Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011106022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-06
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs «Preis Kl der Hauptexprdition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich.sl 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- b.SO. Durch die Post bezogen jür Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egvpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese- Blatte« möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um Uhr, die Abend-Au-gabe Wochentags um k Uhr. Nedaction und Expedition: JvhanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'- Sortim. UmversitätSstraße 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Aatbarinenstr. 14, Part, und Königs Platz 7. Nr. 587. Abend-Aüsgabe. WMcr Tageblatt Anzeiger. Ämlsötatt -es Königlichen Land- und Ämtsgerichles Leipzig, -es Aathes und Notizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (v gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .6 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännabmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 6. November 1901. 95. Jahrgang. Einfuhren? Das würde viel Geld kosten ... so was ließe Feuilleton kj ein Räuberzug unter der Devise: damit nicht genug; der Eng- welche die deutschen Heerführer gegen feige Angriffe aus dem Der Berliner Correspondent der „Times" bat sich durch die Protestbewegung gegen die bekannten An spielungen Cbamberlain's auf die deutsche Kriegführung im Jahre 187V—71 veranlaßt gefühlt, sich zum Bertbeidigcr der deutschen Soldaten während des deutsch-französischen Krieges aufzuwerfen. Aber selbstverständlich ist in seinem Munde die Vertbeidigung zu einer neuen Beleidigung ge worden. Wie brächte auch ein Mitarbeiter der „Times" es fertig, deutschen Soldaten ein anerkennendes Wort zu widmen, obne daran ein noch anerkennenderes für seine eignen Lands leute zu knüpfen! So hat der Herr denn n. A. gesagt: „Sie benahmen sich fast so gut, wie unsere eigenen Sol daten sich betrugen und in Afrika heute sich betragen." Der „Hamb. Corr." ist darüber mit Reckt empört und giebt dieser Empörung folgendermaßen Ausdruck: „Also die Sieger von Gravelotte und Sedan haben sich fa st so gut, also nicht einmal ganz so gut betragen, wie die englischen Der Krieg in Südafrika. Der KrtedenSvermtttelungS-versuch der holländischen Negierung. Aus Brüssel wird uns gemeldet: Die Absicht der nieder ländischen Regierung, England eine Friedensvermittelung an zubieten, ist nach Ansicht der hiesigen Boerenkreise aus Rath- schlagen von russischer und französischer Seite hervorgegangen. Der transvaalische Gesandtschafts sekretär Van der Houven hatte bei seiner kürzlichen Anwesenheit in Petersburg Unterredungen mit mehreren Personen, welche großen Einfluß beim Zaren haben. Diese versprachen in sehr bestimmter Form, daß Rußland jeden von einer anderen Macht einzuleitenden Vermittelungsversuch unterstützen werde, und da sich Frankreich auf die gleiche Stufe stellte, so war die nieder ländische Regierung in die Lage versetzt, den betreffenden Schritt in Erwägung zu ziehen. Die hier und in Holland befindlichen Vertreter zeigen allerdings noch große Zurückhaltung hinsichtlich der Annahme der von der niederländischen Regierung vor geschlagenen Schutzherrschaft Englands über die Boerenstaaten. Sie würden jedoch in Verhandlungen darüber eintreten, da es ja sehr darauf ankommen würde, welche Form dieses „Protek torat" einnehmen würde. Andererseits ist man vollkommen da von überzeugt, daß das Cabinet Salisbury-Chamberlain auch diesen Bermittelungsversuch zurückweisen wird; aber in diesem Falle würde wohl endlich die öffentliche Meinung Englands rin Wort zu Gunsten des Friedens mitsprechen. — Dagegen er klärt man den etwaigen Abschluß eines Waffenstill standes ohne vorherige Garantien von Seiten der Boeren als ganz unannehmbar. In England würde man diesen in Rücksicht auf die bevorstehende Krönung des Königs Eduard wohl gerne annehmen; die Boeren werden jedoch den Londoner Herren einen derartigen Gefallen nicht thun. * Halifax (Neuschottland), 6. November. Das reguläre kanadische Infanterie-Regiment hat sich frei willig zum Dienst in Südafrika gemeldet. * Brüssel, 5. November. „Petit Bleu" erklärt in einer Meldung aus dem Haag formell die Nachricht fürunrichtig, daß die Vertreter Transvaals und des Oranje-Freistaates in geheimen Zusammenkünften in Holland Repressalien gegen die gefangenen englischen Officiere be schlossen hätten. Landon, 6. November. (Telegramm.) Der Justiz ausschuß desGeheimenRatheS verwarf in seiner gestrigen Sitzung, an der auch der Oberrichter der Capcolonie theilnahm, das Berufungsgesuch des Notars Marais in Paarl (Capcolonie), der dort am 15. August von den Militär behörden wegen Uebertretung der militärischen Vorschriften ohne eine genauere Angabe des Vergehens verhaftet und nach Beaufort West gebracht worden ist, wo er seither gefangen gehalten wird, ohne vor einen Richter ge führt zu werden. Das Gesuch Marais' lautet auf Zulassung seiner Berufung gegen die Entscheidung des obersten Gerichts hofes der Capcolonie, der seinen Antrag auf Freilassung aus dem Militärgewahrsam abgelehnt hat. Die Ausführungen seines Anwalts bewegten sich hauptsächlich um die Frage, ob das Kriegsrecht in Paarl unnöthiger Weise verkündet worden ist oder nicht. Söldner eS jetzt in Südafrika thun. DaS heißt: unsere Väter und Brüder, die im Jahr 1870/71 unter Führung Kaiser Wilhelm I. und seiner Paladine nach Frankreich zogen, um dort in einem Kriege, wie er begeisterter und gerechter niemals in der Weltgeschichte geführt worden ist, den französischen Herausforderer in ewig ruhmreichen Schlachten niederznwerfen und die deutsche Kaiserkrone auS den französischen Bataillonen herauszuhauen, können den englischen Soldaten in Südafrika und ihren Leistungen doch nicht ganz gleichgestellt werden. Unser großes stolzes Heer, mit Moltke an der Spitze, mit seiner unvergleichlichen Generalität und einem OfficiercorpS, wie di« Welt kein zweites auszuweisen hatte, unser Heer, das auf Grund seiner militärischen und moralischen Tüchtig keit und Zucht, auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht, die den Kern unseres Volkes nach Frankreichs Gefilden führte, dort Wunder aufopferungsvoller Vaterlandsliebe verrichtete, unser glor- reiches Kriegsherr von 1870 71 wird von dem „Times-Corre- spondenten in Berlin mit den englischen Milizen in Südafrika ver glichen, die für Pfund und Schilling einen Krieg führen, der moralisch nicht höher steht als la bourse ou la vis! Und länder stellt die Maßregeln, zum Schutze ihrer Soldaten Hinterhalte durch nichtuniformirte Civilpersonen nothwendig er greifen mußten, aus eine Stufe mit den englischen Gravsamkeiten gegen wehrlose Weiber und Kinder! England überzieht ohne jeden völkerrechtlichen Grund, lediglich seiner Raubgier folgend, die süd afrikanischen Republiken mit einem mörderischen Kriege, und da sich die ihre Freiheit und Unabhängigkeit liebenden Angehörigen der selben dies nicht ruhig gefallen lassen, sondern sich bis zum letzten Mann tapfer Vertheidigen, so sind sie „verrätherische Rebellen", denen gegenüber AlleS erlaubt ist. Und den noch glaubt ein in Berlin lebender Engländer eS wagen zu dürfen, diese englische Kriegführung mit der deutschen von 1870/71 zu vergleichen. Wir erblicken darin eine derart unerhörte Beschimpfung Deutschlands, daß wir daS energischste Vorgehen unserer Regierung gegen den insolenten Eng länder für unerläßlich halten. Zur Zeit des Fürsten Bismarck märe ein '"nSländir, dec sich eine deniUige ^'c.'digung gegen die deutsche Armee erlaubt hätte, ohne viel Federlesens nach Verdienst behandelt, d. h. ausgewiesen worden, namentlich, wenn er sich, wie die- bei dem „TiineS"-Correspondenten in Berlin der Fall ist, ohnehin durch seine deutschfeindlichen Berichte längst lästig gemacht hätte. Aber freilich, wo ist heute in Berlin der Mann, der es wagt, mit einem solchen Herrn kurzen Proceß zu machen, namentlich wenn er ein Eng länder ist?" Wir bemerken hierzu, daß auch Fürst Bismarck längere Zeit die Correspondenlen englischer Blätter selbst dann sehr zart bebandeltr, wenn sie eine ganz andere Behandlung ver dient halten. Gerade während des deutsch-sranzösiscken Krieges hatten sich diese Herren, obgleich sie Alles, was sie über den Fortgang der Belagerungsarbeiten vor Paris er schnüffelt hatten, brühwarm ihren Blättern mittbeilten, des größten Entgegenkommens im Großen Hauptquartiere zu Versailles zu erfreuen. Besonders der dortige Corre spondent der „TimeS" war eine bevorzugte Größe, die sich selbst am Tage der Kaiserproclamation bei der Ausfahrt ungestraft eine Rüpelei gestatten durfte. Aber Fürst Bismarck brauchte damals die englische Presse Politische Tagesschau. * Leipzig, 6 November. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist zwischen der Reichspo st Verwaltung und der württemb ergn ch en Postverwaltung ein Uebereinkommen abgeschlossen worden, nach dem vom 1. April 1902 ab für das Gesammtgebiet der beiderseitigen Verwaltungen einheitliche Postwerth- zetchc» mit dem Vordruck „Deutsches Reich" zur Ver wendung kommen. Dieses Uebereinkommen darf in princi- pieller Hinsicht als ein sichtbarer Ausdruck der Einigung Deutsch lands auch auf postalischem Gebiete mit Freuden begrüßt werden, wenn auch bedauert werden mag, daß in Folge des Fernbleibens Bayerns von dieser Convention eine volle Einheit noch nicht geschaffen werden konnte. Aus der Vorgeschichte des jetzigen Abkommens mag an die bekannte Reise des früheren Staats sekretärs des Reichspostamtes von Podbielski an die Höfe von München und Stuttgart erinnert werden, welche einen augen blicklichen Erfolg wegen der ablehnenden Haltung Bayerns nicht erzielte. Bald darauf verlautete indeß, daß die Haltung Württembergs keineswegs so ablehnend gewesen sei, wie die Bayerns, und daß neue Verhandlungen, insbesondere über die Hauptschwierigkeit, die Art der Abrechnung zwischen den beider seitigen Postverwaltungen, schwebten. Denn die wesentliche Voraussetzung, mit der Württemberg an diese Frage herantrat, war, daß seine Posthoheit nicht durch die Vereinheitlichung der Werthzeichen in Frage gestellt werde. Von Kreisen, die der bayerischen Regierung nahestehen, wurde als Haupteinwand gegen das Fallenlassen der bayerischen Postmarke hervorgehoben, daß ein Modus für die finanzielle Abrechnung bis jetzt noch nicht gefunden und wohl überhaupt nicht zu finden sei. Nach dem nun durch die Praxis dieser Einwand widerlegt ist, wird man sich wohl auch in Bayern den einheitlichen Postwerthzeichen geneigter gegenllberstellen. Wie lange' man dort die Sonder marke noch beibehalten will, muß natürlich der bayerischen Regierung und der Bevölkerung Bayerns überlassen bleiben. Aber die Erwartung wird überall in Deutschland bestehen, daß man in Bayern dem württembergischen Beispiel in nicht allzu langer Zeit folgen werde, wenn man sich überzeugt, daß der sachliche Inhalt des Postreservats bei der zwischen der Rcichs- postverwaltung und Württemberg vereinbarten Abrechnungs weise ebenso aufrecht zu erhalten ist, wie durch die besondere Postmarke. Eine erfreuliche Nebenwirkung des durch das Ueber einkommen gesicherten nationalen Fortschritts wiro cs sein, daz die seit einigen Jahren eingeführten, nach dem allgemeinen Ur- theil sehr unschönen Muster der Reichspostmarke durch andere, hoffentlich bessere, ersetzt werden. mit einer höflichen Verbeugung, ihr dabei kaum merklich zu flüsternd: „Kein Wort von Berlin!" „Na, mein Göhr, was is denn mit Dich?" fragte jovial lächelnd der Herr Oekonomierath, unwillkürlich vor dem eleganten Fremdling in den Ton des zärtlichen Vaters verfallend. — „Es is blos der neue Herr Jnspector Platen." Wie mit Blut übergossen, stand Lisbeth vor ihnen. Der junge Mann sprach einige höfliche Worte über Tressin im All gemeinen und die schöne, reinliche Milchkammer im Besonderen. Zum Glück merkte der Alle nichts. In seinem Eifer, dem Neuen zu imponiren, war er gleich zu der Centrifugenmaschine getreten, deren neues System er ihm erklärte und eifrig lobte. Nachdem sie Alles betrachtet — Lisbeth gab nur stotternde und einsilbige Antworten —, zogen sich die Herren zurück. Bei Tisch, wozu sich Platen wieder umgekleidet, sahen sie sich wieder. Und dort machte er auch Fritzens Bekanntschaft, der mit Verwunderung den jungen, eleganten Mann betrachtete, der so lebhaft, klug und witzig plauderte, sich vor dem Alten durchaus nicht genirte, ja ihm direct einige Male widersprach und den alten Brummbären, zum höchsten Erstaunen des Sohnes, sogar zum Lachen brachte. Es wurde ordentlich amüsant bei Tisch; nur Lisbeth war zerstreut und unruhig. Schließlich — das verdiente einen rothen Strich im Kalender — meinte der Alte nach einigem Drucksen (man merkt« ihm die Anstrengung an): „Da heut' Sonntag is und zu Ehren Ihrer Ankunft, wollen wir ausnahmsweise 'ne Flasche Wein trinken. Wir leben sonst sehr mäßig . . . bei den schlechten Zeiten! Viel Alkohol ist dem Menschen überhaupt nicht gul, aber ausnahmsweise. Sie trinken doch gern Wein?" Auf diese freundliche Einladung meinte der „Neue" lachend: „Bitte, meinetwegen nicht vom Hausgebrauch abzuweichen. Ich trink« ganz gern rin GlaS Wein in lustiger Gesellschaft, halte auch den Alkohol, mit Maß grnossen, nicht für schädlich; es kostet mich aber zum Glück gar kein Opfer, Bier und Wein mo natelang zu meiden, wenn r» sein muß." „Das ist brav. . . . Nun wollen wir den Mosel erst recht trinken. Daran nimm Dir ein Beispiel, Fritz! Der Junge trinkt nämlich. Passen Sie nur auf ihn auf! Zu Ihnen habe ich Vertrauen." „Zum Aufpasser hab« ich durchaus kein Talent", wehrte Platen die angebotene Rolle ab. „Aber ich hoffe, der junge Herr wird mir sein Vertrauen schenken. — Uebrigens, Du lieber Gott, in dem Alker, in dem man noch nicht» vertragen kann, da haut man leicht einmal über die Schnur. Dabei kann ich nichts finden. Al» ich in Berlin studirte — ich wollt« erst Chemiker wcrd«n, eh« ich zur Üandwirthschaft überging —, da ist'S auch «in Rittergut Tresfin. Roman von Robert Mis ch. vkrbetkn. Nun ging es in die Stall«, zuerst zu den Pferden. Pferde- derstand hatte er ja. Er ließ sich jcdrn Gaul einzeln vorführen im Hinteren Hof und taxirte ihn genau ab, wie ein alter, er fahrener Pferdehändler. Alter und Fehler, Alles sah, Alles merkte er. Auch über die Fütterung und Wartung machte er ein paar recht sachverständige Bemerkungen. Dann gingen sie zu den Wiederkäuern. Ueber Rasse- und Zuchtfragen kamen sie in einen Disput; ober, weiß der Teufel, der Kerl wußte über Alles Bescheid und hielt, ohne keck zu sein, mit seiner Meinung nicht hinter dem Berge. Die Anderen hätten entweder dem Gebieter gegenüber keine eigene Meinung zu äußern gewagt, oder sie hatten überhaupt keine. Es war ein ganz eigenthümliches Gefühl für den Alten, sich so widersprechen zu hören. Bisher hatte er ia auch immer mehr verstanden, al» alle seine Leute. Dann ging I zu den Schafen. Auch hi«r lobte der „Neue" im Allgemeinen, nannte Wolle, Zucht und Behandlung gut — ja, vor ein paar Zuchtböcken aerieth der junge Mann sogar in Begeisterung. Nur auf Ausstellungen hatte er so etwas ge sehen, waS der Oekonomierath zwar mit bescheidenem Lächeln anhörte, waS ihn aber innerlich sehr stolz macht« und dem neuen Ankömcklling seine Zuneigung verschaffte. Bei den Schweinen hotten sie sich aber beinahe wieder ge zankt. Auf seine Schweinezucht war der Alte besonders stolz. Aber feine Zuchteber lobt« der junge Herr nur lau. Ganz hübsch, aber — er empfahl «in« andere Rasse, «in anderes Futter, andere Wartung und Stallung; und der Oekonomierath stritt darüber auf Leben und Tod mit ihm. Mit offenem Munde standen die Knechte umher. „Det war'» Kierl — der verstand'-. Und 'n Maulwerk hat he« . . . und wie hei mit dem Ollen 'rumsprangI Bannig hätt' hei'- ihm geben!" Aber der Alte, der sie in feinem Eifer bi»h«r nicht bemerkt hotte, jagte plötzlich die ganze Gesellschaft zum Teufel. „Entschuldigen Sie, Herr Oekonomierath", sagte Platen höf lich, „daß ich so hartnäckig mein« Ansicht verfechte. Aber das find Fragen, die mich auf- Lebhafteste interessiren." „Na, und NU möchten Sie da- natürlich gleich Alle- Lei un- ^nsührrnv paar Mal vorgekommen, daß ich ... na ja! Das gewöhnt sich Alles ab, wenn man älter wird." Fritz warf ihm einen dankbaren Blick zu. Wirklich ein fa moser Mensch! Der Alte wollte davon nichts hören. Wenn man sich das Trinken erst einmal angewöhnt hätte, käme man nicht mehr los oavon. Der Oekonomierath schien sich jetzt für feine bisherige, höf liche Haltung entschädigen zu wollen. Er zog dermaßen über seinen Sohn her, nannte ihn einen Taugenichts, Faulenzer, leicht sinnigen Phantasten und unpraktischen Träumer, das Unglück seines Lebens, einen mißrathenen Sohn, daß Fritz vor diesem Fremden fast in den Boden versank vor Scham. Trotzdem schwieg er, denn er wußte, daß sein Widerspruch den Vater nur noch mehr reizte. Aber Thronen ohnmächtiger Wuth standen in seinen Augen. Platen ließ den Alten eine Weile schimpfen. Dann wußte er so geschickt abzulenken, die Jugend im Allgemeinen, die vom reifen Alter meist gar nicht verstanden würde, und Fritz im Besonderen, so witzig zu Vertheidigen, daß ihn Bruder uno Schwester voll Dankbarkeit anblickten. Aber der Alt«, dem der übrigens recht saure Mosel zu Kopfe zu steigen schien, oder der sein« Autorität gleich am ersten Tage zeigen wollte, ließ sich nur schwer beruhigen. Immer wieder kam er darauf zurück, WaS Fritz für ein mißrathener Schlingel sei. „Betrunken haben sie ihn mir ins Hau- gebracht Braun und blau habe tch ihn damals geschlagen .... ja! Und damit Sie wissen, was das für rin Patron ist: statt feine Pflicht zu thun, liest er dumme Bücher und pinselt Papier und Wände voll. Der Stock ist das einzige Mittel, ihn zu regieren. . . . Mit wildem Blick starrt« Fritz seinen Erzeuger an: „Vater!" „WaS beliebt, Junge?" Eine klein« Paus« entstand. Etwas wie «ine Katastrophe, eine Explosion schwebte in der Luft. Aber ehe der junge Mensch sich zu einer Thorheit, einer erbitterten Antwort hatte hinreißen lassen, nahm Platen daS Wort: „Es thut mir leid, daß Sie mich gleich heule zum Zeugen eines Familienzwistes invchen, Herr Oekonomierath" — das Her» pochte ihm dabei, den er spielte jetzt dem Alten gegenüber v» bauquv —. „Ich kann nur annehmen, daß Sie mein« An sicht, meinen Rath hören wollen." „Ach was, ich denk« nicht daran! Ihre Meinung ist mir sehr gleichgiltig." Platen erhob sich. „Dann gestatten Sie mir, datz ich mich -Urückzieht?" Der Alt« blickt« ihn überrascht an. und ihre Hintermänner in der englischen Regierung und hätte einen politischen Fehler begangen, wenn er nickt gute Miene zum bösen Spiele gemacht hätte. Wer aber befindet sich j e tz t kiesen Herren gegenüber in derselben Zwangslage, in der Fürst Bismarck sich damals befand? Welche üblen poli tischen Folgen würde eS jetzt haben, wenn man den Berliner „TimeS"-Correspvndenten empfinden ließe, was man selbst bei seiner beleidigenden Unterstellung der deutschen Sieger von Gravelotte und Sedan unter den in Südafrika sengenden und brennenden Schlächtern empfindet? Aber wenn auck die ofsiciellen Kreise der ReichS- hauplstadt Gründe, die nur sie kennen, zur Langmuth gegen den Herrn haben, wer hindert andere Kreise, mit ihm Deutsch zu sprechen? Uns ärgert eS am meisten, daß daS nichtossicieUe Berlin mit verschwindenden Ausnahmen mit dem Herrn, der die „Times" mit seinen „Berichten" bedient, wie mit einer unantastbaren Größe umgebt, der man in jeder Hin sicht förderlich und dienlich sein müsse. Und nicht minder ärgert eS uns, daß andere Kreise, die ein etwas festeres Rückgrat haben, nach der Regierung und nach der Polizei rufen, um den ungezogenen Gast auf deutschem Boden moros zu lehren. Das sollte man doch nachgerade wissen, daß man in solchen Fällen auf Selbst hilfe angewiesen ist. Und an Mitteln zur Erreichung des erwünschten Zieles fehlt eS doch wahrhaftig nicht. Gerade der Hochnäsigkeit, die eine besonders zuvorkommende und auS- zeichnende Bebandlung für sich verlangt, kann man sehr leicht und in schlechterdings nicht mißzuverstehender Weise zu er kennen geben, daß sic im eignen Interesse handelt, wenn sie so rasch wie möglich den deutschen Staub von den Füßen schüttelt. Auch daS Organ der socialdemokralischen Gewerkschaften ist mit der Boykottirung der englischen Hanvclssch ffc, wie sie in niederländischen Dockarbeiterkreisen geplant wird, nicht einverstanden. Handelte es sich um einen Boykott eng lischer Maaren, so würde das socialdemokratische Gewerkschafts organ nach seiner eigenen Andeutung etwas anders denken, weil in jenem Falle gewerkschaftliche Interessen nicht direct berührt wären. Bei der Weigerung aber, englische Schiffe zu beladen und zu entladen, würden die gewerkschaftlich organisirten Hafen arbeiter die Kosten in erster Linie tragen. Diesen Gesichts- punct macht das Gewcrtschaftsorgan neben dem Zweifel an dcr erfolgreichen Durchführbarkeit des Boykotts zunächst geltend. Sodann erinnert es an die internationalen Verpflichtungen der organisirten Hafen- und Transportarbeiter, Verpflichtungen, die auf rein gewerkschaftliches Zusammenwirken sich beziehen und durch nationalpolitische, gegen einzelne Nationen gerichtete Streiks verletzt werden können. „Dieser Weg politischer Streiks", meint das Gewerkschaftsblatt, „führt, einmal be schritten, zu unabsehbaren Consequenzen, die keine Gewerkschaft vorbehaltlos übernehmen kann." — Eine derartige Zurückhaltung des socialistischen Gewerkschaftsorgans ist recht bemerkenswerth; sie unterscheidet sich sehr von der Haltung, die von derselben Seite nur zu häufig bei Streiks und Boykotts eingenommen wird, die innerhalb der Reichsgrenzen in Frage kommen und bei denen oft ungeheure Interessen im Spiele sind. Ueoer Beschlüsseder evangelischen Gtneralsyuodk in Wien betr. dieÄerufungausländischerGeist- licher, und die Vereidigung evangelischer Recruten, wird uns geschrieben: In Folge des Anwachsens der evangelischen Gemeinden in Oesterreich ergab sich die Noth- wendigkeit, in Ermangelung einheimischer Theologen zur Be rufung ausländischer Geistlichen zu schreiten. Jnoessen be kundeten die österreichischen Behörden ein gewisses Widerstreben, ich nur ganz allmählich . . . Uebrigens erzielen Sie ja auch sehr chöne Resultate. Ich habe Ihnen nur ganz theoretisch meine Meinung gesagt und würde mich verdammt hüten — selbst wenn ich hie« der Herr wäre und die Mittel dazu hätte —, gleich Alles in Wirklichkeit zu übersetzen, was ich mir anders denke." „Na, das klingt ja ganz vernünftig. Sie sind ja noch ein bischen jung, ein Theoretiker . . . Das heißt, L la donno lmuro, scheinen mir WaS zu verstehen! ... Ich meine nur, die Theorie spielt Ihnen manchmal 'nen Streich ... Je älter man wird, und je mehr neue Methoden man hat auf- und wieder abkommen sehen, desto kühler dknkt man darüber und besinnt sich zehn Mal, ehe man was ändert. Es ist wie mit den Kleidermoden, wie sie auch immer wieder aufs Alte zurückkommen. — Na, und nu wollen wir Mittag essen, und dann können Sie sich ausruhen." „Ein Stündchen wohl — nachher möchte ich gern die Bren nerei sehen. Gerade heute, weil nicht gearbeitet wird." Der Oekonomierath erwiderte nichts, aber er schmunzelte be friedigt. Der Mensch war ja gar nicht todt zu kriegen, trotzdem er so „fein und patent" aussah, so nach „Nerven". Erst die mehr stündige Fahrt nach frühem Äufstehen, dann noch im Wagen hierher, zuletzt die Ställe — und noch immer hatte er nicht genug. All« neuen Besen u. s. w. Er wollte den Tag nicht vor dem Abend loben. Im Ganzrn war er ja zufrieden. Der Neue wollte keine Revolution und halt« das Vieh in musterhaftem Zu stande befunden. Als sie nach dem Wohnhause zurückkehrtrn, kamen sie an der Milchkammer vorüber, aus der eben eine Magd mit einigen ge füllten Blechkannen trat, die sie auf einen kleinen Karren verlud. „Wir liefern die Milch nach Klützow; und die Butter und der Käse gehen meist nach Berlin", erklärte der Oekonomierath. „IS Frölen drin?" fragte er di« Magd. Diese bejahte. „Na, dann kommen Sie auf einen Moment 'rein! ... Ich kann Sie gleich meiner Tochter Vorsteven, 'ne besondere Mamsell habe ich nich ... Meine Lisbeth besorgt daS Alles allein." Die junge Dame stand in einem grauen Leinenkleid, mit einer großen, blauen Schürze angethan, vor einem ttühlgesäß, ihnen gerade den Rücken zudrehend, al- sie den geräumigen und äußerst reinlichen Raum betraten. Flüchtig wendete sie den Kopf herum, ließ dann aber mit einem jähen Erröthen und einem schon im Entstehen unterdrückten Aufschrei das blecherne Milchgefäß auf den mit Steinfließen bedeckten Boden fallen. Platen sprang schnell hinzu und hob es auf. Er reicht««- ihr
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite