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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-11-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001122029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900112202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900112202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-11
- Tag1900-11-22
- Monat1900-11
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Amtsblatt -es Königlichen Land- un- Amtsgerichtes Leipzig, -es RatHes un- Nolizei-Änttes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4gelpalten) 75 H, vor den Familiennach- richtrn (6 gespalten) 50 L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annalsmeschlnß für Anzeigen: ?lb end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Donnerstag den 22. November 1900. 9t. Jahrgang. Amtlicher Theil. Versteigerung. Sonnabend, den 24. dies. M., Mittags 12 Uhr sollen im Hofe dcS hiesigen Amtsgerichts 1 graste Bandsäge, L - Abrichtmaschine nnd 1 - Hobelmaschine meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 22. November 190V. Der GcrichtSvollicher beim Kgl. Amtsgerichte. Sekr. Trauer. Die Wirren in China. Tung-fn-hsiang und die Zuspitzung der Lage Die „Times" berichten ans Sbangbai unter dem 21- No vember: Der Umstand, daß Tung-fu-bsiang in dem chinesischen Strafedicte nicht genannt ist, bestärkt Jedermann in der An sicht, daß er am Hofe in Singanfu eine maßgebende Persönlichkeit ist. Es heißt, der Hof leide großen Mangel und wünsche nachPeking zurückzukebren, er werde daran aber durch Tung-fu-bsiang gebindert. Ferner wird berichtet, daß geheime Edicte aus Singanfu die Vicekönige und Gouverneure an weisen, sich auf die sofortige active Fortführung des Krieges einzurichteu. Auch hierin sieht man Tung-fn-hsiang'S Werk. „Reuter'S Bureau" berichtet aus Shanghai: Die dort erscheinenden „Nortb Cbina-Daily News" melden: Durch daS Telegraphenamt in Sbangbai ist ein Telegramm gegangen, das einen geheimen Erlaß der Kaiserin-Wittwe enthielt, wodurch die Bice könige und Gouverneure an gewiesen werden, überall den Verbündeten entgegen- zutretrn. Aehnliches meldeten bereits „Daily Telegraph" und „Morning Post". Tie Russe» iu Ser Mandschurei. Ein russischer Generalstabsbericht meldet: Am 3 l. October wurde eine aus zwei Zügen Infanterie, einer EScadrou Cavallerie und zwei Geschützen bestehende Truppenabtheilnng abgesandt, um eine Abtheilung Chinesen in der Gegend der Bahnstation Imancho, 70 Werst nördlich von Kuan Tschenzi an dem Wege nach Charbin zu entwaffnen. Die Ver schanzungen der Chinesen wurden genommen und 300 Mann gefangen. Die russischen Verluste waren gering. — In der Umgebung der Stadt Telin wurden die Bewohner von chinesischen Soldaten durch Brandstiftungen beunruhigt. Eine zur Unterstützung der dortigen Truppen entsandte Abtheilung hatte auf dem Wege Scharmützel mit chinesischer Cavallerie zu bestehen. — In der Nabe von Mulden über fiel eine Räuberbande eine bei einer Brücke beschäftigte halbe Compagnie Sappeure, wurde aber zersprengt. — Am 7. November hatte eine russische Truppenabtbeiluna, welche gegen Boxer auSgeschickt war, die zwischen Baodi und Lutai standen, ein Gefecht zu besteben, bei welchem ein von Boxern besetzte» Dorf genommen und viele Gewehre erbeutet wurden. Baron Hayashi über die Kaiserin-Wittwe und die Missionare. Baron Hayashi, der Gesandte Japans in London, hat einem Vertreter der „Sunday Times" außerordentlich interessante Auf schlüsse über die im Grunde doch recht wenig bekannte Kaiserin von China und mancherlei Anderes, was mit der Krisis in Zu sammenhang steht, gegeben. Baron Hayashi ist um so eher in der Lage, autoritativ über chinesische Verhältnisse zu sprechen, als er ein profunder Sinologe ist und außerdem längere Zeit Gesandter Japans in Peking war. Die Japaner haben sich überhaupt bis jetzt immer noch als die besten Kenner Chinas er wiesen, und speciell Baron Hayashi steht mit den. meisten chine sischen Staatsmännern, darunter auch Li-Hung-Tschang, seit vielen Jahren in persönlichem Conex. Der Besucher fragte ihn, ob es wahrscheinlich sei, daß Li-Hung-Tschang das Schicksal der verschiedenen anderen Rathgeber der Krone theilen werde. Baron Hayashi sagte, Li-Hung-Tschang steht viel zu hoch, sowohl in den Augen des Hofes, als auch des chinesischen Volkes, und es er scheint deshalb ausgeschlossen, daß . . . man ihm etwas anhaben kann. Die Kaiserin-Wittwe, sagt der japanische Gesandte, würde für die meisten Menschen immer eine Art mythischer Be griff geblieben sein, wenn jetzt nicht so furchtbare Dinge in ihrem Namen geschehen seien, sie ist indessen eine wirklich hervor ragende und große Frau, und nicht ganz so schlecht als man glaubt. Ihre Erfahrungen, ihre Erziehung und ihre An schauungen waren und sind vollkommen abweichend von denen der westlichen Herrscher, und thatsächlich nimmt sie ungefähr die Stellung ein, wie etwa ein absoluter Herrscher zu Zeiten der Pharaonen. Menschenleben gelten wenig bei ihr, und wenn ein Minister ihr mißfällt, so wird er enthauptet, auch wenn er in ihrem Dienste grau geworden ist. Die Kaiserin ist nach westlichen Anschauungen erbarmungslos und heimtückisch. Jedenfalls ist sie aber, wie Baron Hayashi ausdrücklich hervor hebt, von einem tiefen Patriotismus beseelt. Sie liebt ihr Land, ist dem kaiserlichen Hause leidenschaftlich ergeben und ist von ihrem Standpuncte aus auch dankbar. General Gordon erhielt von ihr die höchsten Ehren, die der Herrscher von China vergeben kann, und würde außerdem enorme Reichthümer von ihr erhalten haben, wenn er sie angenommen hätte. Viele Jähre nachher er fuhr die Kaiserin-Wittwe, daß der mächtige Beschützer ihres Thrones (Gordon unterdrückte seiner Zeit den gegen die Mandschu-Dynastie gerichteten Tayping-Aufstand. Red.) iw Khartum eingeschloyen sei, und sofort wollte sie ihm eine große Armee zu Hilfe schicken. Das Andenken an die treuen Dienste, die Gordon ihr in den Tagen von 1858 geleistet hatte, war also ein Vierteljahrhundert hinterher noch frisch in ihrem Geiste. lieber die Ursachen der chinesischen Unruhen hat Baron Hayashi eine ganz bestimmte Ansicht, und zwar ist er überzeugt, daß sie lediglich (!?) deshalb entstanden, weil die Missionare die chinesischen Ideen und Anschauungen mißverstanden haben. Der Baron kennt die Missionare gut und hat sie von einem anderen als dem westlichen Standpunct kennen gelernt. Er gehört zu einem Volk, welches die Missionare zu bekehren trachtet, er weiß, in welcher Weise sie diesem Ziel nachgehen und er weiß auch, daß er selbst Missionaren Manches zu verdanken hat. Baron Hayashi wurde in der Familie eines protestantischen Missionars erzogen und hat viele Freunde unter Missionaren aller Confessionen, sowohl in China, als auch in Japan. Er zweifelt nicht an dem guten Willen und der ehrlichen Absicht der einzelnen Missionare, sagt aber, daß sie nicht alle den nöthigen Tact haben. Eifer, sagt er, ist das Hauptrüstzeug und meistens das Einzige der Missionare, aber Eifer ohne persönliches Takt gefühl nützt nichts, sondern schadet eher. Die Missionare der früheren Periode hatten niemals etwas gegen die chinesische Sitte der Verehrung der Vorfahren, oder des sogenannten „Ahnencultus" einzuwenden. Baron Hayashi sagt, daß diese Bezeichnung vollständig un zutreffend ist. Die Chinesen verehren viele Götter, aber nicht in Demselben Sinne ihre Vorfahren. In China und ebenso in Japan erweist man dem Andenken der Vorfahren gewisse auch ceremonielle Ehrungen. Konfutse lehrt, die Tobten auch weiter hin zu achten, da der Tod ebenso natürlich wie bas Leben ist, und weil der Grund, daß unsere Eltern sterben, nicht impltcite ein schließt, daß wir in unserer kindlichen Verehrung für sie nach lassen müssen. Baron Hayashi hebt besonders hervor, daß Ver ehren oder Anbeten und ceremoniöst Ehrfurcht erweisen etwas Anderes ist; äußerlich mag es scheinen, als ob Beides dasselbe ist, aber der Geist der beiden Verrichtungen ist so verschieden, wie nur möglich. Die Erziehung Baron Hayäshi's brachte e^ mit sich, daß er die Begriffe Verehrung und Anbetung in dem Lsinne verstehen lernte, wie der Westen sie anwendet, und er sagt, die Chinesen beten ihre Götter an, aber sie verehren ihre Vorfahren nicht mehr, wie der Europäer seine Flagge oder seinen Herrscher, oder seine Bekannten, vor denen er den Hut zu ziehen pflegt. Dec Chinese erweist dem Andenken seiner Vorfahren Ehrerbietung und Verehrung, und er glaubt auch, daß ihre Geister in der Geister welt leben; aber er betet nicht zu ihnen, er bittet sie nicht um eine Gunst oder um Schutz oder Vergebung oder irgend eine Art von Hilfe. „Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter ehren", bas ist der Geist, in welchem er sich vor dem Schrein, den er in seinem Hause dem Andenken seiner Eltern errichtet, verbeugt. So lange seine Eltern lebten, erwies er ihnen eine Verehrung, die mit der christlichen Lehre durchaus llbereinstimmt und die Methoden der Christen ihren Eltern gegenüber meistens übertrifft. Wenn seine Eltern gestorben sind, gelten sie auch weiterhin für ihn als ge heiligt; das Band, bas ihn mit ihnen verband, ist nicht zerrissen, es ist im Tode so stark wie im Leben, und thatsächlich ist dieses Gefühl das tiefste, dessen er überhaupt fähig ist. Der Europäer hält seine Mutter heilig und über jode Beschimpfung erhaben, und das ist die Art, in der der Chinese von seinen Vorfahren denkt. Das Mißverständniß dieser Ideen und die Verwechselung von Verehrung und Anbetung hat die Missionare in scharfen Gegensatz zu den Chinesen gebracht, und aus diesem Mißver ständniß sind die Feindseligkeiten herausgewachsen. Hätten die Missionare das, was sie irrthümlich als den Ahnencultus be zeichnen, nicht gestört, so würde ihnen kein Chinese irgend etwas zu Leide gethan haben, und auch der Kaiser und die Kaiserin würden sie eher protegiren als verfolgen. Aber der Missionar kommt, sieht den Chinesen vor dem Heiligenschrein eine Ver beugung machen und ist sofort überzeugt, daß Jener vor dem Schreine gebetet hat. Er erfährt, daß in dem Schrein oder Hausaltar die Namenstafeln der Vorfahren enthalten sind, und ist sofort überzeugt, daß der Chinese seine Vorfahren anbetet. Natürlich hält er es für Unsinn und vielleicht auch schlecht, Vorfahren anzubeten, die als Heiden starben und in aller Ewig keit in der Hölle brennen müssen. Einige der Missionare gehen in ihrem Eifer so weit, wie Baron Hayashi aus eigener An schauung weiß, den Chinesen zu sagen: „Eure Vorfahren sind verloren, denn wir sind leider zu spät gekommen, um sie noch zu retten." Etwas Furchtbareres, als eine solche Behauptung kann es ober für den Chinesen gar nicht geben, und er hielt jeden Missionar, der ihm etwas Derartiges zu sagen wagte, für einen Mann, der das Heiligste schändet und in den Schmutz tritt. So entstand der Haß gegen einzelne und dann gegen alle Missio nare, der sich schließlich dann auf die Fremden überhaupt er streckte. - Der Krieg in Südafrika. Krüger i» Europa. Der Pariser und der Marseiller Ausschuß für den Empfang des Präsidenten Krüger scheinen (wie uns aus Marseille, 2l. November, berichtet wird), infolge der verspäteten An kunft deS „Gelderland" die gefaßten Beschlüsse wieder abändern zu müssen. Sie berathen mit maßgebenden Persön lichkeiten Transvaals, ob Krüger sofort bei seiner Ankunft iu der Nacht oder erst morgen früh landen soll. Ei» Unfall LorS Roberts'. „Daily Telegraph" veröffentlicht eine von amtlicher Stelle berrührende Meldung, die besagt: Feldmarschall Roberts stürzte am Sonntag mit seinem Pferde, er blieb jedoch, obwohl er durch den Sturz etwas angegriffen war, unverletzt und erledigte die gewohnten Dienstgeschäfte. Gleich nach dem Unfälle theilte Roberlö dem Kriegsminister telegraphisch mit, er verspüre keinerlei Beschwerden infolge deS Sturzes. Tic TranSvaal-Minen. Nach einer Depesche deS „Reuter'schen Bureau»" ans Cap stad t vom 2l. November begeben sich jetzt 67 Betriebs leiter der Minen nach Johannesburg, um Vorkehrungen für eine allmähliche Wiederaufnahme deS Betriebes in den Gruben zu treffen. Ihre Bureanangcstellten werden ihnen nach und nach folgen, dann kommen die Großhändler und schließlich wird erst die große Masse der Flüchtlinge folgen. Das wird aber Alles nur langsam von Statten gehen. Die „Times" melden aus Capstadt vom 20. November: Etwa 60 geflüchtete Minenarbeiter sind gestern Nacht nach dem Transvaal ab gereist. Dies bedeutet jedoch nickt eine allgemeine Rückkehr der Minenarbeiter. Die Abgcreisten sind ausgewählte Mann schaften, welche gewisse Minen für die anderen Arbeiter, die später nachfolgen werden, in den Stand setzen sollen. * Masekiug, 19. November. (Telegramm deS „Reuter'schen Bureaus".) Alle Bewohner von Lichtenburg, an Zahl etwa 500, sind hierher getrekkt; die Regierungsbehörden stellten ihnen dazu Transportmittel. Ter Uebcrfall von JacobSdal. Wie prekär die Situation der Engländer in Transvaal ist, wie wenig sicher sie selbst in schon seit längerer Zeit be setzten Städte» sind, geht auS folgendem Briefe eines englischen Soldaten hervor, den die Londoner Blätter ver öffentlichen: „Unsere Iacobsdaler Affäre war einfach Mord und nichts Anderes. Unserer Fünfzig (Capstadt-Schotlen) wurden vom Moddcrflusse unter Commando eines Hauptmanns und eines Leutnants abgeschickt, um die Stadt zu beschützen. (Be kanntlich liegt JacobSdal dicht vor Bloemfontein.) Wir waren gezwungen, fortwährend in Bereitschaft zu stehen, hatten in drei Tagen nur vier Stunden Schlaf und waren infolgedessen vollständig ausgepumpt. JacobSdal ist ein Dorf mit etwa 100 Häusern, einer Kirche und Caserue und ivar vor unserer Ankunft von 8 berittenen Polizisten be schützt. Nach unserem Eintreffen ließ der Capitän, statt unö in der Caserne einzuquartieren, in der Mitte des Markt platzes, der ganz von Häusern umgeben ist, Zelte errichten. Am Donnerstag, den 25. Oclober, um halb fünf Uhr Morgens rief die Schildwachc der Vorhut Jemanden an und stürzte in demselben Augenblick, von zwei Kugeln durchbohrt, zu Boden. Mit einem Satze waren wir alle auf den Beinen, doch ebe wir noch unsere Zelte verlassen hatten, wurden wir von drei Seiten des Marktplatzes her mit fürchterlichem Salven feuer begrüßt. Unsere Leute fielen verwundet und sterbend auf allen Seiten. Vier Mann versuchten eS, sich in die etwa 50 Meter entfernte Caserne zu flüchten, wurden aber niedcrgesckossen. Einem einzigen nur gelang eS, die Caserne zu erreichen, alle übrigen wurden von Kugeln durchlöchert Feuilleton. Die Malerin. Roman von I. MarSden Sutcliffe. Nachdruck «erbet'». Elftes Capitel. Auf der Straße kort, ganz Plötzlich, wie aus der Erde ge wachsen, stand Lord Algy vor ihr, den Hut in der Hand. Winfriede hatte gewähnt, daß ihr so leicht nichts begegnen könne, was sie an di« schreckliche Vergangenheit erinnern müßt«, und geglaubt, sich diese Befreiung schwer genug erkauft zu haben. Die neu aufkeimende Liebe hatte freilich schmerzliche Erinner ungen in ihr wachgerufen. Aber sie focht ja tapfer gegen diese al» hoffnungslos erkannt« Liebe, sie gestattete sich selbst in Ge- dankn nicht, mit Vorstellungen zu kosen, welch ein Glück ihr hätte zufallen können, wenn nicht.. . Sie sucht« vor sich selbst und vor den Bildern, welche ihre Phantast« ihr etwa vorgaukeln wollte, Zuflucht bei ernster Arbeit und hatte wenigstens insofern Belohnung darin gefunden, ,daß sie sich von den drückenden Erinnerungen an di« Vergangenheit nicht mehr heimgesucht sah. Der schöne Traum von erlangtem Frieden zerstob Angesichts des jungen Edelmanns, der sich auf ihre Bekanntschaft aus der CaveNdishstraß« her berief und sich über diese unverhoffte Be gegnung unverkennbar glücklich pries. Di« Art, wie er sie begrüßt«, wie er ihr den Weg vertrat und sich an ihrer Verwirrung weidete, Alles das ließ Winfriede erkennen, daß sie plötzlich vor einer Wendung in ihrem Schicksal stände und es sehr darauf ankäme, wie sie aus derselben hervor gehen würde. Den Gedanken, rasch an ihm vorüberzustürmen uns so die Bekanntschaft abzuleugnen, wies sie als feig und unklug bald von sich ab. Der Vorsatz, ihr Leben rein und fern von dem Bösen in der Welt zu führen, und die Energie, mit welcher sie dieS durchführte, hatte ihren Muth gestählt und ihre Lebensklug- heit bedeutend gehoben. Blitzschnell sah sie ihren Weg klar vor sich. So hielt sie Algy die Hand zum Gruße hin und sagte: „Es wäre unwahr, wollte ich behaupten, daß ich mich über diese Begeg nung sehr freute. Nachdem Sie mich aber erkannt und ange sprochen haben, muß ich Ihnen schon erklären, warum Sie mir nie wieder nahe kommen dürfen." „Ich bedauere sehr, so unwillkommen zu sein", sagte Lord Algy. „Ich hoffte ganz im Gegentheil, das Vergnügen würde beiderseitig sein; ich wenigstens bin hocherfreut, Sie wiederzu sehen, und Sie müssen mir schon gestatten, Ihnen zu sagen, daß Sie sehr schön geworden sind, viel schöner als früher." „Lassen Sie alle Complimente, Sie beleidigen mich dadurch nur", unterbrach ihn 'Winfriede mit eisiger Kälte. „Aber das ist ja gar kein Compliment, das ist ja die reinste Wahrheit", rief Algy, ihr bewundernd ins Gesicht schauend. Winfriede richtete sich hoch auf: „Statt aller Antwort eine Frage: Sind Sie ein Mann von Ehre, Lord Algy?" Der schneidende Ton ihrer Stimme, ihr fest auf ihn gerich teter Blick brachten ihn aus der Fassung, er stammelte eine Be jahung. „Das wußte ich! Wir sind viel zu vornehm, um auf nichts würdige Art Vortheile zu erstreben, Sie würden sich viel eher zum Beschützer einer wehrlosen Frau aufwerfen, als deren Ver folger zu werden." So viel unverdientes Lob machte ihn ganz vekwirrt. Un gläubig sah er Winfriede an, ob sie ihn nicht vielleicht zur Ziel scheibe ihres- Spottes mache, deutlich genug oerrieth sein ver dutztes Gesicht, daß er vor «inem Räthsel stand. Winfriede beeilte sich zu sagen: „Lord Algy, ich spreche in vollstem Ernste. Ich glaube, daß sich nur Ihre Sinne verleiten lassen können, nicht aber Ihr gutes Herz. Lernen Sie, den guten Trieben Ihres Herzens zu folgen, dann werden Sie keine weite ren Thorheiten begehen und sich meine Hochachtung erwerben." Dies« Berufung an fein Herz setzte ihn selbst zwar in Staunen. An Winfriedens Ernst konnte er aber nicht länger zweifeln. Die Hand erhebend, bethcuerte er: „Ich wäre sehr stolz, wenn mir das gelänge!" „Das können Sie sehr leicht, indem Sie mich fernerhin als eine Ihnen gänzlich Fremde behandeln. Sie lernten mich unter Umständen kennen, die mich einer schiefen Beurtheilung aussctzen mußten. Trotzdem kann ich Sie versichern, ist Ihr Urtheil falsch. Hiernach werden Sie als Mann von Ehre nicht zaudern, mir Ihr Wort zu geben, daß Sie mich fortab unbehelligt lassen wollen. Und ich werde dann freudig erkennen, daß ich meine Achtung keinem Unwürdigen geschenkt habe." „Könnten wir nicht wenigstens gut« Bekannte bleiben?" warf Algy ein, der bei aller ehrlichen Bereitwlligkeit, ihre Wünsche zu erfüllen, sich doch ein Hinterthürchen offen hallen wollte, die so interessante Bekanntschaft fortzusetzeii. Aber auch das schnitt sie kurz ab. „Zwingen Sie mich nicht zu näheren Erklärungen. Sie würden sich gewiß schämen, mir zum zweiten Male Anlaß zu der Bitte zu geben, daß Sie Ihre Bekanntschaft mit mir völlig vergessen sollen." Endlich war die richtige Saite berührt. Die edle, freiinüthige Art, mit der sie sein Ehrgefühl anrief, entschied. Wie das Alles mit ihrem Aufenthalt in Denison's Spielhöhle zusammenzu reimen sei, war ihm unklarer denn je. Aber er empfand be schämt, daß sein Verdacht ebenso beleidigend als haltlos war. Er beeilte sich zu sagen: „Ich bitte Sie ernstlich um Verzeihung, Frau Denison, daß ich so frei war, Sie anzuroden. Ich werde es nie wieder wagen. Sie anzureden, vielmehr Ihre Wünsche strengstens beachten." Mit tiefer Verbeugung empfahl er sich von ihr. Heiße Thränen standen Winfriede während der Heimfahrt in den Augen. Sic war aus einem schweren Kampfe siegreich hervorgegangen. Aber um welchen Preis! Wie von einem schweren Gewitter umtobt, war sic sich vorgckommen. So stand haft sie sich ini Unwetter gehalten, im fahlen Schein der Blitz: hatt« sie erkannt, daß ihr Leben nie gereinigt werden könne von dem Makel, welcher ihr durch ihre Ehe mit Reginald anhaftete, wie falsch es war, aus dem ruhigen Versteck des Spitals einen Schritt hinaus zu thun, welche Schwierigkeiten sich vor ihr auf- thllrmten durch den mit ihrem Manne abgeschlossenen Vertrag. Wie mußte Lady Falk sie verdammen wegen der Verheimlichung so schwerwiegender Thatsachen, und daß sie sich unter falscher Flagge in ihr Haus gestohlen hatte. Den Muth zu einem offene» Bekenntniß aber fand sie doch nicht, nach ihrer Meinung durfre sie um keinen Preis die Siegel lösen, welche sie sich selbst in Dori durch die Vereinbarung mit ihrem Gatten auf di« Lippen gelegr hatte. Darum fort von Glen-Orloch! Aber unter welchem Vor wande? So sehr sie auch ihr Gehirn marterte, ein solcher fand sich nicht. Also aushalten! Fortfahren, was ein Schritt vom Wege heraufbeschworen hatte! Dann aber zurück zum Krankenhaus! Sie emvfand eine wahre Sehnsucht darnach, sich voit wieder als Schwester West zu vergraben, um endlich von ihrer Ver gangenheit frei zu werden. Nie wieder, bis zu ihrem letzten Ganze zum Kirchhof, wollte sie das Spital verlassen. Weihnachten kam heran und für sie auch die ersehnte Er lösung aus der falschen Rolle uns der schiefen, unhaltbaren Stel lung. Sie arbeitete fleißig und machte glänzende Fortschritte. Den Verkauf des UlanS uud einer kleinen Landschaft batte Klaus vermittelt. Darnach waren ihr auf dem gleichen Wege zwei weitere Aufträge zugezangen. Hierdurch sehr ermuthigt, hatte sie sich mit einer wahren Wuth aus die Arbeit gestürzt, so daß Lady Falk aus Rücksichten auf ihre Gesundheit Einspruch erhob. Aber auch der Zeitpunct kam immer näher, da Klaus i:: Glen-Orloch zum Feste erwartet wurde. Noch immer hatte Winfriede nichs erzählt aus jenen auf den Tod ihres Vaters folgenden Jahren. Lady Falk erachtete es jetzt doch an der Zeit, in Erfüllung einer Pflicht gegen ihren Sohn, Winfriede auszuforschen. Als sie gelegentlich im Empfangszimmer zusammensaßcn, begann die Baronin: „Winny, Sie haben mir noch nie etwas erzählt aus der Zeit, in welcher Sie sich entschlossen, Pflegeschwester zu werden. Dari man darüber nichts erfahren?" So freundlich und arglos die Frage ausgesprochen wurde, ihre Wirkung auf Winfriede war furchtbar. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, wie in Verzweiflung erhob sie die Hände übec ihr Haupt und warf sich, in leidenschaftliches Schluchzen aus brechend, Lady Falk zu Füßen. Begütigend strich di« alte Dam« ihr über das volle Haar. „Warum denn so erregt, mein liebes Kind? Ich wäre ja nur zu glücklich, wenn Sie vertrauensvoll Ihr Herz gegen mich aus- schütten möchten. Thut es Ihnen aber zu weh, von jener Zeit zu erzählen, so wollen wir nicht wieder davon sprechen." „Ach! wenn ich nur dürfte", rief Winfriede, „aber eS ruht auf jener Zeit ein schreckliches Geheimniß, daS nicht mir allein gehört. Noch darf ich mein Gelübde nicht brechen, ich muß auch fernerhin schweigen." Winfriede hatte, vor Erregung schluchzend, kaum zu sprechen vermocht, sie war so hochgradig erschüttert, daß Lady Falk von jeder ferneren Frage wohl oder übel Abstand nehmen mußt«. Natürlich blieb Klaus von diesem Gespräch nichts verborgen. Aber ach! wie hatte sich Winfriede seitdem verändert. Nur scheu und furchtsam begegnete sie ihm und wagte kaum, ihm dir Hand zu reichen, geschweige denn ihn anzusehen. Trotz der Angst, die sich nun auch seiner bemächtigte, bat Klaus seine Mutter, Winfriede nicht weiter mit Fragen zu quälen. „Ich werde sie jetzt natürlich auch nicht durch mein«» Antrag bedrängen. Aber ich will ihr Geheimniß entschleiern, und dann soll sie mein sein, was auch kommen mag!" Unter irgend einem nichtigen Vorwande kehrte Klau» sofort nach London zurück. Aber trotzdem vas Weihnachtsfest dadurch sehr beeinträchtigt war, wurde Lady Falk immer gütiger und rücksichtsvoller, damit nur ihre geliebte Winny ihre Ruhe und Fassung wiederge'winnen möchte. (Fortsetzung folgt.)
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