02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020221028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-21
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Anzeigen »Prets die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich («gespalten) 7S vor den Familiennach richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung ./L 60.—, mit Postbefürderung 70.—. Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 93. Freitag den 21. Februar 1902. 98. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Botha gelange« und entwischt? Eine Johannesburger Drahtmeldung Lord Kitchener's vom 13. Januar berichtete von einem bemerkcnsmcrthen Erfolge des Generalmajors Bruce Hamilton nahe Knap- daar, bet welcher Gelegenheit das Lager des Vocrcn- commandanten, sowie 33 Gefangene in seine Hände fielen. Botha, so hieß es weiter, sei in einer Capkarrc entkommen, nachdem er sieben Meilen von den nachsctzendcn britischen Truppen verfolgt worden war ... Zu diesem Vorfälle will nun der Londoner „Daily Expreß" in einem Privat briefe eines englischen Officiers eine wesentliche Berich tigung erbringen können, die recht phantastisch klingt, die aber interessant genug ist, um wiedergegeben zu werden. DaS Schreiben, so heißt es in der Notitz -es englischen Blattes, sei von einem Freunde seines Gewährsmannes in einem „freien" Hafen zur Post gegeben worden, wo durch es -em wachsamen Auge des britischen Preß-Ccn- sors entgangen. „Da hatten wir nun glücklich Louis Botha schon vor Wochen in unserer Gewalt", klagt die Zeitung, „und lassen uns ihn glücklich wieder entschlüpfen!" . . . „Man wird sich" fährt der „Expreß" fort, „erinnern, daß Rimington's Truppen -em Boerencommandanten so hart auf -en Fer sen waren, -aß sie sein ganzes Gepäck erbeuteten. Später hieß es, daß Botha selbst der Verfolgte gewesen sei und daß er nur durch einen schnellen Ritt sich zu flüchten ver mochte. Nach -en Aussagen der gefangenen Boercn in dessen befand sich der Generalcommandant anfänglich unter ihnen, wurde jedoch von den britischen Truppen nicht erkannt. Die Gefangenen wurden in zwei Gruppen gethetlt un- befand sich Botha unter denjenigen, die der Üeberwachung -es Nachzuges unterstellt waren. Eine andere feindliche Colonne galoppirte plötzlich heran und in der entstandenen Verwirrung gelang es einigen Ge fangenen, zu entfliehen. Unter ihnen befand sich Louis Botha. . . Erst später, als er sich in Sicherheit befand, traten einige -er gefangenen Boercn mit der Erklärung hervor, -aß der Generalcommandant uns zwischen den Fingern entschlüpft sei." * London, 20. Februar. AuS der amtlichen Verlust liste geht, hervor, daß die Engländer in einem am- 18. Februar hei Basberg in der Nähe von Boshof stattgehabten Gefecht 6Todte,9Bermundeteund 7 Vermißte zu verzeichnen haben. * Pretoria, 20. Februar. („Neuter's Bureau.") Alle Boercn, die sich bisher im Concentrationslager von Ptetersburg befanden, werden nach Natal geschafft. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Februar. Da vor der gestrigen Plenarsitzung des Reichstage« über hundert Abgeordnete, die nicht zur Zolltarif-Commission ge- bören,derSitzung dieserCommission beiwohnten, um die erwartete Erklärung de« Grafen PosadowSky über den Compromiß- antrag bezüglich der Getreidezölle mit eigenen Ohren zu vernehmen, so ist e« begreiflich, daß in der Plenarsitzung diese Erklärung die Gemüther beherrschte und die Weiter- berathung des Militäretats nichts zu Tage förderte, was der Beachtung und der Betrachtung Werth wäre. Daraus, daß die Erklärung deS Grafen PosadowSky erwartet wurde, ergiebt sich zunächst, daß der Bericht über die vor gestrige Commissionssitzung, in dem eS hieß, die Entgegen nahme einer vertraulichen Erklärung deS Staatssekretärs sei überhaupt abgelehnt worden, falsch gewesen sein muß. In der That war nur der Wunsch des StaatSsecretLrS, daß Nicht mitglieder der Commission während seiner in Aussicht ge stellten Rede ausgeschlossen werden möchten, als geschäfts ordnungswidrig zuriickgcwiesen worden. Daraus), daß die Erklärung gestern erfolgte und schon vorgestern hätte erfolgen können, ergiebt sich, daß der Reichs kanzler nicht nöthig gehabt hat, nochmals bei dem in Betracht kommenden fremden Negierungen Erkundigungen über die Grenze einzuziehen, in ter die Minimalsätze für Getreide sich halten müssen, wenn das Zustandekommen von Handelsverträgen möglich sein soll. Er war darüber sofort >m Klaren, als der Compromißantrag bekannt wurde, und hat nicht gezögert, diese Klarheit auch Andern zu schaffen. Der Compromißantrag ist also für die verbündeten Negierungen in keinem Stadium der Verhand lungen annehmbar. Ob damit gesagt sein soll, daß es bei allen von der Regierungsvorlage festgelegten Minimalsätzen sein Bewenden haben müsse und daß jede Möglichkeit ausgeschlossen sei, einen oder den andern dieser Sätze um eine Kleinigkeit zu erhöben, muß freilich so lange dahin gestellt bleiben, bis man erfährt, ob Graf Posahowski wirklich, wie einige Blätter behaupten, auch gesagt hat, der Compromißantrag sei „in keiner Form" annehmbar. In jedem Falle aber kann der Compromißantrag, auf den bereits eine namhafte Zahl von Mitgliedern der konservativen Parteien und des CentrumS sich vereinigt hatte, die Basis von Verständigungsversuchen mit der Regierung nicht bilden. Man steht daher vor der Frage, ob solche Verständigungsversuche über haupt noch Aussicht auf Erfolg haben. Wollte man lediglich aus den schon jetzt vorliegenden Aeußerungen der Presse einen Schluß ziehen, so müßte man die Fruge ver neinen. Die „Germania" bemerkt z. B. zu den Erklärungen deS Grafen Posadowsky, daß deren Tragweite im Augenblick uoch nicht zu überschauen sei: jedenfalls sei aber daraus zu entnehm«!, daß da« jetzige Compromiß .'auln noch Aussicht» habe, und damit seien auch die Aussichten der ganzen Zoll tarifvorlage auf ein Minimum herabgedrückt. Auch die „Nationallib. Corr." äußert sich ziemlich pessimistisch und die „Kreuzztg." sagt: „Nach den früheren Aeußerungen des Reichskanzlers mußte man wohl auf eine derartige Kundgebung gefaßt sein, wir wenig stens haben unS den Gang der Entwickelung nicht anders gedacht und schon vor einigen Tagen erklärt, Laß wir gar nichts Anderes erwarteten, alS daß die Vertreter der verbündeten Regierungen Len Compromißantrag in diesem Stadium der Berathungen noch auf das Schärfste bekämpfen würden. In dieser Auffassung vermag uns auch die Erklärung des Grafen Posadowsky nicht zu erschüttern. Wenn wir uns allerdings davon überzeugen müßten, daß diese Er klärung daS letzte Wort ter Regierung bedeute, so müßten wir unsere Hoffnung, daß überhaupt etwas zu Stande kommt, be- deutend herabsetzen." Die parlamentarischen Parteien gehen aber häufig andere Wege, als die Parteiblättcr, und speciell das Centrum hat von Anfang an durchblicken lassen, daß seine Zustimmung zu dem Compromißantrage nur vorläufige und tactische Be deutung habe. Die weit überwiegende Mehrheit der Nationalliberalen steht auf dem Boden der Regierungsvor lage und wenn eS den conservativen Fraktionen auch sehr schwer fallen wird, die Leiter deS Bundes der Landwirthe im Stiche zu lassen, so werden sie sich am Ende doch lieber mit den von der Negierung vvrgeschlagenen Sätzen begnügen, als im Vertrauen auf die Weisheit und das Wohlwollen der Ne gierung die Mindestsätze fallen lassen oder gar auf die Ver längerung der jetzt in Kraft stehenden, für die Landwirthschast so ungünstigen Handelsverträge es ankommen lassen. Ueber- haupt bestätigt Deutschlands parlamentarische. Geschichte die Wahrheit deS alten SprüchworteS, daß nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde. Kaum irgend eines der großen Reformgesetze, die seit der Gründung deS Reiches erlassen worden sind, ist ohne große Schwierigkeiten zu Stande gekommen. Wir brauchen nur an daS letzte Flottenzesetz und an das Bürgerliche Gesetzbuch zu denken, um zu erkennen, daß daS Gerathen auf Klippen und Untiefen noch lange kein Scheitern bedeutet. Naht die Entscheidung und sehen sick die ausschlaggebenden Parteien vor die Wahl zwischen einem nach ihrer Ueberzeugung unvoll kommenen Gesetze und dem völligen Unterbleiben einer wich tigen Reform gestellt, so erscheint ihnen das Kleine, das ihnen im Eifer des Kampfes groß erschien, klein und das Große, das sie in demselben Eifer unterschätzten, groß. So wird cs, wie wir hoffen, auch diesmal sein. Die Festigkeit, mit der die verbündeten Negierungen auf ihrem schwer errungenen Stand punkte verharren, ist jedenfalls von guter Vorbedeutung. Die Besetzung der Lehrstühle deutscher Hochschulen mit klerikale» oder dem KlerikalismuS geneigten Professoren wird vom Centrum nach wie vor mit Hochdruck betrieben. Sehr bezeichnend ist folgende Zuschrift, dieProfessor Graf Du Moulin Eckart an die „M. N. N." richtet: „Die „Augsburger Postzeitung" hat auf Grund einer Frankfurter Notiz meine angeblich schwebende Berufung nach Würzburg in den Kreis ihrer liebenswürdigen Betrachtungen gezogen. Sie mag sich be ruhigen. Ich bleibe. Warum ich bleibe, das geht das Blatt nichts an. Was irgendwie geschehen, waS ich für Absichten gehegt, peb» « I» Blatt nichts au. Aber ich bin ihm "dankbar. Tenn es hat mir die Augen geöffnet und mich erkennen lassen, daß die näherliegenden Pflichten die größeren. Und so möge es seinem Schützling meinen: Durch meine Schuld soll Anton Chroust niemals der Nachfolger Felix Stieve's werden. DaSErbe dieses Mannes will ich mit allen Kräften hüten, mit der gleichenUn be- fangenheit und inneren Freiheit, zu der wir Beide uns durch heißen Kamps emporgerungen haben. Im Leben aber soll mich ein Jeder, Freund oder Feind, als liberalen und als nationalen Mann finden. Soviel zur Aufklärung. Was die persönlichen Angriffe des Blattes anbelangt, so sind sie „wohlfeil, keines Streiches werth". vr. Richard Graf Du Moulin Eckart, ord. Professor der Geschichte an der königl. Technischen Hochschule zu München." Die „Tägl. Nundsch." die diese Zuschrift übernimmt, fügt ihr Folgendes hinzu: „Auch bei der Besetzung der durch den Tod Scheffer- Bo i ch o r st' s erledigten Lehrkanzel der Geschichte an der Berliner Universität sind die Ullramontanen, wie schon aus verschiedenen Auslassungen der „Germania" hervorging, eifrig am Werke, für ihre Zwecke etwas herauSzuschlagen, und die Regierung soll auch in diesem Falle mit dem Centrum paktiren wollen. Sie hat die Professur dem Göttinger Professor Kehr an geboten, einem Historiker, der bisher mehr den mechanischen Theil der Geschichtswissenschaft gepflegt hat und sich in neuerer Zeit besonders durch einen Bcrtheidigungsartikel des Herrn Ministerialdirektors Alt- Hoff im „Hamburger Lotsen" bekannt gemacht hat. Herr Kehr ist Protestant, aber beim Cenlrum aus diversen Gründen, die wir kennen, persona gratissima. Thatsächlich hat auch die Re gierung vor der Berufung beim Centrum angefragt, wie sie auch in einem früheren Falle bei der Besetzung einer Professur in Münster sich erst das Placet des Curatus Schwarz, des Geh eimredacteurs der „Ger- mania", geholt hat." Im preußischen Abzeordnetenhause wird man hoffentlich Gelegenheit nehmen, den Herrn Cultusminister um Auskunft über den Inhalt des letzten Satzes zu ersuchen. Die Verhandlungen der französischen Kammer,' welche sich mit dem öffentlichen Unterricht in Frankreich beschäf tigt, geben der französischen Presse Gelegenheit, unter dem Hinweise auf die Thatsache, daß in Frankreich von 5 420 WO schulpflichtigen Kindern nur 3 739 0W die staat lichen llnterrichtsanstalten besuchen, die Unterrtchtsver- hültnissc in Deutschland rühmend hcrvoiMheben. Den vortrefflichen Einrichtungen auf diesem Gebiete wird der große wirthschaftliche Aufschwung Deutschlands in erster Linie zngcschricbcn und dabei auf die Mitteilungen Bezug genommen, welche in englischen Blättern auf Grund des Berichts einer Commission briüischcr Industrieller und Kaufleute veröffentlicht worden sind, die zum Zwecke des Studiums -er gewerb lichen und technischen Unterrichtsanstalten West- und Süd deutschland bereist hat. Nach einer anerkennenden Be sprechung der allgemeinen Organisation des Abemdunter- richts und der Gewerbeschule in Nürnberg im Besonderen faßt der Bericht sein Urthcil über den Werth dieses Unter richts dahin zusammen, „daß wenn England nich t baldigst Anstalten mache, feine Einrichtungen auf diesem Gebiete zu reformiren, in absehbarer Zeit die Ueberlegenycit Deutschlands auf allen Gebieten -es Handels nn-o der In dustrie sich documcntircn würde". In dem gleichen Sinne hat sich ein belgischer Wirthschaftslehrcr -er Universität Gent geäußert, indem er über die Ursachen der schnellen nurthschaftlichen Entwickelung Deutschlands und seines erfolgreichen Wettbewerbes auf dem Weltmärkte sagt: „Dieses Land erntet, was cs gesäet hat, un- wenn andere Staaten seiner commcrciellen und industriellen Cvn- currenz Zügel anlegen wollen, müssen sie zu allererst auf demselben Gebiete und mit derselben Energie arbeiten". Nach einer eingehenden Darstellung der verschiedenen Zweige des öffentlichen Unterrichtswesens in Deutschland schließt der erwähnte Bericht der britischen Comurission mit den Worten: „Was andere Nationen zu fürchten haben, ist nicht Deutschlands militärische Stärke, sondern seine industrielle Entwickelung. Sein Heer und feine ge waltige Kricgsrüstnng kommen weniger in Betracht als die Zahl seiner Fabriken, die Ausdehnung seines Aus- fuhrvcrkehrs und seine fortschreitende Bedeutung auf dem Weltmärkte. Die deutschen technischen Schulen erziehen ein bcwundernswerthes geistiges Heer, und die Länder, welche nicht früher oder später einem wirthschaftlichcn Fottilloton. Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck verbotm. Sie war eine Andere geworden, eine Bessere, und er empfand aufrichtige Freude darüber. Keineswegs aber durfte er rS gestatten, daß sie in diesem Tone wettersprach, ohne zu wissen — „Gnädiges Fräulein", sagte er kurz entschlossen, „Ihre Worte bilden den schönsten Willkommensgruß für mich und Sie ehren mich, weil Sic glauben, Berständniß bei mir für alles Schöne zu finden! Sie täuschen sich da auch nicht, und gerade diese Stunde lagt mir, daß wir Freunde sein könnten —" „Run gut!" rief Stephanie, hingerissen vom Augen blick und streckte ihm ihre schmale, feine Hand entgegen, „seien Sie mein Freund! Mich freut es von ganzem Herzen, so ganz unerwartet einen solchen gefunden zu habe« und — vielleicht bedarf ich desselben auch", fügte sie wieder erröthend, unsicher werdend, hinzu. „Ehe ich cs wage, diese liebe kleine Hand an die Lippen zu führen, muß ich Ihnen ein Geständniß machen!" rief Schleinitz, von immer stärkerer Bewegung ergriffen, „cs käme feiger Hinterlist gleich, wollte ich Ihre Gunst er schleichen, ohne mich vorher meiner. Schuld entledigt zu haben, die ich niemals tiefer bereuen konnte, als eben jetzt, wo sie mich vielleicht Ihr schönes, mich so hochehrendes Vertrauen kosten wirb!" Stephanie schüttelte ungläubig den schönen Kopf: „Uebertreiben Sie nicht, Herr von Schleinitz?" „Leider netüi Aber ich weiß nicht, wie ich Ihnen daS so sagen soll — ich finde nicht den Muth dazu!" In -em Mädchen begann eine Ahnung zu dämmern. „Ich kann die Wahrheit »ertragen, Herr von Schleinitz! Zudem sind wohl zur Gründung eines FreunbschaftS» bundeS absolute Offenheit und Aufrichtigkeit Hauptbe- dingnng!" „Run wohl, auf die Gefahr htu, -aß Sie sich zürnend von mir abwenden, sei dar absoluten Wahrheit die Ehre gegeben! AlS Eckhoff nach L. kam, warnte ich ihn vor ! Ihrer Koketterie, ich malte Sie in- -en abschreckendsten Farben, stellte Sie als sinn- und gcmüthlos dar, suchte ihn, als er bereits mit Ihnen verkehrte, täglich gegen Sie auf- zurcizen und sein Mißtrauen zu wecken! Kurznm, ich war Ihr unerbitterlicher, gefährlichster Feind!" Stephanie wechselte die Farbe. . Ein tiefer Ernst überschattete ihre klare Stirn. „Und deshalb sollte ich Ihnen zürnen? fragte sic leise, „Sic handelten ja ganz richtig! Würde ich nicht gleichfalls einen Freund, eine Frcnndin vor einer Persönlichkeit warnen —" „Barmherzigkeit! Halten Sic ein! Ich will Sie knie fällig um Verzeihung bitten für alles Unrecht, das ich Ihnen heimlicher, heimtückischer Weise anthat —" „Ein Unrecht begingen Sic allerdings, Sic und auch Eckhoff, welcher mir gewissermaßen eine Prüfung aufer legte! Man soll dergleichen dem Schicksal überlassen, eS weiß schon zu treffen, und da, wo Gold vorhanden ist, es auch ans Tageslicht zu fördern! Die Schwingungen -er Seele sind so geheimnißvoll, so unberechenbar, daß man versucht sein könnte, oft das Gcgcntheil von dem zu vcr- muthen, was ein Mensch unserem Urthcil -arbietet! Der Geizhals ist vielleicht von Natur aus ein Verschwender: — der mit vollen Händen gtcbt, ckann ein härteres Herz besitzen als der kalt Berechnende! Das klingt im ersten Moment paradox, wer aber eigene seelische Erfahrungen und Wandlungen durchlebt hat, wie ich, muß zu diesem Schluffe kommen. Oft genug sind es nur dte umgebenden Verhältnisse, die uns zu ganz bestimmtem Thun veran lassen, uns in eine ganz bestimmte Richtung zwingen!... Kokett war ich nie, von diesem Fehler kann ich mich voll ständig freisprechen, aber Egoismus, Hochmuth, dte abso lute Unfähigkeit, mich in ein fremdes, warmpochendes Herz hineinzuftnden, das waren dte mich beherrschenden Eigenschaften, an denen ich über kurz oder lang zu Grunde gegangen wäre, wenn nicht das Schicksal es besser mit mir gemeint hätte." Ueber ihnen begann eine Drossel zu zwitschern, ein Stieglitz lieh seinen reizenden Gesang hören und Schwalben pflogen pfeilgeschwind, leise, zärtliche Töne auSstoßcnd, ab und zu. Stephanie blieb stehen. Leuchtenden Auges sah sie zu Schleinitz auf. „Wenn solch ein ehrlicher Feind sich in einen aufrichtigen Freund verwandelt, so ist das eine Ehre für mich, dte ich wohl zu schätzen weiß! Ich bin nicht kleinlich veranlagt und deshalb sehe ich meine Fehler von einst rückhaltlos ein. Vielleicht bin ich nicht einmal für dieselben verantwortlich zu machen —" „Jedenfalls sind sic überwunden, waren nur scheinbar vorhanden! Denn, wer da denkt und fühlt, wie Sie, der konnte nur irre geleitet sein, und der Liebe war cs Vorbe halten, den Diamant ans Tageslicht zu fördern!" Sic wandte sich hastig ab und bückte sich nach einem verspäteten Veilchen. Erich erkannte, daß er hier einen wunden Punct be rührt hatte, auf den er nicht wieder zurückkommen durfte. „Sollte Bernhard halsstarrig genug sein, um allein dieser Wandlung, diesem holden Wunder gegenüber unversöhn lich zu bleiben?" Er benutzte den Moment, eilte nach einem Beet, wo Pricmcln, Mai- und Schlüsselblumen blühten, pflückte einen Strauß und bot die duftende Frühlingsgabe der Er- röthendcn dar. „Es sind die ersten Blumen, die ich hier geschenkt er halte", sagte sie leise, „ich danke Ihnen herzlich." „Und nun?" fragte er mit starker und doch vor Be wegung bebender Stimme, „darf ich Ihnen ein Freund, ein Bruder sei», Fräulein Steplranic? Wollen wir uns gemeinsam dieser FrühlingSherrlichkcit erfreuen, ein Schutz- und Trutzbündnlß schließen gegen alle Friedens störer? Ich glaube Ihnen bewiesen zu haben, daß ich kein zu unterschätzender Gegner bin!" Sie reichte ihm beide Hände, lachend und doch thränen- den Auges. „Damals haben Sic nicht gar zu viel erreicht mit all Ihrer Feindseligkeit! Der arme Schmetterling konnte das Licht nicht meiden, er verbrannte sich die Flügel total!" „Hoffentlich unheilbar!" Er neigte sich ritterlich un küßte beide Hände, um sie dann herzhaft zu schütteln. „Also treue Freunde für alle Zett! Nnd jetzt bin ich der Egoist, der sogleich Nutzen vom Bortheil haben möchte!" .... Er sah sic ernsthaft an. „Mir liegt Verschiedenes auf dem Herzen, meine liebe, verehrte Freundin; darf ich eS un umwunden anSsprechen?" Sie nickte, sichtlich erstaunt. „Selbstverständlich, aber —" «Ich hasse alle Umschweife! WaS ich zn sagen habe, bezieht sich auf Ihre Schwester Eva — ich liebe sie!" „Eva —" wiederholte Stephanie, fast fassungslos, „o, mein Gott, die Aermste, dieses unglückliche Kind —" „Ich habe erfahren, daß sie verlobt war und ihren Bräutigam durch deu Tod verloren hat. Ich gehöre zu den Männern, welche nur einmal lieben, Stephanie — glauben Sic, daß alle Hoffnung für mich ausgeschlossen ist ? Sollte solch' ein junges Herz sich für immer dem Glück verschließen?" Stephanie schüttelte -en Kopf. „Das nicht, Herr von Schleinitz, aber dennoch möchten Sie Ihre Liebe nicht einer Anderen zuwcndcu — cs scheint mir unmöglich —" „Stephanie", sagte er vorwurfsvoll, „ist das der erste Beweis Ihrer Freundschaft?" Sie wies nach einer in der Nähe befindlichen Bank. „Wir wollen uns setzen, -Herr von Schleinitz. Sic haben Recht! Skrupel Ihnen gegenüber sind wenig am Platze. So will ich denn auch nicht zögern, Ihnen, einem Edcl- manne, mein vollstes Vertrauen zu schenken. Was ich Ihnen zu sagen habe, bleibt in Ihrer Brust verschlossen, davon bi» ich überzeugt." „Mein heiliges Ehrenwort darauf!" sagte er feierlich, außer Stande, seine Bestürzung zu verbergen, „ist es durchaus nothweudig, mich in Dinge cinznwcihcn, die jedem Dritten ein Gchcimniß bleiben müssen?" „Unbedingt, wenn Sic die ernste Absicht hegen, unserer Familie näher zu treten. Es wird mir gewiß.nicht leicht, Herr von Schleinitz, zn sprechen, aber Eva'S wegen muß cs sein! Sie würde den Verlust ihres Hcrzcnsglückcs ein zweites Nlal nicht überwinden." Der junge Mann vernahm die Familiengeschichte. Er wurde cingewciht in das Drama, das sich unter der Regie eines oberflächlichen, moralisch herabgesunkenen Menschen Jahr um Jahr abgespielt hatte. Stephanie erzählte auch das Letzte, ohne Beschönigung, mit einer traurigen, er schütternden Stimme. „Eckhoff hat nichts unversucht gelassen, um das Geld äufzubringen", schloß sic mit einem schmerzlichen Seufzer. „Aber Alles schien sich gegen uuS verschworen zu haben. Das Schicksal wollte sein Opfer. Weber ließ cs nicht bis zum Aeußersten kommen. Als man ihm tclegraphirtc, daß von der Erbschaft noch nichts zu erhoffen sei, hat er sich auf dem Postamte erschossen. Die letzten Depeschen haben ihn nicht einmal mehr erreicht. Eva hat die trostlosen Einzelheiten dieser tragischen Geschichte nicht erfahren. Meine Mutter war todtkrank damals nnd bedurfte der aufopfernden Pflege. Mein Vater ist von einer tiefen, vielleicht unheilbaren Lchwcrmuth befallen — ein freud loses, ödes Leben führe» sic jetzt daheim. Tva aber findet
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