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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011029022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901102902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901102902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-29
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Ämlsökatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Rolizei-Ämles der Ltadt Leipzig. Anzeige« »Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklame» unter dem Redactton»strich (»gespalten) 7b vor den Familiennach- richte» (6 gespalten) SO L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entspreche»» Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme LS («xcl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefärderuug ^l SO—, mit Postbesvrderung ^l 70.—. Amrahmeschluß für Äuzeigea: Nb«ad-Su»gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Bet de» Filiale» und Annahmestelle» je ei« halb« Stunde früher. Anzeige» sind stet» au die Expeditio« z» richten. Di» Expeditio» ist Wochentag» ununtirbroche» geäsfnet voa früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vo» E. Pol» ar LeipziK, Nr. 553. Dienstag den 29. October 1901. S5. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Votztattirrmg de» e»,tischen Handels durch die kontinentalen Hasenarbeiter aller Länder ist au» dem Nebelgebilde von Voraussetzungen und Erwägungen nun heraus. Wo die Debegirten derAmsterdamerHafen- arbeite? erscheinen und ihren Plan, daß an einem bestimmten Tag« die kontinentalen Hafenarbeiter aller Länder daS Löschen und Laden der englischen Schiffe verweigern sollen, um auf diese Weise England zu zwingen, dem so ungerechten südafrikanischen Krieg ein Ende zu machen, vorgelegt haben, sind sie mit Begeisterung ausge nommen worden. In Havre, Rouen, Kopenhagen, in den bel gischen Hafenstädten war die Stimmung dieselbe; mit einer ge wissen Beklommenheit kamen die Amsterdamer Delegirten, die „Genossen" DIieger und Westva, nach Hamburg; sie waren aber freudig enttäuscht; eininiitbig gaben die maßgebendsten Ham burger Führer ihren Abscheu über den südafrikanischen Krieg und Chamberlain kund, einmüthig erklärten sie sich für den Boycott der englischen Schiffe. Das Hamburger Comitö, welches sich sofort bildete, wird sich über die weiteren Schritte mit dem Amsterdamer in Verbindung sehen, es wird zu gegebener Zeit einen Aufruf an alle »rutschen Hafenarbeiter er lassen, und man glaubt, wie uns aus Berlin geschrieben wird, dort, daß kein deutscher Hafenarbeiter, nachdem der Aufruf er schienen, noch eine Hand für ein englisches Schiff rühren wird. In Berlin ist die gestimmte Arbeiterschaft Feuer und Flamme für den Boycott; man wird eventuell die größten Mittel bereit stellen, um die Hafenarbeiter zu unter stützen. „Es würde, schreibt unser Berliner Mitarbeiter, für di« Socialdemokratie ein beispielloser Triumph sein, wenn sie das errichte, was das Schiedsgericht im Haag mit allen seinen diplomatischen Noten nicht zu Stande gebracht. Jedenfalls ist die Bewegung, Boycott aller englischen Schiffe wegen 'de- südafrikanischen Krieges, eine dec großartigsten, eigenartigsten und spannendsten." Zur Vorsicht mahnt indessen die „ S ä ch s i s ch e Ar beit e rze i t u n g ", das Or^an der sächsischen Sozialdemo kratie. Sie meint, die bürgerlichen Boerenfreunde, die jetzt der sociakdemokratischen Presse vorwürfen, sie stehe dem Plane zu lau, zu kritisch gegenüber, hätten nichts zu risciren, ja sie würden wahrscheinlich kaum in nennenswerther Weise durch Geldopfer den Dockern zu Hilfe kommen. „Ja, wir sind überzeugtssagt das Blatt), daß viele von ihnen, die jetzt die Tragweite des Boykotts nicht zu ermessen vermögen, sofort die erbittertsten Feinde des Unternehmens werden würden, wenn dadurch etwa ihr Geschäft, ihr Einkommen mittelbar geschädigt würde.... Für das Prole tariat ist die wichtige Frage, ob nicht den englischen Arbeitern und damit auch der internationalen Arbeiterbewegung mehr geschadet wird, als den Boeren genützt werden könnte, nicht so summarisch erledigt, wie für die bürgerlichen Proboeren." Die „Sächs. Arbtrztg." halt die Ausführung desBoycott- Planes für undurchführbar. Sie führt noch aus: „Ziemlich sicher ist, daß die Bourgeoisie, die großen Unternehmer und Industriellen die erbittertsten Feinde des Boykotts sein wer den, da ihr Geschäft darunter leiden muß. . . . Und Unternehmer schaft und Staatsgewalt dürfte eS wohl gelingen, in dieser Zeit der Arbeitslosigkeit «in Heer Arbeitswilliger auf die Beine zu bringen, das gewisse Kategorien von Hafenarbeitern in gewissem Maße zu ersetzen fähig wäre." Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Oktober. Die „Kreuzzeitung" hatte kürzlich die aqrar- eonsrrvatlve MaMftelluii, als den einzigen Damm gegen die Hochfluth des Umsturzes bezeichnet, wo gegen wir — heute vor acht Tagen — vom gemäßigt liberalen Standpunkte aus Stellung genommen und aus der Reichstags wahlstatistik nachgewiesen hatten, daß es um das Königthum übel bestellt wäre, wenn es nur auf diesen „Damm" angewiesen wäre. Die „Kreuzztg." zieht sich nun darauf zurück, daß sie erstens nur preußische Parteiverhältnisse im Auge gehabt habe und daß zweitens nicht die Reichstagswahlstatistit für das ganze Reich herangczogcn werden dürfe, sondern nur diejenige für das Königthum Preußen, wo das Verhältniß der Conservativen zu den übrigen Stimmen etn weit günstigeres sei, als km Durchschnitte des Reiches und als beispielsweise in der sächsischen Monarchie. Preußische P a r t e i Verhältnisse kann die „Kreuzztg." schon darum nicht allein im Auge gehabt haben, weil die Socialdemokratie inner halb der preußischen parlamentarischen Verhält nisse überhaupt keine Rolle spielt, da sie im preußischen Landtage durch keinen einzigen Abgeordneten vertreten ist; für die specielle preußische Politik sind also die Conservativen als Damm gegen die Socialdemokratie ebensowenig nöthig, wie irgend eine andere Partei. Faßt man aber Preußen als einen Theil des Reiches auf, was ja hier um so nöthiger ist, als der Preußische König zugleich deutscher Kaiser ist und mit dem deutschen Kaiser zugleich der preußische König fallen müßte, sobald der Damm versagte, so muß man die Reichstagswahl statistik zu Rathe ziehen, und zwar verständiger Weise diejenige des ganzen Reiches, da, wie eben bemerkt, Preußens Schicksal mit dem des Reiches untrennbar verbunden ist. Wenn man aber selbst der „Kreuzztg." den Gefallen thut, die Wahl statistik nur für Preußen heranzuziehen, so erkennt man ihre Behauptung, daß das Verhältniß der Conservativen zu den übrigen Parteien für Preußen ein „weit günstigeres" sei, als im Durchschnitte des Reiches und insonderheit der sächsischen Monarchie, als falsch. Im Reiche betrug der Durchschnitt der deutsch-konservativen Stimmen bei den letzten Wahlen II Procent der insgesammt abgegebenen Stimmen, in Preußen 14 Procent, im Königreiche Sachsen aber 18 Procent. Mithin ist der Durchschnitt für die Deuisch-Con- servativen in Preußen gegenüber dem Reiche nur um 3 Procent günstiger, was man doch nicht als „bei Weitem günstiger" be zeichnen darf, gegen Sachsen aber um 4 Procent ungünstiger, so daß hier die Behauptung der „Kreuzztg." in ihr Gegentheil verkehrt wird. Rechnet man aber zu den deutsch-conservativen Stimmen noch die reichsparteilichcn und die bündlerischen hinzu, so ergeben sich für das Reich 16 bis 17 Procent, für Preußen etwa 21 Procent. Von einem bei Weitem günstigeren Verhältnisse für die Conservativen kann also auch dann nicht die Rede sein. Den etwa 21 Procent der conservativ-reichsparteilich-bündlerischen Stimmen in Preußen stehen mehr als 40 Procent Stimmen der Nationalliberalen, des Centrums und der Freisinnigen gegenüber und das König thum würde, wie diese Statistik zeigt, doch wohl nicht gut daran thun, sich lediglich auf den conservativen Damm zu ver lassen und auf die Hilfe der anderen bürgerlichen Parteien zu verzichten. Aus Kiel geht uns von einem Mitarbeiter, der uns im Lauf« vieler Jahre niemals Anlaß zur Anzweiflung seiner Zu verlässigkeit gegeben hat, eine Zuschrift zu, die wir trotz der Ge wissenhaftigkeit ihres Verfassers unbeachtet lassen würden, wenn nicht ihr Inhalt zu lebhaft an die ubrrzllrtr Rücksichtnahme er innerte, die seit dem Beginne des Krieges in Südafrika von deutscher Seite aus die englische Empfindlichkeit stets genommen worden ist. Die Zuschrift lautet: „Sekt zehn Mo naten ist die Küste Deutsch-Ostafrikas von deutschen Kriegsschiffen entblößt. Bis zum Sommer vorigen Jahres kreuzten beständig zwei Stationsschiffe an der Ostkiiste Afrikas. Im August vorigen Jahres wurde der Kreuzer „Schwalb e" nach der chinesischen Küste beordert und Anfang Januar dieses Jahres trat „Condor" die Heimreise an- Seitdem hat kein einziges deutsches Kriegsschiff irgend einen Hafen der afrikanischen Ostkiiste berührt. Es ist auch recht auffallend, daß die Marineverwaltung deutsche Kriegsschiffe d-n südafrikanischen Häfen fernhä l t. Das geschieht offenbar mit voller Absicht, denn in früheren Jabren wurden sowohl die englischen, als die portugie sischen Häfen regelmäßig besucht. „Condor" hat von Ende Juni vorigen Jahres bis zum Antritte der Heimreise ganz still in Dar- es-Salaam gelegen und sich um Südafrika nicht gekümmert. Schon seit Monaten ist „in Aussicht genommen", die kleinen Kreuzer „Schwalbe" und „Bussar d" von der ostasiatischen Station nach Ostafrika zu senden, aber es .st immer dabei geblieben. Wenn sonst auf dem Erdenrund irgendwo Kriegswirren drohen ober ausgebrochen sind, wird, wenn nur irgend möglich, ein deutsches Kriegsschiff dorthin gesandt, um die deutschen Interessen zu vertreten. In südafrikanischen Häfen soll offentbar die deutsche Kriegsflagge nicht gezeigt weiden. Daß es möglich gewesen wäre, schon längst einen Kreuzer von Ostasien nach Südafrika zu senden, wenn ver Wille vorhanden gewesen, wird wohl nicht bestritten werden." — Vielleicht nimmt man im Reichstage Anlaß, sich nachdemThatbestande zu/erkundigen und, wenn nichbbestriten werden sollte, daß unser Gewährsmann im Rechte ist, nach den Gründen zu fragen, aus denen von dem Brauche, die deutschen Inter essen durch ein deutsches Kriegsschiff zu schützen, gerade da ab gewichen worden ist, wo englische Brutalität vor keinem fremden Interesse Halt macht. Bei den Preßerörterungen über die Ruhegehalts forderungen der franiöfnch n Grubenarbr 1er ins- besondere aus den Kreisen der in Sociologie machenden Blätter heraus, begegnet man nicht selten der Anschauung, daß der Beruf des Minrnarbeiters das Höchstmaß an Gefährlichkeit und körperlichen Anstrengung in sich trage, und einer auf diese Meinung gestützten, nicht durchaus ablehnenden oder gar zu stimmenden Haltung gegenüber der von den Syndicatsleitern erhobenen Forderung. Ein Blick auf die Sterblichkeitsstatistik in den einzelnen Handwerksgattungen Frankreichs erweist nicht nur die völlige Haltlosigkeit dieser Ansicht, sondern lehrt sogar, daß die durchschnittliche Lebensdauer des Grubenarbeiters hoher ist als die für die Angehörigen aller übrigen handwerksmäßigen Professionen ermittelte Altersgrenze. Unter den letzteren sind auch Berufszweige nicht ausgenommen, die nach der land läufigen Ansicht keineswegs als gesundheitsschädlich gelten und denen daher auch das empfindsame Interesse der Sociologen absolut fern geblieben ist. So haben Metallarbeiter, Bäcker, Müller, Kaminkehrer u. s. w., ja sogar Feldarbeiter, eine höhere Sterblichkeitsziffer als die Angestellten der französischen Minen gesellschaften; von letzteren erreicht eine weit größere Zahl das 60. Lebensjahr, als e- bei den in landwirthschaftlichen Berufen beschäftigten Arbeitern der Fall ist. Selbst die Bureau angestellten, bei deren Thätigkeit man doch von einer Berufs Gefährdung nicht wohl sprechen kann, erreichen nicht die durch- chnittliche Lebensdauer der Kohlenhäuer. Das Betriebsper- önal der Eisenbahnen endlich, welches etwa dieselbe Zahl der infälle aufzuweisen hat wie die Minenarbeiter, ist infolge der unter den Bahnbeamten sehr häufig auftretenden Erkrankungen der Athmungsorgane ebenfalls erheblich ungünstiger gestellt als jene. Alles in Allem ergiebt sich aus solchen Vergleichen der thatsächlichen Verhältnisse, daß der Anspruch auf eine vor zeitige Ruhegehaltsberechtigung, wie sie von den französischen Bergarbeitern gefordert wird, unter keinen Umständen durch den Hinweis auf den schnelleren Verbrauch der physischen Kräfte bei der Grubenarbeit begründet werden kann; ein Eingehen dec französischen Regierung auf solche Wünsche müßte daher einer Bevorzugung einer bestimmten Arbeiterklasse gleichstehend er achtet werden, eine Maßnahme, die jedenfalls nicht dazu bei tragen dürfte, die Zufriedenheit unter der Arbeiterschaft zu fördern, sondern den socialistischen Führern nur ein weiteres Agitationsmittel für die revolutionäre Propaganda an dir Hand geben würde. Die beunruhigenden Gerüchte über eine schwere Vr- kranknng vcs KüntstS von Englaiid erhalten sich. Der frühere Prinz von Wales hat in jungen Jahren eine gefährliche Erkrankung an Typhus durchgemacht, in den letzten Jahren sprach man von zeitweilig heftig auftretenden Erkrankungen von Nieren und Leber. Diese Gerüchte, die sich trotz aller amtlichen Ableugnungen erhielten und denen niemals ein ärztliches Zeug- niß gegenübergeftellt wurde, tauchten bald nach der Thron besteigung wieder auf. Die sich widersprechenden Meldungen von der neuerlichen Erkrankung des Königs im schottischen Hoch lande, wo die Leibärzte in Eile nach Balmoral gerufen wurden, trugen nicht dazu bei, die in der Bevölkerung herrschende Unruhe zu beschwichtigen. Die spätere Mittheilung, Eduard VH. habe einfach an Hexenschuß gelitten, wurde von Niemand ernst genommen. Nun hat das Sonntagsblatt „Reynold's Newspaper", eine ernste, große Wochenschrift, von angeblich competenter Seite einen Krankheitsbericht gebracht, wonach das Leiden Eduard'- VII. Kehlkopfkrebs ist. Der „Münchener Allgem. Ztg." wird gemeldet: ''' London, 28. October. „Reynold's Newspaper", das be kannte Wochenblatt, bringt folgende Meldung über die Krankheit des Königs Eduard. Der König leidet an Kehl kopfkrebs. Das ist schon seit längerer Zeit festgestellt worden; daher wurde auch zu seinem Leibarzte nach der Thron besteigung Or. Semons ernannt, einer der bekanntesten eng lischen Laryngologen. Da der König mehrfach Beschwerden hatte, mußten im Kehlkopfe schon zu verschiedenen Malen blutige Eingriffe vorgenommen werden. Die krebsartige Wucherung ging aus vom linken Stimmbande, dreimal wurden dort Wucherungen entfernt. Die sommerliche Reise des Königs nach Dänemark hatte als Hauptzweck den, in aller Stille auf Schloß Fredensborg eine Anzahl fran zösischer und deutscher Spccialisten zur Untersuchung heran- Ferrvllston. „Mir wäre lieber, Sie schrieben den Brief an KlaS — da mit würde mir mehr gedient sein!" versetzte sie unmuthig. „Natürlich thu ich das", sagte er, „morgen bring' ich ihn Dir mir. Morgen ist Sonntag. Aber wenn das Hausmädchen mit der Puppenfrahe auf mein Klingeln erscheint, so zerreiß ich den Brief — hörst Du? Also sei am Platz! Sei nur ruhig, Klas wird Dich nicht bekommen." Ihre Züge erhellten sich. „Ich danke Dir, Heinrich", ent gegnete sie einfach und reichte ihm die Hand, eine kühle, große, ringlcse Hand von schöner Form und Heller Farbe. „Warum willst Du denn durchaus nach Hacksche zurück?" fragte er. „Hast Du Heimweh?" „Dienen ist nicht meine Sache", sagte sie. „Und adieu denn!" „Auf morgen!" entgegnete er. Dann, als sie gegangen, malte er an Luzifer'- grünen Haaren weiter. Er war ein durchaus gefühlloser Mensch, und doch liebte er die blonde Friesin auf seine Weise; sie behagte ihm mit ihrer Frische, ihrer Gesundheit und ihrer Körperkraft, sie behagte ihm zugleich als Frau und als Ateliergehilfe. „Nein, Klas kriegt Dich nicht", sagte er, „aber mein Vater soll Dich doch zur Schwiegertochter haben — nur anders herum!" Der Gedanke, wie man sich über die Partie scandalisiren werde, erfüllte ihn mit Wohlbehagen; er gönnte den Löwen jägerinnen diesen Trumpf. . . . Engelhardt hatte lange die Schrotteck'sche Villa gemieden. Elli's Krankheit rührte ihn jedoch. Unlogisch, wie alle Lieben den sind, rechnete er ihr diese al- verdienstliche That an, ja, er entschloß sich eine» Sonntag- doch wieder zu einem Besuch. Als er die Treppen zum maurischen Portal emporstiea, traf er Bracht, der sie gerade herabgegangen kam. Da Bracht nicht arSwich, trat er grüßend bei Seite. Bracht schien ihn gar nicht zu sehen und rannte gegen ihn. „Aber Herr Professor!" sagte Engelhardt höflich. Bracht stutzte. „Bedoure!" versetzte er nach kurzem Schweigen. „Bin zu Unterhaltungen nicht aufgelegt, habe mich soeben verlobt." Damit stürzte er dem Gitter zu. Engelhardt durchzuckt« ein weher Schmerz. „Mit welcher?" rief er dem Eilenden nach, bekam aber keine Antwort und stand ein paar Minuten wie festgewurzelt im Schnee. DaS Heine'sch« Gedicht fiel ihm ein: „Und wenn er spricht, die Braune ist'» . . . dann geh zum Meister Seiler hin und kauf mir einen Strick. . ." Wenige Minuten später trat Engelhardt in Rost'- Salon- Eie sah so strahlend au», daß er aufathmend sagt«: „Ich komm« wohl al» d«r erste Gratulant?" „Wozu?" ^Hast Du Dich nicht soeben mit Professor Bracht verlobt?" .Mit Bracht?" Sie legte beide Hande an die Schläfen. »Wie kommst Du auf di« Idee?" eine Sohn die Familie so in die Höhe gebracht habe, müßten die Andern es auch versuchen." Bracht lachte. „Der Eine durch Malen, der Andere durch Heirathen, und wodurch der Dritte? Vermuthlich durch Prämien für den besten Honig." „Sie sollten nicht lachen", versetzte sie unwillig, „sondern lieber einsehen, daß Sie die Ursache sind, Sie mit Ihrem Ruhm." „Mit meinem Ruhm? Du schleuderst mir das Wort ja ins Gesicht, als handle es sich um ein Verbrechen, so wie man „Diebe! Mörder!" schreit. Was fragen die in Hacksche viel nach meinem Ruhm?" „Mehr al» Sie glauben! Vielleicht besinnen Sie sich noch auf den alten Steintisch in der besten Stube. Da liegen alle Zeitungen aufgestapelt, in denen über Sie steht, auch welche mit Bildern. Der Pastor sammelt sie für Ihren Vater, da sein Sohn es nicht thut. Alltags ist die Stube verschlossen; da giebts zu viel mit der Arbeit zu thun, aber Sonntags Vor mittags, wenn die Kirchglocken auSgeläutet haben, da strömt's in diese beste Stube. Und Ihr Vater und Ihre Brüder sitzen dann in frischen, weißen Hemdsärmeln, Pfeifen rauchend, um den Tisch, und ein Nachbarsjunge, der's eben in der Schule gelernt hat, liest aus den Zeitungen vor, und Groß und Klein hört zu, und Sie ahnen nicht, wie stolz Sie die Ihren gemacht haben. Um die Freude bringen Sie sich." Bracht fuhr sich durch da» dunkle Lockenhaar. „Stolz auf mich — und dirsrr Stolz veranlaßt meinen Vater, nach solchen Schwiegertöchtern, wie Dich, auszuspähen? Warum nicht? Daran, daß er so stolz denkt, erkenne ich, daß er mein Vater ist!" Sie stand auf. „Sie wollen mir also nicht helfen? Damit ist mir also der Weg zur Rückkehr verbaut; meine Stiefmutter würde eS mich zu bitter entgelten lassen, wenn ich „Nein" sagte. Klas muß selber von seiner Forderung abstehen, sonst nützt's nichts.' Hastih schritt sie zur Thür. Er wollte sie zurückhalien und stürzte, die Augen immer auf sie gerichtet, so unvorsichtig vor wärts, daß er gegen seine Staffelei stieß; daS große Gerüst fiel zu Boden und riß ein paar riesige Blendrahmen, die an der Wand lehnten, mit sich fort. Kathrin ^autr ruhig auf die Unordnung. Dann trat sie, ohne ein Wort zu verlieren, an die schweren Rahmen heran, richtete einen nach dem andern auf, ergriff mit beiden Händen die große Staffelei und — sie mit der Schulter stützend — hob sie auch diese mit kraftvoller Geberde vom Boden und lehnt« den drei Meter großen Luziferrahmen dagegen, mit einer Leichtig- keit, al» wäre er ein Stück Papier. Bracht rührte keine Hand. Lr sah nur zu und ließ ihr die Mühe. „Kathrin!" sagte er dann, „schad«, daß Du kein Atelier- gehilfe geworden bist! Ich «ngagirt« Dich gleich für L«ben»z«it." Die Löwenjagd. Novell« von E m i l R o l a n d. Nachdruck verdotrn. Bracht war gerade bei Luzifer'» grünen Haaren beschäftigt (da di« Meisten dem Teufel schwarze oder rothe Hoare malen, malte er sie aus Widerspruchsgeist grün), als eS früh Morgens an seine Atelierthür klopfte. Kathrin trat ein. in einen sehr einfachen Mantel gekleidet, schleierlos, die Wangen von der Luft gecöthet. Wahrhaftig! dachte er, sie sieht aus wie eine Göttin iu Civil . . . „Ich mach« von Ihrer Erlaubniß Gebrauch", begann sie noch flüchtigem Gruße und zog einen Brief auS der Tasche. „Ich bitte um Ihre Hilfe." „G«g«n wen?" „Gegen Ihren Bruder Klas —" „Klas?" Seine Brüder waren ihm mit der Zeit zu bloßen Begriffen geworden. „Er will nicht begreifen, daß ich ihn nicht h«irath«n mag, und da ich'» ihm nicht klar machen kann, möchte ich bitten, daß Eie eS thun." Sie sprach gelassen, aber energisch. „Seinetwegen bin ich von Hau» weggcgangen", fuhr sie fort. „Die Stiefmutter wollte, daß ich ihn nehmen sollte. Wir sind so viel Köpfe jetzt. Vater hat keinen Willen mehr, seit di« zweite Frau im Hause ist. Und Klo» kam alle Lage." „Und warum wolltest Du nicht, etwa weil er ein Bauer ist, und Du eines Schulzen Tochter? Sag's nur aufrichtig! Solchen blonden Riesinnen wie Dir steht auch der Hochmuth ganz gut zu Gefickt." „Ich mochte ihn nicht", »ersetzte st« einfach. _ „Da» weiß man nicht, «woher da» kommt, aber wenn «» da ist, laßt sich nichts da gegen thun." „Und er will'» durchau» nicht «insehen? „Hier ist sein Brief." Bracht nahm »hn; dieselben kindisch hingemalten Züge, in denen «r zuweilen einen kurze» Bericht aus Hacksche erhielt, un orthographische Siilbliithen, über die er es jedenfalls auch nicht hinauSgebracht hätte, wenn er nicht zufällig ein Genie gewesen wäre. E» war em ungefüge» Bauerndeutsch. „Alle Leusel", sagt« Bracht nach der Lectüre, „er will Dich nur, »eil sei» Vater «» ihm befiehlt; au» sich selber heraus traut . Wahrhaftig, di« Dinge in Hacksche haben »,« gedacht, daß «ein Vater mit seinen will. Da» steht ja fast au», al» hab« Antrieb auch tn dir Haid« verlaufen." »uut zu. ,Ur Bat«, meint, weil d«r Er erzählte erblassend den Zusammenhang. „Dann ist's Elli!" rief Rosi und raste im Zimmer hin und her, daß ihr seidener Rock wie Feuer knisterte. „Du himmlische Güte! — und sie warf die Arme in die Luft, daß die Armbänder wie Kastagnetten klapperten — „dieser Unsinn — das bleichsüchtige Kind — das kann ja gar nicht zugegeben werden! Ich habe keine Ahnung, daß er hier war — aber freilich, Elli'S Zimmer hat ja directen Zugang vom Corridor aus. Das ist ja Wahn witz —" und sie stürzte durch mehrere Gemächer in Elli's Zimmer — Engelhardt ihr nach. Elli lag in einem Lehnstuhl und fütterte ihren Papagei mit Zucker; sie sah sehr fromm und gedankenlos aus. Rosi stürmte auf sie zu, daß der Papagei erschreckt die grünen Flügel schlug, griff sie an beiden Schultern und rief ihr herrisch zu: „Du hast Dich mit Bracht verlobt, ohne mir ein Wort zu sagen — schämst Du Dich nicht? Kaum au- dem Kloster . . ." Elli sah blos Engelhardt an. „Rede doch!" drängte Rosi. „Elli!" flehte Engelhardt — „ist e- möglich?" „Es ist weder Herrn Bracht, noch mir auch nur im Traum eingefallen", sagte sie etwas gekränkt. „Hab' Dich doch nicht so, Rosi!" Rosi war sichtlich erleichtert. „Bist Du etwa im Fieber, Engelhardt?" rief sie spitz, „ich habe nie gewußt, daß Deine Rittmeisterseele so phantastisch zu blühen vermag. In diesem Augenblicke trat Kathrin durch die Portiere. „Ich möchte um meine sofortige Entlassung bitten, gnädige Frau . . " Rosi starrte sie verwundert an. „Ich habe mich soeben mit meinem Landsmann verlobt." Eine Minute lang herrschte tiefstes Schweigen in dem kleinen Gemach. Rosi verharrte in der Stellung, die man „wie an- oedonnert" zu nennen pflegt. Engelhardt und Elli sahen sich starr an. Rosi'- rascher Geist durchlief mit rasender Ge schwindigkeit olle Ereignisse der letzten Zeit; sie suchte einen Faden, der ihr durch die» Labyrinth half — ah! Da hatte sie'», das Cotillonhuhn — da begann'»! Daher sein Interesse an ihren Kreisen, daher seine Sonntagsbesuche ... sie fühlt« sich eisig kalt werden, fühlt« sich eben vor einem Eclat: auS» brechen lassen wollte sie ihn nicht; darum entfloh sie wortlos vor sich selbst und verschwand au» dem Zimmer. Elli streifte die bunte Decke von ihren Knien und fland auf. Sie wußte, daß sie sich nicht blamiren dürfe und beschloß, aroßmüthig zu sein. So reichte sie dem Mädchen die Hand und sagte sehr freundlich: „Ich wünsche Dir alle» Glück! Mir schirn es manchmal, al» wäre e» nicht recht von un» gewesen, Dich in «in so andere» Erdreich zu verpflanzen, aber nun heißt'» ja, „End« gut. Alle» gut", und ich hoffe, daß Du immer nur Grund hast, un» dankbar zu s«in." (Schluß folgt.)
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