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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.09.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010913018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901091301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901091301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-13
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' Vezugs »Preis ß» der tzemptexpeditioa oder de« im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestelle« abgeholt: vierteljährlich 4 KO, -et zwetamltger täglicher Zustellung i-S Ha»» ^l K.KO. Lurch die Post bezogen für Deutschlaud «. Oesterreich: vierteljährl. S. Ma» abonatrt ferner mit entsprechendem Postauffchlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäische» Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten tst der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte». möglich. Die Moraen-AuSgabe erscheint m» Uhr, di« Ldenv-Ausgab« Wochentag» »m ü Uhr. Kedarttou und Erpe-itton: -ohanniSgasse 8. Filiaie«: Tlsted Baßn vorm. O. Klemmt Sorkffa. U»wersität»straße S (Paulinnm), Loui« Lösche, Latharinenstr. 14» vurt. und KünigSplatz 7. Nr. 467. Morgen-Ausgabe. MpMer. TllgMaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Äintsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Freitag den 13. September 1901. Anzeigen »Preis die -gespaltene Petitzeile L5 Reklamen unter dem RedacrtonSstrtcy («gespalten) 7K vor den Famtlieuuach» richten (S gespalten) KO H. Dabellarischer und Ziffernsatz entspreche»- höher. — Gebühren stlr Nachweisungen nnd Offertenaoaahm» 25 (excl. Porto). Erkra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung -4l SO.—, mit Postbesörderuug 70.—. Äunahmeschluß für Xnzeigeu: Aband-Susgab«: vormillag» 10 Uhr. Mrrgan-LnSgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen and Annahmestelle» je ein» halb« Stunde früher. Anzeige» find stet» a» di« Expedition zn richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck u»d Verlag voa L. Pol» t» Leipzig. 85. Jahrgang, Französische und deutsche Maschinengewehre.! 8. Wie im Gewerbe die Handarbeit von der Maschine mehr und mehr verdrängt wird, so macht sich auch in der Waffen technik das Bestreben geltend, einen Theil der Handarbeit durch die Maschine zu ersehen. Bei dem Kleinaewehr ist dies durch eine Vorrichtung erreicht, bei welcher der Rückstoß beim Schuh die Thätigkeit des Auswerfens der abgeschossenen Patronen hülse, da» Laden einer neuen Patrone und das Spannen des Schlosses in selbstthätiger Weise übernimmt, wie dies bei den Selbstladepistolen einwandfrei zur Ausführung gelangt ist. Dieses System auf ein kriegsbrauchbares Großgewehr, also auf ein Jnfanteriegewehr, auszudehnen, ist bis jetzt zwar noch nicht geglückt, aber an Versuchen dazu und an mehr oder weniger ge eigneten Constructionen fehlt es keineswegs. Einen größeren Erfolg hat man dagegen mit solchen Schiebwaffen gehabt, welche nicht, wie Pistolen und Gewehre, von freier Hand bedient werden, sondern zu diesem Zwecke in einem Schießgestell gelagert sind. Bei den Maschinengeschützen erscheint dies selbstverständ lich, und bekannt sind in neuester Zeit die Pompom-Geschütze der Engländer geworden, welche diese gegen die Boeren ver wenden; ihr Erfolg wird von englischer Seite über Gebühr aufgebauscht, denn in artilleristischer Beziehung ist die Leistung dieser Geschütze, welche durchweg nach Maxim'schem System mit einem Kaliber von nur 3,7 Centimeter hergestellt sind, doch eine zu unbedeutende, und ihre Wirkung kann mit der eines modernen Feldgeschützes von dem gebräuchlichen 7,5-Centimetcr- Caliber gar nicht in Vergleich gezogen werden. Anders verhält es sich mit den Maschinengewehren, welche aus Schieß gestellen ruhen und deshalb fälschlich Maschinengeschlltze genannt werden, obschon sie nicht Geschütz-, sondern Gewehrmunition verfeuern, und nur in der verfeuerten Geschoßart liegt das Kriterium des Geschützes und des Gewehres. Die Schweiz war der erste Staat, welcher solche Maschinen gewehre für sein Landheer einfllhrte, wenn auch in einigen Großstaaten diese Maschinenwaffen schon als Ausrüstung auf Kriegsschiffen bekannt war. Der Schweiz folgten Deutschland und Frankreich, wie auch England; während sich aber Frankreich zu einem nach dem System Hotchkiß construirten Maschinen gewehr entschloß, wurde von den anderen genannten Staaten das Maxim-Maschinengewehr gewählt. Beim Hotchkiß-System werden die durch die Pulververbrennung entwickelten Gase be nutzt, um das Gewehr als Maschine in Thätigkeit zu setzen. Dieses Gewehr besteht aus einem Laufe, an dessen Hinterem Ende ein mit Warzen versehener Abkühler zur Verzehrung eines Theiles der beim Schießen entwickelten Wärme. Die Schloßtheile sind in einer mit dem Laufe verschraubten Hülse angeordnet; über dem Lauf« und parallel mit ihm liegt ein Cy- linder, der einen sich vor- und rückwärts bewegenden Kolben aufnimmt. In der Nähe der Laufmündung ist ein Loch in die Laufwand zur Verbindung des Laufinnern mit dem Cylinder eingebohrt. Tritt nun beim Schuß das Geschoß über dieses Loch hinaus, so dringen die ihm folgenden Gase in den Cy linder ein, drücken den Kolben zurück und mit diesem eine um ihn gelagerte Spiralfeder zusammen, welche nach ihrer Ent spannung beim Aufhören der Wirkung der Gase den Kolben wieder nach vorwärts bewegt. Diese Vor- und Rückwärts bewegung des Kolbens besorgt nun selbstthätig olle Handgriffe des Schützen einschließlich des Abdrückens beim Schießen. Nur beim Beginn des Schießens wird der Verschluß geöffnet und geladen; dann aber geht das Schießen ohne Unterbrechung fort, bis der 24—30 Metallpatronen enthaltene Lader ausgeschossen ist. Daß mit diesem Gewehr in der Minute 500—600 Schuß abgegeben werden können, wird behauptet; es erscheint aber zweifelhaft, weil dabei der Lader mindestens zwanzi^mal aus gewechselt werden muß, was ein besonderer Bedienungsmann zu besorgen hat. Das Gewehr, das, wie unser Gewehr 98, einen Kolben mit Pistolenschäftung hat, wird vom Schützen mit der linken Hand in die Schulter gedrückt, während die Rechte den Kolbenhals umspannt und den Abzug zurückzieht, worauf das Geschütz so lange feuert, bis die Patronen des Lader» abgeschossen sind. Wird der Abzug losgelassen oder tritt ein Versager ein, so hört natürlich auch das Schießen sofort auf. Das Gewehr wird in zwei Theilen auf zwei Tragthieren fort geschafft und muß zum Gebrauch erst durch Verschrauben von Lauf und Hülse schußfertig gemacht werden; ein drittes Trag thier befördert die Munition. Mit diesem Maschinengewehre wurden im Vorjahre die französischen Alpenjäger ausgestattet und nun sollen es auch die Grenzjäger-Bataillone erhalten, von denen im Bereiche deS 6. und des 20. Armeecorps allein zehn an der Grenze stehen. Die Annahme, als sei dieses Maschinengewehr dem von Eng land, Deutschland und der Schweiz angenommenen Maxim- Maschinengcwebr überlegen, ist aber in jeder Beziehung un zutreffend. Die maschinellen Einrichtungen dieser Maschinen waffe sind schon häufig beschrieben worden und können als bekannt vorausgesetzt werden. Es sei nur ganz kurz erwähnt, daß beim Rückstoß nach dem Schüsse durch die Rückwärts bewegung der Theile das Schloß sich von dem Lauf trennt, die leere Hülse auszieht und die Schlagfeder spannt. Bei der Vorwärtsbewegung wird dann di« leere Hülse vollends aus geworfen, die neue Patrone eingeführt, der Verschluß geschlossen und der Schlagbolzen vorgeschnellt, worauf das Spiel beim nächsten Schuß von vorne beginnt, und sofort, so lange Patronen vorhanden sind. Die Vorzüge des Maxim-Systems gegenüber dem von Hotchkiß bestehen zunächst darin, daß das Maschinengewehr ein vollständiges Ganzes bildet und stets schußbereit ist, also nicht erst zusammengeschraubt zu werden braucht. An Stelle des Abkühlers ist der Lauf in eine Wasserjacke von Bronze ge lagert, wodurch die Abkühlung des Laufes beim Schießen sicherer erreicht wird. Die Metallpatronen sind auf Ladegurten auf gereiht; ein Gurt enthält meist 250 Stück, so daß bei 500 Schuß der Gurt nur einmal gewechselt zu werden braucht, während beim Hotchkiß - System der Lader dazu zwanzigmal ausgewechselt werden muß. Bei Maxim sitzr der Maschinen schütze hinter dem Gewehr und drückt auf den Abzug, wobei cr fortwährend zielen oder auch nach Bedarf und Belieben das Einschlagen der Geschosse beobachten kann. Das Maxim-Ma schinengewehr ist aus den verschiedenartigsten Schießgcstellen an geordnet, von einer einfachen Refflaffete, die zum Tragen des completen Gewehrs auf dem Rücken eingerichtet und von der Schweiz angenommen ist, bis zur leichten Cavallerie-Lafsete und der hinter Erdbrustwehren im Festungskrieg« zu verwenden den hochzukurbelnden Brustwehrlaffete. Die bei uns zur An nahme gelangten Maxim-Maschinengewehre haben einige Ver besserungen an einzelnen Schloßtheilen erhalten, wie auch solche besonders an den Schießgestellen angebracht wurden, so daß die jetzige Laffetirung für die Verwendung in der Feuerstellung wie in der Bewegung beim Aufmarsch eine vollkommene ist. Nach dem die Versuche bei uns beendet sind, werden nach den dies jährigen Manövern zunächst vier Maschinengewehr-Abtheilungen bei den Jägerbataillönen errichtet, denen sie grundsätzlich zu- getheilt werden. Mit diesen Maschinengewehren hat unser Heer eine Waffe erhalten, die in Bezug aus Feuergeschwindig keit, Treffsicherheit, Beweglichkeit und Verwendungsfähigkeit bis her unerreicht dasteht, und es kann keinem Zweifel unter liegen, daß das System Maxim dasjenige von Hotchkiß bei Weitem überragt, wenn man auch den Versuch macht, das Gegenthril zu behaupten; hier entscheidet aber allein der Er folg, der bis dahin auf der Seite von Maxim gewesen ist und ohne welchen unsere Heeresverwaltung schwerlich dieses System angenommen haben würde. ZUM Attentat auf Mac Kinley. * Buffalo, 12. September. (Telegramm.) Da» beute früh 6 Uhr über das Befinden des Präsidenten Mac Kinley auSgegebene Bulletin lautet: Der Präsioent hatte ein« gute Nacht. Puls 122, Temperatur 100,2. * London, 12. September. („Reuter's Bureau".) „Daily Mail" berichtet ans Washington: Der stellvertretende Sekretär des Ackerbau-Departements Brigham, der aus Buffalo zurückgekehrt ist, erklärte, er habe auS guter Quelle gehört, daß die in der Ausstellung thätigen Beamten deS ge heimen Dienstes über 20 Telegramme erhalten hätten, in denen ihnen mitgetheiit worden sei, daß ein Plan bestehe, den Präsidenten Mac Kinley in Buffalo zu ermorden. * Posen, 12. September. Ueber die Herkunft Czol- gosz'S verrichtet „Dziennik Poznanski", die Familie Czolgosz stamme aus Ceokkwice bei Znin in der Provinz Posen. Von dort seien die drei Brüder Josef, Leon und Franz Czolgosz vor einigen zwanzig Jahren nach Amerika auSgewandert; ein vierter Bruder befinde sich noch in Znin. Deutsches Reich Berlin, 12. September. (Bekämpfung der anarchistischen Gefahr.) In der Presse begegnet man vielfach der Behauptung, daß in den amerikanischen Staaten keine Gesetze gegen die Dynamithelden und Anarchisten beständen. Diese Behauptung ist irrig. Der Staat Illinois z. B. hat ein sehr strenges Dynamitgcsetz. Danach sollen Per sonen, welche Sprengstoffe in ungesetzlicher Absicht machen oder vertheilen, mit Zuchthaus bis zu 20 Jahren bestraft werden. Dieselbe Strafe trifft auch die Mithelfer. Sprengstoffe dürfen nur mit Erlaubniß fabricirt und verkauft werden; Händler mit Sprengstoffen haben über Namen und Wohnung der Käufer Buch zu führen und sind verpflichtet, dem Staatsanwalte jeder Zeit ihre Bücher zur Einsicht vorzulegen. — In Chicago wurde die Thätigkeit der „Internationalen" mit dem Beginn des großen bekannten Processes völlig lahm gelegt, weil von den begabteren Führern der Partei kein einziger in Freiheit blieb. — In den Staaten, in denen die Gesetzgebung zurückgeblieben und die Polizei nicht auf dem Posten ist, muß Remedur geschaffen werden. Wenn davon die Rede ist, die Maßnahmen gegen die Einwanderung zu verschärfen und auf diese Weise dem Import von Anarchisten einen Damm enlgegenzusetzen, so würde die nothwendige Ergänzung eines solchen Schrittes in einem Aus fuhrverbot für anerkannte Anarchisten bestehen. Gegen die Auf hebung des Asylrechts, wie es von den Vereinigten Staaten und von England aufgefaßt wird, kann nirgends in der Welt ein begründeter Einwand erhoben werden. Auf der letzten Kon ferenz, die sich mit internationalen Maßnahmen zur Abwehr der Anarchistcngefahr beschäftigte und die im Jahre 1899 — also vor der Ermordung König Humbert's — in Rom tagte, wurde Zweierlei erreicht: erstens eine regere Unterstützung der Polizeiverwaltungen der verschiedenen Länder durch fort laufenden und raschen Nachrichten-Austausch und ferner die An erkennung des Princips, daß jeder Staat das Recht habe, einen Anarchisten, der nicht auf dem Boden dieses Staates heimath- berechtigt ist, demjenigen anderen Staate zuzuschieben, in dem dies der Fall ist. Selbstverständlich muß dieser andere Staat auch die Verpflichtung übernehmen, den betreffenden, ihm zu geschobenen Anarchisten entweder zu interniren oder jedenfalls so weit zu überwachen, daß er nicht wieder von Neuem ein anderes Land unsicher machen kann. Aber auch wenn der Polizeidienst in den verschiedenen Culturstaaten auf eine noch so ideale Höhe gehoben wird, so wird doch noch keine Gewähr dafür geboten sein, daß nicht Verbrechen wie das von Buffalo sich wiederholen. Am wenigsten wird die Polizei die Staatsober häupter wirksam in solchen Staaten schützen können, wo diese Häupter durch die Rücksichten auf ihre Wiederwahl genöthigt sind, sich von Jedem die Hand schütteln zu lassen. Gerade in Amerika ist daher das Asylrecht am gefährlichsten. -v- Berlin, 11. September. (Die Einschränkung der Kinderarbeis außerhalb der Fabriken.) Ueber die schädlichen Wirkungen der Lohnarbeit schulpflichtiger Kinder kann sicherlich Niemand besser urtheilen, als der Volks schullehrer, der ja die nachtheilige Wirkung dieser Arbeit auf die geistige Leistungsfähigkeit und die körperliche Entwickelung der Kinder täglich vor Augen hat. Es ist darum gewiß dankenswerth, wenn in der „Socialen Praxis" Lehrer Agahd aus Rixdorf kritische Betrachtungen zu den „Grundzllgen" der gesetz lichen Regelung der gewerblichen Kinderarbeit außerhalb der Fabriken anstellt. Der Verfasser beweist den Willen zur Ob- jcctivität schon dadurch, daß er in der Einleitung anerkennt, daß gerade der gegenwärtige Moment für gesetzgeberische Maßnahmen zu Gunsten der Einschränkung der Kinder arbeit insofern ungünstig ist, als in Folge der Verteuerung der Lebensmittel und der Steigerung der Miethen, besonders in den größeren Städten, naturgemäß eine Steigerung der Kinder arbeit zu erwarten ist, weil der schlecht bemittelte Familienvater den höheren Ausgaben gegenüber an höhere Einnahmen denken muß und deshalb nur zu sehr geneigt sein wird, auch die im zarten Kindesalter stehenden Familienmitglieder zum Erwerbe mit heranzuziehen. Aus diesem Grunde vermögen wir dem Ver fasser auch nicht darin beizustimmen, wenn er für radicale Be stimmungen eintritt, nur weil eine Umgehung milderer Be stimmungen möglich wäre. So wendet er sich beispielsweise da gegen, daß in an sich gesundheitsschädlichen Betrieben Kinder sollen beschäftigt werden dürfen, und zwar in solcher Thätigkeit, die mit der Schädlichkeit des Betriebes nichts zu thun hat, z. B. als Laufbursche in einer Farbenhandlung. Er meint, daß ein solcher Laufbursche dann doch von dem Arbeitgeber nicht nur als solcher beschäftigt, sondern auch zu dem höchst gesundheitsschäd lichen Zerreiben der Farbe benutzt werden würde. Zweifellos giebt es gewissenlose Arbeitgeber, die in solcher Weise das Verbot der Beschäftigung von Kindern in gesundheitsschädlichen Be trieben zu umgehen suchen würden, aber ebenso zweifellos ist die Möglichkeit vorhanden, durch nachdrückliche Strafen die Neigung zu solchen Umgehungen einzuschränken. Umgangen werden kann an sich jedes Gesetz, und deshalb sollte man hier nicht Be schäftigungen ausschließen, die an sich unschädlich und für die bedürftigen Eltern eines Kindes eine materielle Entlastung sind. Hingegen wird man dem Verfahren unbedingt darin zustimmen müssen, daß keinerlei gewerbliche Beschäftigung der Kinder, auch nicht als Laufburschen, Frühstücksausträger und dergleichen vor demBeginne desUnterrichts gestattet sein soll. Denn durch eine solche Beschäftigung in den frühen Morgenstunden wird das Kind am meisten körperlich und geistig benachtheiligt. Für Kinder ist ein ausreichender Schlaf nahezu ebenso wichtig, wie eine ausreichende Nahrung, und wenn sie nach ungenügendem Schlafe Arbeit verrichten müssen, so leidet ihre körperliche Ent wickelung. Nicht minder aber auch die geistige. Der Verfasser stellt fest, daß beispielsweise in Charlottenburg von etwa 500 als Frühstücks- u. s. w. Träger beschäftigten Kindern 214, also mehr als zwei Fünftel, zwei Stunden und darüber thätig sein mußten, und dabei zwischen 25 und 100 Treppen zu ersteigen hatten, wozu noch die zurückzulegenden Wegstrecken kamen, die sich auf bis 4 Kilometer bemaßen. Daß ein Kind, das am frühen Morgen, häufig bei kühlem und regnerischem Wetter, ein halbes Hundert Treppen herauf- und heruntergeklettert ist und eine halbe Meile hat laufen müssen, nicht im Stande ist, den Unter richt in derselben Weise zu folgen, wie andere Kinder, die bis eine halbe Stunde vor dem Beginne des Unterrichts haben schlafen können, liegt auf der Hand. Die Kinder bleiben dann zurück, und zwar je länger, desto mehr. Dadurch werden aber nicht nur ihre geistigen Fähigkeiten und ihre positiven Kenntnisse ungünstig beeinflußt, sondern auch ihr Charakter. Denn ein Kind, das unausgesetzt hinter seinen Schulgenossen zurllckbleibt, wird entweder apathisch oder mürrisch. Auch durch die Scenen, die gerade in der Großstadt ein Kind in den frühen Morgenstunden, in denen die schlimmste Sorte der Nachtschwärmer sich auf der Straße herumtreibt, erblickt, können Charakter und Sittlichkeit der Kinder nicht gefördert werden. Das also in dieser Be ziehung radical verfahren wird, wäre Wohl zu wünschen. * Berlin, 12. September. „Deutschland, unser Vorbild" lautet der Titel einer bemerkenswertben Abhand lung in dem von der bekannten Londoner Verlag«firma Mather L Crowther herausgegebenen „Practica! Guide". Wir geben daraus einige Stellen wieder, die dem allgemeinen Interesse deutscher Leser begegnen dürften: „Wir sehen in Deutschland während der letzten Jahrzehnte einen merkwürdigen Wandel sich vollziehen. Neben einer starken mili« Lrnilletsn. Jungtürken und Verschwörer. i. LS bedurfte wirklich nicht ttst des türkisch-französischen Con- slictS, um wieder einmal den Blick nach dem Bosporus zu lenken, und zu sehen, wir ein reiches Land und «in intelligentes Volk langsam zu Grunde geht, weil der Herrscher seine Zeit nicht versteht und weil die GünstlingSwirthschaft immer schlimmer wird. Man ist gewöhnt, die Türken als geistig minderwerthig hinzustrllen und sie, weil sie ein« andere Religion haben, al» die Ültrareactionärrn zu betrachten. Das sind sie aber durchaus nicht. Si« wiflrn in den gebildeten Kreisen sehr wohl Alles, was Kultur und Fortschritt anyeht, und daß ihr Land sich dieser Cultur, diesem Fortschritt verschließt, das bedauern sie. Freilich nicht alle Türken denken so. Es giebt auch noch eine sehr große Anzahl, die an den alten Traditionen festhält und die Türken als «in orientalische» Volk betrachtet, das abendländischer Civilt- sation fremd bleiben müsse, um sein« Eigenart, seine Religion, seine Verfassung zu behalten. Der andere Theil aber sieht «in, daß nur abendländische Cultur, natürlich den eigenartig«« Ver hältnissen anyepaßt, der Türkei helfen kann, und versucht auf all« mögliche Art und Weise siin Reformprogramm, wenn er über haupt ein solche» fest mnriffen«» Programm hak und nicht nur seinen Geschäften nachgeht, zu verwirklichen. Einmal sind ihm Amt und Würden Mittel dazu, daS andere Mal ist eS di« Flug schrift, dir Minirarbeit in der Fremde. Die Zahl der Anhänger einer Reform in der Türkei, gemeiniglich Jungtürken genannt, ist sehr groß, ebenso groß freilich auch da» Heer der Spion« de» Sultan», mrd e» ist kein« le«rr Drohung gewesen, wenn Delcaffä sich geäußert Kat, daß, wenn di« 2ürk«i in der Quatfrage nicht nochgebe, er die Spia-ne d«» Sultan» au» Frankreich auSwetsrn würde. Da» war« ein großer Schlag für d«n Padischah, noch mehr für die Lamarilka, di« Nebenregierung tm S«rail, denn dann wüßten st« nicht, wa» di« Jungtllrken treib«n, und sie säßen immer in heiliger Angst, daß einmal dir ganze Herrlichkeit des Uldiz-Kiosk in di« Luft flöge. Die jüngste Verschwörung im Harem, die mit vielen seidenen Schnuren, mit Versenkungen in den Bosporus, mit Gift und Dolch, mit Verbannung und sonstigem Verschwinden nach außen hin bemerkbar war, in ihr«m Wesen aber noch immer Geheimniß ist, z«ugt davon, daß auch jetzt wieder, wi« früher, die Verschwörer sich mit dem Sultan zu Tisch sitzen und zu Bette legen. Er ist nirgends sicher, und wenn er von seinen Speisen kostet, so muß man vor seinen Augen erst davon gegessen haben, hinter jedem Busch« kann ein Dolch lauern und seine geliebteste Favoritin kann ihm anstatt glühender Küsse den Giftbecher reichen und ihre weißen Hände können anstatt der Süßigkeiten eine verhängnißvolle Scheere bergen. Das Leben der Großen ist wahrlich nicht zu beneiden, gegen die Macht tauschen sie die Gefahr ein, gegen die Gewalt über Andere die Angst ums eigen« Leben. Dabei richten sich die Reformgedankm d«r Jungtürken gar nicht gegen den Sultan selbst. Er gilt ihnen immer noch als Khalife, als Nachkomme Mohammed». Nur das System wollen sie ändern. So ist es gewesen zu Selim'S Zeiten, des ersten Reform sultans vor hundert Jahren, und so ist es noch heute. Freilich, der Wille hat nicht immer di« That verhindern können. Wenn das Maß voll war, dann stürzte d«r Sultan von seinem Throne und machte einem Anderen Platz, den man aus dem Prinzenkäfia holte. Da» letzte Jahrhundert ist «ine Kette von Wollen und Nrchtwollen, von Können und Nichtkönnen, ein Auf und Nieder in dem StaatSorganiSmuS der Türkei, ohne da» Blut und Gut, Dolch und Gift, Verspoechen und Hakten, Reform und Rcaction dabei zur Ruhe gekommen wären. Am 11. Juni 1826 vernichtete Sultan Machmud die Janitscharen und zerstörte damit den Keim der Unzufriedenheit. Damit hatte Machmud bewies««, daß e» ihm Ernst mit den Reformen sei. Alle Welt jauchzt« ihm zu, und doch war «r nur ein D«Spot. Er war voller Widersprüche. Am Tage nach der Vernichtung der Janitscharen sagte «r zum Rei» Efendi, dem Minister des Aeußern; „Ich will, daß fortan der Thron nicht m«hr der Schreck«« bei Volke», sondern sein« Stütze sei. Ich verdamm« di« ConfiScatim und lasse den Kindern der Rrbellen die Güter ihrer Väter." Aber 14 Tage später confi»cirt« «r für sein«« Schatz die Güter des Reis Efendi selbst und das Vermögen des jüdischen Bankiers Tschaytschi. Das will aber nichts weiter heißen. Das ist man in der Türkei gewöhnt. Am 1. Juli 1839 starb Machmud, und zwar, eine Seltenheit, eines natürlichen Todes. Reschid Pascha, seine rechte Hand, blieb auch bei seinem Nachfolger. Abdul Medschid folgte seinem Vater in der Regierung. Als Abdul Medschid, so schreibt Bernhard Stern in seinem sehr lesenswerthen Buche: Jungtürken und Verschwörer. (Leip zig, Grübe! L Somm«rlatte), die Regierung antrat, Var er noch ein halbes Kind, kaum majorenn. Von Natur war er sanft, aber nicht besonders klug. Er besaß geringe Bildung, dafür'jedoch die große Tugend, sich seiner Fehler bewußt zu siin, und das Geschick, sich «der besten Rathgeber zu versichern, die das Reich aufzuweisen hatte. Er schenkte seinen Leuten Vertrauen, folgte ihren Weisungen und gewann schnell die Sympathie des Aus landes und das, was keinem seiner Vorgänger beschieden war: di« Liebe der Unterthanen, der Moslems, wir der Rajahs. Als die fremden Diplomaten zu Reschid Pascha, der als Minister d«S Aeußern oder Reis Efendi im Amte verblieb, kamen, um ihre Glückwünsche für den jungen Herrscher darzubringen, sagte Reschid: „Der Sultan Abvul Medschid gedenkt die Re formen fortzusehen, welche sein Vater Machmud ihm als edles Erbe hinterlassen hat." Gleich nachher vernahm man auch in den Kreisen der höchsten Beamten des Staates und in den Kreisen der fremden Diplo maten das grheimnitzvolle Gerücht, daß der Sultan mit Reschid Pascha und einigen anderen Vertrauten an einem neuen Tansimat wochenlang eifrig arbeitet«. Dieses „Tansimat hairä", ein wahrhaftes Reformwerk, erschien bald öffentlich. Am 3. November 1839 wurden alle Großen de» Reiche», die hohen Officiere und Minister, d« Ulemas, zahlreiche Vor nehm« de» Volke», die Notabetn und Geistlichen der Griechen, Jude«, Armenier, dann di« diplomatischen Vertreter der euro- päische» Mächte und der Kamal» in Konstantinopel weilend« Sohn de» König» von Frankreich, Prinz Joinville, nach dem Kiosk von Gülhane, dem Rosenhau» im Garten d«» alten Sserai am Marmaragestad«, eingeladen. Vor dem Kiosk war ein quadratförmiger Platz, von einer Menge Gardetruppen um stellt, mit einer Rednertribüne in d«r Mitte. Als Alle sich ver sammelt hatten, erschien der junge Sultan Abdul Medschid. Dann betrat Reschid Pascha mit einem Schriftstücke in Der Hand, die Rednertribüne, und nachdem der Hofastrologe das Zeichen gegeben, daß der günstige Augenblick gekommen sei, ver las der Minister die Proclamation des Sultans. Und 101 Kanonenschüsse verkündeten den Meeren und den Ländern, daß das Reich eine Verfassung erhalten hatte, auf welche — nach orien talischen Begriffen unerhört — der Monarch und nach ihm die Großwürdenträger den Eid ablegten. Die Einleitung dieses „Hattischerifs von Gülhane", dieses kaiserlichen Edictes, besagte: daß in Folge Vernachlässigung des heiligen Gesetzes die Kraft und das Glück der früheren Zeiten sich in Schwäche und Armuth verwandelt hätten. Sodann hieß es: Die neuen Einrichtungen sollen vorzüglich drei Punct« umfassen — Bürgschaften, welche «ine vollständige Sicherheit des Lebens, der Ehre und des Eigenthums gewähren; die Regelmäßigkeit in der Vertheilung und Erhebung der Staats abgaben; die Regulirung der Rekrutenaushcbung und der mili tärischen Dienstzeit. Die weiteren Einzelheiten dieses Hattischerifs möge man bei Stern weiter nachlesen. Jedenfalls verhieß der Sultan ein« treffliche Regierung, man? konnte glauben, daß nunmehr das Jungtürkenthum gesiegt habe. Aber es blieb Alles auf dem Papier. Sie fanden allerorten Widerstand; bei den Christen und Juden germu so, wie bei den Mohammedanern. Die Ersten befanden sich ziemlich wohl, sie dienten nicht, die Mohammedaner wollten nichts von ihrer Oberherrschaft über die Christen ein büßen. Alles widerstrebte, es schien ein Chaos zu werden. Da erließ Abdul Medschid einen Ferman am 26. August 1858, worin er offen erklärt«: „Die Mißbräuche sind tief zu beklagen. Ls muß Ordnung gemacht werden. Ich will der Erste sein und bei mir anfangcn! . . To wurde der Sultan Abdul Medschid selbst d«r erst, Jungtürsi.
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