Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011115022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901111502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901111502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-15
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug--Pret- 1» der Hauptexpedttton oder den im Stadt bezirk und de« Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, vet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egvpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die MorgenHlnSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Sbend-Au-gabe Wochentag» um 5 Uhr. Redaction und Expedition: JohanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Lahn vorm. O. Klemm'» Gortim. UniversitStSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katbarinevstr. 14, pari, und KöniaSvlatz 7. Nr. 58tz. Mend-Ausgabe ripMcr T agM iÄ Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. S5. Jahrgang, Freitag den 15. November 1901. Extra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung ./i 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und V-kizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anrrahmeschlnß für Anzeige«: Abend-Au-gabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Anzeige« »PretS die 6 gespaltene Petitzeile 2S H. Reclamen unter dem Redaction»strich (4 gespalten) 75 H, vor den Famtliennach« richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Der Krieg in Südafrika. S0 Kilometer von Lapftadt! * Loudou, IS. Rooember. (Telegramm.) Die „Times" «elsen aus MtdselSturg vom IS. November: Teil zwei Tagen werben die Voeren in gröberer Nähe von Lapstabt gesehen; SV Mann von dem jüngst bei Hopesteld beobachteten Eommando drangen in Süd- Darling ein. doch darf der Einfall nicht zu ernst ge nommen werden, da die englischen Truppenabtheilungen stark genug find, um Stand zu halten. Nicht zu ernst, also doch immer ernst genug! Sehr vertrauensvoll klingt dieser Beschwichtigungsversuch der „Times" nicht. Höchst auffallend ist, daß die weitere Um gebung von Capstadt so ohne alle Deckung geblieben ist, oder bat e» für die Boeren siegreiche Gefechte mit den englischen Truppen gegeben, die zu verschweigen der osficielle Telegraph für gut fand? Schon einmal waren fliegende Boeren- colonnen m gleiche Nähe von Capstadt, bi» Malmesbury, gekommen, zogen sich aber, weil sie zu schwach waren, wieder zurück. Hoffentlich gelingt den Boeren diesmal ein Handstreich! Die neuen ArtrdenSvorschläge. Aus Brüssel wird uns berichtet: Die Meldung der „Daily Mail", daß von Präsident Krüger Friedensvrschläge auf der Grundlage der Abtretung des Minenbezirls gemacht worden seien, ist nur zu einem geringen Theile richtig. Der Vorschlag geht von der Rhodes-Gruppe aus, die bereits vor acht Monaten denselben Vorschlag gemacht hatte, wobei derselbe jedoch von der englischen Regierung rundweg abgewiesen wurde. Jetzt hat man.durch Vermittelung des Pariser Gold- minen-Syndicats abermals den Boerenvertretern nahegelegt, den Präsidenten Krüger zur Stellung derartiger Anträge zu be wege«. Es ist auch ein bekannter Finanzmann in Hilversum gewesen, um mit Krüger persönlich darüber zu ver handeln. .Der Präsident verlangte jedoch, daß ein bcvoll- inächtigterDertreter der englischen Regierung den Antrag wiederhole, widrigenfalls er nicht in ernsthafte Verhand lungen über di« Frage eintreten könne. Da indessen bisher noch keinerlei Anzeichen dafür vorliegen, daß die Londoner Regierung auch nur geringe Neigung für einen Friedensschluß auf einer derartigen Grundlage habe, so glaubt die Rhodes-Gruppe, mit Hilfe der Pariser, Berliner und Wiener Minen- fyndicate eher zum Ziele zu kommen. Mit diesen Ver handlungen steht offenbar auch die Reise des vr. Leyds nach Berlin in Verbindung. Ter Urberfall bei Bovendam. Ucber den Vorgang bei Bovendam zwischen Clamwilliam und der Lambertsbai im Westen der Capcolonie aiebt «ine Mel dung aus Clamwilliam vom 3. d. Mts. ausführlicher Auskunft. Danach griff eine größere Truppenabtheilung der Boeren am 29. Lctobrr in der Näh« von Bovendam «inen von 35 Mann Colonialtruppen geschützten Transportzug an. Nach hart näckigem Widerstande erbeuteten die Boeren den Wagcnzug. Die Verluste der Engländer betrugen 2 Officiere, 12 Mann todt oder verwundet. Die Boeren sollen einen gleichen Verlust er litten haben. Die Boeren, welch« diesen Ueberfall ausführien, gehörten vermuthlich zu den Commandos Theron's und Maritz', die nach Kitchener's letztem Bericht die verfolgenden britischen Colonnen südlich umgangen haben und in ihr altes Operations gebiet westlich von Clamwilliam zurückgekehrt sind. Maritz bat sich sogar wieder südlich bis Piquetberg vorgewagt und diesen Ort am 7. d. Mts. angegriffen. Die Arbeit der britischen Co- lsnnen kann hier also wieder von vorn beginnen, denn wenn der Feuilleton. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. RaSdruS vkrbot-u. „Der Graf, wie er heute ist mit seinen siebzig Jahren, muß ein Sonderling genannt werden, früher freilich, als er noch Ober hofmarschall war, ei der tausend, da gab's wohl keinen eleganteren Cavalier als ihn. Berlin könnte von ihm erzählen. Er ist Jung geselle geblieben, weil er, wie man sagt, die Geliebte seiner Jugend aus Standrsrücksichten nicht heirarhen konnte. Sein älterer Bruder hatte das Frdeicommiß der Familie erhalten, er war mit Geld abgefunden worden und trat in den Staatsdienst. Graf Edwin stand nie gelt mit dem Fideicommißherrn, dem Vater des Grafen Ferdinand, warum, ist nie recht klar geworden. Denn wenn man sagt, Graf Edwin habe das flotte Leben des älteren Bruders mißbilligt, so kann man dagegenhalten, daß er selbst wie ein Lebemann sich führte. Er nahm sich jedoch nach des Bruders 2od des kleinen Neffen an, der ja jedenfalls sein Erbe sein wird Graf Edwin, obwohl nicht mehr activ, besitzt noch großen Ein fluß bei Sr. Hoheit dem Herzog, der es nicht verschmäht, ihn bis weilen um Rath zu fragen und dann pnsönlich bei ihm vorzu sprechen, da der alt: Gkaf fast nie mehr seine Wohnung verläßt. Ms er noch im Dienst, aber schon bei Jahren war. hatte er sich bei Gelegenheit eines fürstlichen Besuches in Ausübung seines Amtes auf dem Bahnhofe eine schwere Erkältung zugezogen, die zwar behoben wurde, ihn jedoch gegen kalte Lust oder gar Zugluft äußerst empfindlich machte. Er hielt sich von da ab und iwch Bewilligung seiner Amtsentlassung fast stets zu .Hause auf und suchte den Mang-l an frischer Luft durch ein: syste matisch: Reinigung srincr Zimmerlust zu ersetzen." „Was? Das wird ja heiter!" „Er hatte von seinen vielen Aerzten, die er ein« Zeit lang con- inltirte, gehört, daß jeder Mensch bestrebt sein sollte, stets'mög lichst reine Luft rinzuathmen. Da der als Junggeselle lebende Graf es nicht duldete, daß in den Zimmern, in denen ec sich Krade aufhiclt, die Fenster geöffnet würden, so mußt» er aufandere Mltel sinnen, sich reine Luft zu verschaffen. Er glaubte, das iwthige Ozon durch Zimmerparsüms erhalten zu können." Glaubte er dos wirklich?" ..Er besitzt «ine ganze Sammlung ozonhaltiger Präparate, »elchr ihm der bekannte Lohse in Berlin liefert, und wendet Angriff Maritz' auf Piquetberg auch leicht, wie Kitchencr sagt, abgewiesen wurde, so sind die Boeren damit noch nicht aus der Umgegend vertrieben, und man darf darauf gefaßt sein, daß sie demnächst wieder im Thale des großen Lergflusses auftauchen werden. Die Lage der Briten dürfte aber nach dem Verlust des ProviantzugeS einigermaßen heikel sein. Obendrein sammeln sich, wie ebenfalls Kitchcner meldet, di« aus den Midlandoezirken der Capcolonie gedrängten Boerenschaarcn im Bezirk Calvinia, der schon mehrere Male als Stelldichein für versprengte Gue- rillabandcn gedient hat, so daß, wenn diese mit Theron und Maritz zusammen operiren, die Briten in der Front und im Rücken gleichzeitig angegriffen werden könnten. Die Opera tionen gegen Dewet im nordöstlichen Oranjefreistaate sind übri gens in Folge. der mangelhaften Uebermittelung durch das „Wolff'sche Bureau" falsch dargrstellt worden: sie sind nicht schon beendet, sondern haben erst begonnen. Die Nachricht Kitchener's, daß der Süden des Oranjefreistaates thatsächlich gesäubert sei, steht in keinerlei Zusammenhang mit der Unter nehmung gegen Dewet. Ein Entweichen Dewet'Z nach Süden dürfte heute ein äußerst schwieriges Ding sein, da die Blockhauslinie, die sich von Bloemfontein aus nach Westen den Modderflutz entlang und nach Osten über Thabanchu nach Ladybrand erstreckt, derart ausgebaut ist, daß auf ihr kaum noch 100 Meter unbewacht sind. Man erinnert sich, daß Dewet diese Linie schon nach seinem letzten vergeblichen Einfall in die Capcolonie nur unter großen Verlusten in kühnem Galopp durchbrechen konnte. * Haag, 14. November. Dem Generalconsul der Nieder lande in Capstadt, de Waal, ist die nachgesuchte Entlas sung bewilligt worden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. November. Au die letzte Plenarsitzung des BundeSratheS knüpfen sich Erörterunaen von solch merkwürdiger und zum Tbeil irreführender Natur, daß wir eS un» nicht versagen können, mit einige» Worten darauf zurückzukommcn. Wenn von einer Stelle au» der Verwunderung darüber Ausdruck gegeben wird, daß der Staatssekretär de» NcichSamis des Innern, Graf PosadowSky, der Sitzung am DienStag präsidirte und nicht der Reichskanzler, so darf man sich noch mehr darüber Wundern, welche geringe Kenntnis; über den Brauch bei den Plenarsitzungen de» BundeSratheS herrscht. Auch Fürst Bismarck bat in den seltensten Fällen den Vorsitz im DundeSratbe geführt. Der gegebene Stellvertreter des Reichskanzlers ist und bleibt in diesen Fallen der Staats sekretär dcS ReichSamtS dcS Innern. Als solcher präsi dirte unter dem Fürsten Bismarck und dem Grafen Caprivi Herr von Bötticher dem BundeSrathe, wie später unter dem Fürsten Hohenlohe und dem jetzigen Reichskanzler der jetzige Staatssekretär Graf PosadowSky. Eine Ab weichung von diesem vom Fürsten Bismarck eingesührten Brauche lag für die letzte BnndeSrathSsitznng um so weniger vor, als es sich keineswegs mehr um die grundlegenden Fragen de- Zolltarif« handelte — diese Fragen waren längst er ledigt —, sondern nur um eine Abstimmung mehr formaler Natur. Die Unterstellung, der Reichskanzler dabe cS für unzweckmäßig gehalten, seine Ansichten über die Entwicklung der Tariffrage und der Handelspolitik darzulegen, kann doch nur auf bedauerlicher Vergeßlichkeit hinsichtlich aller jener Umstände beruhen, die mit dem Zolltarisentwurse und seiner be schleunigten Einbringung an den Reichstag Zusammenhängen. sowohl das Räuchern, als das Zerstäuben und Verdampfen der Parfüms an." „O, das wird ja ein netter Theeabend werden." „Das glaube ich auch, besonders für Jemanden, dem die Sache noch neu ist. Wir in H... . kennen die Marotte 'des Grafen seit Jahren und finden nichts Besonderes mehr dabei. Trotz dieser Seltsamkeit ist Graf Edwin kein unebener Mann; sein Alter hält ihn nicht ab, noch beute den Weibern zu huldigen, so weit cs für ihn möglich ist. Er ist also durchaus kein ernster, gräm licher Einsiedler, und weiß seine Gäste wohl zu unterhalten. Er pflegt zu sagen, daß der Umgang mit schönen Damen dem Menschen eine gewisse Jugendlichkeit des Empfindens bewahre." „Aber die Marotte mit den Parfüms ist unausstehlich", meini- v. Eder. „Uebrtgens, was kann er von mir wollen ? Ich bin ihm völlig fremd!" „Tas ist mir auch unbegreiflich! 'Sehen Sie, die meisten Diener sind deshalb von ihm entlassen worden, weil sie unliebsame Besuch: bei ihm cinführten. Sie können zwanzig Jahre hier leben, ohne ihn kennen zu lernen. Hohe Beamte, mit denen er zusammen diente, haben fett seiner Pensionirung die Schwelle des Palais nicht mehr überschritten, weil sie wiederholt nicht empfangen wurden. Es ist daher recht schwer, zu sagen, wen Sie etwa morgen Abend dort antreffen werden." .Seltsam!" „Ja. Herr v. Eder, lachen Sie dort nur nicht über ParsümS. Jede: Mensch hat eben seine schwach« Seite, di« m-n ihm lassen muß." „Ich will mir's merken", versetzte Franz, indem ec sich erhob, „ich danke Ihnen für ihr: Auskunft!" „Herr v. Eder. Sie wollen schon geben? Ich hätte Ihnen gern eine Flasch: Wein vorgesetzt, ich fürchtete jedoch, gegen den Respect zu verstoßen. Schade, daß Sic nicht am Tage gekommen sind. daS Palais, welches erst seit fünf Jahren steht, ist in viel-r Beziehung sehenswerth." „Ein andermal dcnn", sagte Franz und entfernte sich. Am folgenden Tage um oir bestimmte Abendstunde begab sich v. Eder nach dem Palais der Grafen Vesan. In diesem Hause waren auch die Korridore geheizt und mit ozonlraltiuen Präpa raten xarsümirt, schützende Glaslhüren, dir sich von selbst schlossen, hielten mit Doppelwandungen jcde Zugluft ab. Franz gab seine Karle ab; der Diener aber sagte, die Karte in der Hand haltend: „Excellenz sind nicht zu sprechen." „Ist der Herr Graf unpäßlich?" „Exccllenz sind immer leidend . . ." Abgeseben von den Reden des Grafen Bülow im Reichs tage über den künftigen Zolltarif und die Handelspolitik, trat die Conferenz der Finanrminister der größeren Bundes staaten auf Initiative des Reichskanzlers und unter dessen Vorsitze zusammen. Dieser Conferenz ist daS rasche Tempo zu Lanken, in dem der Zolltarif zum Abschlüsse gelangte. Auch jener Sitzung des preußischen StaatsministeriumS, in welcher dieses zum Zolltarife Stellung nahm, präsi dirte der NeickStänzl-r. In beiden Fällen, in denen in der Tbat die grundlegenden Fragen deö Zolltarifs zur Er örterung gelangten, hat der Reichskanzler nickt verfehlt, seine Ansichten darüber zu äußern und einen bestimmenden Einfluß auf den Zolltarif auSzuüben; ohne sein Ein greifen wäre man schwerlich so weit, daß der Entwurf schon vor Beginn der Reichstagsverbandlungen an die Abgeordneten verschickt werden kann. — Die Forderung eine» agrarischen Blattes, der Re ichsschatz sekret är hätte der Bundesraths sitzung präsidiren müssen, streift an das Lächerliche, denn der Vorsitz kommt unter allen Umständen deni Reickskanzler oder seinem Stellvertreter zu. — Zur Vervollständigung sei übrigens bemerkt, daß Graf Bülow dock bereits einmal dem BundeSrathe präsidirte, nämlich an jenem Tage, an dem er sick als Nachfolger des Fürsten Hohenlohe im Neichskanzler- amle dem Bundesralhe vorstellte. Ter Abgeordnete Bebel scheint allmählich zu ahnen, daß er schlecht „abschneiden" würde, wenn der Reichs tag' sich mit der Stolle beschäftigte, die er in der An gelegenheit der „Hunne,idrirsc" gespielt. Er giebt sich wenigstens die größte Mühe, noch vor dem Wiederzusammen- tritte des Parlaments sich rein zu waschen von dem Vor wurfe, die Nennung ter Verfasser von „Hunnenbriefen" erst zugesagt und dann verweigert zu baden. Er behauptet jetzt, man habe eine solche Nennung von ihm gar nickt erwarten dürfen, denn er habe bereits am 23. November 1900 im Reichstage erklärt: „Der Herr Kriegsminister ist dann im Laufe seiner Rede darauf gekommen, zu sagen, es fei ihm sehr erwünscht, die Verfasser der Hunnenbriese kennen zu lernen; und er schien anzndeuten, daß er von mir erwarte, daß ich dieselben nenne. Dazu habe ich gar keinen Grund. (Oho: rechts.) Ich habe um deswillen keinen Grund dazu, meine Herren von der rechten Seite, weil die Brief«, die ich hier vorgctragen habe, allesammt bereits in der deutschen Presse erschienen sind, weil ich nur veröffentlichte Briese vorgelesen habe und keinen einzigen der mir privatim zugegangenen." Das bat Herr Bebel allerdings gesagt, aber vorher, am 19. November, hatte er wörtlich geäußert: „Sehen wir nun an einigen wenigen Beispielen, wie es dort in China zugcbt. Briefe von dort sind in großer Zahl veröffent licht worden. Die „Krcuzztg." meinte vor einiger Zeit, man solle nur nach den Namen der Schreiber fragen. Die Namen der Schreiber stehen zur Verfügung. Wäre ein preußischer, ein deutscher Staatsanwalt im Zweifel über daS, was dort ge schehen ist und jetzt gedruckt und veröffentlicht wird, oder wäre die Militärverwaltung darüber im Zweifel, längst wären die Staats anwälte in Thätigkeit gesetzt worden gegen die Schreiber und gegen die Blätter, welche diese Schreiben veröffentlicht haben." Der Vorwurf, daß er frühcr versprochen, was er später verweigert, trifft ihn also mit vollem Rechte. Freilich wäre es am Besten gewesen, wenn mau ibn sofort nach seiner Zusage beim Worte genommen hätte, und die Ver- mulhung ist nicht abzuweisen, daß es unterblieben sei, „So, dann findet wohl die anbcraumte Theegesellschaft nicht statt?" „Thee? Ah, Sie sind zum Thee geladen? Ja so, Baron v. Eder, wie ich sehe! Entschuldigen Sic, ich batte bisher noch nicht die Ehre. Ei freilich, die Theegesellschaft findet statt; man wartet bereits auf Sie. Excellenz lieben die Pünktlichkeit, hm, drei Minuten nach sieben ... Ich werde Sie sogleich anmelden, Herr Baron, bitte sehr, treten Sie ein." Franz schritt hinter dem Diener durch eine Reihe eleganter, hell erleuchteter Gemächer, in denen ihm bald dieser, bald jener Duft entgegenströmte, dessen Vorhandensein sich aufdringlich be merkbar machte. Da er auf derlei vorbereitet war, fiel ihm der Umstand nicht mehr besonders auf, außerdem hätte er sicher geglaubt, in den Boudoirräumen einer Dame zu sein. Nun meldete der Diener seinen Namen und gleich daraus er schien Excellenz — und hieß ihn willkommen: „Kommen Sie nur, lieber Baron, «aus xwrw; wir machen es uns hier gemütblich! Wir sind ein vierblätteriges Klee blatt, das bedeutet Glück!... Jean! Noch etwas lulao iiau cko Ocstogno, denke ich; finden Sie nicht auch, lieber Baron?" „Ein vornehmes Parfüm", sagte v. Eder mechanisch, ob wohl er das genannte Odeur eigentlich nicht näher kannte. „Ja — vornehm, und vor Allem eminent gesund", versetzte Excellenz, und führte Franz in einen allerliebsten blauen Salon, wo ihm die Hofopernsängerin Claire Vcrsec und der Rcdacteur Track vorgestellt wurden. Die Sängerin war eine stattliche Fraueugestalt mit lieb lichen und doch ausdrucksvollen Gesichtszügen und von so an- muthigem, bescheidenem Benehmen, daß man ihr vom ersten Augenblicke des Vekanntwerdens gut sein mußte. Sie stammie aus hochachtbarer Familie und hatte, abgesehen von ihrer ge sanglichen Ausbildung, eine sorgfältige Erziehung genossen, so daß sie sich überall bewegen konnte und durch ihre geistreiche Unterhaltung selbst in verwöhnten Kreisen auffiel. Fran, mußte sich gestehen, daß sie auf ihn einen ausgezeichneten Ein druck machte. Mit Herrn Trael wechselte v. Eder einige oberflächliche Höslickkc'ttsworle, da erschien bereits ein anderer Diener und meldete: „Meine Herrschaften, cs ill servirt." Auf einen Wink des Grafen bot Trael der Sängerin den Arm und man begav sich nach dem angrenzenden, freundlich ein gerichteten Spcisesalon. - Hier war auf einem Seitentischchcn eine mit krystallisirteni Lawcndelholz und Parfümaufgutz ge fllllie Flasche aufgestellt, welche nach ihrer Oeffnung selbstthätig den Salon mit Maiglöckchenduft aromatisirte. „Der Lenz ist neu erschienen", sagte Fräulein Verser mit weil die Militärverwaltung noch nicht im Klaren darüber war, ob gewisse, an die Cbinakämpfer vor ihrer Einsckiffung gerichtete Mahnungen nach dem Wortlaute und nicht nach dem Sinne befolgt worden seien. Aber das ändert an der Tbatjache nichts, daß Herr Bebel schon am 23. November vorigen Jahres daS ablehnte, waS er am 19. November versprochen hatte. Welchen Lärm würde er schlagen, wenn ein nichrsocialdemokratiscker Abgeordneter oder gar ein BundeSrathSmitgliev sich eines so jähen Gesiuoung»- weckselS und eines so groben WorlbrucbeS schuldig ge macht hätte! Für sich aber fordert er das Recht, mit seinem Worte zu spielen, denn der edle Zweck der Volksverbetzung heiligt nach feiner Meinung auch vaS Mittel der Doppel züngigkeit. Auf Grund eingehender Ermittelungen constatirt ein Mit arbeiter der französischen Zeitschrift „La Revue", Mr. Herbert, einen erheblichen Rückgang der französischen Tprache in Vu.land und zwar zu Gunsten der deutschen Sprache. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich die Zahl der die deutsche Sprache treibenden englischen Schüler nahezu verdreifacht, und dies gilt sowohl für die höheren, wie für die mittleren, für die Knaben- ebensogut, wie für die Mädchenschulen. Noch be- merkens'werther ist die Thatsache, daß in den Unterrichisanstalten der mittleren und kleinen Städte, in denen noch vor zehn Jahren nur in vereinzelten Fällen deutscher Unterricht «rtheilt wurde, jetzt das Studium dieser Sprache obligatorisch ist. Der Sieg der deutschen Sprache ist auf Kosten des französischen Idioms erfolgt. Durch mannigfache Beispiele illustrirt Mr. Herbert die L'hatsache, daß der deutsche Lehrer Len französi schen fast Hänzlich verdrängt hat, und es verdient besonders erwähnt zu werden, daß dieser Wechsel der fremden Sprache sich in einzelnen Köllen sehr schnell vollzogen hat. So ertheilte bis zum Jahre 1894 am Hertford County College ein französischer Lehrer den Unterricht in seiner Sprache, und von einem Studium des Deutschen war nicht die Rede, im folgenden Jahre wurde ein deutscher Lehrer angestellt, und gegenwärtig treiben 15 Procent der Schüler die deutsch« Sprache. Auch an den Hochschulen hat dieser Uedergang von dem romanischen zum germanischen Idiom erhebliche Fortschritte gemacht. Während früher das Französische durchaus bevorzugt wurde, ist jetzt die Zahl der Hörer, die sich dem Studium der deutschen wie der französischen Sprache widmen, gleich groß, ein Umstand, der, nach Mr. Herbert, umsomehr ins Gewicht fällt, als ein großer Theil dieser Hochschüler berufen ist, später an den mittleren und höheren Lawdesschulen Unterricht zu ertheilen. „Unsere Sprache", so sagt unser Gewährsmann, „wird zweifellos noch getrieben, aber nur als Zeitvertreib und zur Unterhaltung. Ganz anders die deutsche, die aus Zweck mäßigkeitsgründen, aus geschäftlichem Inter esse gelernt wird und deshalb zweifellos die Gegenwart beherrscht." Ein englisches Buchhändlcr-Fachblatt, welches diese Ausführungen registrirt, bestätigt die Ergebnisse, zu denen Mr. Herbert gelangt ist, durch die Mittheilung, daß die Nach frage nach deutschen Schulbüchern besonders in den letzten Jahren ganz außerordentlich gestiegen ist, während der Absatz der Lehrbücher der französischen Sprache erheblich nachgelassen hat. Uebrigens verliert die französische Sprache auch sonst außerhalb Frankreichs an Boden. In Belgien waren noch vor einer kurzen Reihe von Jahren nur Französisch und Vlämisch als Landessprachen anerkannt, und Französisch war die amtliche Sprache. Gegenwärtig hat die deutsche Sprache in ausgedehnter Weise Eingang gefunden, und die vlämisch« Sprache ist bezüglich des officiellen Gebrauchs der französischen gleichgestellt worden. Vor einigen Monaten erfolgte die Publi kation gesetzgeberischer Neuerungen in französischer und vlämi- bezeichnendem Lächeln, denn sie kannte des Grafen Vorliebe für Parfüms zur Genüge. An der mit Blumen geschmückten Tafel ging es im All gemeinen zwar lebhaft her, aber sonderbar blieb die kleine Ge sellschaft trotzdem; denn die Kosten der Unterhaltung bestritten meist der Graf und die Sängerin. Trael, der Rcdacteur und Besitzer des liberalen „Boten", machte zwar bisweilen eine Zwischenbemerkung, ohne es auffallend zu finden, wenn der Graf und Claire nicht viel darauf gaben oder sie ganz über hörten. Um so peinlicher berührte dies v. Eder, welcher ver geblich nach einer Gelegenheit trachtete, um zu Wort zu kommen. Gegen Trael bewahrte Franz eine gewisse Reserve, um so mehr, als er schon ein paarmal mit dem „Boten"-Redacteur Zeitungs-Auseinandersetzungen politischer Art gehabt hatte. Die Schärfe der Angriffe Trael's gegen die Staats-Zeitung hatte v. Eder abgehalten, diesem Manne einen Besuch zu machen, und nun mußte er ihn gerade hier treffen und ihm gegenüber in eine so eigenthümliche Situation gerathen. Er, der weltgewandte, weitgereiste Mann, der bei keinem Untcrhaltungsthema je in Verlegenheit kam, sah sich hier wie verratheil und verkauft. Weshalb war er eingekaden worden? Wozu war er gerade mit Trael, dem Redactmr des Gegner blattes, zusammengeführt worden? Wie konnte er diese pein liche Situation, ohne die gesellschaftliche Höflichkeit zu ver letzen, abtürzen? Hatte nicht Osenmann gesagt, der Graf halte sehr auf Etiquette und guten Ton? Während er sich solchen peinlichen Erwägungen hingab und das Souper Gang für Gang seinen Verlauf nahm, ließen sich die Excellenz und Fräulein Verser in ihrem Vergnügen nicht stören. Graf Vesan unterhielt sich lebhaft, wie ein junger Mann: von feinen Lippen sprudelte es nur so von Witzen, tollen Einfällen und Anekdoten, daß man fast sein Alter ver gaß. Besonders gut schien es ihm zu gefallen, wenn Claire so recht von Herzen lachte, wobei sie sich durchaus keinen Zwang auferlegte, was wohl der Champagner bewirkte. Endlich bemerkte der alte Graf: „Nun, Claire, fehlt unS zum Wohlbehagen nichts mehr, als eines Ihrer seelenvollen Lieder. Sie wissen wohl, daß ich Sie nie dazu dränge. Wenn Sie nicht in der rechten Stimmung sind, zu fingen, dürfen Sie es offen sagen!" „O, ich dachre schon daran", sagte Fräulein Verser, „doch wollte ich erst Ihren Wunsch abwarten; die Kunst erscheint fonst gar zu leicht aufdringlich." „Wie finden Sie das, Herr Trael?" „Fräulein Verser", sagte dieser, „denkt zu bescheiden von -hrec Kunst. Wir sind die Empfangenden und müssen dankbar
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite