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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011116017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901111601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901111601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-16
- Monat1901-11
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Amtsblatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Slnzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedaetionSstrich (4 gespalten) 75 L«, vor den Familienaach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlub für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 16. November 1901. S5. Jahrgang. Lronrecht und Bürgerrecht. Ein freiconservatives Berliner Blatt knüpft an eine Er örterung der bekanntlich noch immer schwebenden Berliner Bürger- meifterfrage eine Auslassung von so großer principieller Wichtig keit, daß es wohl gerechtfertigt ist, darauf des Näheren einzu gehen. Das Blatt hofft nämlich, daß die Stadtverordneten „nach einer Anstandspause" die leidige Streitfrage durch die Wahl eines der Bestätigung sicheren Mannes aus der Welt schaffen werden. Wir sind von vornherein gegen die Annahme der neuen Wahl durch Herrn Kauffmann gewesen, weil wir darin nur eine Ver schärfung des Streites zwischen Krone und Stadt erblicken könnten und weil uns jede Möglichkeit einer Bestätigung Kauf manns ausgeschlossen schien. Wir sind ferner dafür eingetreten, daß der Oberpräsident nach der Städteordnung durchaus das Recht hatte, so zu verfahren, wie er verfahren ist, nämlich sich zu weigern, di« Wahlacten weiter zu befördern. Wenn wrr nun aber meinen, daß unter keinen Umständen «in der Nichtbestätigung sicherer Mann die auf ihn gefallene Wahl annehmen sollte, so stimmen wir damit noch lange nicht dem Verlangen zu, daß die Berliner Stadtvertretung nur einen der Bestätigung sicheren Mann wählen dürfe. Zunächst müssen wir einem Berliner Blatte Recht geben, wenn es die Frage aufwirft, wie «denn eigentlich di« Stadtverordneten sich die Gewißheit verschaffen könnten, daß «in von ihnen gewählter Mann auch der Bestätigung sicher sei. Es hat Zeiten gegeben, auch unter der Regierung des gegenwärtigen Kaisers und Königs, wo selbst ein Mann konser vativer Parteirichtung der Bestätigung durchaus noch nicht sicher gewesen wäre. Gesetzt, die Berliner hätten im Jahve 1890, als Forckenbeck wiedergewählt wurde, den ldamaligen Grafen, jetzigen Fürsten Herbert Bismarck, zum Oberbürgermeister gewählt und dieser hätte — vielleicht aus Bos heit — die Wahl angenommen. Ist es ganz gewiß, dass dieser Oberbürgermeister bestätigt worden wäre? Aber nicht nur persönliche Gegensätze zu dem Monarchen, selbst Aeußerlichkeiten können in gegebenen Momenten die Gnade eines Herrschers in das Gegentheil verwandeln. Wir erinnern unS eines Mannes, der von Friedrich Wilhelm IV. vordem wohl gelitten. nach dem „tollen Jahre" vom Könige angesprochen wurde: „Nun, Herr L., Sie tragen auch solchen infamen Demo- kvatenbart?" (Damals waren die runden Bärte verpönt.) „Ja wohl, Majestät", war di« Antwort, „und ich hoffe, daß Ew. Majestät die Gesinnung nicht nach der Bartform beurtheilen." Der König dichte dem Manne den Rücken und sprach ihn nie wieder an. Wir kannten einen anderen Mann, der damals als Lehrer an einer höheren Schule nicht angestellt wurde, weil er sich weigerte, dem verpönten Barte «ine genehmere Form zu geben. Wenn, wie wir sicher hoffen, derartige Aeußerlichkeiten heute nicht maßgebend sein würden, so wird man doch auch heut« von einer Gewißheitder Bestätigung nur dann sprechen können, wenn vor der Wahl di« Genehmigung des Königs eingehakt worden ist. Wir haben aufs Schärfste gegen di« demokratische Auffassung Stellung genommen, daß das Bestätigungs recht des Monarchen als eine Bestätigungs p f l i ch t anzusehen sei, weil dadurch dem König eine unwürdige Rolle zugemuthet wird. Aus dieser unserer streng monarchischen Auffassung leiten wir aber auch das gute Recht her, uns ebenso dagegen zu verwahren, daß die Rechte der Stadtvertretung zu einer bloßen Farce gemacht werden. Das wäre aber der Fall, wenn die Stadtverordneten sich vorher submissest erkundigen müßten, ob der oder jener Candidat auch genehm wäre. Den Stadtverordneten liegt bei der Wahl eines Stadtrathes oder Bürgermeisters nur eine Pflicht ob: ohne parteipolitische Rücksichten — darin freilich haben die Berliner Stadtverordneten wohl schon mehr als einmal gesündigt — einen Mann aufzustellen, der sowohl seinen Fähigkeiten nach, als auch nach seinem Vorleben und seinen Charaktereigenschaften voll kommen geeignet erscheint, den ihm unvertrauten Posten auszu füllen. Haben sie den Bewerber nach diesen Qualitäten hin sorglich geprüft, so haben sie ihre Pflicht vollkommen erfüllt, und es beginnt nunmehr die Pflicht der Krone, nachzuprüfen, ob sie von ihrem Standpuncte aus die Bestätigung ertheilen könne. Das Urtheil der Krone wird manchmal von anderen Gesichts punkten ausgehen, als das der Stadtverordneten-Verwaltung, und es ist wohl möglich, daß dem Monarchen^ «in Mann aus Gesichtspunkten als nicht ganz geeignet erscheint, die die Stadt verordneten nachzuprüfen und in Erwägung zu ziehen keine Ver anlassung hatten. Erfolgt dann eine Nichtbestätiaung, so mag dies bedauerlich sein, aber es gereicht keinem von beiden Theilen zur Unehre und braucht durchaus nicht Veranlassung zu einem Cmrflicte zu geben. So, meinen wir, können die Recht« der Krone und die der Bürgerschaft frei und friedlich nebeneinander bestehen, und sie werden es umfo eher können, wenn die Vertreter der Bürgerschaft der Versuchung widerstehen, dk Rechte der Krone in Zweifel zu ziehen. Der Krieg in Südafrika, verhakten der BoerencommandoS auf englischen Farmen. Ein englischer Farmer aus der Capcolonie berichtet der „Morning Post" über das Verhalten eines BoerencommandoS auf seiner Farm. Nachdem er beschrieben hat, wie die Boeren an das Gehöft herangeritten kamen und nach freundlicher Be grüßung daran gingen, sich aus den Vorräthen der Farm Speisen zu bereiten, sagt er: „Ein Bedenken, daß die Frucht langer Jahre durch die Boeren zerstört werden könnte, wurde dahin beantwortet, daß sie nicht das Verlangen hätten, ohne Zweck zu zerstören, so lange man ihnen keine Schwierigkeiten in den Weg lege und sic nehmen könnten, was sie an Nahrungs mitteln gebrauchten. Wir bemerkten zu unserer großen Be ruhigung, daß der Commandant eine fast eiserne Zucht über seine Leute ausübte. Er war ein ernst blickender Mann, und wenn er auch höflich sprach, so hatte doch sein Wesen das Charakteristische einer durch lange Gewohnheit angenommenen Neigung zu befehlen. Viele der Boeren betraten unser Haus. Einige nahmen Kaffee von dem unberührten Frühstückstisch, Andere baten um die neuesten englischen Zeitungen und lasen sich mit der größten Kaltblütigkeit die Artikel über die Boeren vor. Wieder Andere entdeckten die Speisekammern und Lager räume und nahmen sich Lebensmittel; kein Einziger aber be trat unsere Schlafzimmer. Viele der Boerencommandanten sind in dieser Beziehung sehr rücksichtsvoll." Als eine Nichte des Farmers die Befürchtung aussprach, daß man zu viel Vieh tödte, erhielt sie die Antwort: „Oh, wir lassen unsere Leute nicht hungern, aber wir tödten nur, um Fleisch zu haben. Wir tödten nicht, um zu verwüsten, wie die Engländer." Vor dem Abmarsch des Kommandos machte der Boerencommandant darauf aufmerksam, daß jede Mittheilung von seiner Anwesen heit an die Engländer verboten sei und daß jeoer Hottentotte, der es wagen werde, Nachrichten an die Engländer zu über bringen, damit rechnen könne, daß man ihn erschießen werde. Ter Tod des Sohnes von Lord Roberts Ein Boerenofficier, Piet Nel, der bei Colenso mit zu Denen gehörte, welche die englischen Batterien nahmen, erzählte dem Kriegsberichterstatter des „Daily Telegraph" Folgendes: „Während ich und meine Kameraden den tobten Soldaten betrachteten (es war dies ein englischer Infanterist, der bis zum letzten Augenblick trotz schwerer Verwundung gekämpft hatte), hörten wir eine schwache Stimme um Wasser bitten. Wenige Schritte weiter fanden wir einen verwundeten englischen Officrer. Er sah uns ängstlich ins Gesicht und wiederholte die Worte: „Wasser! Wasser!" Ich beugte mich nieder und setzte meine Feldflasche an seine Lippen und er trank gierig. Der Trunk hatte ihn offenbar erfrischt, denn er lächelte und wollte mir als Lohn sein Lee-Metford-Sportgewehr geben. Ich konnte es nicht nehmen, denn der ganze Lauf war voll Blut und das ganze Gewehr klebrig und feucht. Der arme Kerl that mir leid. Sein todtes Pferd lag auf ihm und quetschte eines seiner Beine. Wir hoben das Pferd weg und machten ihn frei und gaben ihm, nachdem wir versucht hatten, seine Lage so bequem als möglich zu machen, noch einmal Wasser. Als dann die englischen Am bulanzen herauskamen, um die Verwundeten zu sammeln, halfen wir ihn in einen Wagen tragen. Monate nachher erfuhr ich, daß dieser junge Officier Niemand anders als Leutnant Roberts gewesen war." * Middelburg (Capcolonie), 13. November. („Reuter'S Bureau.") Eine Patrouille der berittenen Truppen des Distrikt» von Pansenville hatte am 11. November ein Scharmützel mit einigen versprengten Boeren vom Zuurberg. Die Patrouille mußte sich zurückziehen. Deutsches Reich. * Leipzig, 15. November. Herr Professor vr. Han- Meyer ist zum Mitglied des ColonialratheS ernannt worden. Z Dresden, 15. November. (Telegramm.) Die „DreSd. Nachrichten" bringen nachstehende Mrttheilung: Der Vice präsident de» Reichstage» vr. v. Fr ege hat sich hier, wo er zur Eröffnung des Landtage» erschienen ist, einer ärzt lichen Consultation unterwerfen müssen, deren Ergeb- niß die Notbwendigkeit absoluter Fernhaltung von allen Geschäften ist. Herr v. Frege ist schon seit längerer Zeit leidend. Die hoffnungslose Erkrankung seines einzigen Sohnes, die seit Jahren rorauSzusehen war, bat die Ar beitskraft und die Gesundheit deS solange unermüdlich thätigen Mannes schwer erschüttert. Daß dieser ernste Grund allein ge nügt, sich vom politischen Leben völlig zurückzuziehen, erscheint erklärlich. Angesichts solch schweren Familienunglücks ist wohl auch zu hoffen, daß alle jene hämischen Angriffe, wie sie er fahrungsgemäß von manchem Gegner gegen scheidende Parla mentarier erhoben werden, unterbleiben werden. Viele Kreise, insbesondere diejenigen, welche die Agrarfrage in objektiver, von jeder Uebertreibung sich fernbaltenver Weise behandelt haben, werden Herrn v. Frege, der 24 Jahre laug in selbst loser Weise seine Kräfte der Oeffentlichkeit gewidmet bat, dauernd vermissen. Herr vr. v. Frege beabsichtigt den Süden aufzusuchen. -r- vcrlt», 15. November. (Bismarck und Sckilözer.) Daß Memoiren, selbst wenn sie von Gelehrten versaßt sind, als GeschicktSquelle nur mit der größten Vorsicht benutzt werden dürfen, diese Tbatsache ruft eine Erfahrung ins Ge- dächtniß zurück, die soeben mit den Memoiren deS Oxforder Professors Max Müller gemacht worden ist. Müller erzählt auf Seite 144 seiner unter dem Titel „AuS meinem Leben" erschienenen Aufzeichnungen, daß der bekannte preußische Diplomat Kurd von Schlözer als Prolvgä der Prinzessiu Augusta von Preußen bei Bismarck ver haßt gewesen sei. In Petersburg habe Schlözer in der Stellung eines „Botschaftssekretärs" den damaligen Ge sandten von Bismarck gefordert und sei bald darauf zur Disposition gestellt worden. „Zuvor mußte er sich", fährt Müller fort, „bei dem allmächtigen Bi-marck verabschieden. Als BiSmarck ihn nach seinen ferneren Plänen befragte und hinzusügte, ob er etwas für ibn thun könnte, antwortete Scklözer sehr ruhig: Jawohl, Excellenz; ich gedenke meine Memoiren zu schreiben, und Ew. Excellenz wissen, daß ich Manche» miterlebt habe, wa» die Leute zu erfahren interessiren wird. BiSmarck war einen Augenblick stil und fragte dann ganz unbefangen: Sie würden wob nicht al- Gesandter nach Amerika gehen? Mit Vergnügen morgen, erwiderte Schlözer. Er batte erreicht, was er wollte, er hatte sogar BiSmarck überlistet." — Da diese Erzählung einen preußischen Diplomaten vom Range Schlözer'S als eine Art Erpresser, BiSmarck dagegen als in der Notb wendigkeit befindlich zeigt, Indiskretionen eines Unter gebenen fürchten zu müssen, ist der Nachweis der Vei- kebrtbeit von Müller's Erzählung nicht überflüssig. E>- leichtert hat die Führung eines solchen Nachweises ein Nesse Schlözer'-, vr. Paul Curtiu», der im Machest« der „Deutschen Revue" eine Lebensskizze seine» OhcimS entworfen hat und wegen seiner naben Beziehungen zu Schlözer zweifellos ein zuverlässiger Gewährsmann ist, ganz abgesehen davon, daß er auch unantastbares urkund liches Material zur Kritik der Müller'schen Erzählung bei steuert. AuS der Darstellung de» vr. CurtiuS ergiebt sich, daß Schlözer in der Tbat auf Veranlassung der Prinzessin Augusta eine Stellung im Ministerium deS Auswärtigen er hielt und daß später in Petersburg wie in Berlin das Der- bältniß zwischen BiSmarck und Schlözer sehr schlecht gewesen ist. Aber dies war, wie CurtiuS bervorhebt, nicht ohne Schlözer'S Schuld der Fall. BiSmarck Halle in der Peters ¬ burger Gesandtschaft eine äußerst straffe DiSciplin eingeführt, und hierunter hat Schlözer, seinen eigenen brieflichen Aeuße rungen an vertraute Freunde zufolge, besonders gelitten „Schlözer ist im Umgänge mit Vorgesetzten schwierig," schrieb BiSmarck am 31. Mai 1861 an den damaligen Unterstaats ekretär von Gruner, „und ich habe anfangs üble Zeiten mit ihm durchgcmacht; aber seine dienstliche Tüchtigkeit und Gewissenhaftigkeit hat meine Verstimmung entwaffnet." — Von Haß gegen den Protszs der Prinzessin Augusta kann »iernach nicht mehr die Rede sein. Auch Schlözer hat trotz aller Reibereien mit seinem Chef von des letzteren Seite offenbar nickt weichen wollen, sonst hätte er kaum zwei Ver- etzungsanträge während seiner Petersburger Zeit rundweg abgelehnt. Was Müller von der Verabschiedung Schlözer'S berichtet, scheint lediglich ein Phantasieproducl zu sein. Denn als BiSmarck seinen Petersburger Posten verließ und später das Ministerpräsidium übernahm, war Schlözer in zwischen gleichfalls in das Ministerium berufen worden. Wie Scklözer später erfuhr, geschah seine Ver- etzung auf Wunsch und Veranlassung BiSmarck's, der einen Petersburger Legationssekretär zu seinem „Adjutanten" mache» wollte. Allerdings zeigte sich Scklözer in seinem ausgeprägten Selbstständigkeils- und Unabhängizkeitsgefühl dazu nicht willfährig. Aber Bismarck ließ ihn trotzdem nicht „springen", sondern „verbannte" ibn nur nach Rom. Dies geschah zu Anfang deS Jahres 1864. Am 11. November >868 erst konnte Schlözer seinem Schwager CurtiuS über eine Ernennung zum Generalkonsul in Mexiko wört lich schreiben: „BiSmarck hat mich von Varzin durch Keudell ragen lassen, ob ich Mexiko annehmen wolle; er läßt hinzufügen, daß er es mir nicht übelnebmen wolle, wenn ich ablehne, läßt mir aber sagen, daß er mich besonders geeignet hält, da politische Bedeutung deS Posten» steigt." — Vergleicht man biermit die Erzählung Müller'S, so springt die vollkommene Unglaubwürdigkeit der letzteren in die Augen. Ob eS in Petersburg zu einer Duell forderung zwischen Schlözer und Bismarck gekommen ist, darüber sagt vr. CurtiuS nichts, begnügt sich vielmehr mit der Allgemeinen Angabe, daß das Verhältniß zwischen Beiden damals sehr schlecht gewesen sei. Gesandter in Washington ist Schlözer erst im Jahre 18'1 geworden. Die weitere Andeutung Müller's, als danke Schtö.er die Berufung auf den Gesandtschaft-Posten beim Vatikan (1882) lediglich der Kaiserin Augusta, ist nach der Darstellung vr. CurtiuS' ebenfalls grundlos. Scklözer bat sckon 1881 während eines Urlaubs auf Veranlassung BiSmarck'S eine RecognoScirung in Rom vorgenommen. Endlich ist die An gabe Müller's, daß Bismarck und Schlözer sich selten gesehen hätten, durchaus falsch: Schlözer ist lange und ost, das letzte Mal kurz vor seinem Tode, der Gast BiSmarck's gewesen. * Berit», 15. November. Professor vr. Theodor Mommsen veröffentlicht in den „Münch. Neuest. Nachr." Folgendes: Es geht durch die deutschen Universitätskreise das Gefühl der Degradirung. Unser Lebensnerv ist die voraussetzungslose Forschung, diejenige Forschung, die nicht das findet, was sie nach Zweckerwägungen und Rücksichtnahmen finden soll und finden möchte, was anderen außerhalb der Wissenschaft liegenden praktischen Zielen dient, sondern was logisch und historisch dem gewissenhaften Forscher als das Richtige erscheint, in ein Wort zusammengefaßt: die Wahrhaftigkeit. — Auf der Wahr haftigkeit beruht unsere Selbstachtung, unsere Standesehre, unser Einfluß auf die Jugend. Auf ihr ruht die deutsche Wissenschaft, die das Ihrige beigetragen hat zu der Größe und der Macht des deutschen Volkes. Wer daran rührt, der führt die Axt gegen den mächtigen Baum, in dessen Schatten und Schutz wir leben, dessen Früchte die Welt erfreuen. Ein solcher Axtschlag ist jede Anstellung eines Universitäts lehrers, dessen Forschungsfreiheit Schranken gezogen werden. Abgesehen von den theologischen Fakultäten ist der Confessio- nalismus der Todfeind des Universitätswescns. Die Berufung eines Historikers oder eines Philosophen, welcher katholisch sein muß oder protestantisch sein muß, und welcher dieser seiner Confession dienstbar sein soll, heißt doch nichts Anderes, als den also Berufenen verpflichten, seiner Arbeit da Grenzen zu setzen, wo die Ergebnisse einem konfessionellen Dogma un bequem werden könnten, dem protestantischen Historiker ver bieten, das gewaltige Geisteswerk des Papstthums in volles Licht zu setzen, dem katholischen, die. tiefen Gedanken und un geheuere Bedeutung des Ketzerthums und des Protestantismus zu würdigen. In dem kläglichen Armuthszeugmß, das die Con- fessionen damit sich selbst ausstellen, wenn sie ihren Anhängern verbieten, Geschichte oder Philosophie bei einem Lehrer anderer Confession zu hören, und gegen etwaige Irrlehren das Mittel der Ohrenverstopfung verordnen, liegt zu gleich eine der All gemeinheit drohende Gefahr. In seinen Anfängen ist der Krebs schaden heilbar; späterhin ist er es nicht mehr. Möchte jeder junge Mann, den der Universitätsberuf auf diese schwierigen Gebiete lockt, immer und vor Allem dessen eingedenk bleiben, daß für den echten Erfolg die erste Bedingung der Muth der Wahrhaftigkeit ist, daß der Fanatiker, der die Wahrheit nicht zu begreifen vermag, nicht an die Universität gehört, noch weniger aber Derjenige, der insoweit konfessionell ist, als er dabei zugleich ministeriell bleibt. Gewiß kann auch er als Ge lehrter tüchtige Arbeit leisten; aber auf die Selbstachtung und auf die Achtung seiner Standesgenossen und der für den Seelen adel feinfühligen Jugend muß er verzichten. Möglichem Mißverständniß zu begegnen, mag noch hinzu gefügt werden, daß hier die Rede ist lediglich von den prin- cipiellen Fragen, ob es gerechtfertigt ist, Universitätsprofessuren, außerhalb der theologischen Fakultäten, nach konfessionellen Rücksichten und mit confessionellem Rechtszwang zu vergeben. Wie in dem einzelnen Fall der Ernannte sich persönlich zu seiner Confession stellt, was er als Protestant oder als Katholik sein will oder sein soll oder sein kann, kommt dabei in keiner Weise in Betracht. Der Schlag gegen die Universitätsfreiheit bleibt der gleiche, mag er in der besonderen Anwendung die eine oder die andere Confession, diese oder jene Richtung treffen. Möchte somit ein Jeder, der bei der Anstellung von Uni versitätslehrern mitzuwirken berufen ist, dessen eingedenk bleiben, daß die voraussetzungslose Forschung, das heißt die Ehrlichkeit und die Wahrhaftigkeit des Forschers das Palladium des Uni versitätsunterrichts ist, und sich hüten vor dem, was nicht ver ziehen wird, vor der Verleitung zu der Sünde wider den heiligen Geist. Die Hoffnung wird vielleicht nicht täuschen, daß damit die Gesinnung unserer Collegen zum Ausdruck ge bracht wird. * Berit», 15. November. (Künstler und Käufer.) Künstlerkreise erörtern vielfach die Frage, ob die Verkaufs bureaus oder Geschäftsleitungen der öffentlichen Kunst ausstellungen verpflichtet sind, dem Künstler den Namen deS Käufers zu nennen, der durch Vermittlung dieser Bureaus ein Werk des Künstlers gekauft hat. Im Allgemeinen wird man diese Frage bejahen müssen. In der Regel wird zwischen dem Künstler und den Geschäfts leitungen ein Maklervertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches, 651 ff., vorliegen, wonach die GeschäftSleitung die Vermittlung des Verkaufs der Kunstwerke übernimmt, und für den Fall, daß sie den Verkauf vermittelt, oder, daß der Verkauf infolge der Ausstellung zustande kommt, eine meist vorher festgestellte verhältnißmäßige Vergütung erhält. Die GeschäftSleitung übernimmt dabei die Verpflichtung, die gegenseitigen Erklärungen zu übermitteln, den Parteien die äußeren Verhandlungen abzunehmen und die Inter essen ihres Auftraggebers nach Möglichkeit wahrzu nehmen, insbesondere den günstigsten Verkaufspreis zu erzielen. Die Geschäftsleitung kann auS diesen Ver pflichtungen unmöglich eine Berechtigung herleiten, den Käufer des Kunstwerkes dem Künstler zu verschweigen. Ebenso wenig erwächst ihr für die Regel auS ihrer Vermittlung dem Käufer gegenüber eine andere Verpflichtung, als da» Werk dem Käufer als Eigentbum zu übergeben innerhalb der recht lichen Grenzen in denen die EigeothumSübertragung sich vollzieben soll. Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit entsteht daraus für die GeschäftSleitung dem Käufer gegenüber nicht. Diese allgemeine Regel erleidet allerdings in der Praxis nickt selten Ausnahmen. Es giebt genug Käufer, die beim Verkauf sich ausdrücklich auS- bedingen, daß sie, sei es ganz allgemein, sei es insbesondere dem Künstler gegenüber, nicht genannt werden dürfen. Sie sind entweder Freunde oder Gönner deS Künstlers und wollen ihm nicht verrathen, daß sie ihm durch den Kauf eine gewisse Unterstützung zu Thcil werden lassen wollen, oder sie wollen nicht als Besitzer der betreffenden Werke später durch Bitten um Bewilligung derselben für AuSstellungS- zwecke u. s. w. belästigt werden. Geht die GeschäftSleitung auf diese Kaufbcdingung ein, so muß sie dem Künstler davon Mittheilung machen, damit dieser in der Lage ist, rechtzeitig den Verkauf an einen Unbekannten av- zulehnen. Beabsichtigt der Künstler^von vornherein, nach dem Verkauf das ihm zustehende Vervielfältigungsrecht auszuüben, so hat er sogar ein vermögenSrechtlicheS Interesse daran, den Namen deS Käufers zu kennen; denn der Käufer ist an sich nickt verpflichtet, ihm das Kunstwerk zur Vervielfältigung zur Verfügung zu stellen. Der Künstler muß sich also in diesem Falle von vornherein eine Verpflich tung deS Käufers ausbedingen. Ein Verzicht des Künstlers, den Namen des Käufers kennen zu lernen, kann nicht ver- muthet, er muß ausdrücklich ausgesprochen werden. (Köln. Z.) (-) Berit», 15. November. (Telegramm.) Die Kaiserin ertheilte heute Mittag um 12 Uhr im Neuen Palais die nachgesuchten Audienzen: dem neuernannte» General-Super intendenten für die Provinz Schlesien Nehmiz und den zeitigen Rectoren der königlichen Friedrich Wilhelms-Uni versität unv der Technischen Hochschule Professor vr. K6knlö von Stradonitz und Professor Bubenbey. D Berlin, 15. November. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Im ReickSver- sickerungsamte wurde heute zur Berathung von Ber- waltungSfrageu der Jnvaldcnvcrsichcrnng unter dem Vorsitze deS Präsidenten Gäbel eine Conferenz von Ver tretern der LandeSversicherungöämter, ter Jovalicenversiche- rungsanstalten und der zugelassenen Casseneinricktrn abge halten. Anwesend waren 78 Personen. Bei Nr. 1 der Tagesordnung, Angelegenbeilen der BeitragScontrole, wurde die Frage, ob die bestehenden Einrichtungen der gesetzlichen Anforderung einer Ueberwackung ter Bei tragsleistungen genügen, erörtert und die Mängel betont, die hinsichtlich der BcitragSleistung für die erst mit dem 1. Januar l900 in die Versicherung einberogenen Lehrer und Erzieher bestehen, sowie die Mittel einer Abhilfe besprochen. Ein nach Angaben der Versicherungsanstalten aufgestellter Muster en twurf für zu erlassende besondere Controlvorschriften wurde als brauchbare Grundlage für spätere Beschlüsse auS § 181 Absatz 3 deS JnvalirenversicherungSgesetzeS anerkannt. Be züglich der Ueberwachung der mit der Einziehung der Beiträge beauftragten Krankcncassen wurde eine weitere Aus gestaltung der Vorschriften über die den Anstaltsvorständen zustehendcn Befugnisse angebahnt. Zu Nr. 2) Verhältniß der Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung zu den Anstaltsvorständen hinsichtlich der schiedsgerichtlichen Hilfsbeamten, wurde allgemein anerkannt, daß die vorhandene Organisation recht verbesserungsbedürftig sei und daß eS bi- zur Neuregelung möglichster Rücksichtnahme von beiden Seiten bedürfe, um ein einheitliches Zusammenwirken zu sichern. (-) Berlin, 15. November. (Telegramm.) Der „Reich-- anzeiger" veröffentlicht die Ernennung deS Geh. Ober- Rcgieruiig-ratheS Wilhelm! zum Präsidenten deS Sta tistischen Amtes. V. Berlin, 15. November. (Privattelegramm.) Wie aus London gemeldet wird, ist dort das Gerücht verbreitet, England habe ein gewilligt, an Deutschland di«
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