in dem er gegen die Expedition nach Paotingfu Einspruch erhebt und gegen angebliche Gewalttbaten, die die Soldaten der Verbündeten begangen haben sollen. Die Note erinnert mit einer gewissen Anmaßung die Gesandten daran, daß der einzige Zweck der Entsendung von Truppen nach China die Befreiung der Gesandt schaften gewesen sei; diese sei erfolgt und eS liege kein Grund vor, eine Expedition nach dein Innern zu entsenden. Angesichts der außergewöhnlichen Milde, die diese Expedition kenn zeichnete und angesichts deS ungleichen Verhältnisses, daS zwischen den Verbrechen der Provinzbebvrden und der diesen auferlegten Strafe besteht, baden die Gesandten der vier an der Expedition durch ihre Truppen sich betheiligten Mächte Li-Hung-Tschang seine Note einfach zurückgeschickt. Li eifert außerdem gegen die von den Mächten geforderte Hinrichtung der Boxerführer Tuan, Tungfubsiang, Kangyi und Duhsien- Die chinesische Regierung hat sich insbesondere an die Washingtoner Negierung gewendet, um deren Intervention zn Gunsten dieser Boxerführer bei den Mächten zu erlangen. Gleichzeitig läßt Li-Hunz-Tschang von Shanghai auS erklären, daß die Hinrichtung der genannten StaatSwürdcnträger eine jener Bedingungen bilde, die China nicht erfüllen könne. Wenn die Mächte, beißt es in der betreffenden Depesche, ihre Forderungen nicht herabsetzen sollten, so würde sich (was ja jetzt bereits geschehen sein soll) der Hof nach der Provinz Szechnan zurückzichen. Eine Armee von 14 000 Mann sei bereit, um den Rückzug des HofeS nach dieser nabe der Südgrenze' des Reiches gelegenen Provinz zu decken. Diese Erklärung bildet eine versteckte Drohung. Es soll mit derselben angedeutet werden, daß China sür den Fall, als die Mächte ihre Bedingungen nicht modificiren sollten, bereit sei, den Krieg fortzusetzen. Eine derartige Drohung wird aber in Europa kaum irgend eine Wirkung haben, denn verschiedene Anzeichen lassen darauf schließen, daß die dritte deutsche ostasiatische Brigade in Kiautschau gelandet wurde und bereits im Vormarsche nach Tscbangtiefu, dem an der Bahnlinie Peking-Hankau gelegenen Concentri- rnngSpuncte der oberwähnten, zum Schutze deS Hofes be stimmten chinesischen Truppen, begriffen ist. Die Friedensverhandlungen freilich werden durch das arrogante Verhalten der chinesischen Unterhändler und durch daS Zurückweichen des HofeS, welches zeigt, daß derselbe immer noch daS gefügige Werkzeug TuanS ist, ml caloutluZ rzraocas verschoben. Landbcschlagnahmen. Dem russischen Beispiele der Beschlagnahme eines Theiles des linken Peiho-UferS bei Tientsin zur Errichtung einer Niederlassung ist jetzt auch Belgien gefolgt. Nach den Berliner „Neuesten Nachrichten" hat der belgische Consul in Tientsin an die dortigen Consuln ein Rundschreiben gerichtet, in welchem er die Beschlagnahme einer an das von Rußland beanspruchte Gelände anstoßenden Uferstrecke von 1 km Länge zwecks Errichtung einer belgischen Niederlassung anzeigt. Die übrigen Consuln haben von den beiden Rundschreiben bisher nur Kenntniß genommen und ihren Negierungen die Stellungnahme Vorbehalten. Daß diese russischen und belgischen Schritte nicht darauf abzielen können, die Souveräoetäl über die in Beschlag genommenen Strecken von Cbina auf Rußland nnd Belgien zu übertragen, geht schon (so schreibt die „Köln. Ztg.") daraus hervor, daß alle betheiligten Mächte darüber einig sind, daß auS Anlaß der jetzigen Wirren keinerlei Ausiheilung Chinas erfolgen soll. Die ausdrückliche Zu stimmung aller Großmächte zu den Artikeln l und 2 des deutsch-englischen Abkommens hat diese Einstimmig keit noch neuerdings bestätigt. Es kann sich also bei diesem einseitigen Vorgehen Rußlands und Belgiens nur darum handeln, am linken Peiho-Ufer gleiche Nieder lassungen zu errichten, wie sie auf dem rechten User die Eng länder, Franzosen und neuerdings auch die Deutschen besitzen. Diese Niederlassungen bleiben der chinesischen Staatsgewalt unterstellt; es werden derselben gewisse öffentlich rechtliche Abgaben bezahlt; nur die Verwaltung des Gebiets ist Den angesessenen Angehörigen der einzelnen Staaten in weit gehender Selbstverwaltung überlassen. Daß bei der Errich tung solcher Niederlassungen die bestehenden Eigcnthums- rechte Dritter in dem betreffenden Gelände nicht beeinträch tigt werden dürfen, ist selbstverständlich. So viel wir übrigens wissen, bestehen in den sür die beiden Staaten in Aussicht genommenen neuen Niederlassungen deutsche Privat rechte überhaupt nicht. In dem angeblichen russisch-englischen Streit wegen einer Beschlagnahme eines auf dem linken Peiho- ufer bei Tientsin liegenden Stückes Land, wird übrigens scheinbar von mehreren Seiten zum Rückzug geblasen. Es liegen russische Aeußerungen vor, nach denen die Besetzung des in Rede stehenden Punctes nnr vorübergehende militLrische Bedeutung habe. Von Seiten deS englischen Gesandten in China ist ein Einspruch nickt erfolgt. Auch der russisch-englische Streilfall auf dem Babnhof Shanbaikwan, bei dem nur in der Sache, aber uicht in der Form das Recht aus russischer Seite war, wirbelt keinen Staub mehr auf. Es ist augenscheinlich aus beiden Seiten die ernste Absicht maßgebend, mit kaltem Blut Mißverständ nisse als das, was sie sind, hinzunehmen und zu verhindern, daß die bis jetzt in der Hauptsache an Ort und Stelle herrschende Eintracht wesentlich gestört werde. Weitere Meldungen. * London, 12. November. (Telegramm.) Die „Times" berichten au» Tientsin unter dem 9. November: Eine kleine Abtheilung Franzosen soll in der Nähe vou Tungtschou von einer großen Menge Chinesen angegriffen worden sein. — Die „Times" berichten aus Shanghai unter dem 9. November: Der von der Kaiserin-Wittwe nach den Iangtse-Provinzen gesandte Specialcommissar Jütschijuan, der in Nanking eingetroffen ist, soll alles irgendwieauszu treibende Geld dem Hofe senden. * London, 12. November. (Telegramm.) Der „Morning Post" wird aus Peking unter dem 9. November telcgraphirt, von den chinesischen Ministern befänden sich nur zwei, Wang.wen- schao und Tscha-tschu-tscheao, am kaiserlichen Hofe, aber auch Junglu werde sich, wie angenommen worden, bald dort «insiellen. — „Standard" berichtet aus Tientsin unter dem 8. No- vember, der dort von den Russen beschlagnahmte Gebiets- theil erstrecke sich von der Eisenbahnstation zwei englische Meilen stromabwärts. * Wiesbaden, 11. November. Nach einer hier rlngelaufenen Meldung ist Hauptmann Haenel von Erooenthal vom 3. Ostasiatischen Infanterie-Regiment infolge Fiebers am 1. d. M. in China gestorben. Der Sohn des Himmels ans der Flucht. Wang Wen-shao, der frühere Vicekönig von Cbihli, berichtet Shanghaier Freunden über die wilde, erniedrigende Flucht des kaiserlichen HofeS auS Peking am 15. August in folgender höchst interessanter Weise: Nachdem am 5. und 6. August der Bicekönig Iu ln von Chibli bei Bailsanz geschlagen und nachher bei Aangljun Selbst mord begangen hatte, traf uns das Schicksal am 8. desselben MonatS mit noch stärkeren Keulenscklägcn. An diesem Tage wurde Li Ping-Heng bei Hosbiwu von seinen Untcrgenerälen Cbang und Cheng in Stich gelassen, worauf auch dieser tüchtige Heerführer, enttäuscht und verzweifelt, Selbstmord beging, indem er sich vergiftete. So kam es, daß die fremden Truppen ungehindert zur Attacke von Tungcbow beranrücken konnten. Als die Majestäten endlich eingeseben batten, daß ihre Generäle und Truppen absolut unzuverlässig waren, wurde den Mitgliedern veS HofeS am 10.August befohlen, sich zur Flucht bereit zu batten. Leiber war eS jedoch unmög lich, passende Transportmittel, wie Kutschen und anvere Wagen, aufzutreiben, so daß sich die Abreise der Majestäten verzögerte. Am Abend des 13. August drang der Donner einer fürchterlichen Kanonade bis nach meinem versteckten Hause in Sbichautung; jeden Augenblick schien das Gefecht näher zn kommen und bald glich daS Prasseln der Geschosse dem Geräusche, das ein heftiger Regen macht. Am Nach miltage jenes Tages schienen die Projectile des Feindes über unsere Köpfe wegzusliegen, wenn man nach dem Heulen der selben urtbeilen kann. Am Morgen des 14. nahm die Kanonade noch an Heftigkeit zu. An diesem Tage wurde ich fünfmal zu den Majestäten, der Kaiserin sowohl als dem Kaiser, beschicken, das letzte Mal um 10 Ubr AbendS. Um diese Zeit waren anwesend Kang-yi und Ohan Schi-chao. Die Kaiserin sagte im Tone tiefster Trauer: Du Kang-yi, Ohan Schi-chao und Wang Wen-shao sollten mit uns nach dem Westen gehen. Dann wandte sic sich zu mir im Besonderen und bemerkte: Mit tiefem Bedauern sehe ich, daß Du so alt bist, Du wirst schwer auf dieser Reise voller Strapazen zu leiden haben. Deshalb mögest Du noch in der Stadt verweilen, bis wir den schwierigsten Weg hinter uns haben. Am Morgen des 15. um 7 Uhr versuchte ich den Palast zu betreten, fand aber dessen Thore verschlossen. Ein kaiser licher Ennuche thcilte mir mit, daß der Hof erst in der Nacht den Palast verlassen habe uud geflohen sei. Ich kann nicht genau sagen, auf welche Weise die Flucht durch die Stabt bewerkstelligt wurde, doch muß das unter hockst erniedrigen den Umständen geschehen sein. Was ich darüber gehört habe, ist so traurig, daß ich mich scheue, es hier niederzusckreiben. Ich ging hierauf nach dem Homenthor, wo ick Einlaß in den Palast fand. Dort wurde mir mit- getbeilt, die Majestäten hätten die Kaiserstadt durch daS Tebsangthor verlassen. Nun flüchtete ich mich in einen Buddhistcntempel, der nahe dem letztgenannten Thore gelegen war. Die Priester befanden sich in großer Aufregung, da sich eine Menge Boxer hierher geflüchtet hatten und sie fürchteten, die fremden Truppen würden ihren Tempel bombardiren. Um diese Zeit sah man bereits bei dem Teshang- und Anping- thore große Mengen fremder Soldaten und unter diesen eine Menge von Convertiten, die schreiend und schießend deS WegeS zogen. Man sagte, die fremden Krieger würden nur chinesische Soldaten töblen, und gewöhnliche Bürger brauchten sich nicht zu fürchten. Da mir der Priester längeren Auf enthalt im Tempel verweigerte, so begab ich mich, ohne be lästigt zu werden, über die Straße nach der Wohnung deS BannermanncS Han. Ich sah mich nun nach einer Gelegen heit um, dem kaiserlichen Hofe nackzureisen, aber die Stuhl träger und Fuhrleute waren alle fortgelaujen. Am Nachmittage horte ick, daß daS Sichithor noch nicht vom Feinde besetzt sei und beschloß, die Flucht durch dasselbe zu wagen. Was ich an baarcm Gelbe hatte, nahm ich mit mir und meine Diener begleiteten mich. Schon auf dem Wege begann es sehr stark zu regnen, was mich zwang, in Herrn Ching's Haus Unterkunft zn suchen. Die Kanonade hatte aus- gebört, dafür aber brannte eS in allen Stadttheilen lichterloh. Um 6 Uhr Morgens (am 16.) brach ich durch das Sichithor auf und sand mich bald in der Mitte zahl loser Flüchtlinge, die alle meines Weges zogen. Es war mir im letzten Augenblicke gelungen, doch noch eine Karre zu mietben. Diese wurde, kaum wenige Stunden unter wegs, von marodirenden kaiserlichen Truppen ausgeplün- kert; auch die Pferde nabm man mir weg. Alle Restaurants und Läden entlang des WegeS waren ge schlossen, so daß wir ungespeist einen 60 Li weilen Weg zurück legen mußten, ehe wir Herberge fanden. Am 18. erreickten wir Huilaihsien, wo ich Ihre Majestäten zu treffen hoffte. Der Kaiser und die Kaiserin waren in der That Tags vorder eingetroffen. Die Begleitung der Reisegesellschaft glich jedoch mehr einer Räuberbande als Soldaten der Armee des SohneS deS Himmels. Räubernd zogen sie vor, neben und hinter der engeren kaiserlichen Reisegesellschaft her. In Kwanshi verließen der Kaiser und die Kaiserin die Karren, in welchen sie bisher gereist waren und bestiegen Kameelstüble, welche die Verwaltung der Kwangjuställe unentgeltich geliefert hatte. Der Kaffer be fand sich mit Prinz Pu lun (von der 4. Classe) in einem Stuhle. Die Kaiserin theilte den ihrigen mit dem Thron erben. Die übrige Reisegesellschaft mußte den Weg zu Fuß oder zu Pferde machen. Sowohl die Kaiserin-Wittwe, als der Kaiser waren in äußerst einfache Gewänder gekleidet; sie trug ein hellblaues leinenes Sommerkleid nnd eine Frisur, die in ihrer Bescheidenheit stark vou dem gewöhnlichen Kopfschmuck Ihrer Majestät abstach. Der Kaiser war in einen Anzug von schwarzer Seide gekleidet. All ihr Gepäck war bei der hastigen Fluckt zurückgeblieben oder unterwegs geraubt worden. Seit der Hof den Palast verlassen, batten die Mitglieder desselben keine Betten mehr gesehen. Ihre Speise bestand in ReiS, Rciö und nochmals Reis. Erst als wir in Hucilan und Shicnhua anlangten, verbesserten sich unsere Verhältnisse. Die Beamten kamen uns auf dem Wege ent gegen und brachten der Kaiserin-Wittwe und dem Kaiser ihre Huldigungen dar und sorgten in jeder Weise, so gut sie cs konnten, für den Comfort der hoben Reisegesellschaft. Weder die kaiserlichen Frauen noch die Eunuchen batten uns anfang» begleitet; sie waren in der Stadt zurückgeblieben, aber später gesellten sich uns einige derselben zu. Prinz Li Aung-tu, und der Tsckichas waren gleichfalls zurück geblieben, aber Prinz Tuan, Prinz Ching, Prinz Na, Prinz Sü, der vierte Prinz Puheng und Auhsu, sowie andere Prinzen geringeren Grades befanden sich im Gefolge ihrer Majestäten; so auch die Mandarine Kang-yi, Cbao Chi-chao, Wutingfen und Weng Wen-chao (der Schreiber), Prinz Pu-sbing der Thronerbe und zwölf andere bohr Hosbeamte. Etwa 1000 Mann, die aus der Pekinger Feldarmee, Prinz Tuan's Tigertruppen und General Ma L)u-kung's Truppen auSgewäblt waren, bildeten die Garde Der kaiserlichen Reisegesellschaft. Am 21. trafen wir in Sben Hua fu ein, wo eine dreitägige Rast gehalten wurde. Heute (am 23.) geht die Reise nach Tatungsu in Ehanst weiter. Um da» Mitlherbstfest (8. September) dürften wir Taiyuenfu erreichen. Feuilleton. ogj Der Bundschuh. Roman von Woldemar Urban. NaLtruck verboten. „Heiliger Gott!" schrie sie erschrocken auf. „Ihr täuscht Euch", schrie er sie an. „Es ist sür Alles ge sorgt und Jeder ist ein Kind des Todes, der sich bei Nacht oder dei Tage in den Felsen unter Eurem Fenster sehen läßt. Habt Ihr verstanden? Ich bin nicht der Mann, der sich betrügen nnd überrumpeln läßt, selbst wenn ich krank bin. Bei dem ge ringsten Anzeichen Eures Verkehrs mit dec Außenwelt hört meine Schonung und Nachsicht auf. Ich sperre Euch und die Herrin von Nappoltstein in die untersten Keller der Burg, so wahr ich ... ha ... so wahr ich . . . ein Ritter . . ." Dabei gurgelte er mühsam und seltsam, als ob er schon halb bewußtlos wäre, dann taumelte er einige Schritte nach einer Stuhllehne, an die er sich bei der plötzlichen Schwäche, die ihn anzuwandeln schien, halten wollte, verfehlte sie aber mit den unsicher und zitternd tastenden Händen und schlug endlich ohn mächtig auf den Böden hin. „Gott im Himmel sei Euch gnädig, Junker von Hohnack", schrie Edclinde erschrocken auf, „denkt an Euer Ende. Denkt an Gott. Zu Hilfe, zu Hilfe, Friedel, Holm, zu Hilfe, der Junker stirdt." Wer den Junker von Hohnack in diesem Augenblick so liegen sah, wie ihn Edclinde vor sich zu Boden gesunken sah, mit den hohlen, wie nach innen gekehrten Augen, röchelnd, starr, wie im Krampf, mit kaltem Schweiß auf der Stirn, der mochte wohl denken, es sei aus mit ihm. Auf ihr Hilfegeschrei kam Friedel aus dem Nebenzimmer, und die beiden Knechte, die auf dem Balcon als Wache standen, rasch herbeigclaufen. Man spritzte dem Ohnmächtigen kaltes Wasser ins Gesicht und hob ihn auf ein Fell-Lager neben dem Balcon. Aber es dauerte doch eine geraume Weile, bis der Junker wieder zu sich kam. Ein grausiges Stöhnen ranz sich aus seiner Brust, so daß sich Friedel furchtsam die Ohren zu hielt und nicht anders glaubte, al» daß Junker von Hohnack in Wahrheit mit dem Bösen um seine Seel« rang. Endlich wich aber die Starrheit doch wieder aus seinen Augen, sein Blick wurde wieder natürlich und sein Stöhnen hörte auf. Gestützt auf die beiden Knechte erhob er sich müh sam und schickte sich an, das Zimmer zu verlassen. Furchtsam betrachteten die beiden Mädchen aus der äußersten Ecke des Zim mers die müden, hinfälligen und manchmal sonderbar zuckenden Bewegungen des Kranken. Offenbar litt der Junker unter den Folgen einer Herzkrankheit, die in Folge der nervenaufregenden Schlaflosigkeit, der fortwährenden Angst und Unrast rasche Fortschritt« machte und das Schlimmste befürchten ließ, wenn nicht rasch« Hilfe oder doch Ruhe für den Kranken eintrat. „Einen Arzt, Junker, sendet ums Himmelswillen nach einem Arzt", mahnte Edclinde bang. „Ha, ha", lachte Junker von Hohnack spöttisch und verächt lich, „einen Quacksalber. Was soll mir der? Ihr wißt wohl nicht, wie Ihr dem Freischöffen Eintritt in die Burg schaffen sollt? Seid nur nicht in Sorge um mich. Ich brauche keinen Arzt. Sinnt auf Anderes. Habt Ihr etwa die Strickleiter schon da, aus der «r auf Euren Balcon steigen soll? Ha, ha, ha, Jh: kennt den Junker von Hohnack schlecht. Fort. Kommt, Holm. Ihr durchsucht hier Alles. Verstanden? Auf Jeden, der sich der Burg nähert, wird geschossen. Wehe dem, durch dessen Schuld ein fremder Fuß die Burg betritt. Kommt." So ging er, noch immer müde und hinfällig auf die Knechte gestützt, davon. Er war schauerlich anzuschen. Die Haare hingen ihm wild und unordentlich um den Kopf, die Bewegungen waren unsicher, der Tritt schwankend. Er hätte kein« drei Schritt allein machen können. Und immer war eS, als wenn eine innere Gluth und Erregung ihn verzehre. Sein Athem ging heiß und stoß weise, die Worte kamen keuchettd hervor, oft mit pfeifender Stimm«, wie mit größter Anstrengung hcrauSgepreßt. Die Knecht« brachten ihn die Treppe hinunter, über den Burghof weg nach d«m Thurmzimmer, wo er sich aewöhnlich auf hielt und wo er auch schlief oder doch zu schlafen versuchte. Es war dasselbe Zimmer, in dem er vor der Schlacht von Scher weiler mit Wolf «den Plan abgeredet hatte, sich die Bauern vom Halse zu schaffen. Da» Zimmer war einfach und primitiv in seiner Ausstattung. Ein großer Sichen-Schenktisch, einige Stühle und ein Bett, groß und breit, als ob es für mehrere Personen eingerichtet sei, füllten den Raum. Auf einem Sims, der längs der weißgestrichenen Wand hiirltef, standen Trinkkannen, an den Wänden selbst hingen Waffen, Rüstz«u«, Armbrüste, zwei Harnische, Arm- und Bein schienen, Helme und Aehnliches. Früher, als Gilg Martens noch Vogt von Hohnack gewesen, hatt« das Zimmer als Wachzimmer gedient, wozu es durch seine isolirte Lage und seine nach allen Seiten gehenden Fenster vorzüglich sich eignete. Man hatte von dem Thurmzimmer aus nicht nur einen vollständigen Ucberblick der Umgebung der Burg, sondern man übersah auch diese selbst mitsammt dem Burghof und dem Thore an der Zugbrück«. Deshalb hatte es auch Junker von Hohnack für sich aus gewählt. Immer mißtrauisch, immer wachsam auf dem „Werda"- Standpuncte hatte dieses Zimmer besser wie irgend eines in der Burg seinen Zwecken entsprochen und war auch im Fall einer Emeute rasch in Vertheidigungszustand zu setzen. Der Thurm war sozusagen eine Burg in der Burg, und deshalb glaubte sich Junker von Hohnack auch hier am sichersten vor allerlei Ueber- raschungen zu befinden. Vollständig gebrochen kam er hier an und ließ sich auf sein Lager fallen. Die beiden Knechte sahen ihn rathlos an und wußten nicht, was sic thun sollten. Aber ihre Blicke schienen ihn zu belästigen. Er winkte ihnen heftig, hinauszugehen. Sie waren froh, fortgehen zu dürfen, so furchterregend und gräßlich war sein Anblick. Nur einer von ihnen, Holm, ein großer, unge schlachter Butsche, blieb draußen vor der Thür als Wache stehen. Man wußte ja nicht, was paffiren würde, und ob er nicht einer Hilfe bedürfe. Keuchend und röchelnd lag der Junker auf seinem Lager, den Blick starr vor sich hingerichtet, die linke Hand auf das Herz gepreßt, als ob er cs gewaltsam beruhigen wollte. Wirre Bilder zogen, wie halb im Traume, an ihm vorüber. Er hörte wieder di« halblaute, üdermüthige Stimme Wolf's, wie er sagte: „Nur erst nach Hohnack, der Rest ist Spielerei." Ja, Spielerei! Er selbst war der Spielball des Teufels ge wesen. Wie glitzernd und funkelnd, wie verlockend und be glückend hatt« der Wunsch, dieser Traum der Seele, ihn bestrickt. Herr auf Hohnack, das schönste, bcgehrenswerth«st« Weib in seiner Macht, Niemandem Rechenschaft schuldig, frei von Dienstpflichten und unabhängig — Herr feiner selbst — Alles, Alles, hatte er erreicht, was ihm sein« Phantasie so leuchtend und strahlend vorgespiegelt — und doch lag er nun da, elend und jammervoller wie nie. Alle dicse Träume und Wünsch« seiner Seele waren nur Bkndwerk gewesen, Hcxengold, das ihn in den Sumpf ge lockt und sich selbst in Staub und Schmutz verwandelt. Dir Nacht brach allmählich herein, und den Fiebernden befiel em unruhiger Schlaf. Da sah er sich wieder am Kloster von Kestenholz stehen, mitten unter den Greueln deS Schlachtfeldes von Scherweiler, sah die starren todtcn Augen der armen ver- nathenen Bauern auf sich gerichtet, auklagend, verdammend, uno gräßlich zugleich. Er wollte sich losreißen, fort, auf in die Welt. In krampfhaften Zuckungen und Anstr«ngungrn warf er sich auf seinem Lager hin und her und kam doch nicht von der Stelle. Er stöhnt« laut, und endlich schlug er im Fieberwahnsinn di« Augen wieder auf. Der Mond war aufgegangen. Sein weißliches, trügerisches Licht fiel durch das Fenster auf das Rüstzeug an der Wand. Da sah er ganz deutlich, wie ein Mann in langer Kutte und mit ver hülltem Haupte, den Dolch in der Hand, langsam und schleichend sich an der Wand hinstahl, um ihn von hinten zu Überfällen. Em Froifchöffe! Er sah seine funkelnden Augen drohend aus der Kapuze leuchten, zornig, rächend und flammend. Wüthend sprang er plötzlich in der Fiebergluth auf und stieß einen Schreckensschrei aus. „Mörder, Mörder", gurgelte er heiser und stürzte sich wild auf den Schatten, um ihn zu erwürgen. In demselben Augenblick kam, ausgewacht vou dem Lärme und dem Schrei, Holm, der Wachmann, durch die Thür«, um zu sehen, was seinem Herrn begegnet sei, und warum er so schreie. Aber der Junker von Hohnack, der in seinem Fieberwahnsinn glauben mochte, daß der E-mtretende der Freischöff« fei, der ihm nach dem «Leben trachte, und dessen Bild ihm soeben seine kranke Phantasie an die Wand gemalt, stürzte sich wie ein Tiger auf Holm los und krallt« beide Hände mit fürchterlicher Gewalt um seine Gurgel. Ein kurzes, fürchterliches Ringen entstand. Kein Wort fiel, nur Las verzweifelte «Stöhnen und Schnauben der beiden um da» Leben kämpfenden Männer war hörbar. Der Knecht machte die wllthendsten Anstrengungen, um sich feines tollen Herrn zu er wehren, der ihm wie mit eisernen Ringen die Gurgel zuschniirte. Tein Leben war ihm doch schließlich auch das beste und größte Gut, hinter dem Alles zurücktrat, und so wollte er es auch ver« theidigen, wie die Noch es gebot. Er könnt« nicht athmen. Er fühlte, wie er nahe am Ersticken war, und in der höchsten Noth faßte er, schon halb ohnmächtig, nach dem kurzen Schwerte, da« er an der Seite trug, um damit seinen Angreifer zu durchbohren — da, im letzten, entscheidenden Augenblick sah er den Juni«? Wanten uno taumeln, seine Hände ließen nach, Holm könnt» wieder athmen. Der Junker stieß ein dumpfes, gurgelnde» Röcheln aus und fiel zuckend, di« Hand krampfhaft auf da» Herz gepreßt, auf s«in Lager zurück. Starr vor Schreck, stand der Söldner im ersten Augenblick, das blanke Sckwert noch in der Ha na, still und rathlos da. K« wußte selbst nicht, was nun eigentlich geschehen war — f«, nffckZ ging AllkS vor sich — und sah sein Schwert an. Es war raiit von Blut- Kein Tropfen klebte daran. Dann näherte er fickt scheu und furchtsam dem Junker. Still und reaung»lo» lag dieser auf seinem Bette, er röchelt« nicht mehr, auch seinen Athem hört« er nicht. — Immer näher schlich sich Holm. Mit verglastem und verzerrtem Gesicht, unbeweglich und steif lang Junker Neidhari da ein« Leiche. Den Urtheilospruch der heiligen Behm«
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