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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020319023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902031902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902031902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-19
- Monat1902-03
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Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Molizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeige«. Preis die 6 gespaltene Petitzelle 2S H. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./i 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. Nr. 142. Mittwoch den 19. März 1902. 88. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Zur militärischen Lage. Die „Times" lassen sich von ihrem Special-Correspon- dcntcn in Pretoria unter dem 16. d. Mts. Folgendes über die militärische Lage auf dem Kriegsschauplätze tadeln: „So bcdaucrnswerth auch die Niederlage („migstup") im westlichen Transvaal ist, so wenig berechtigt sind die vielen alarmircndcn Gerüchte über die augenblickliche Lage. Solche Schläge sind sehr unangenehm, aber auch unvermeidlich in Anbetracht der merkwürdigen Uuistände, die den ganzen Feldzug begleiten und auszeichncn . . . Ls wäre einfach unsinnig, zu erwarten, daß eitle Cam pagne dieser Art zu Ende gebracht werden kann, ohne kleinere Erfolge auf Seiten der Boercn. Je seltener natürlich diese feindlichen Erfolge sind, desto schneller wird Las Ende des Krieges kommen, denn jeder Bocrcn- steg cnconragirt den Feind zn weiterem Widerstand und verlängert so die Feindseligkeiten. (Sehr wahr!) — Der einzige Weg, um diese bedauerlichen Vorfälle zu ver meiden, würde sein, daß auf unserer Seite jede Colonuc auf mindestens 2000 Mann verstärkt nnd gehalten würde, — was aber leider zu den Unmöglichkeiten, wenigstens unter vorliegenden Umständen, zu gehören scheint. Unsere Feldarmee ist für die gegebene Aufgabe zu klein, da der Feind über ein riesiges Gebiet zerstreut vpcrirt, was es unseren Truppen unmöglich macht, mit jeder einzelnen umhcrstrcifcndcn „Bande" gleichzeitig fertig zu werden. Da also zum Zwecke der Säuberung eines vom Feinde unsicher gemachten Districtes gewöhn lich eine größere Conccntration unserer Truppen erforder lich wird, so finden die Boercn in den anderen frei ge wordenen Bezirken Gelegenheit, sich wieder zn sammeln und ihrerseits an beliebiger Stelle anzugreiscn oder zu vperircn. Ihre so erzielten Erfolge haben allerdings den Lffcct einer moralischen Ermnthigung, aber einen perma nenten Einfluß auf den Verlauf des Feldzuges erzielen sic unter keinen Umständen. (?) Die in den letzten sechs Monaten erzielten britischen Resultate werden am besten durch das Factum illustrirt, daß Louis Botha, der im November noch ca. 2000 Manu an der Natal-Grenze con- ccntrircn konnte, jetzt höchstens noch 700 Mann zusam- mcnbringcn kann. (???) Ucbcrdics zeigt er auch absolut keine Neigung, zu kämpfen, trotz aller seiner Versiche rungen. sondern rctirirt vor General Bruce-Hamilton immer weiter ostwärts von Vryheid. — De Wct wird viel leicht sich mit Delarcy vereinigen, wenn er dies thunlich findet. Schalk Burger und die Transvaal-Negierung halten sich nördlich der Dclagoa-Nahn in der Nähe von Balmoral, nachdem sie den Trck nach Pictcrsburg aufgc- gcbcn haben. * London, 18. März, Abends. DaS Unterhaus verwarf mit 346 gegen 191 Stimmen den am Montag eingebrachte» An trag Campbell Bannermann, nach dem eine besondere Com- miision ernannt werden soll, die alle Käufe und Verträge der Regierung für die Zwecke des Krieges in Südafrika zu prüfen hätte. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. März. In einer höchst empfehlenswerten, im Berlage von Eugen Strien in Halle a. S. erschienenen Schrift des rühmlich bekannten Kirchen- und Staatsrechtslehrers Prof. Kahl über den sog. Toleranz-Antrag des Centrums wird als unausbleiblicher Erfolg deS Antrags, wenn er vom Reichstage und vom Bundesralhe angenommen würde, „Sie freie katholische Kirche in unsreicm Staate" bezeichnet. Die ultramontane Presse bestreitet, daß das der Zweck des Antrags sei, fast täglich aber erbringt sie schlagende Beweise dafür, daß der Ultramontanismus nichts so heiß ersehnt, als absolute Freiheit für sich und Beugung der Staaten unter seinen Willen. Wenn nun auch nicht anS dem Anträge selbst nachweisbar bervorginge, daß er das Ziel dieses Sehnens erreichen helfen soll, so würde auf diese Absicht schon anS dem ganzen Gebühren des UitramontaniSmus nnd seiner Organe geschlossen werden dürfen. Höchst charakteristisch für dieses Gebahren ist die folgende Mittbeilung, die der „Franks. Zeitung", die nebst ihren bayerischen Gesinnungsgenossen gewiß der Voreingenommenheit gegen den Klcrikaliönius nicht ge ziehen werden kann, ans München über das Vorspiel zu der „Toleranzschlacht" im Kindlkeller zugeht: „Wiederholt wird in der klerikalen Presse angedcutet, der hiesige Erzbischof habe Schritte beim Prinzregenteu gethan, um die Versammlung im Münchener Kindlsaal, in der am Mon tag Graf Hoeiisbroech sprechen sollte, zu verhindern. Tie klerikale Presse findet das ganz natürlich und ist un gehalten darüber, daß die Schritte nicht erfolgreich waren. Eigentlich sollte man aber die Mittheilung für unglaubwürdig halten, denn nach dein Gesetze kann eine Versammlung, wie die deS jung liberalen Vereins, von Niemand verboten werden und kein Deutscher — Hoensbroech ist ein Deutscher — kann nach dein bayerischen Vereinsgesctz am Sprechen in einer Versamm lung gehindert werden, so lange er nicht bestehende Gesetze verletzt. Das Gegentheil würde eine Gesetzesverletzung involviren, die nicht deshalb statthaft wäre, weil ein Redner nicht Allen willkommen ist. Der Erzbischof hat sich nun aber that sächlich im Sinne einer Verhinderung der Versammlung und der Rede an hoher Stelle bemüht, und unterstützt worden ist er dabei angelegentlich von einer bayerischen Prinzessin. Der Prinzregent fragte dann einen Würdenträger — keinen Minister —, was er von der Sache halte, und dieser — ein guter Katholik — drückte seinUrtheil so bestimmt und unzweideutig aus, daß nicht weiter von einer Verhinderung die Rede war. Wie die Dinge sich dann abgespielt haben, ist bei Hof sehr übel vermerkt worden. ES wird in dieser Beziehung von sehr drastischen Aeußerungen erzählt." Also auch hier das heiße Trachten nach absoluter Freiheit deS UltramontanismuS im Staate, dessen Oberhaupt die Hand zu einer Gesetzesverletzung zu Gunsten der intoleranten Toleranzschreier bieten soll. Und da das Polen t hu in trotz seines gelegentlichen Ankämpfens gegen die Bevormundung des CentrumS nun einmal unter dem Protectorate des Ultra- montanismnS steht, so wird auch für die Polen die absolute Freiheit gefordert und dem Staate die Duldung der gefähr lichsten Agitation, ja die Niederhaltung der diese Agitation bekämpfenden Vereine zugemuthet. Und da zur Zeit wenigstens diese Zumulhung abgewicscn wird, so wird gegen die Ver eine und ihre Förderer ein Treiben entfaltet, als ob sie und nicht die von ihnen bekämpfte polnische Agitation die verwerflichsten Ziele verfolgten. So erblickt die „Germania" in der Gründung einer Ortsgruppe deS deutschen Ost markenvereins in der alten Bischofsstab! Paderborn eine Sünde gegen den heiligen Geist deS UllramontaniSmuS und gerälh über diese Sünde so in Erregung, daß sie alle Regeln der politischen Klugheit und des politischen Anstandes vergißt. Sie behauptet zunächst, die Art, wie die Gründung der Ortsgruppe erfolgte, sei eine Provokation der katho lischen Bevölkerung. In welcher Weise aber ist die Be gründung der Ortsgruppe Paderborn nach dec eigenen Dar stellung der „Germania" eingeleitet worden? Dadurch, daß der Paderborner Gymnasiallehrer l)r. Hengesbach durch Karlen zu einer nichtöffentlichen Versammlung einlud! Wäre in einer öffentlichen Versammlung die Begründung einer Ortsgruppe angeregt worden, so hätte die Centruinspresse selbstverständlich gerade darin eine Provokation der katholischen Bevölkerung erblickt. Schrieb doch jüngst das bayerische Centrumsorgan, als Graf Hoensbroeck zu München in einer öffentlichen Versammlung sprechen sollte, wörtlich: „Tie Versammlung war öffentlich, cs hatte also Jedermann Zutritt, und da wäre eö denn doch am Platze gewesen, mit den heiligsten Gefühlen der Gegner nicht zu spielen." — Sachlich hat der Standpunct des bayerischen Centrumsblattes nur die Bedeutung eines Vorstoßes gegen die Versammlungsfreiheit; denn Niemand braucht eine öffentliche Versammlung zu be suche», wenn er befürchtet, daß in ihr seine heiligsten Gefühle verletzt werden. Sieht man indessen auf klerikaler Sei'e in der Veranstaltung uichtklerikaler öffentlicher Versammlungen eine Provokation der katholischen Bevölkerung, so muß man in der Einladung zu nichtöffentlichen Versammlungen, wie zu der Paderborner, umgekehrt die größte Rücksichtnahme auf die katholische Bevölkerung erblicken. Thut die „Germania" das Gegentheil, dann Locumeniirt sie aufs Neue den Geist nndulvsainster Herrschsucht, der de» Klerikalismus erfüllt. Hiermit begnügt sich aber die „Germania" noch nicht: sie vergißt sich so weit, dem Oberlehrer Di. HengeS- bach unlautere Motive für seine Bemühungen um di: Begründung einer Paderborner Ortsgruppe des Ostmarkenvereins unterzuschicben, indem sie ihm daS Bedürfniß imputirt, „nach oben hin von sich reden zu machen und sich damit vielleicht . . für einen höheren Posten zu empfehlen." Doch von dieser Verdächtigung eines politischen Gegners wollen wir ganz absehcn; sie gehört zu den Gewohnheiten der „Germania" ebenso, wie die Wahl der Bezeichnung „lirchen- und rcligioiisfeindliche Hetzerei" für jede wahrheitsgetreue Mittheikung eines neuen Beweises ultramontancr Intoleranz. Uns kommt eS heute lediglich darauf an, wiederum zu zeigen, daß der Ultramontanismus nichts so heiß ersehnt, als daS, was Professor Kahl als den Zweck des Toleranzantrags des Centrums bezeichnet. Welche unglaublichen Zumuthungen die preußischen Polen in ihren leidenschaftlichen PolouisirungSbestrebli»»cn an die deutsche Reichöpost zu stellen wagen, davon hat noch die letzte Sitzung des Reichstags vor den Osterferien einige schlagende Beweise erbracht. Unter Andern« wurde eine Brief adresse folgenden Wortlauts verlesen: „vc> ckogo Frczbis- kopij Itlosci ^ajpuocviolehnioszsrogo Xswcl/ia Hczpasterna bNorzana Olcsxrr Ltudlsusliic^o Oegata arock^o uo^o u. s. w. rv. Xrohi-Xl'übou" — und darunter stand auf deutsch geschrieben: „Au Seine erzbischöfliche Gnaden, den hochwürdigsten Herrn Erzbischof vr. v. Stadlcweki zu Kröben." Da der Absender hiernach bewiesen hat, daß er vollauf der deutschen Sprache mächtig war, so tritt die Verhöhnung der deutschen NeichS- post durch die Zufügung der endlosen polnischen Beschreibung klar zu Tage. Tie Post bat erfreulicher Weise eine solche Adresse, die für )eden rasch arbeitenden Beamten geradezu verwirrend sein muß, als unzulässig bezeichnet und den Brief von der Beförderung ausgeschlossen. Ter pol nische Absender bat sogar den Muth gehabt, dagegen den Schutz der Gerichte anzurufen, beide Instanzen aber haben der Post Recht gegeben. Ein anderer Pole hat di: Unverfrorenheit so weit getrieben, einer nach Warschau ge richteten, mit polnischer Adresse versehenen Postkarte als Bestimmungsland hinzuzufügen: „hirowKroo kolLlcio — König reich Polen," und der polnische Abgeordnete v. Glebocki scheute sich nicht, der Post einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie die Karte mit dem Hinzufügen: „Ein Königreich Polen giebt cs nicht", als unbestellbar zurückgewiesen hat. Herr v. Glebocki verdiente, Ehrenmitglied deS CentrumS zu werden. Im österreichische» Abgeordnetenhause sind gestern von alldeutscher Seite die Worte gefallen: „Hoch und Heil Sc» HohcnzoUern!" „Hurrab! die Hoheuzollern!" was zu argem Tumulte Anlaß gab. Schönerer hatte der Debatte — cs handelte sich um die zweite Lesung des Budget provisoriums — diese Wendung gegeben, indem er den anderen deutschen Parteien, namentlich der deutschen Volks partei vorwarf, nichts für die Codificirung der deutschen Staatssprache gethan zu haben, vr. v. Derschatta und Funke wiesen, wie schon kurz erwähnt, diesen Vorwurf ent schieden zurück. Heute liegt uns folgender ausführlicher Be richt vor, der die beiden deutschen Abgeordneten auf einem weit gemäßigteren Standpunkt als Schönerer, aber doch auch als Verfechter einer Politik zeigt, die dem Deutschthum daS ausschlaggebende Uebergewichl in Oesterreich verschaffen will und einen innigeren Anschluß an das deutsche Reich verlangt. In einer thatjächlichen Berichtigung erklärte vr. von Der schatta: Ich möchte feststellen, daß sämmtliche Deutsche daran festhalten, für eine Codificirung der deutschen Staatssprache zu sorgen, jedoch nach gehöriger Vor bereitung und in einem Augenblick, wo man bei einer Inan griffnahme der Lösung dieser wichtigen Frage auf eine Mög lichkeit des Erfolges rechnen kann. Ich hätte es auch nicht für nothwendig gesunde», auf die Schlußworte des Abgeordneten Schönerer rinzugehen. Die Vertreter des deutschen Volkes in Oesterreich, das Oesterreich geschaffen, groß gemacht und erhalten hat, hätten es nicht nothwendig gehabt, in diese Debatte einzugreifen. Weil aber der Abgeordnete vr. Kramarsch den Moment benutzt hat, unr auf diese Worte zurückzugreife», und das, gerade das, mag dem Abgeordneten Schönerer einigermaßen zur Lehre dienen, muß ich, so sehr ich das auch bedauere, nunmehr auch den Abgeordneten Kramarsch mit zwei Worten berichtigen. Er hat betont, die Ausführungen Schönerer'» hätten gezeigt. Laß diejenigen, welche die deutsche Staats sprache wünschen, Laß diejenigen, welche ein deutsches Oesterreich wollten, die Existenz dieses Reiches als eines selbstständigen Staates untergraben und daß ein Oesterreich mit der deutschen Staatssprache neben einem großen nnd mächtigen Deutschland unmöglich sei. Mit Verlaub! Ich glaube, wenn nicht die Gelegenheit so günstig gewesen wäre, hätte auch Abg. Kramarsch diesen Satz nicht ausge- sprachen. (Lehr richtig! links.) In Europa und auf der Welt ist Platz genug für ein großes deutsches Reich, an dem wir auch mit allen Fasern unseres Herzens hängen, weil es das Reich unseres deutschen Volkes ist und weil ei» Oester reich mit der deut scheu Staatssprache neben Deutschland, beide zusammen geführt von ihren glorreichen Herr scherhäusern, für jeden Deutsch-Nationalgesinnten das einzig Erstrebenswerthe ist. Ein Bund der Deutschen in Europa würde für die Welt ein Hort des Friedens, der Arbeit, deS Fortschritts und des Erfolges bedeuten, wie Feuilleton. yzs Die drei Freunde. Roman von Robert Misch. Nachdruck verboten. Mit den Gcdankensprüngen eines müßigen Menschen grübelte sic darüber nach; und dann beobachtete sie wieder, wie schnell oder langsam die Wolke dahineiltc, und welche Eontrastwirkungen die Himmelsbläue, die milchweiße Wolke, und die sattgrüne Tanne, zu einander bildeten. Und plötzlich mußte sie lächeln, dann aber laut lachen, als die Matte durch eine unwillkürliche Bewegung zu schaukeln begann und Paula's Aufmerksamkeit dadurch auf die Existenz dieses angenehmen und nützlichen Gegen standes lenkte. Diese Matte, die sic erst zwei Wochen be saß, hatte ihre Geschichte, oder vielmehr, cs spann sich be reits ein Mythen- und Sagenkreis um dieses unschuldige Gcräth, das man in jedem Großstadtbazar für wenige Mark kaufen kann. Paula hatte cs sich angenehm gedacht, in einer Hänge matte zu liegen, und es iu einem Briefe an Leue bedauert, baß in Rohrbach so etwas nicht zu kaufen sei. Sehr drollig hatte sic die verwunderten Fragen und Ausrufe der Ladcninhabcr bei diesem verunglückten Einkaufsvcrsuche geschildert, die alle die bestimmte und halb entrüstete Ver sicherung abgabcn, daß hier noch niemals irgend wer solch' einen überflüssigen Gegenstand verlangt hätte, seit Rohr bach überhaupt cxistirtc. Eine Schaukel hätten die Kinder; aber eine „erwachsene" Rohrbachcrin würde sich doch in „jo etwas" nicht hineinlcgcn. Achnlichcs mußte sic von ihrem getreuen Stadtcchv, der Tante Theres vernehmen; denn natürlich durchlief die interessante Kunde blitzschnell die Stadt. Sogar der Herr Bürgermeister brummte beim Mittagscssen etwas von „neumodischen Erfindungen", die sie gottlob hier nicht hätten. Und als Paula eine ganz unschuldige Miene dazu machte, sagte er, zn den Kindern gewendet, er würde ihnen zii Weihnachten eine Schaukel schenken, wenn sie und ihre Mama so gern schaukelten, worüber Klein-Helga in großen Jubel auöbrach. Man kann sich das Aufsehen vorstcllcn, welches das harmlose Gcräth in Rohrbach hervorricf, als cs nun eines Tage-, von Leue prompt übersendet, dort eintraf. Paula spannte es zuerst im Hintcrgartcn zwischen zwei alten, von Gebüsch umringten Bäumen auf. Es war an einem Nach mittag. Durch spazicrcugehcnde Damen, die sie dorr liegen sahen, verbreitete sich diese interessante Mär sehr schnell, so daß merkwürdig viel Leute innerhalb der nächsten zwei Stunden den kleinen Weg benutzten, der an des Bürger meisters Hintcrgartcn vorüberführte. Und Alle blieben sie von Weitem stehen und blickten neugierig durch das Gebüsch, wie die närrische Berliner Malcrsfrau nun wirtlich in dem schaukelnden Dinge lag und in einem Buche las, bis endlich Tante Theres (die die Kunde bei einer ihrer Freundinnen vernommen) schleunigst herbcistürzte und lant zu zetern anfing, cs sei gottlos und unanständig, und die ganze Stadt hielte sich darüber auf. Paula lachte sic aus und legte sich ein Schultcrtuch über Knie und Füße, als die Tante sic schalt, daß man diese letzteren, und den Saum des Unterrockcs sähe. Zum Sitzen, fuhr die Tante fort, hätte der liebe Gott doch die Stühle gemacht, die jeder vernünftige Christcnmcnsch be nützte. Paula erwiderte zwar, der liebe Gott hätte ganz was Anderes zu thun, als Stühle zu machen, und die Wilden hockten sich ja auch auf dem Boden nieder. Aber cs war ihr doch zu dumm geworden; und so legte sie Helga und Klein-Bruno in die Matte und schaukelte sie lachend. Gegen ein solches Kindcrspielzeug würde doch hoffentlich Niemand etwas cinzuwenden haben. Von jetzt an nahm sie die Hängematte nur noch in den Wald mit, wohin die Rohrbacher an Wochentagen nie mals spazierten, thcils aus Zeitmangel, theils aus Faul heit, und weil es überhaupt nicht Sitte war. Aber die Matte, obwohl sic sic wohlverwahrt in einem unverfäng lichen kleinen Täschchen trug, wurde zur Mythe in Rohr bach und bildete noch immer ein beliebtes Thema der Kaffeegesellschaften. Auch war nach der öffentlichen Meinung eine erbauliche Predigt des Herrn Pfarrers über den „sündhaften uud modernen Luxus" und die „Zerstreuungen des Müßig ganges" ans die berühmte Matte gemünzt, die sich in ihrem Berliner Bazar sicher nicht ein solches Aufsehen hatte träumen lassen. D r c i n n d z w a n z i g st c S C a p i t c l. Einige Tage danach spazierte Paula auf ihrem Lieb- lingswcge, einem kleinen Fußpfade, der von der Köhler hütte tiefer ig den Wald führte. Heute Morgen hatte ihr Franz endlich seine Ankunft in einem kurzen, glück strahlenden Briefe bestimmt für morgen oder übermorgen gemeldet. Endlich! Jetzt fühlte sie erst so recht, wie sehr er ihr gefehlt und was ihr der Freund bedeutete. Immer wieder uud wieder las sic die wenigen Zeilen. Er hätte einen Thcil des Vorschusses erhoben, er „schwämme in Gold und Glück", sein Buch sei fertig und nach seiner Meinung gelungen — nun käme er, um sich hier einige Wochen zu erholen. Und dann eine gchcimnißvolle An deutung, die sie tief crröthcn machte. Sie hätte aufjubelu mögen, so froh uud glücklich fühlte sic sich, so strahlend erschien ihr plötzlich die Welt. Und selbst Rohrbach, das ihr sonst wie ein großer Kerker vor kam, dünkte sic nun ein Ort dcs Glückes. So schritt sie langsam dahin. Ringsumher ein tiefes Schweigen, das nur zuweilen das leise Rauschen der Blätter unterbrach, wenn sic der leichte Sommcrwind streifte. Tief in Gedanken und Träumen versunken, nahm sic doch mit allen Sinnen die Natur ringsumher in sich auf. An einer riesigen, vom Alter halb ausgehöhlten Eiche kreuzte die schmale Fahrstraße, eigentlich nur ein tief aus- gcfahrcncs, grasüberwuchertcs Gleise, den Fußsteig. Eine roh gezimmerte Bank, von kunstloser Hand zu- sammengcfügt, schmiegte sich an den Stamm. Hier ließ sic sich nieder. Oben hatten sich Vögel eingc- nistet, die unter der breiten Krone ein rcgcnsichercs Asyl fanden; Käfer und Jnsccten bevölkerten den alten Baum, und dicht daneben befand sich eine Amcisencolonic, die in langen Zügen eifrig ihren Geschäften nachging. Im An fang hatte sich Paula als echte Großstädterin vor dem kriechenden nnd fliegenden Gewürm gefürchtet und ge ekelt. Jetzt fühlte sie sich schon der Natur näher. Sic zog ein Buch hervor und versuchte zu lesen; aber die Gedanken ließen sie nicht dazu kommen. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen ließ sie cs in den Lchvoß sinken nnd blickte träumerisch auf das Gewimmel der Ameisen. Von fern tönte das leise Knarren eines Wagens, das Schnaufen eines Pferdes, die sich langsam näherten. Paula blickte gar nicht auf, bis der Wagen dicht neben ihr anhiclt. Aber sic fuhr erschrocken in die Höhe, als plötz lich I)r. Meingart mit abgezogenem Hute vor ihr stand. Paula blickte ihn scheu und verlegen an, dunkle Röthc im Antlitz. Ein Alleinsein hatte sie seit damals zu ver meiden gewußt; stets umgaben sic ihre Kinder gleich einer lebendigen Schntzmaucr. Der Doctor aber trat ganz unbefangen näher, nachdem er die Leine des kleinen Einspänners, den er selbst auf dcu Laudbcsuchen zu lenke» pflegte, um einen Ast ge schlungen. Daun setzte er sich neben sie auf die Bank. „Ganz allein? Wo haben Sic denn Ihre Kinderchen?" „Beim Köhler drüben . . ." „Wissen Sic, daß man sich darüber aufhält, daß Sic so allein — ?" „Ich weiß cS. Man hält sich über Alles auf, was ich thuc: daß ich zu viel lese uud nicht den ganzen Tag Strümpfe stricke und koche. Ucbrigcns läßt mich Tante Theres gar nicht in die Küche hinein, trotzdem ich sehr gut kochen kann. Oder soll ich vielleicht meine kostbare Zeit in den Kaffeekränzchen der Rohrbachcr Damen ver klatschen? Daß ich das nicht thuc, daher rührt der ganze Grimm und das Gerede! Sic sind mir zu albern und zu boshaft, Ihre Rohrbachcrinucu . . . nnd sie langweilen mich. Ta gehe ich lieber mit meinen Kindern spazieren. Selbst der Köhler ist mir interessanter; und eine einzige Seite dieses Buches sagt mir mehr, als ein ganzer Tag in der Gesellschaft dieser Damen." „Nun, ich denke im Grunde nicht viel besser von ihnen. Freilich darf ich's nicht so laut sagen." — Neugierig nahm er ihr das Buch aus der Hand. — „Was lesen Sic denn so Interessantes? — Raskolnikow von Dostojewski. — Das ist wohl auch einer von den neuen Russen?" „Ja, und ich habe nie ein Buch gelesen, das mich mehr im Innersten erschüttert und zum Nachdenken gereizt hätte/l „Jedenfalls finde ich es viel vernünftiger, Sic lesen Romane, als den philosophischen Krimskrams." „Warum sott ich ihn denn nicht lesen, diesen — Krims krams?" „Weil es für Frauen nicht paßt." „Für welche Frauen? Ihr Geschlecht liebt cs immer noch, die Frau als Gattung zn betrachten, nicht als eine besondere Persönlichkeit — Jede verschieden von der An deren. Daß wir nur ja nicht zu klug werden! Sonst hören wir ja auf, die gefügige Hausselavin dcs hohen Gebieters zu sein." „Lernen Sic diese modernen Ideen aus Büchern oder von Ihrem Freunde?" Ein schlecht verhehlter Groll sprach aus ihm. „Lassen Tie, bitte, den aus dem Spiel!" „Und doch habe ich Recht. Hinter der Philosophie
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