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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020315016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902031501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902031501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Ledactto« und Erveditton: Johamrisgaffe 8. Fernsprecher lkS und SSL. FMalevprvMmr-rr r Alfred Hahn, vuchhaudlg., llulversttätsstr.s, L. Lösche, Kathariueustr. 14, «. Königspl. 7. Haurt-/iliale in Lerlin: Küniggrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. 68-3. Morgen-Ausgabe. WpMcr.TaMaü Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nn- Notizei-Ämtes der Lta-t Leipzig. Anzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedaetionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familieuuach- richten («gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuaunahme L5 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Armahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-AnSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen u»d Annahmestellen je ein« halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 134 Jahrgang. Sonnabend den 15. März 1902. Die patriotische Socialdemokratie. LL Eine politische Partei wird unzweifelhaft von den Gegnern auch mit Bezug auf die Aufrichtigkeit, mit der sie ihre Grundsätze vertritt, eingeschäyt. Wenn diese Annahme zutrifft, so stehen die Socialdcmokraten im Begriff, sich um jede Achtung zu bringen. Die Führer des Umsturzes sind bei ihrem Capua angckommcn, denn sie vermeiden die offene, ehrliche Feldschlacht. Die Fahne ist noch immer roth, aber so echt blutfarbcn wird sie doch nur entfaltet, wenn cs ohne Gefahr geschehen kann; sonst verblaßt sie in allen Abtönungen, kann sogar verwaschen erscheinen, wenn die Sache es erfordert. Die Sache der socialdemokratischen Führer aber ist es zur Zeit einzig und allein, Sitze im Reichstage zu erringen. Dieses Streben hat jede Partei, aber keine politische Rich« tung stellt dabei so unverfroren Grundlehrcn und An schauungen in die Ecke, wie es von Seiten der Social demokratie geschieht und jüngst wieder in fast erheiternder Weise im Wahlkreise Dübeln geschehen ist. Was noch keiner anderen Partei gelungen ist, die um Singer haben cs fertig gebracht: sie hatten für Jeden eine Gabe! Herr Bebel hat das Lied ja in der letzten Zeit mehrfach im Reichstage gesungen, aber auch in Döbeln hat es eine große Nolle gespielt: die Socialdcmokraten sind Patrioten! Bor einigen Jahren hätte jeder „Genosse" diese Bezeich nung als eine brutale Beleidigung empfunden, jetzt aber steht die Sache so, daß man im Wahlkreise Döbeln ver stärkend hinzufügte, „den Socialdcmokraten liege die Entwickelung und Größe des deutschen Volkes warm am Herzen"! Ta schlägt cs dreizehn! Schade, daß wir nicht etwas Näheres erfahren, wie die Soctaldcmokratie sich die Entwickelung und Größe in ihrem Sinne denkt, aber man kann sich das Bild doch wenigstens dahin ergänzen, daß Singer als Paul I. unter irgend einem Titel die Entwickelung einlcitet. Das Uebrige findet sich ja be kanntlich im Zukunftsstaate alles von selbst. Wem die Größe des Vaterlandes am Herzen liegt, der ehrt natürlich auch das deutsche Heer. Die Social dcmokraten in Döbeln versicherten, sie hätten sich „das höchste Verdienst um Millionen deutscher Soldaten er worben"! Dieses Verdienst bestehe darin, daß die social- demokratische Fraktion jedes Jahr die Soldatenmtßhand- lungen zur Sprache bringe. Nichtig ist ja, daß der Abg. Bebel alljährlich mit Leidenschaft im Reichstage gegen Soldatenmißhandlungen wettert, richtig aber auch, daß dabei bei Weitem mehr Dichtung als Wahrheit mit- spielt. Daß in der Verurtheilung der Soldatenmißhand- luttgen übrigens ein Angehöriger irgend einer anderen Partei gegen die „Genossen" zurückstände, ist eine ganz haltlose, ist eine unehrliche Voraussetzung. Mit solchen leeren Redensarten wandte sich die Socialdcmokratie an ganz junge Leute, an unerfahrene Wähler überhaupt, und sie mag damit wohl hin und wieder Erfolge erzielt haben, aber die socialdcmokratische Wählleitung scheute auch nicht vor dem Gipfel der Lächer lichkeit zurück, indem sic sich an die Veteranen wandte! Es hieß in Inseraten: „Veteranen von 1870/71! Wählt Euren Kriegskameraden Carl Grünberg in Hartha. Ein Veteran." „Ein" Veteran dürfte un gefähr zutrcffcn, denn ganz häufig findet man „Genossen" unter den KricgSthcilnehmcrn von 1870/71 denn doch nicht. So weit haben cs die Socialdcmokraten an Selbst verleugnung gebracht, und zwar in demselben Lande, wo die damals noch waschechte Presse in Chemnitz aus Frank reich zurückkehrende Krieger mit den Worten begrüßte: „Bürger, steckt schwarze Fahnen heraus, eine Bande von Mordbrennern hält ihren Einzug." Die Gesinnung ist natürlich heute ganz dieselbe, wie in nnd nach dem großen Kriege, aber wenn cs gilt, Wahlge schäfte zu machen, weitet sich das Gewissen der „Genossen" immer mehr. Wer solche Kunststückchen mit Bezug auf Vaterland nnd Heer fertig bringt, für den ist es eine Kleinigkeit, dem Bürger nachzuweisen, daß die Social demokratie an Harmlosigkeit geradezu leidet. So denkt sie gar nicht daran, das Eigenthum zu rauben. Was mögen nun die „Genossen" auf die Frage antworten: also soll auch im socialdcmokratischen Staate das Eigen- ihum im jetzigen Sinne erhalten bleiben? Die Antwort würde wahrscheinlich lauten: Wer kann die wirthschaft- lichc Entwickelung vorauSbcstimmen? Jedenfalls ope- Arten die Genossen mit dem Begriff „rauben",- was wir Immer und trotz alledem als rauben bezeichnen, das ist für die Socialdcmokratie wahrscheinlich dasselbe wie: „in Wohlgefallen auflösen". Ganz besonders aber hat cS die Socialdemokratie seit Jahren auf die Bauern abgesehen, hat hier aber fast gar keine nenncnswcrthcn Erfolge erzielt. Sehr erklär lich! Der Bauer braucht nicht Wirtschaftspolitik zn studircn, um dabei zu verharren, die Scholle als Eigen thum zu besitzen und zu vermehren, nnd er weiß ohne alle Statistik, daß cs für ihn nicht vorteilhaft ist, wenn Amerika und Rußland das deutsche Reich mit Vrob- gctreidc versorgen. Deshalb traten den Bauern gegen über die Socialdcmokraten mit der stärksten Lüge auf und leugneten frischweg, daß sic die Absicht hätten, die Landwirtschaft zu Grunde zu richten. Nun hat man die Auswahl: will man diese Bctheucrung glauben, oder dem von socialbcmokratischen Partcigrößen ausge sprochenen Satz, die Freihandclspolitik sei mit allen Mitteln -n unterstützen, um den Bauern zu Grunde zu richten! Der gesunde Menschenverstand kann da gar nicht zweifelhaft sein. Nachdem die „Genossen" in Döbeln so Veteranen und Bauern, Vaterland und Eigenthum in ihren Schooß aus genommen hatten, mar es nur noch Spielerei, dem Mittelstände, den JnnungSmcistcrn, kleinen Ge schäftsleuten und Beamten den klaren Nachweis zu er bringen, daß „alle Berufe und Stände in Stadt und Land" einzig nnd allein bei der Socialbemokratie gut aufgehoben seien. „Proletarier aller Länder vereinigt Euch!" ist also überholt durch das Wort: „Nur herein, ohne Unterschied des Standes und der Interessen, Alle herein in den großen socialdcmokratischen Wahl-Ramsch- bazarN Die Socialdemokraten haben mit einem sehr geringen Vorsprunge schon im ersten Wahlgange ihren Mann in Döbeln durchgebracht. Beschämend für sie ist, daß gerade da, wo sie mit den stärksten Mitteln gearbeitet haben, in den ländlichen Wahlbezirken, die Verleugnung des socialdcmokratischen Programms gar nichts genutzt hat. Hätten die Städte des Wahlkreises die gleiche Stinuncnzahl gegen den Umsturz aufgebracht, wie bei der Stichwahl im Jahre 1898, das beschämende Ergcbniß der Ersatzwahl wäre den bürgerlichen Parteien erspart geblieben. Die Socialdcmokratie ist als Siegerin her- vorgegangcn, aber nur indem sic alle ihre Grundsätze ver leugnet hat. Nachdem sie dieses Mal unter dem Ruf „für Vaterland und Eigenthum" in den Wahlkampf gezogen ist, mausert sie sich noch am Ende zur Parole „für Kaiser und Reich" hindurch, denn cs scheint, als ob vom Um sturz für einen Sitz im Reichstage jede Verleugnung der Gesinnung zum Opfer Largebracht werden könnte. Der Krieg m Südafrika. Wieder ein Schlag in» Wasser. * Landau, 14. März. (Telegramm.) Tie Abend- blStter berichten aus Hetlbran unter dem 12.März: Am Sonntag wurde ciu neues großes Treibe« veranstaltet. Die britischen Linien dehnten sich von Franksart auf dem rechten Flügel bis Lindley aus de« linken Flügel aus. Fünf verschiedene Calonncn gingen in westlicher Richtung gegen Wolvehaek vor; zwei Lfficiere opertrten mit einer Eavallerie-Abthetlung vor de» Truppen nnd suchten das Rhenosterthal ab. Hierbei wurden S Bo er en gefangen, die sich iu Höhlen versteckt hatten. Leider gelang es aber -er Hauptmacht der Boeren unter Meutz, zu entkommen. Die vaeren trieben wieder eine Heerde wildgemachter Rinder gegen die Vlackhansltuie zwischen Heilbron und Wolvehoek und brachen in der entstandenen Verwirrung fast alle durch. JnSgesammt wurde» 5V vaeren gefangen genommen. Methuen freigelassen. * London, 14. Februar. Die Blätter erkennen einstimmig an» daß Delarcy durch die Freilassung Lord Methuen» eine ritterliche Hochherzigkeit bewiesen habe. (Und wa» bietet das ritterliche, hochherzig« England dagegen? D. Red.) Ablösung für «itchenerl * London, 14. März. (Telegramm.) Ieldmarschall Wolseley begiebt sich morgen in einer privaten Angelegenheit nach dem Cap. Aus dem Leben des Generals Delarcy, der durch seine jüngsten Siege in den Vordergrund des Interesses gerückt ist, erzählt ein englisches Blatt: Delarcy ist -er erfolgreichste aller Boerenführer. Aber der Krieg hat auch über ihn Trauer gebracht. Sein fünfzehnjähriger Sohn kämpfte am Modderriver neben ihm, wurde von einer Kugel getroffen und starb nach einer halben Stunde. Wie sehr er von diesem Verlust betroffen wurde, zeigt ein Gespräch, das einige seiner Leute mit ihm in seinem Zelt über Lord Roberts hatten. Es wurde erwähnt, baß dieser im Kriege die Würde eines Earl, 2 000 000 die höchste Stellung im britischen Heere nnd einen weltberühmten Namen erworben hatte. De- larcy hörte eine Zeit lang ruhig zu uud sagte dann: „Ihr sprecht von dem, was Lord Roberts gewonnen hat, und scheint ihn zu beneiden, aber denkt Ihr je an seine Ver luste? Keiner von Euch hat in diesem Krieg einen Sohn verloren, nur Lord Roberts und ich, und ich habe Mit gefühl für ihn. Ich kann Euch versichern, daß er gern alle Ehre, jeden Pfennig seines Vermögens hingcben und zur Stellung eines Leutnants, ja sogar eines Tommy zurückkchren würde, könnte er dadurch seinen Sohn wiebcrgewittnen. Gewiß ist er ein Feldmarschall, aber er ist auch Vater. Ich kenne seine Gefühle, als er hörte, daß sein Sohn getödtet war. Ich habe denselben bitteren Kelch getrunken; aber er hat seinen einzigen Sohn ver- loren, und ich habe noch mehrere." Auch Delarey's zweiter Sohn, der kaum vierzehn Jahre alt war, stieß zu ihm an der Front. Eine Zeit lang lag er schwerkrank in Kronstad, aber er stand von seinem Bett auf, um den Befehl über die zerstreuten CommanboS zu Übernehmen, die sich Lord Roberts' Vormarsch von Bloemfontein ent- gcgenstellten. Lord Methuen hat als Gefangener und Verwundeter von Delarey nichts zu fürchten. Der Führer von De larey's Ambulanz berichtete, baß er stets den Befehl hatte, immer alle- Mögliche für die englischen Ver wundeten zu thun, und daß der General die Gewohnheit batte, die Gefangenen selbst zu besuchen, um zu sehen, daß sie richtig gepflegt würben. So wurde auch ein ver wundeter englischer Soldat Namens Lincoln in der Ge fangenschaft von Delarey besucht. Als der Soldat hörte, wer -er General war, rief er auS: „Ist bas der große Delarey?" Als der General Abends am Wachtfeuer von dem Vorfall hörte, lächelte er und sagte in seiner ruhigen, sanften Art: „ES ist etwas, von seinen Feinden „groß" genannt zu werben; aber cS ist größer, von ihnen als gut anerkannt zu werden." Denn der Soldat hatte er klärt, wenn er gewußt hätte, wer er wäre, „hätte ich salutirt, und wenn ich auf meinen Händen und Knien hätte hinkriechen müssen". Delarey stammt von Hugenotten ab, was man an seiner fein gemeißelten Nase, dem proportionirten Kopf und den zarten Händen und Füßen noch erkennen kann. Ein wohlgepfleater Bart hängt ibm biö aus die Brust und die ganze Figur er scheint durch den massiven, schönen Kops kleiner. „Er war eine seltsame Figur im Felde", erzählte ein Kriegs- eorrespondcut. „In einen groben» braunen Tweedanzug gekleidet, mit einem großen, hellfarbigen Flicken aus dem Hosenboden, ritt er einen zottigen Basutopony. Er hatte nichts von der sauberen Nettigkeit Louis Botha's, nichts von dem Eindruck machenden Aussehen Lucas Meycr's, und doch war sein kühnes und trauriges Auge und sein nachdenkliches «Äesicht achtunggebietend. Seine ange borene Würde behauptete sich trotz der Kleidung. Delarey ist ein zu guter Soldat, und hat eine zu hohe Achtung für seine Gegner, um sich zu kleinlichen Belästigungen gegen die Leute, die in seine Hände fallen, hcrabzuwttr- digen. Er ist ein Gentleman in des Wortes vollster Be deutung, tapfer, höflich und ritterlich." Delarcy ist als ruhig bekannt und er hat die Gewohn heit, langsam mit der Hand über die Stirn und Kopf zu fahren. Auch im Bvlksraad, dem er lange Jahre an gehörte, war er als ruhiger Mann bekannt. Deutsches Neich. -r- Berlin, 14. März. (Wahlgewaltsamkeiten.) Freisinnige Blätter berichten aus dem Wahlkreise Rasten- burg-Gerdauen über Vorkommnisse, für die der Ausdruck Wahlbeeinflussungen zu farblos wäre und die als Wahl gewaltsamkeiten bezeichnet zu werden verdienen. So sollen in verschiedenen Ortschaften Gendarmen von HauS zu HauS gehen, um die Flugblätter der nichlconservativen Parteien einzucassiren; in einem Dorfe sollen zwei Exporteure, die liberale Flugblätter auStrugen, von dem Gemeindevor steher mit eisernen Ofenkrüüen verletzt worden sein. Auf einem Rittergute sollen einem Exporteur die Flugblätter mit Gewalt entrissen und dann der Mann mit Hunden vom Hofe gehetzt worden sein. Es mag sein, daß durch der artige drastische Gewaltstreiche die Zahl der freisinnigen Stimmen vermindert wird, sicherlich aber wird diejenige der socialdemokratischen Stimmen vermehrt. Es ist ferner außerordentlich charakteristisch, daß derartige drastische Mittel uotbwendig erscheinen in einem anscheinend nn völlig sicheren Besitze der konservativen Partei befindlichen Wablkreise. Ist doch dieser Wahlkreis seit 1884 von den Eonservativen stets im ersten Wahlgange errungen worden, bei den letzten Wahlen noch immer mit einer Mehrheit von an nähernd 3000 Stimmen. Sollte aber die Wirkung der oben geschilderten eonservativen Agitation darin bestehen, daß ein «Locialdemokrat mit dem eonservativen Bewerber in die Stichwahl käme, so könnte den Eonservativen die Art und Weise, in der sie die freisinnige Wahlagitation bekämpfen, übel bekommen, denn daß eine derartige Kanipfesart die stärkste Verbitterung Lei dem davon getroffenen Gegner er regen muß, ist sicherlich begreiflich. Und damit gewinnen solche Vorgänge eine über den ostprcußiichen Wahlkreis weit hinauSgehende Bedeutung. ES giebt in Ostelbien eine ganze Reihe von Wahlkreisen, in denen die Entscheidung zwischen Conserva- tiven undSocialdemokraten in den Händen derFreisinnigen liegt. Dies ist beispielsweise in dem der NeichShauptstadl benachbarten Regierungsbezirke Potsdam in nicht weniger als vier Wahlkreisen der Fall, nämlich Ober-Barnim, Potsdam, Westhavelland und Belzig (gemäß dem Ergebnisse der letzten allgemeinen Wahlen). DaS Eharakteristicum bei den Wahlen deS letzten Jahrzehnts, besonders in Ostelbien, ist ja die Verschiebung deS Stärke- Verhältnisses innerhalb der Linken in der Weise, daß die Socialdemokratie in immer mehr Volkskreiscn die Freisinnigen auS der zweiten Stelle verdrängt, selbst an die zweite oder sogar an die erste Stelle und damit in die Stichwahl mit den Eonservativen gelangt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese charakteristische Erscheinung sich auch weiterhin fortsetzt. Um so mehr aber sollte» sich die Eonservativen davor hüten, die Freisinnigen durch eine allzu skrupellose Wahlagitation zu ver bittern, weil sonst die Ziffer der socialdemokratischen Mandate sich sehr erheblich vermehren könnte. Man darf nicht ver kennen, daß die Socialdemokratcn Lei den letzten allgemeinen Wahlen bereits nahezu ebenso viel Stimmen erhalten haben, wie die drei früheren Eartellparteien zusammengenommrn. Wenn sie trotzdem noch nickt halb so viel Mandate erhalten haben» wie diese drei Parteien zusammen, so lag dies ja ge wiß zum einen Theile daran, daß ungeheure socialdemokra- tisckc Stimmenmassen sich in einzelnen Niesenwablkreisen nutzlos concentriren (beispielsweise in Berlin IV und VI und in Hamburg III), zum zweiten aber daran, daß die Socialdemokraten zwar in einer großen Zahl von Wahlkreisen in die Stichwahl gelangen, aber Dank der Coalition der bürgerlichen Parteien nur in einem geringen Procentsatze dieser Wablkreise den endgiltigei: Sieg erlangen. Die bürgerlichen Parteien sollen und können sicherlich nicht den Kampf gegeneinander überhaupt aufgeben, aber sie sollen ihn stet» in solcher Weis« führen, daß wenigsten- in der Stichwahl ein geschlossenes Zusammen gehen gegen di« Socialdemokratie möglich ist, ohne daß eine übermenschliche Selbstüberwindung in Anspruch genommen wird. /?. Berlin, 14. März. (Vom deutschen Ostmarken- vereine.) Nachdem der Gesammtausschuß des deutschen Ostmarkenvereins im Herbste v. I. beschlossen hat, alle Orts gruppe» de» Vereins zu «rsuchrn, zum Andenken an den I. April Bismarckfeiern zn veranstalten, fordert das Organ deS Ostmarkenvereins, die „Ostmark", nochmals zur Veranstaltung von BiSmarckfeiern auf. Diese Veranstaltungen zum Andenken an Bismarck sollen zugleich ter Durchführung einer praktischen Aufgabe deS Ostmarkenvereins dienen. Nämlich sie sollen den Grundstock der Bismarckstiftung bilden Helsen, deren Zweck ist, hilfsbedürftigen Deutschen in der Ostmark, namentlich Handwerkern, Darlehen und Unter stützungen zu gewähren. Die „Ostmark" bittet daher die Veranstalter der BiSmarckfeirrn um die gleichzeitige Ver anstaltung von Sammlungen zu Gunsten der BiSmarckstiftung. Damit letzterer weitere Sammlungen zugeführt werden, bat der Hauptvorstand deS Ostmarkenvereins beschlossen, unter seinen Mitgliedern eine Bismarck-Lotterie zu veranstalten: es werden 80 000 Loose zu 1.4! auSgrgeben; als Gewinne, die im Betrag« von 15 000 beschafft werden, kommen Bismarck- Statuen, BiSmarck-Bilder und andere Bismarck-Andenken zur Ansloosung. — Die Einnahmen des StipendienfondS deS Ostmarkrnverein» baden im Jahre 1901 10 878 ^1, di« AuS- gaben 4097 -ckl betrogen; zur Zeit besteht der Stipendien- sonds auS 9000 in Pfandbriefen und 7762 -4? in Baar. Tie vi. Ferdinand von Hansemaun-Stiftung hat gegenwärtig einen Bestand von 585 in Baar und von 5l 700 ui Papieren; ihre Einnahmen auS Zinsen u. s. w. haben im Jahre 1901 1702 die Ausgaben für Stipendien 1690 betragen * Berlin, 14. Mürz. Die energische Mitarbeit der Schulen bei der Bekämpfung der Trunk sucht verlangt der preußische Cultusminister. Er hat au die Negierungen und Prvvinzial-Schul-Collegicn den folgenden Erlaß gerichtet: Die Bekämpfung der Trunksucht ist gegenwärtig zu einer Aufgabe geworden, an deren Lösung die weitesten Kreise sich bctheiligen. Auch die Schule kann hierzu Mitwirken im Sinne einer Belehrung des Volkes, die schon bei der Jugend cinzusetzen hat. Neben rührigen Vereinen haben auch parlamentarische Kreise sich dieser wichtigen Angelegenheit angenommen, und unter den Mitteln, die zur Bekämpfung des Alkvholgenusses em pfohlen worden sind, ist mit Recht auf die Mitarbeit der Schule hingcwicscn worden. Es ist mir wohl bekannt, daß Schulen wie Schulbehörden dieser Frage ihre Sorge längst und mit Eifer zugewandt haben, wie noch in letzter Zeit von Seiten einer königlichen Regie rung ganz im Sinne des Vorstehenden die Kreisschul- inspcctorcn verständigt worden sind. Aber die außer ordentliche Bedeutung der vorliegenden Aufgabe ver anlaßt mich, cs noch besonders zum Ausdrucke zu bringen, daß auch nicht eine einzige Volks schule sich der nachdrücklichen Vetheiligung an den Kämpfe n gegen das unheilvolle Uebcl der Tru n k« sucht entziehen darf. Menn dem Religionsunter richte hauptsächlich die ethische Seite, die Bekämpfung des Lasters, zufällt, so hat der Unterricht in der Natur kunde und Gcsundheitslehre vielfach Gelegenheit, die verheerenden Wirkungen des unmäßigen Alkohol genusses auf Gesundheit und Leben den Kindern zur Kcnntniß zu bringen. Hterneben bietet sich in der Schule auch sonst noch oft die Gelegenheit, auf das wirthschaftliche Elend hinzuweiscn, welches durch die Trunksucht verursacht wird. Die königliche Regierung ist in der Lage, durch Vermittelung der Schulinspcc- toren auf Lchrerconfcrcnzcn und sonst die in Rebe stehende Aufgabe der Volksschule näher zu bringen und sowohl den Lehrstoff, wie die Methode seiner Verwen dung im Unterricht gründlich ausarbeiten zu lasten. An geeigneten Lehrbüchern dazu fehlt cs nicht; hier sei nur auf ein ucuerschicncncs Buch hingcwicscn: „Die Schädlichkeit des Mißbranchs geistiger Getränke", her- auSgcgcbcn von I)r. Dicke und vr. Kohlmetz im Verlage von Hundt in Hattingen. Die eindringliche und wiederholte Erinnerung der Schulaufsichtsbeamten und Lehrer zu wirksamer Mitarbeit der Schulen überlasse ich der königlichen Regierung, behalte mir aber vor, über das dvrtscits Veranlaßte seiner Zeit Bericht zu erfordern/ — Ein preußisches Sondcrgesetz über die Bekämpfung von einheimischen anstecken de n K r a n k h e i t c n wird, wie Prof. Karl Fraenkel- Hallc in der „Deutschen mcdicin. Wochcnschr." mitthcilt, vorbereitet. Es handelt sich dabei darum, das ReichS- scuchcngcsctz, das sich im Wesentlichen mit der Be kämpfung der erotischen Seuchen, wie Cholera, Pest rc., die von Zeit zu Zeit auf deutsches Gebiet eingcschleppt werden, durch ein Landesgcsctz zu ergänzen, so daß das Ncichs-unddasLandcsgcsetzzusammett.dicGesammtheitdcr gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten enthalten wird. Prof. Fraenkcl lenkt die Ausmerksamlcit darauf, daß zunächst die Einführung der Meldepflicht für Tuberkulose noth thuc. Alle Bestrebungen hierin in Preußen, au den bestehenden Verhältnissen etwas zn ändern, scheitern daran, daß cs nach der Lage der Gesetzgebung unstatthaft ist, Bestim mungen zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten zn treffen, die über den Inhalt des Regulativs von 1805 hinausgehcn. Mcldcpflichtig sollen nach Fraenkcl die Todesfälle an Tuberkulose und alle tuberkulösen Er krankungen sein, bei denen nach der Prüfung des Einzel- fallcS anzunchmcn ist, daß von ihm auS eine Verschlep pung der Tuberkulose stattfinden kann. — Berliner Blättern zufolge soll der Wirkliche Geheime Ober- RegierungSrath Schwartzkopfs zum Nachfolger des Ministerial- directors I>r. Kügler ausrrfehen sein. Geheimer Rath Schwartz- kopfs ist der älteste der Vortragenden Rath« im CultuSmIinsterii»»: er hat erst unlängst durch seine sachliche, ruhig« und conciliante Erwiderung auf die CentruMSaipiratioiien im Abgeordnetenhaus« in günstiger Weise die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. — Die Chinadenkmnnze aus Stahl kürNlchtcombattonten ist u. A. auch dem Präsidenten des deutschen Reichstags Graf Balle st rem verliehen worden. * Kiel 14. März. (Telegramm.) Prinzessin Heinrich ist heute Vormittag 10>/- Uhr, von Darmstadt kommend, hier wieder eingelroffen. G Vrrmerhaven, 11. März. (Telegramm.) Als der Kaiser an Bord des Lloyddampfer» „Kehrwieder", der am Großmast die Kaiserstandarte gehißt Latte, die WcsersortS passirte, gaben die Forts den Kaisersalut ab. Während der Fahrt unterhielt sick der Kaiser besonder» mit dem Oberbau- dircctor FranziuS, ven der Kaiser gestern an Bord seines Panzers zum Vortrage befohlen batte. Um 11 Uhr traf der Dampfer „Kehrwieder" bei der Lloydhalle ein. Der Kaiser wurde dort von dem Vicepräsidenten des Norddeutschen Lloyd AcheliS und dem Generaldirector Wiegand empfangen, denen er die Hand schüttelte. Der Kaiser begab sich sodann unter be geisterten Zurufen der zahlreich herbeigeströmten Bevölkerung nach dem bereitstehenden Hofzuge, der 11 Uhr 10 Min. nach Bremen abfuhr. Streme», 14. März. (Telegramm.) Zn allen Kreisen der hiesigen Bevölkerung machte sich die freudigste Erregung über die für beule angekündigte Ankunft deS Kaisers bemerkbar. Sic findet in seit dem frühen Morgen zur Begrüßung deS Monarchen berbei^etiltcn, die Straßen, Plätze und Fenster füllenden Meuschenmassen, sowie in den in zahlreichen bunten Flaggen und im Guirlandenschmucke prangenden Staat«- uud PrivathSuseru ihren sichtbare«
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