Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190110063
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19011006
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19011006
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-06
- Monat1901-10
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.10.1901
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis bi der Hauptexpedition oder den im Stadt- bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.S0, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus S.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonntrt ferner mit entsprechendem Postausschlag bet den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- bur->, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für all» übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-Au-aabe erscheint um '/,? Ubr, die Abend-Au»gaoe Wochentag» um k Uhr. Redaction und Expedition: JohanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Tortim. Universitätsstraße 8 (Paultnum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. MpMer TagMalt Anzeiger. ÄmtsAatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H, Reklamen unter dem RedactionSstrich (-gespalten) 7S H, vor den ffamiliennach» richten (6 gespalten) KO Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höhec. — Gebühren für Nachweisungen und Ojfertenannahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung 70.—. Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Pol» in Leipzig. 95. Jahrgang. Nr. 510 Sonntag den 6. Octobcr 1901. Aus der Woche. Mit dem Wiederzusammentreten deS BundeSratheS — eigentlich nichtexistent ist diese Körperschaft allerdings nie mals — ist die innerpolitische Saison eröffnet worden, die gesetzgeberische Arbeit. WaS bisher seinen Ausschüssen über wiesen wurde, ist nicht erregend, aber noch in dieser Woche wird eS an den Zolltarif gehen. Vielleicht deshalb ist die pseudo-ausländische Kanonade, die auf eine Weile verstummt war, in den letzten Tagen wieder hörbar geworden. Oesterreich, Ungarn und Oesterreick- Ungarn sollten wieder fürchterlich gedroht haben für den Fall, daß das deutsche Reich von dem geplanten Tariffrevel nicht abstände, und der Dreibund war natürlich auch wieder in der bekannten Gefahr. Wahr ist an den Ausstreuungen nicht daS Geringste gewesen, und der denkende, aber uneingeweihte Mensch mag sich gewundert haben, daß der alte ab gebrauchte Schwindel abermals inscenirt wurde, lediglich zu dem Zwecke, um das Sprichwort zu erhärten: „Lügen haben kurze Beine". DeS NäthselS Lösung ist aber sehr einfach: die Leiter der Vereinigungen, die zum Zwecke der Abwehr einer Erhöhung der landwirthschaftlicken Schutz zölle sich gebildet haben, sind nicht allzu vorsichtig bei der Auswahl der in Versammlungen und Zeitungen tbätigen Agitatoren, von denen viele von den zwischen den Mächten herrschenden diplomatischen Gepflogenheiten und den Grenzen der gegenseitigen Einspruchsrechte die seltsamsten Vorstellungen haben. Diese Agitatoren, die ihren Mangel an Wissen durch Eifer ersetzen zu müssen glauben, ahnen nicht, daß sie beim Bezug ihrer „Informationen" eine in Berlin ansässige Lügenfabrik unterstützen, die darauf eingerichtet ist, einem Theil ihrer Erzeugnisse österreichische, ungarische, russische, wohl auch rumänische und argentinische Ursprungsstempel ein- zubrennen. Früher ging deutsches Zinn nach England, erhielt dort englische Fabrikmarken und wurde hierauf nach Deutschland zurückgebracht. So verhält es sich mit den grimmigen ausländischen Vervammungsurtheilen über unfern Zoll tarifentwurf, den Interviews mit drei Diplomaten, die das mitteleuropäische Bündniß durch die deutschen handels politischen Absichten an den Rand deS Abgrundes gedrängt sehen, und mit den „bestimmten Erklärungen leitender aus wärtiger Staatsmänner". Alles macke in Berlin, gelegentlich ja wohl einmal in Frankfurt a. M. oder in Hamburg. Bon aller Schuld freizusprechen sind die Leiter jener Vereinigungen freilich nicht. Der Stempel der Berliner Fabrik ist so leicht zu erkennen, daß seine kennzeichnenden Merkmale auch den hand werksmäßigen Agitatoren beigebracht werden könnten. Läßt man diese ohne die nöthigen Kenntnisse und Instructionen, so kann man sich nicht Wundern und nicht beklagen, wenn die bündlerische Presse den Vorwurf erbebt, nicht nur die Forderungen der Landwirthe, sondern auch die Entwürfe und Absichten der verbündeten Regierungen würden mit den un lauteren Mitteln in Deutschland fabricirter und in Deutsch land subventionirter Lügenfabrikate bekämpft, die sich in den gestohlenen Mantel auswärtiger Halb- oder Ganzamtlichkeit hüllten. Inzwischen hat auch der Centralverband deutscher Industrieller gesprochen, einheitlicher und deshalb klarer als der deutsche Handelstag, dessen Mißgeschick die freisinnige Presse theils der Sprache beraubt, theils zu ergreifenden Trauergesängen veranlaßt hat. Der Centralverband hat, was bei seiner Zusammensetzung eigentlich selbstverständlich war, genau das beschlossen, was auf dem HandelStag in der abgelehnten „Bochumer Resolution" zusammen gefaßt war. Daö ist in der Hauptsache: Bewilligung der Getreidezölle, wie sie im Minimaltarife festgesetzt sind, aber Ablehnung deS Mini maltarifs als solchen. In der Erörterung hat aber auch die gesetzliche Bindung von Mindestzöllen viele Freunde ge funden und nach dieser Richtung scheint unS der Beschluß de» Centralverbandes nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ganz abgesehen davon, daß der Verband im Reichstage un mittelbar einen minimalen und mittelbar keinen sehr erheb lichen Einfluß besitzt. Das „deutsche Contingent", da» in China gewesen, muß vor ein Kriegsgericht. ES war es, daS unS eine böse Suppe einbrockte, indem eS die astronomischen Instrumente der Pekinger Sternwarte „fortführte". Es und Niemand anders. So zu lesen in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", und WaS in diesem Blatte steht, ist Wahrheit. Eines nur ist unklar: das „deutsche Contingent" hat auf deutschem Boden nichts mehr zu sagen und „sortzuführen" gehabt. Wie sind nun die Instrumente nach dem Potsdamer Hof garten gekommen? DaS ist ein Punct, den das Kriegs gericht — nicht wegen der Schuldfrage, die hat die „Norvd. Allgem. Ztg." definitiv beantwortet — aber im Interesse der Findung eines entsprechenden Strafausmaßes aufbellen muß. Ueber Inhalt und Form der Agitation, wie sie von den fortschrittlichen Frauenvereinen betrieben wird, sind die Ansichten sehr getheilt und die Art und Weise, in der Damen, wie z. B. Frl. vr. AugSpurg, sich bemerkbar zu machen suchen, ist nicht nach Jedermann- Geschmack. Aber selbst ausgesprochene Gegner dieser Bewegung werden den Kopf schütteln zu den sonderbaren Aufmerksamkeiten, die die Berliner Polizei dem z. Z. dort tagenden Verbände dieser Vereine erweist. Erst ließ man die Frauen eine kurze Weile im Reichstag verhandeln — ohne polizeiliche Ueberwachung. Nun besann man sich, daß polizeiliche Ueberwachung uöthig sei, und da der amtliche Hutritt von Polizei organen zum Reichstagsgebäude unzulässig ist, mußte die Damen Knall und Fall da» Gebäude verlassen. Mitglieder de« Vorstande« suchten eine andere Unterkunft für die Versammlung und fanden sie. Sie fanden aber deswegen nicht Zeit, die für den anderen Tag beabsichtigte Versamm lung rechtzeitig — 24 Stunde» vorher — bei der Behörde anzumelden, und deswegen sahen sich die berbeigeeilten Frauen vor polizeilich geschloffenen Thüren. Da« ist ein gesetzliche« Verfahren der Behörde, aber kein gesetzlich notb- Wendige«. Stecken etwa hinter der Polizei auch Damen? Der Krieg in Südafrika. Tas britische Schreckens-Regiment, unter welchem nach den Wünschen der Jingos und ihrer Nachbeter die noch im Felve stehenden Boeren als vogelfreie Ban diten behandelt werden sollen, scheint in Südafriba jetzt mit aller Macht inaugurirt werden zu sollen. In den letzten Monaten ist es bereits recht bäufig vovgekommen, daß Rebellen und Ver- räbher zum Tode durch den Strang verurthetlt und auch thatsächlich gehängt wurden, und aus kürzlich eingetroffenen Privatbriefen wird ersichtlich, daß dieses summarische Verfahren bereits bedeutend öfter angewandt worden ist, als bislang officiell zugegeben wurde. Auch scheint nwn auf Seiten der britischen Militärbehörden mit dem prompten Erschießen gefangener Cap holländer, welche gegen die Engländer gefochten hatten, ohne viel Scrupel und nach nur sehr oberflächlichem kriegsgerichtlichen Ver fahren bei der Hand gewesen zu sein, und in vielen Fällen wurde, wie wir einem Privatberichte entnehmen, nich: die geringste Rück sicht darauf genommen, daß die betreffenden „Rebellen" schwarz auf weiß darlegen konnten, daß sie seit längerer Zeit naturalisirt: Freistaatler waren. Es war für das englische Kriegsgericht in solchem Falle vollständig hinreichend, um den betreffonden Ge fangenen als Hochverräter zu behandeln, daß seine Eltern in der Capcolome ansässig und mithin britische Unterthanen waren, obwphl dies, wie ausdrücklich versichert wird, vielfach ganz und gar nichts mit der Thatsache zu thun hatte, daß der betreffende junge „Rebell" schon vor Ausbruch des Krieges im Freistaate ansässig gewesen war und dort das Bürgerrecht erworben hatte. Wenn ein solcher Boer das Mißgeschick hat, in der Capcolome, also aus britischem Territorium, mit den Waffen in der Hand und im Verein mit anderen „Rebellen" gefangen genommen zu werden, so wirb ihm heute vor den britischen Behörden und besonders vor den mit Hochdruck arbeitenden Kriegsgerichten kein münd licher oder schriftlicher Beweis vom Gegentheil davor bewahren, als Kriegsgefangener, als gemeiner Aufrührer bezeichnet und ge richtet zu werden. Diese britischen Kriegsgerichte verlassen sich in der Hauptsache auf die mindestens zweifelhaft zu nennenden Aussagen der un zähligen englischen Polizeispitzel und Geheim agenten, von denen es in der Capcolome sowohl, als in den von den britischen Truppen occupirten Theileu der beiden Boeren- republiken geradezu wimmelt. Diese nicdrihste Sorte von be zahlten Spionen macht das ganze Land unsicher und hat in der Ausübung ihres Gewinn bringenden Geschäftes das Ausfindig machen von „Rebellen" und „Hochverräthern" natürlich zu ihrer Specialität erhoben und schreckt vor keinem Mittel zurück, wahr scheinlich im intimsten Einverständniß mit ihren vorgesetzten Be hörden, so viele Boeren und Boerenfreunde, als nur eben möglich, an den Galgen oder doch wenigstens ins Zuchthaus zu bringen. Diese Spione bilden augenblicklich die schlimmste und unerträg lichste Pest in den unglücklichen südafrikanischen Ländern, und sie sind bei Freund und Feind, bei Holländer und Engländer, in gleich hohem Grade verhaßt. Es ist daher auch durchaus Nichts Ungewöhnliches, daß weiße Männer, die sich längere Zeit in ge wissen Districten ohne militärische oder civile Beschäftigung aufgehalten haben, eines Morgens mit einer Kugel im Herzen oder im Gehirn, oder auch wohl mit zerschmettertem Schädel von der Polizei oder den Militärpatrouillen am Straßenrande oder im freien Veldt aufgefunden werden. Das sind dann könig lich britische Spione gewesen, die einem oder mehreren Farmern des betreffenden Districtes verderblich geworden sind und aus diesem drüben durchaus nicht mehr ungewöhnlichen Wege den wohlverdienten Lohn in ihrem häßlichen Gewerbe gefunden haben. Das letzte Opfer der neuen Schreckensherrschaft ist be kanntlich der frühere dritte Oberstaatsanwalt der Transvaal republik, Cornoris Broeksma, welcher wegen Bruch des Neu tralitätseides und wegen Hochverrats am 30. September in Jöhannisburg zum Tode verurteilt und sofort erschaffen und begraben wurde. Ein ähnliches Schicksal scheint dem in der Cap colonie gefangenen Freistaatcommandanten Lotter bevorzu stehen, indem man diesem unbequemen Boerenfllhrer nachweisen will, daß er in Wirklichkeit britischer Unterthan ist, also als Rebell die Todesstrafe verdient. Ein liberales englisches Blatt bemerkt hierzu: „Möge England sich davor hüten, daß dieser Schrecken ohne Ende nicht für unS ein Ende mit Schrecken nimmt." * Haag, 5. Oktober. (Telegramm.) vr. Leyd«, der heute früh au« Brüssel hier ringetroffen ist, hatte eine Besprechung mit WolmaranS und Wessels. — Am Dienstag Abend wird in der Großen Kirche «in Bittgottesdienst für die in Südafrika Kämpfenden und durch den Krieg seit dem Jahre 1899 In Noth Gerathrnrn abgehalten werden. * Kapstadt, 4. October. (Meldung des „Reuter'schen BureauS".) Da- Tommando Kruitzinger'S, welche» auf 200 Mann geschätzt wird, versuchte dreimal, den Oraujefluß zu überschreiten, um in die Eapcolonie einzufallen, doch wurde eS immer zn rück geschlagen. * vloemfrntein, s. Oktober. (Meldung de« „Reuter'schen Bureau«".) Oberst Eole gerieth gestern mit Marats' Tom in and o in ein Gefecht. Zwei Boeren wurden getödtet, 22 gc- fangen genommen. * Matje»s«ntein, 4. Oktober. (Meldung de» „Reuter'schen Bureau«".) Scheeper« Commando, welches 200 Mann stark ist, stieß gestern mit den Truppen de« Oberst Sterton bei Calitzdorp zusammen. Auf britischer Seite fiel rin Mann. * vl0tMs«»tein, S. Oktober. (Renter'S Bureau.) Die süd- afrikanische Polizei hatte bei Petru«berg und Uitenhagen Zu- sammeu stütze mit Boeren. Dabet wurden 17 Boeren, darunter ein Officier, gefangen und einer getödtet. * Maseru, s. Oktober. („Reuter'» Bureau") Bei Jammers- berg tri ft griffen 300 Boeren eine au« Ueomanry und berittener Infanterie bestehende, 200 Mann starke Abthetlung an, sie zogen sich jedoch zurück, nachdem sie mehrere Salven abgegeben hatten. Di» Engländer verfolgten si» und nahmen den Lommandanten Dreyer, den Feldcornet Van vuuren und 10 Boerenkämpfer, meisten« Knaben, gefangen. Dreyer und van Vuuren sagen, daß die noch im Felde stehenden Boeren mit Lebensmitteln reichlich versehen seien. Deutsches Reich. -r- Berlin, 5. October. (Bündlerische Agitation.) Man wird an das berufene Wort „Die Minister können uns sonst was" erinnert, wenn man vernimmt, welche Beschlüße in der Ver sammlung des Bundes der Landwirthe zu Korbach gefaßt worden inv. Die von Herrn vr. Diederich Hahn bearbeiteten Land wirthe haben dort durch die Annahme einer Resolution, welche den Handelsminister Möller wegen seiner letzten Reden als „Lanosmanns-Minister" der rheinisch-westfälischen Export-In dustrie bezeichnet, gegen Hern Möller eine schwere Beleidigung ausgesprochen. Denn sie haben durch die Wahl jenes Ausdrucks dem Minister für Handel und Gewerbe die Eigenschaft eines S t a a t s Ministers abgesprochen, eine Eigenschaft, an die bei jedem preußischen Minister mit guten Gründen auch durch den Titel erinnert wird. Während die Korbacher Bundesversamm lung dem Handelsminister auf so unerhörte Weise den Vor wurf der Wahrnehmung von Sonverintereffen machte, trug sie kein Bedenken, von dem Lanvwirthschaftsminister v. Pod- bielski die Wahrnehmung von Sonderiniereffen der Landwirth- schaft zu fordern, indem sie an den Reichskanzler die Bitte richtete, er möge Herrn v. Podbielski gestatten, als „Lands manns-Minister" die Interessen der Lanvwirthschaft am Zoll tarif öffentlich zu vertreten. Es steht dahin, ob der Reichs kanzler irgendwelche Antwort auf dieses Gesuch ertheilen wird. Wünschenswerth wäre es allerdings, wenn den bündlcrischen ex tremen Agitatoren im Reichstage von allen drei Ministern klar gemacht würde, welches Verstoßes die Korbacher Bundesver sammlung sich schuldig gemacht hat. Speciell dem schutzzöllne- rischen Herrn Möller wird die Zurückweisung jenes Anwurfes nicht schwer fallen. 6. H. Bcrli», 5. Octvber. (Die wirthschaftlichen Verhältnisse der Arbeiter in Berlin.) Der Cen tralverein für Arbeitsnachweis, dem sich jetzt 80 Arbeitsnach weise angeschloffen haben, hat unter dem Vorsitze des so rührigen vr. Freund die Arbeitsnachweisstatistik für August fertig gestellt, die leider ein recht trübes Bild der wivthschaftlichen Ver hältnisse der Arbeiter in Berlin ergiebt. 17133 Arbeiter suchten Arbeit nach, gegen 16136 im Vorjahre, 11651 Arbeitskräfte wurden verlangt, gegen 14 277 im Vorjahre, 10 397 stellen wurden besetzt, gegen 11431 im Vorjahre; auf je 100 offene Sfellen kamen in diesem August 147 arbeitsuchende Per sonen, gegen 106 im Vorjahre. Hieraus ersieht man am besten, wie sehr die Arbeitsverhäktniffe sich verschlechtert haben. Aus 16 Branchen liegen detaillirte Berichte der Arbeiter über die Lage des Arbeitsmarktes vor. Der Holzarbeiterver band veranstaltete "am 16. Awgust eine EnquLte bei den organi- sirten Mitgliedern. Nach Angabe der Orrsvcrwaltung beteiligten sich daran von 12 000 Mitgliedern in Berlin über 7000 und es konnte festgestellt werden, daß von den Letzteren am 16. August circa 350 arbeitslos waren. In der Zeil vom 5. Juli bis zum 15. August waren circa 1200 arbeitslos. Ferner wurde festgestellt, daß die Arbeitszeit in Folge der flauen Conjunctur in den Be trieben bedeutend eingeschränkt wurde, ganz besonders in der S t o ck b r a n ch c, in der sie auf 40, 30, ja bis auf 20 Stunden pro Woche verringert wurde. Die organisirtcn Metallarbeiter (26 277 in Berlin) berichten, daß die Lage des Arbeitsmarktes sehr flau sei, bedeutend schlechter, als im Juli. Aus der Branche der künstlichen Betriebe (2450 organisirt) liegt folgender Bericht vor: „Bei den Bildhauern im Niedergang begriffen, Graveure, Ciseleure und Photographen flau, Musiker etwas besser." Aus den graphischen Gewerben (Verband der Buchorucker, Berliner Buchdruckeroerein „Gutenberg", Hilfsarbeiter, Hilfsarbeiterinnen, Lithographen und Steindrucker — 9880 organisirt) wurde be richtet, daß „die Lage des Arbeitsmarktes anhaltend schlecht" sei, „wenig Nachfrage". Erfreuliches berichten nur die P o r z e l l a n- arb'eiter (1165 organisirt); sie melden nämlich, daß die Nach frage nach Arbeitskräften sehr lebhaft gewesen sei. Alles in Allem aber ergiebt die Arbeitsnvchweisestatisiik für den August ein außer ordentlich trübes Bild, das angesichts der in Berlin immer mehr steigenden Wohnungs- und Lcbensmittelprcise einen schlimmen Winter in Aussicht stellt. /?. Berti», 5. October. (Pelikana.) Jin Octoberheft des „Pelikan-Em Manuel" findet sich eine aus dem kleri kalen Sonntagsblatt „Leo" abgedruckle Erzählung, aus der für gläubige Katholiken hervorgehen soll, wie es kam, daß Königin Marie von Bayern geb. Prinzessin von Preußen katholisch wurde. Am Tage nach der Vermählung der Prin zessin nämlich gründeten Münchner Frauen undJungfrauen auf Veranlassung eines jungen Mädchens, die der „Leo" Josephine nennt, einen GebetSbund, der täglich für die Prinzessin „ein Zehnerl' vom Rosenkranz" mit der Bestimmung beten sollte, daß die Prinzessin — den wahren Glauben gewönne. Von den Theilnehmerinnen des Gebetsbundes starb eine nach der anderen dahin; auch die längst verehelichte Stifterin deS GebetSbundeS, Josephine, legte sich auf daS Sterbelager. Da aber — doch jetzt geben wir dem „Leo" das Wort: „Ein leises Pochen ertönte an der Thüre, und gleich darauf traten zwei Damen «in. Tödtlich erschrocken schauten sie auf die Sterbende, aber rasch «heilte eine von ibnen der Tochter etwas mit; diese schloß ihre Mutter in die Arme und rief ihr ins Ohr: Mama, die Königin-Mutter ist katholisch geworden, am 12. October hat sie convertirt! Ein Schrei — dann sank die Matroue zurück in das Kissen. Es war aber nicht der Tod, der sie in seine Arme nahm, sondern daS erwachende Leben. Die Krisis ging vorüber, Josephine wurde ge sund." — Die vorstehende Geschichte wird den Historiker ebenso interessiren wie den Arzt; dem gläubigen Katholiken aber macht die Geschichte klar, daß e» für ibn auck von irdischem Nutzen ist, für die Conversion fürstlicher Damen täglich rin „Zehner«' vom Rosenkranz" zu beten. * Berlin, L. October. Ueber den Thätigkeits- bereich de« Militärcabinets werden, wie ein Mit glied des Reichstages der „Köniqsb. Hart. Ztg." schreibt, dem nächst Auseinandersetzungen im Reichstage stattsinden. Es soll nämlich ein neuer vierstöckiger Kolossalbau für das „Geheime Cabinet des Kaisers und Königs für die Militärangelegenheiten" neben dem preußischen Abgeordnetenhaus« errichtet werden. Im Reichstage soll es nun zur Sprach» gebracht werden, ob das jetzige Verhältniß zwischen Kriegsminister und Militärcabinet „in Ewigkeit" festgelegt werden soll durch Errichtung eines eigenen Neubaues für das letztere an Stelle seiner bisherigen provisorischen Räumlichkeiten in der Behrenstraße. Der Parla mentarier sagt darüber: „In früheren Zeiten war bekanntlich das Militärcabinet als eine besondere „Abtheilung für die per sönlichen Angelegenheiten" dem Kriegsministerium unter geordnet, ein Verhältniß, welches auch bis heute äußerlich er halten geblieben ist, so zwar, daß noch immer Beamte des Militärcabinets als „im Kriegsministerium" aufgeführt zu werden pflegen. Eine Verschiebung jener Sachlage ergab sich, als der erste Bronsart v. Schellendorff Kriegsminister wurde: aus Rücksicht auf den dienstälteren damaligen Chef des Militär cabinets v. Albedyll wurde die Unterordnung zu einer Neben ordnung abgemildert. Unter dem nachherigen Kriegsminister v. Kaltenborn-Stachau kehrte sich alsdann die einstmalige Ab hängigkeit des Militärcabinets vom Kriegsministerium in ihr gerades Gegentheil um. Selbst wichtige eigene Dienstsachen des Kriegsministers wurden, wie man sich damals im Reichstage erzählte, durch Vermittelung des Militärcabinets zu kaiserlicher Erledigung gebracht, ohne daß der verantwortliche Kriegs minister zu directem Vortrage bei dem obersten Kriegsherrn be fohlen worden wäre. Der zweite Bronsart v. Schellendorff zeigte wenig Neigung, amtlich in sachwidrige Abhängigkeit zu treten; er suchte bei Uebernahme des Kriegsministeriums das frühere Verhältniß desselben zum Militärcabinet wieder herzu stellen. Aber wenn dieser Bronsart auch durchsetzte, daß er die Fragen seines Refforts dem Kaiser wieder direct zum Vor trag bringen durfte, so konnte er doch nicht hindern, daß schon während seines Vortrages bei dem Monarchen der Chef des Militärcabinets zugegen war, der regelmäßig nach ihm Vortrag zu halten pflegte. Dieses Verhältniß, bei welchem der Chef des Militärcabinets sich des Vorzuges erfreut, beim Kaiser immer zuletzt zu Worte zu kommen, dürfte auch unter dem gegenwärtigen Kriegsminister noch obwalten. Darauf deutet wenigstens die Thatsache hin, daß der „Hofüericht" in der Reihenfolge kaiserlicher Audienzen hinter dem Namen „v. Goßler" früher den „v. Hahnke" und heute den „Hülsen- Häseler" aufzuführen pflegt. Vom Standpuncte der Ver fassung aus betrachtet, muß es aber als wllnschenswerth, ja als nothwendig erachtet werden, daß der allein verant wortliche Kriegsminister dem unverantwort» lichen Militärcabinet nicht neben- oder gar unter-, sondern übergeordnet werde. Denn wenn die kaiserlichen Entschließungen in HeereSfragen nicht durch den Kriegsminister maßgebend beeinflußt würden, so könnte dieser nur eine scheinbare, keine greifbare Verantwortung tragen; so müßte in dem Bereiche seiner Verwaltung sich all gemach daS ergeben, was auf die Dauer kein modernes Staats wesen ohne Schädigung seiner Entwickelung iragen kann: eine Cabinetsregierung. Schon aus diesem Grunde muß die Volksvertretung, sobald sie Gelder flüssig machen soll zum Neubau des „Geheimen Cabinets Sr. Majestät des Kaisers und Königs für die Militärangelegenheiten", dahin wirken, daß das Kriegsministerium wieder zu seinem alten, zu seinem vollen Rechte komme, daß das Militärcabinet wieder werde, WaS es immer hätte bleiben sollen, eine dem Kriegsminister Verant wortliche und untergebene „Abtheilung für die persönlichen An? gelegenheiten"." (7) Berlin, 5. October. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: Ueber die Vorgänge an Bord deS kleinen Kreuzers „Gazelle" und den Stand der Unter suchung, die durch daS Commando des ersten Geschwaders in Kiel geführt wird, kann jetzt amtlich Folgendes mitgetheilt werden: Die Untersuchung ist eingeleitet wegen Abhanden kommens von Geschütztheilen, und zwar zwei Maschinenkanonen - Schulterstücken, zwei Schlagbolzen, einer Kurbel, einem Abzugstück für Schnellladekanonen, sowie wegen Anbringens eines DrohzettelS. Vermutblich wurde die Tbat von Jemand begangen, der den Verschluß der Schnellladekanonen genau kannte. In UntersuchungSbaft be findet sich allein der Obermatrose Weiß. Dieser war einige Tage vorher an einem der in Betracht kommenden Geschütze als Nummer 1 wegen schlechten Zielens abgelöst und war ihm die Geschützsübrerzulaqe genommen worden. Tie Enthebung des Corvettencapltäns Neitzke von seiner Stellung als Commandant des kleinen Kreuzers „Medusa" bezw. „Amazone" erfolgte lediglich auf seine eigene Bitte. Er ist thalsächlich erkrankt und es ist ibin aus diesem Grunde auch ein Urlaub von 6 Wochen bewilligt worden. G Berlin, ö. October. (Telegramm.) Der „ReichSanzeiger" veröffentlicht eine Anzahl der Officieren u. s. w. deS ostasiatischen ExpeditionscorvS verliehenen OrdenSNttSjetchnnngen. Unter Anderen sind dem Generalmajor Freiherrn v. Gayt der Rothe Adler-Orden zweiter Classe mit Eichenlaub und Schwertern und dem Generalmajor v. Rohrs cheidt die Schwerter zum Kronen-Ordeu zweiter Classe verliehen worden. L. Berlin, 5. Oktober. (Telegramm.) Der „Vor wärts", zu dessen Sprcialitäten jetzt die Veröffentlichung intimer Vorgänge der städtischen Verwaltung gehört, erzählt folgende „andere Brunncngeschichte": Wie bekannt, soll statt de-Wrangelbrunnen» auf dem Kemper platz auf kaiserlichen Wunsch ein Rolandbrunnen errichtet werden, und die städtische Kunstdeputation hat sich neulich dem kaiserlichen Verlangen ihrerseits angeschlossen. Auch dieser Roland brunnen hat seine Geschichte. Der Kaiser hatte bei dem Bildhauer Lessing «inen Rolandbrunnen bestellt, der an die Stelle de« im städtischen Besitz befindlichen Wrangelbrunnen« kommen sollt». Al» der Austroggeber da« Modell bekam, fand »r d»n Entwurf für den Platz, auf dem er auSgrführt werden sollte, zu umfang, reich. In Folge dessen gelangte vom Hofmarschallamt ein Schreiben an die Stadt, in dem die Bereitwilligkeit deS Kaisers ausgesprochen war, der Stadt da« Modell zu schenken; Herr Lessing sollte dann mit der Ausführung de« Brunnen« von der Commune betraut werden, und e« wurde angeregt, das Werk vor dem Rathhau» aufzustellen. Seitens der Stadt beschäftigte man sich zweimal mit der Offerte. Beide Male wurde das Anerbieten dankend abgelehut. Der Kaiser hat sich dann später mit dem Lessing'schen Entwürfe anscheinend doch befreundet, wenigsten» soll er nun im Auftrag de« Kaiser» auf dem Kemperplatz ausgesührt werden. Zu diesen Angaben bemerkt die „Nat.-Ztg.": Die Mit« theiiung ist im Ganzen richtig, bock ist uns nickt bekannt, daß daS Anerbieten deö Kaiser« rin zweite« Mal gemacht worden ist.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite